Das Neue Testament für Kirchenferne - Michael Büschken - E-Book

Das Neue Testament für Kirchenferne E-Book

Michael Büschken

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Beschreibung

In diesem Buch wird das Neue Testament aus einer glaubensfernen Perspektive erforscht. Anders als im Atheismus wird ein Gottesglaube nicht abgelehnt, sondern neugierig betrachtet. Es wird versucht, sich in die Köpfe religiös orientierter Menschen hineinzuversetzen, um ihre Sichtweise der Welt zu verstehen und ihren Glauben aus ihrer eigenen Perspektive zu beschreiben. Dabei entsteht die Erkenntnis, dass ihre Weltanschauung fundamental anders ist als die von weltlich Orientierten. Unter Einbeziehung der hebräischen Sprache und kultureller Referenzen der Thora werden die biblischen Texte auf der Suche nach dem Heiligen untersucht. Trotz des naturwissenschaftlichen Weltbildes des Autors bemüht er sich dennoch, das Heilige, das in den Schriften beschrieben wird, zu begreifen. Diese einzigartige Herangehensweise bietet einen faszinierenden Einblick in die spirituellen Dimensionen des Neuen Testaments und fördert den Dialog zwischen Gläubigen und Glaubensfernen. Das Neue Testament wurde von religiösen Ju­den ge­schrieben, die Jesus als ihren Messias an­erkannten. Religiöse Menschen nehmen die Welt anders wahr als nichtreligiöse Menschen, die alle Phänomene mit Na­turgesetzen verste­hen wollen. Religiösen Menschen erscheint das Heilige hinter und in den Dingen. So nehmen also etwas wahr, was nicht religiösen Menschen verborgen ist. Wenn man das als nichtreligiöser Mensch nicht nachvollziehen kann, heißt das nicht, dass religiöse Menschen sich irren. Es sind einfach unterschiedliche Gruppen, die sich auf Anhieb nicht verstehen und sich nicht aus­tauschen können. Dennoch soll hier ein Zugang gefunden werden, um das Heilige nachvoll­ziehbar zu machen. Das bedingt nicht einen Glauben. Glaube kann wahr oder falsch sein. Ganz klar. Aber ein inneres Erleben eines religiö­sen Menschen kann nicht unwahr sein. Es handelt sich um eine ganz persönliche Wahr­heit, die man respektieren sollte.

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Michael Büschken

Das Neue Testamentfür Kirchenferne

Wer nicht glauben kann,kann aber verstehen

Ein atheistisch-christlicher Dialog zum Verständnis des religiösen Erlebens

© 2024 Michael Büschken

Website: schamane-ausbildung.com

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die

Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: Michael

Büschken, Köln-Aachenerstraße 43,

50127 Bergheim, Germany.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Für wen dieses Buch gedacht ist

Einleitung

1. Die Erlebniswelt des religiösen Menschen

1.1 Das Wandelbare und Unwandelbare

1.2 Zwei Arten des in der Weltseins.

1.3 Das heilige und die Geschichte

1.4 Fiasco Religion

1.5 Gott und Religion ist weiterhin in der Welt

2. Das allgemeingültige profane Leben und das heilige Leben von Jesus

2.1 Sakralisierung des Politischen

2.2 Miriam

2.3 Nasciturus - Einer der geboren werden wird

2.4 Reise nach Bethlehem

2.5 Die Geburt Jesu

3. Die Taufe Jesu

3.1 Johannes der Täufer, einzig einzigartige Gestalt

3.2 Jesus Lässt sich taufen

3.3 Jesus in der Wüste

4. Das Reich Gottes in Gleichnissen

4.1 Die Rede über das Leben in der Gemeinde: Matthäus 18,21-35

4.2 Der barmherzige Samariter

5. Heilung im Alten Testament

5.1 Exodus 4,5

5.2 Usija (Asarja) (2.Buch der Chronik, 26)

5.3 Die Krankheit Hiskijas (Das Buch Jesaja, 38)

6. Wie heilt Jesus die Menschen seiner Zeit

6.1 Die Heilung eines Mannes am Sabbat

6.2 Der Hauptmann von Kafarnaum

6.3 Die Heilkraft des Wortes

6.4 Die Heilung eines besessenen Jungen

6.5 Das jüdische Gebet

6.6 Die Erhörung der Bitte einer heidnischen Frau

7. Dämonen und unreine Geister

7.1 Dämonenbezeichnung in der Bibel

7.2 Dämonenaustreibung in den Evangelien

7.3 Exorzismus im Neuen Testament

8. Die Bergpredigt und die Feldrede

8.1 Matthäus und die Bergpredigt

8.2 Lukas und Matthäus, zwei verschiedene Sichtweisen

8.3 Die Seligpreisungen

8.4 Die Seligpreisungen bei Matthäus 5,3

8.5 Die Seeligpreisung bei Lukas Lk 6,20

9. Wie geht Jesus mit Konflikten und Gewalt um?

9.1 Das Gleichnis vom treuen und vom schlechten Knecht aus Lukas 12

9.2 Von Frieden und Zwietracht (Lk 10,49)

9.3 Der Konflikt mit den Mächtigen

9.4 Die Räuberhöhle

9.5 Worte gegen die Schriftgelehrten

9.6 Der Hohepriester Kajaphas und Jesus

9.7 Die Salbung des Königs?

9.8 Die Verurteilung

9.9 Wer war eigentlich Barrabas?

10. Der Kreuztod Jesu und die Auferstehung

10.1 Verzweiflung an Gott?

10.2 Auferstehung

10.3 Die Begegnung mit dem Auferstandenen auf dem Weg nach Emmaus

10.4 Zurück ins Leben?

11. Aufbruch ins Christentum

11.1 Apostel Paulus Saulus

11.2 Die Trennung zwischen Juden und Christen

11.3 Der Evangelist Johannes

11.4 Der Umgang mit Wundern

Fazit

Literatur

Das Neue Testament für Kirchenferne

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Für wen dieses Buch gedacht ist

"Kirchenfern" meint eine Distanz oder Trennung von der Kirche oder religiösen Institutionen. Entweder gehört man keiner bestimmten religiösen Gemeinschaft an oder man hat sich von organisierter Religion distanziert. Für Kirchenferne gibt es verschiedene Gründe, wie persönlichen Überzeugungen, Entfremdung von religiösen Traditionen oder Skepsis gegenüber institutionellen Strukturen. Das Christentum steht vor einem Zerfall ohne gleichen. Die Kirchenaustrittszahlen sind alarmierend. Menschen sind bitter enttäuscht über die Unglaubwürdigkeit der Glaubensinstitution Kirche. Solche Enttäuschungen können aus verschiedenen Gründen entstehen, wie zum Beispiel Skandale innerhalb der Kirche, Missbrauch von Autorität, mangelnde Transparenz oder ein Widerspruch zwischen den verkündeten Werten und dem tatsächlichen Verhalten der Institution. Trotz dieser Enttäuschungen ist es wichtig zu betonen, dass der Glaube an Gott oder spirituelle Werte nicht zwangsläufig von den Handlungen oder Versäumnissen religiöser Institutionen abhängt. Viele Gläubige finden ihre spirituelle Erfüllung und Verbindung zu höheren Werten außerhalb formaler religiöser Strukturen.

„Gläubensfern" hingegen meint, dass man weit entfernt von Glauben oder religiöser Überzeugung ist. Man findet keinen inneren Zugang zum Glauben. Dafür kann es vielerlei Gründe gaben. Frühere Erfahrungen mit Religion oder spirituellen Praktiken können das Vertrauen in den Glauben beeinflussen. Negative Erfahrungen wie Enttäuschungen, Konflikte oder Missbrauch können dazu führen, dass Menschen sich von religiösen Überzeugungen distanzieren.

Einige Menschen bevorzugen einen rationalen Ansatz für das Leben und haben Schwierigkeiten, an Konzepte zu glauben, die nicht durch wissenschaftliche Beweise gestützt werden können. Diese Skepsis kann es schwermachen, einen inneren Glauben zu entwickeln.

Die persönliche Weltanschauung und Lebenserfahrungen spielen eine wichtige Rolle bei der Formulierung von Glaubensüberzeugungen. Menschen, die in einer Umgebung ohne religiöse Prägung aufgewachsen sind oder die von einer materialistischen Weltanschauung geprägt wurden, können Schwierigkeiten haben, einen Zugang zum Glauben zu finden.

Einige Menschen fühlen sich spirituell leer oder suchen nach einem tieferen Sinn und Zweck im Leben, finden jedoch keine Erfüllung in traditionellen religiösen Lehren oder Praktiken.

Der Glaube kann auch durch die Verbindung mit einer religiösen Gemeinschaft oder spirituellen Lehrer gefördert werden. Wenn jemand keine Unterstützung oder Inspiration von anderen Gläubigen erhält, kann es schwierig sein, einen inneren Zugang zum Glauben zu finden.

Glaubensferne ist eine eher passive Haltung. Ein Glaube kommt im Leben einfach nicht vor und ist kein Thema. Man ist nicht glücklicher oder unglücklicher mit oder ohne Glauben.

Während also jemand, der glaubensfern ist, möglicherweise einfach desinteressiert oder unentschlossen bezüglich religiöser Fragen ist, leugnet ein Atheist aktiv die Existenz von Gott oder übernatürlichen Kräften.

Alle aufgezählten Gründe für Kirchenferne, Glaubensferne oder Atheismus drücken Haltungen aus. Haltungen gegenüber dem Christentum. Viele der ethischen Lehren des Christentums, wie Nächstenliebe, Mitgefühl, Vergebung und Barmherzigkeit, haben universelle Anziehungskraft und können von Menschen verschiedener religiöser Hintergründe oder sogar ohne religiösen Glauben geschätzt werden. Es ist durchaus möglich, dass jemand die ethischen Prinzipien des Christentums schätzt und in seinem Leben anwendet, ohne notwendigerweise an die religiösen Aspekte des Glaubens zu glauben. Einige Menschen mögen die moralischen Lehren des Christentums als moralische Richtschnur für ihr Leben betrachten oder finden Inspiration in den Lebensgeschichten von Jesus und anderen biblischen Figuren, ohne die religiösen Aspekte des Glaubens anzunehmen. Sie können die ethischen Prinzipien des Christentums als Quelle der Orientierung betrachten, um ein sinnvolles und moralisch erfülltes Leben zu führen.

Hierin mögen die Gründe liegen, die nahe legen, sich mit dem Neuen Testament zu beschäftigen. Gläubige Menschen beschäftigen sich mit der Bibel um ihren Glauben zu stärken oder zu festigen. Als kirchenferner, glaubensferner oder atheistisch denkender Mensch mögen die Gründe darin liegen, unsere kulturellen Wurzeln besser zu verstehen, aber viel wichtiger, unsere gläubigen Mitmenschen zu verstehen. Gegenwärtig herrscht eher ein gegenseitiges Kopfschütteln und Unverständnis. Im Städtischen Leben spielt Glauben häufig gar keine Rolle mehr und doch sieht man sonntags wenige Menschen in die Kirche gehen, mit denen man sonst völlig säkular zusammenlebt. Im ländlichen Bereich wird vielerorts noch traditioneller gelebt, da aber aufgrund von Stadtentwicklungen viele städtische Menschen aufs Land ziehen vermischen sich gläubige und nichtgläubige Menschen auch hier mehr und mehr, Versteht man sich noch? Nein aber man meidet dasThema. Gleichzeitig sehen wir durch die Migration viele Menschen die intensiv ihren Glauben leben. Seien es Muslime, Juden, Hindus oder Christen anderer Länder u.a. Und hier wirken sogar unsere christlichen Wurzeln noch, obwohl wir meinen sie verloren zu haben, nämlich die Xenophobie gegenüber Andersgläubigen. Es ist Zeit für einen Dialog zwischen Gläubigen und Glaubensfernen und dazu möchte ich einen Beitrag leisten. Aus der Sicht eines Kirchen- und Glaubensfernen betrachte ich das Neue Testament. Vieles kann ich mit meinem naturwissenschaftlichen Weltbild nicht verstehen. Das dann aber als Märchen oder Mythos abzulehnen, wäre zu einfach obwohl vielerorts praktiziert. Bei der Suche nach dem „historischen Jesus“ in der „historischen Bibel“ wird einfach alles verworfen, was nicht naturwissenschaftlich erklärbar ist und lässt nur Aussagen gelten, die naturwissenschaftlich nachvollziehbar sind. Das kann man machen, man banalisiert aber dadurch den Glauben. Das Alte und das Neue Testament sind ja gerade Zeugnisse von „Heiligem“ und keine historischen Schriften. So findet man keinen inneren Zugang zum Heiligen, was da beschreiben wird.

Ich möchte versuchen das Heilige, von dem die Bibel berichtet aus sich selbst heraus verstehen. Der Religionswissenschaftler Mircea Eliade (1907 – 1986) hat diesen Ansatz entwickelt und vertreten und insbesondere auf Naturreligionen, Schamanismus und den Hinduismus angewandt. Ich möchte im Folgenden das mit dem Neuen Testament versuchen. Das Neue Testament erklärt sich dann nicht durch das wirken eines allmächtigen Gottes, sondern durch ein Glaubenssystem das für das Neue Testament quasi Pate stand, nämlich die Thora. Das ist die Referenz für alle Begebenheiten im Neuen Testament. Die zweite Referenz ist die hebräische Sprache. Die Evangelien wurden auf Griechisch verfasst. In griechischer Sprache wurde erzählt, was hebräisch sprechende Menschen gesagt, getan, erlebt und empfunden haben. Die hebräischen Begriffe tragen den Kulturschatz der ganzen Jüdischen Kultur mit sich und haben eine ganz andere Tiefe, die Übersetzungen nicht transportieren können. Viele Fragen erschließen sich ganz leicht durch den Blick aufs Hebräische. So beginne ich die Suche nach dem Heiligen im Neuen Testament.

Einleitung

Das Neue Testament wurde von religiösen Juden geschrieben, die Jesus als ihren Messias anerkannten. Religiöse Menschen nehmen die Welt anders wahr als nichtreligiöse Menschen, die alle Phänomene mit Naturgesetzen verstehen wollen. Religiösen Menschen erscheint das Heilige hinter und in den Dingen. So nehmen also etwas wahr, was nicht religiösen Menschen verborgen ist. Wenn man das als nichtreligiöser Mensch nicht nachvollziehen kann, heißt das nicht, dass religiöse Menschen sich irren. Es sind einfach unterschiedliche Gruppen, die sich auf Anhieb nicht verstehen und sich nicht austauschen können. Dennoch soll hier ein Zugang gefunden werden, um das Heilige nachvollziehbar zu machen. Das bedingt nicht einen Glauben. Glaube kann wahr oder falsch sein. Ganz klar. Aber ein inneres Erleben eines religiösen Menschen kann nicht unwahr sein. Es handelt sich um eine ganz persönliche Wahrheit, die man respektieren sollte. Treffen sich religiöse Menschen, tauschen sie ihre persönlichen Wahrheiten aus, entsteht ein religiöses Weltbild. Religiöse Menschen sind Menschen, die einen Bezug zum Heiligen erlebt haben. Religiöse Menschen sind keine Gläubigen, die einfach nur daran glauben, was ihnen berichtet oder beigebracht wurde, weil sie es für plausibel halten. Trifft man einen religiösen Menschen, so hat dieser eine Wahrheit mitzuteilen, zu der ein nichtreligiöser Mensch ad hoc keinen Zugang hat. Hier wollen wir den Versuch unternehmen, die Wahrnehmung und den Bezug des Heiligen des religiösen Menschen nachzuvollziehen.

Das Neue Testament berichtet vom Erleben des Heiligen. Berichte vom Wirken Jesu gehen mit einer besonderen Kraft einher. Eine moralische Kraft, eine Kraft der Hoffnung, aber auch eine Kraft der Heiligkeit, der Transzendenz, der Göttlichkeit. Jenseits von Dogmen und Glauben wollen wir in diesem Buch versuchen zu verstehen, was dort vor sich ging.

1. Die Erlebniswelt des religiösen Menschen

Um Religion zu verstehen, ist es wichtig, nicht mit modernen Augen auf religiöse Erfahrungen oder Traditionen zu schauen. Man darf nicht den Fehler machen, sie als frühe Entwicklungsstufen auf dem Weg zur modernen Welt zu betrachten. Stattdessen sollten wir versuchen, die Religionen und Kulturen in ihrem eigenen Kontext zu begreifen.

Wir müssen verstehen, wie die Menschen in diesen Kulturen sich selbst sehen, ohne sie durch moderne Wissenschaften wie Naturwissenschaften oder Psychologie zu interpretieren. Früher wurden traditionelle Kulturen oft als primitiv angesehen und ihr religiöses Wissen als minderwertig betrachtet. Man sah ihre Götter als bloße Metaphern für Naturkräfte an, was aus heutiger Sicht überholt erscheint. Wir können Naturkräfte heute auf wissenschaftliche Weise erklären.

Doch diese moderne Sichtweise bewirkt, auf traditionelle Kulturen herabzublicken, ohne sie wirklich zu verstehen. Mircea Eliade versuchte sich in die Köpfe der Menschen dieser Kulturen hineinzuversetzen und ihren Glauben aus ihrer eigenen Perspektive zu beschreiben. Dabei erkannte er, dass ihre Sichtweise der Welt grundlegend anders ist als die moderne Religiöse Erfahrungen und Überzeugungen können nicht einfach als minderwertiges Wissen abgetan werden. Sie haben eine eigene Struktur und müssen aus dieser heraus verstanden werden. Ein zentraler Begriff zur Erklärung traditioneller Kulturen ist "ieró faní" (griechisch für "Heiliges erscheint").

Der Mensch erfährt das Heilige, weil es sich zeigt und sich von allem Profanen völlig unterscheidet. Wir unterscheiden im folgendem zwischen „profanem Erleben“ und dem „Heiligen, das sich zeigt.“ Das Wort "profan" bezieht sich im Allgemeinen auf etwas, das weltlich, alltäglich oder nicht religiös ist. Man könnte sagen, dass die Geschichte der Religionen aus einer Vielzahl von "ieró faníen" besteht, also Manifestationen heiliger Realitäten.

Von der einfachsten Manifestation eines Heiligen in einem Gegenstand wie einem Stein oder einem Baum bis zur höchsten "ieró faní", wie zum Beispiel die Inkarnation Gottes in Jesus Christus für einen Christen. Es gibt keinen Unterschied. Es handelt sich immer um denselben geheimnisvollen Vorgang: Das völlig andere, eine Realität, die nicht von unserer Welt ist, zeigt sich in Gegenständen, die integraler Bestandteil unserer natürlichen, weltlichen Welt sind.1

Das Heilige zeigt sich für den religiösen Menschen von selbst. Es ist nicht etwas, das er einfach erfindet oder sich vorstellt. Für den Menschen ist das Heilige ein persönlicher Eindruck, den er innerlich spürt und in seinem Denken reflektiert. Es ist aber keine physische Erfahrung wie das Sehen, Schmecken oder Riechen von Dingen. Das Heilige zeigt sich im Bewusstsein des Menschen, aber es ist nicht vom menschlichen Bewusstsein abhängig.

Das Heilige hat eine eigenständige, objektive Realität, die unabhängig von einzelnen Menschen oder ihrem Erleben existiert. Das zu verstehen fällt modernen Menschen oft schwer, die daran gewöhnt sind, alles Geistige auf nicht-geistige Dinge zurückzuführen. Wenn man sagt, dass das Heilige sich zum Beispiel in einem Sakrament oder einer Reliquie zeigt, argumentiert der moderne Mensch oft, dass dies nur eine Konstruktion des menschlichen Geistes ist. Aber für den religiösen Menschen ist das Heilige wirklich und objektiv, unabhängig vom Menschen selbst.

Das Heilige zeigt sich oft in Dingen der materiellen Welt. Doch wie steht das Heilige in Beziehung zu diesen Objekten?

Der moderne, rational denkende Mensch fühlt sich manchmal unwohl bei bestimmten Erscheinungen des Heiligen. Es fällt ihm schwer zu verstehen, dass für manche Menschen das Heilige in Steinen, Bäumen, Felsformationen, Statuen, Kruzifixen oder Reliquien erscheinen kann. Aber es geht nicht darum, den Stein oder den Baum, oder die Statue selbst anzubeten. Der heilige Stein, der heilige Baum wird nicht als Stein oder Baum verehrt, sondern weil sie etwas Heiliges zeigen, etwas, das nicht mehr nur ein Stein oder Baum ist, sondern das Göttliche, etwas ganz anderes. Auch wenn das Heilige in Gegenständen erscheint, übersteigt es diese Gegenstände, indem es sich zeigt.2

Das Wort "Transzendenz" bedeutet auf Deutsch "Übersteigen".

Das Heilige ist größer und wichtiger als die Dinge oder Symbole, in denen es sich zeigt. Wenn sich das Heilige zum Beispiel in einem Baum zeigt, hängt es nicht vom Baum ab. Das Heilige kann sich in vielen verschiedenen Dingen zeigen. Aber diese Dinge beeinflussen das Heilige nicht. Sie sind nur der Ort, an dem es sich zeigt.

In der Beziehung zwischen dem Heiligen und seinem Träger zeigt sich etwas Konstantes im Veränderlichen. Die Dinge in der materiellen Welt verändern sich, sind vergänglich und können geteilt werden. Wenn ein heiliger Baum alt oder zerstört wird, stirbt das Heilige, das sich in ihm zeigt, nicht mit ihm.

Wenn zum Beispiel eine heilige Reliquie zerstört wird, stirbt das Heilige nicht mit ihr. Es bleibt trotzdem bestehen.

1.1 Das Wandelbare und Unwandelbare

Das Heilige ist etwas, das immer gleich bleibt und auf uns wirkt, selbst wenn alles andere sich verändert. Das bedeutet, dass man nicht nur das Heilige erkennt soll, sondern auch die Spuren des Unveränderlichen in den Dingen findet.

Für den religiösen Menschen kann sich etwas offenbaren, das nicht Teil der materiellen Welt ist, sondern sie übersteigt. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen liegt darin, dass die materielle Welt sich ständig verändert, während das Heilige unveränderlich und rein geistig ist.

Was ist das Verhältnis zwischen dem Heiligen und seinem Träger, wie zum Beispiel einer heiligen Statue?

Der Heilige, wie zum Beispiel Gott, ist grundlegend anders als sein Träger wie bspw. die Statue. Er übersteigt seinen Träger und ist nicht von ihm abhängig. Es gibt also eine grundlegende Unterschiedlichkeit zwischen ihnen. Gleichzeitig muss es aber auch eine Verbindung zwischen ihnen geben. Damit sich das Heilige in einem Gegenstand manifestieren kann, muss dieser Gegenstand dem Heiligen in gewisser Weise ähnlich sein und eine Form von Verbindung zu ihm haben. Die Offenbarung des Heiligen geschieht nicht zufällig, und nicht jedes mögliche Heilige kann sich in jedem beliebigen Gegenstand zeigen. Es besteht also eine konkrete Beziehung zwischen dem Heiligen und seinem Träger.

Es gibt zwei Arten von Ordnungen - eine, die man sehen und berühren kann, und eine, die über das Physische hinausgeht. Es gibt Dinge, die sterblich sind, und Dinge, die unsterblich sind. Es gibt das, was existiert, und das, was entsteht. Kurz gesagt, es gibt Dinge, die man wahrnehmen kann, und darüber hinaus gibt es etwas, das man nicht wahrnehmen kann - eine Art spirituelle Dimension. In verschiedenen Kulturen auf der ganzen Welt gab es dieses Wissen, das wie ein festes Fundament diente, um alles andere zu ordnen.3

Wie zeigt sich das Heilige in der Welt?

Man kann das Verhältnis zwischen dem Heiligen und seinem Träger als Abbild oder Urbild beschreiben. Die veränderliche materielle Welt bildet das Heilige nach. Sie versucht, ihm ähnlich zu sein, indem sie es in einer anderen Sphäre darstellt. Ähnlich wie ein Abbild im Vergleich zum Original in einem anderen Medium erstellt wird, aber versucht, dem Original so nah wie möglich zu kommen. Der Träger des Heiligen ist also das Materielle, das versucht, für einen Moment das Nicht-Materielle einzufangen und sichtbar zu machen.

Von der katholischen Kirche wird eine solche Offenbarung des Heiligen „constat de supernaturalitate“ bezeichnet (Es steht fest, dass es sich um Übernatürliches handelt.) Darunter fallen viele Marienerscheinungen. (Fátima, Lourdes, Guadalupe u.a.) Hier erscheint das Heilige vielen Gläubigen, die es unabhängig voneinander bezeugen.

Viel wichtiger ist aber das persönliche intime Erscheinen des Heiligen für den einzelnen. Danach bedarf es keinen Beweises mehr, denn das Erscheinen ist für den Betroffenen Beweis genug.

Das Urbild, das als Referenz dient, ist die ursprüngliche Form des Heiligen, seine reine geistige Realität. Das Konzept von Abbild und Urbild erklärt, warum sich das Heilige in verschiedenen Objekten zeigt. Es gibt mehrere Abbilder eines Urbildes. Wenn ein Abbild zerstört wird, ändert das nichts an der Realität des Urbildes, und es kann ein neues Abbild in einem anderen Medium geben.

Zwischen dem Heiligen und seinem Träger besteht also eine Verbindung. Aber warum kann gerade der Mensch das Heilige wahrnehmen?

Für den modernen Menschen stammt die Wahrnehmung ausschließlich von den fünf Sinnen, wie etwas riecht, schmeckt, sich anfühlt, klingt und aussieht. Unsere Wahrnehmung ist darauf ausgerichtet, was sich auf derselben Ebene befindet und außerhalb von uns liegt. Es gibt eine klare Verbindung zwischen dem Wahrgenommenen und dem Wahrnehmenden, die durch die Sinne verläuft.

Aber die Art des Erkennens und der Wahrnehmung, die für den religiösen Menschen in der Begegnung mit dem Heiligen stattfindet, ist anders. Das Heilige mag sich in einem äußeren Gegenstand zeigen, wie einem Baum, aber für den Menschen ist die Begegnung mit dem Heiligen etwas zutiefst Innerliches. Er erfährt es nicht als etwas vollständig Anderes oder Getrenntes von sich selbst.

Das Heilige wohnt dem Menschen auf gewisse Weise inne. Diese Intuition, dass der Mensch eine unmittelbare Verbindung zu Heiligen hat, findet man in jeder bekannten Tradition und Religion wieder. Viele Hochkulturen haben dieses Konzept sehr detailreich ausgearbeitet und zur Grundlage vieler philosophischer Systeme gemacht.

Auch wenn man sich als „Glaubensferner“ nicht ganz diese Form der Intuition nachvollziehen kann, sollte man anerkennen, das ein religiöser Menschen das so empfindet.

Wenn jemand durch religiöse Praxis diese Intuition weiter entwickelt, dann erkennt er nicht nur seine eigenen natürlichen Fähigkeiten besser, sondern er spürt auch eine Verbindung zu etwas Göttlichem in sich. Das bedeutet, dass der Mensch, wenn er tief in sich selbst schaut, erkennt, dass er im Wesentlichen nicht von der allumfassenden göttlichen Wirklichkeit getrennt ist.

In diesem Sinne sind der Verstand und die Wirklichkeit miteinander verbunden, denn der Verstand ist eine direkte Ausstrahlung der Wirklichkeit und zeigt sie aus seiner unveränderlichen Natur heraus.4

Die menschliche Seele hat einen unsterblichen Ursprung und der Ursprung ist identisch mit der göttlichen Wirklichkeit. Das menschliche intuitive Erkenntnisvermögen ist der Moment des Übereinstimmens des menschlichen Geistes mit dem göttlichen Geiste.

In früheren archaischen Gesellschaften haben die Menschen oft in der Nähe von heiligen Orten oder Gegenständen gelebt. Das ergibt Sinn, denn für sie bedeutete das Heilige enorm viel - es war wie die Essenz von Kraft und letztlich die Wirklichkeit selbst. Das Heilige war voller Existenz. Heilige Kraft war gleichbedeutend mit Wirklichkeit, Ewigkeit und Macht zugleich.

Für den religiösen Menschen ist das Heilige das wirklich Seiende und es wird mit Begriffen wie Wirklichkeit, Ewigkeit und Wahrheit gleichgesetzt.

Das Heilige ist etwas Unveränderliches, während die Welt um einen herum immer nur vorübergehende Abbilder des unveränderlichen Heiligen sind. Das Unvergängliche und Unwandelbare ist das Vorbild für alles Existierende und trägt die Schöpfungskraft, die die sich ständig verändernde materielle Welt überhaupt erst hervorbringt.

Für den religiösen Menschen ist die Welt nur relativ real und besitzt keine absolute Realität an sich. Sie wird als real angesehen, nur, wenn sie mit dem Heiligen übereinstimmt. Deshalb strebt der religiöse Mensch danach, möglichst im Einklang mit dem Heiligen zu leben.

Das gesamte religiöse Leben – Feste, Gottesdienste, Sakramente, Gebete, Opfer – zielt darauf ab, diese wirkliche Wirklichkeit wiederzufinden, zu erneuern oder zu aktualisieren. Es ist auch ein Versuch, das Heilige in die sich ständig verändernde Welt zu bringen und in seine Präsenz zu treten.

1.2 Zwei Arten des in der Weltseins.

Die Unterschiede zwischen dem Glauben und Denken des religiösen Menschen und der modernen Weltanschauung sind sehr groß und können nicht einfach miteinander vereinbart werden. Sie sind grundlegend uneinig über einen zentralen Aspekt der Wirklichkeit.

Für den religiösen Menschen ist es natürlich das Heilige zu erleben, während der moderne Mensch eher im Alltäglichen lebt. Das Wort „Profan" bedeutet „außerhalb des Heiligtums" und beschreibt das Gebiet außerhalb des geweihten Bereichs.

Der moderne Mensch erlebt nicht mehr das Heilige, und die Welt erscheint ihm nicht mehr als Abbild des Unveränderlichen. Sie ist vom Heiligen getrennt. Er betrachtet die Welt nur noch als vergänglich, individuell und bedingt.

Alles Materielle kann in seine Bestandteile zerlegt werden, wie die moderne Physik bis zur Quantenphysik gezeigt hat. Wenn alles sich ständig verändert und zerlegt werden kann, erscheint alles austauschbar und manipulierbar. Es gibt keine unveränderliche Realität mehr. Dies betrifft auch gesellschaftliche Strukturen und Traditionen. Auch wenn sie im modernen Denken sinnvoll sind und sich evolutionär entwickelt haben, gibt es aus der Sicht der modernen Welt keinen Grund, warum sie so sein müssen und bleiben müssen. Der Transhumanismus zeigt das letzte Stadium dieser Sichtweise, in dem der Mensch nicht mehr zwangsläufig so sein muss, wie er ist. Unter diesem Aspekt stehen sich die moderne Welt und die traditionelle Welt diametral gegenüber. Obwohl sie beide sehr vielfältig sind, können sie als getrennte Einheiten betrachtet werden.