Das schwarze Element - Folge 1 - Nicole Böhm - E-Book

Das schwarze Element - Folge 1 E-Book

Nicole Böhm

0,0

Beschreibung

***Eine Frau im Kampf mit den Elementen und ihrem Pflichtbewusstsein. Ein Mann, der wegen eines Mädchens unschuldig im Knast sitzt, dem er einst eine Lasagne schenkte. Eine unbekannte Kraft, die jahrtausendelang im Verborgenen schlummerte und nun geweckt wurde.*** Der Kampf der Seelenwächter hat erneut begonnen. Wir kehren zurück in neue Abenteuer, neue Gefahren, neue Geheimnissen und treffen neue Helden. Die Reihe ist unabhängig von "Die Chroniken der Seelenwächter" zu lesen und spielt zehn Jahre später.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 261

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




Inhaltsverzeichnis

Das schwarze Element2

Prolog4

1. Kapitel6

****29

2. Kapitel30

3. Kapitel43

4. Kapitel55

5. Kapitel61

6. Kapitel68

7. Kapitel79

8. Kapitel88

9. Kapitel104

10. Kapitel108

11. Kapitel118

12. Kapitel134

****151

13. Kapitel153

14. Kapitel157

15. Kapitel163

****171

16. Kapitel173

Rose Emerson181

Impressum188

Das schwarze Element

Eine Geschichte aus der Welt der Seelenwächter

Von Nicole Böhm

Für alle Seelenwächter

Die Reihe enthält potenziell triggernde Inhalte.

Eine Triggerwarnung findet ihr auf

www.nicole-boehm.de/triggerwarnung

Passt auf euch auf.

Prolog

Rose

Ich blickte auf das schimmernde Messer in meinen Händen. Es war erstaunlich, wie ruhig ich war. Wie alles in mir innehielt, obwohl ich meinem sicheren Tod entgegenblickte.

Denn gleich wäre es vorbei. Ich würde mir diese Klinge ins Herz rammen und das Leben, das ich bisher kannte, beenden.

Es sollte mir Angst machen, oder?

Ich sollte diese Waffe wegwerfen, zurück in die Wärme und Geborgenheit meines Zuhauses flüchten und dem Ganzen den Rücken kehren.

Aber das tat ich nicht.

Ich rannte nicht davon. Obwohl meine Hände zitterten, obwohl mein Herz flatterte, obwohl meine Augen brannten.

Weil ich genug gerannt war. Weil ich nicht mehr konnte und nicht mehr wollte.

Ich spürte den kühlen Stein unter meinem Rücken, hörte das leise Prasseln von Feuer und das Tropfen von Wasser. Eine Windböe strich sanft über meine Haut, der Geruch nach feuchter Erde drang tief in meine Nase. Es war kalt. Ich fröstelte, doch ich ignorierte es.

Meine Wahrnehmung hatte sich auf das Messer vor meinen Augen reduziert. Es war eine wundervolle Klinge mit filigranen Gravuren, die sich quer über das Metall zogen. Fast glaubte ich, mich selbst darin zu erkennen. Ein junges Mädchen mit langen roten Haaren. Sie sah sehnsüchtig aus. Und verloren. Sie hatte so viel erlebt, so viel gelitten, so viel gekämpft. Und dennoch war das alles erst der Anfang.

Ich drehte die Klinge, senkte sie langsam in Richtung meines Herzens. Mir stockte der Atem, als ich damit meine Haut aufritzte und spürte, wie das erste Blut floss.

Verboten. Das ist verboten.

Der Gedanke kam und verschwand.

Zeit und Raum hörten auf zu existieren. Sie verloren sich in einem Strudel aus Kraft und einer uralten Energie, die seit Jahrtausenden durch die Welt hallte. Ich gab mich dieser Energie hin, wurde eins mit ihr und öffnete meine Seele für sie.

Tu es. Jetzt.

Ja.

Ich atmete ein letztes Mal ein und stieß zu.

In der Sekunde, als die Klinge mein Herz teilte, stand alles in mir still. Die Luft wich aus meiner Lunge, Blut sickerte über meine Haut und das Leben troff aus meinem Körper. Ich ballte die Hände zu Fäusten, Tränen rannen über meine Wangen, und ein beißender Schmerz schoss durch meine Seele.

Es passierte.

Ich beendete mein Leben. Hier in dieser Sekunde, an diesem unwirklichen Ort, starb ich.

Und es war gut so.

1. Kapitel

Rose

»Der Tag, an dem ich gestorben bin, war der glücklichste meines Lebens«, las Daniel aus meinen Notizen vor. Ich klappte das Buch vor seiner Nase zu und funkelte ihn wütend an.

»Hast du schon mal was von Privatsphäre gehört?«

»Sorry. Wollte nicht respektlos sein.« Daniel lächelte mich entschuldigend an. Der für ihn typische Geruch nach abgebrannter Kohle stieg in meine Nase und löste ein wohliges Kribbeln in mir aus. »Hat mich nur interessiert, was du ständig aufschreibst.«

Ich biss mir auf die Unterlippe und rief mir ins Bewusstsein, dass ich nicht so abweisend sein sollte. Daniel, Kala – die einen Meter vor mir herging – und Alec, der meine Rechte flankierte, waren meine neue Familie. Seit dreiundvierzig Tagen lebten wir zusammen. Heute war unser zweiter Einsatz. Es fiel mir unglaublich schwer, mich auf sie einzulassen. Mich jemandem zu öffnen fühlte sich ungefähr so an, als würde ich auf einem Bein und mit zusammengebundenen Händen den Mount Everest erklimmen wollen.

»Schon gut.« Ich rang mir ein Lächeln ab. »Ist nur meine persönliche Statistik. Ich führe sie seit dem Tag meiner Wiedergeburt.«

»Aha, und was schreibst du auf?«

»Alles Mögliche. Hauptsächlich Dinge, für die ich dankbar bin. Es hilft mir, über meinen Tag zu reflektieren und mir bewusst zu machen, was sich für mich verändert hat. Alle drei Monate werte ich die Zahlen aus und erstelle eine Bestenliste. Seit ich eine Seelenwächterin bin, war ich an zweihundertfünfzig Tagen dankbar über meinen Tod und den Übergang vom Menschenleben in dieses.«

»Und was liegt auf Platz zwei?« Kala wandte sich im Gehen zu mir um. Ihr Gang war aufrecht und selbstbewusst. Zudem verströmte sie einen angenehmen Duft nach frischer, feuchter Erde.

»Gute Trainingstage. Mit zweiundzwanzig Tagen hinter Platz eins.«

»Moment, Moment. Du hattest …«, Kala hob einen Finger und rechnete in Gedanken nach, »… zweihundertachtundzwanzig gute Trainingstage?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ja.«

»Wie geht das?« Sie sah mich voller Entsetzen an.

»Keine Ahnung, hat sich so ergeben. Ich lieb es, mich zu bewegen.«

»Das tue ich auch, aber dankbar wäre ich für das leckere Essen nach dem Training, oder ein heißes Bad, das weiche Bett, Sex – am besten alles zusammen in genau dieser Reihenfolge.«

»Rose ist eben eine Kampfmaschine«, sagte Daniel. »Sie hat von den Besten der Besten gelernt.«

»Damit meinst du hoffentlich nicht dich«, sagte Kala.

Daniel rollte mit den Augen und warf eine Feuerkugel nach ihr, aber Kala wich mit Leichtigkeit aus.

»Also, ich bin gewiss keine Kampfmaschine«, sagte ich und merkte, wie sich mein Innerstes krampfte, weil mir natürlich klar war, worauf Kala anspielte. »Dass ich zweieinhalb Jahre bei Will, Anna und Akil gewohnt habe, bringt mir keine Vorteile.« Ganz im Gegenteil.

Seit ich das erste Mal einen Fuß auf das Anwesen, wo wir mit zweiundfünfzig anderen Seelenwächtern lebten, gesetzt hatte, fühlte ich mich als Außenseiterin. Die anderen erstarrten entweder vor Ehrfurcht oder warfen mir giftige Blicke zu. Viele dachten, ich genoss Vorzüge, weil ich bei den dreien gelebt hatte. Sie waren Koryphäen in unserer Welt. In den letzten zwölf Jahren hatten sie nicht nur geholfen, eine neue Generation an Seelenwächtern heranzuziehen, sie hatten in der Zeit vorher harte Kämpfe ausfechten müssen und die Menschheit vor großem Unheil gerettet. Und sie hatten mir geholfen, meine Vergangenheit zu überwinden und einen Sinn in meinem Leben zu finden. Ich fasste an mein Herz und strich über die Narbe, die von meiner Wiedergeburt zurückgeblieben war und die ich sogar durch den Stoff meines Hemdes spürte.

»Na ja, bei Akil zu wohnen war doch bestimmt nicht schlecht«, sagte Kala und zwinkerte mir zu. »Vor allen Dingen, wenn er morgens aus der Dusche kommt. Mit nichts als einem Handtuch um seinen Körper geschlungen. Das Wasser perlt von seiner Haut und läuft über seine muskulöse …«

»Kala.« Ich verdrehte die Augen. »Diese Bilder brauch ich echt nicht in meinem Kopf.« Akil sah gut aus, ohne Frage, aber er war eher so was wie ein Mentor für mich.

Kala kicherte und drehte sich wieder um. Ich verstaute das Notizbuch in meiner Tasche. Daniel sah mir aufmerksam dabei zu und seufzte leise.

»Früher hätten wir unsere Smartphones dafür genutzt, statt so ein klobiges Ding mit uns zu schleppen.«

»Das stimmt.« Mir wäre es auch lieber, wenn ich eine App nutzen könnte, aber so war es nun mal als Seelenwächterin. Hauptsache, ich konnte meine Gedanken überhaupt aufschreiben. Es war oft das Einzige, was mir half, den Lärm in meinem Kopf runterzudrehen.

Daniel rieb die Hände aneinander und ließ weitere kleine Flammen entstehen. Sie leuchteten kurz sein Gesicht an, und seine Augen wirkten durch ihren Schein noch goldener. »Der Tag, an dem ich mein Handy zurücklassen musste, war echt traurig.«

»Geht das schon wieder los?«, fragte Alec.

»Ich sag ja nur. Hab ein wenig mehr Empathie, du Empath.«

»Sehr witzig«, sagte Alec und schüttelte den Kopf. Alec war in der Lage, über Berührungen Emotionen von anderen aufzunehmen. Ein Segen und ein Fluch, denn die fremden Gefühle machten Wasserwächtern oft zu schaffen.

»Hoffentlich schicken sie uns morgen in eine Stadt, in der es wärmer ist«, sagte Daniel und ließ mehr Flammen um seine Finger züngeln. Er sah ihnen mit einem liebevollen Ausdruck zu, wie sie über seine Haut strichen, ohne ihn dabei zu verbrennen. »L.A. wäre fein. Da waren wir schon lange nicht mehr. Die haben zurzeit angenehme zwanzig Grad.«

»L.A. ist erst mal raus«, sagte Alec. »Seit letzter Woche ist Prue mit ihrer Gruppe der Stadt zugeteilt.«

»Was?«, fragte Daniel. »Warum bekommst du so was mit und ich nicht?«

»Weil ich im Gegensatz zu dir bei den Versammlungen nicht schlafe.«

»Ich schlafe nicht! Ich überprüfe die Innenseiten meiner Lider auf Verletzungen.«

Kala warf ihm einen Blick zu. »Wo hast du denn den Spruch her?«

»Irgendwo aufgeschnappt. Ist doch egal. Wie zum Teufel hat Prue es geschafft, sich L.A. zu angeln?«

»Charme? Können? Bestechung? Magie?«, zählte Kala auf. »Dann wird sie bald ihren Vorsprung auf der Bestenliste ausbauen und noch überheblicher werden. Oh, ich hör schon ihre Sprüche: Ihr müsst mehr üben«, äffte sie Prues australischen Akzent nach. »Dämonenjagd ist wie Fangenspielen. Ihr müsst locker bleiben. Kommt alles aus der Hüfte. Letzte Woche wollte sie mir erklären, wie ich mein Schwert richtig halten soll, dabei ist meine Technik viel besser als ihre.«

Das stimmte. Kala konnte wie keine andere mit dem Langschwert umgehen.

»Alec, tu was dagegen«, sagte Daniel und gab Alec einen Klaps gegen die Schulter.

»Was soll ich da bitte machen?«

»Keine Ahnung, dir fällt doch immer was ein. Außerdem bist du besser als Prue.«

»Das kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen. Sie ist Feuer. Ich bin Wasser.«

»Ja, dann lösch sie!«

Kala kicherte. »Stellt euch das mal vor. Alec, der mit ’nem Eimer Wasser hinter Prue herrennt.«

»Das wird definitiv niemals passieren.« Alec blieb stehen und blickte sich um. »Ich glaube, wir können nach Hause gehen. Wir sind jetzt seit fünf Stunden auf der Jagd. Hab das Gefühl, es hat sich langsam rumgesprochen, dass wir da sind.«

»Oder denen ist auch zu kalt«, sagte Daniel und ließ eine weitere Flamme aufleuchten.

»Die haben kein Temperaturgefühl mehr, sie sind tot«, sagte ich.

»Wer weiß, Rose, wer weiß. Nachher suchen sie nur ein kuscheliges Zuhause, in dem sie es sich gemütlich machen können.« Daniel öffnete die Arme. »Wir sehnen uns schließlich alle nach Liebe.«

Kala lachte. »Am besten umarmst du das nächste Mal einen von ihnen, statt das Herz zu durchstoßen oder den Kopf abzutrennen. Das ist vielleicht die neue Methode, wie wir die Biester unter Kontrolle bringen.«

»Das werde ich tun und in die Geschichte eingehen, als der erste Seelenwächter, der einen Dämon totumarmt hat.«

»Schade, dass wir es nicht filmen können«, sagte Kala und dehnte ihre Schultern und Arme. »Also meinetwegen können wir zurück. Lasst uns noch den Block ablaufen und dann abhauen. Ich höre die Badewanne rufen.«

Ich wollte etwas erwidern, als ich am Rand meiner Wahrnehmung ein leichtes Ziehen spürte. Sofort drehte ich mich in die Richtung und hob eine Hand. »Wartet.«

Ich dehnte meine Sinne aus und konzentrierte mich auf die Seelen in der Umgebung. Wenn ich nicht aufpasste, zogen mich die unzähligen Menschen der Großstadt in ihre Gedanken hinein. Mich davor abzuschotten, war eine Sache, die ich tagtäglich übte, aber es fiel mir dennoch schwer. Ich drehte mich nach links, weil von da das stärkste Ziehen zu mir drang. »Schattendämonen.«

Sofort waren alle in Alarmbereitschaft. Ich hörte ein leises Schaben von Metall auf Leder, als Alec sein Schwert aus der Scheide zog. Jeder von uns war bis an die Zähne bewaffnet. Die Klingen waren aus Titanium, das eigens für uns hergestellt und dann geschmiedet worden war.

Ich trug einen Bogen, die dazu passenden Pfeile hatten Spitzen aus Titanium. Am Gürtel hingen vier Wurfmesser und ein längeres an meiner rechten Seite. Daniel hatte zusätzlich eine Klinge am linken Unterarm befestigt. Sie fuhr nach vorne raus, wenn er einen Hebel betätigte. Er meinte, das wäre so was wie sein Markenzeichen, aber wir wussten natürlich, dass er es aus Assassins Creed geklaut hatte.

Viele Seelenwächter wählten mit der Zeit ihre eigenen persönlichen Waffen, zu denen sie meist eine enge Bindung aufbauten. Ich mochte den Dolch zwar, den ich am Gürtel trug, aber noch fühlte es sich so an, als müsste ich ihn mir erst verdienen.

»Wie viele?«, fragte Alec.

»Ich bin mir nicht sicher, aber es könnte eine Gruppe sein. Ich nehme auch Menschen wahr. Es ist recht verworren.« Ich schloss die Augen. Sofort dehnten sich meine Sinne weiter aus und scannten die Umgebung ab. Es war jedes Mal überwältigend, wenn ich mich dieser Kraft hingab – und auch ein wenig furchteinflößend. Die Welt verlor ihre festen Farben und Formen. Alles tauchte in eine hell leuchtende Energie, die wirr vor meinem inneren Auge herumtanzte und sich nur langsam aufdröselte. Wie bei einem Wollknäuel, das sich verheddert hatte und aus purem Chaos zu bestehen schien. Ich musste erst am richtigen Faden ziehen, um es zu entwirren.

Ich atmete tief ein und aus, während fremde Gedanken auf mich einprasselten. Hauptsächlich war es wirres Geplapper von Leuten, die in diesem Viertel lebten. Irgendwo schnappte ich ein Telefonat auf. Jemand hatte eine Sportwette platziert und regte sich innerlich darüber auf, dass er schon wieder verloren hatte. Ein anderer dachte über seine Sexpraktiken nach und fragte sich, ob er ein großer Freak sei, weil er darauf stand, dass man ihn Daddy nannte, sobald er kam. Ich gab mir Mühe, mich nicht zu sehr von den Gedanken mitreißen zu lassen, sondern mich auf die dunkle Energie zu konzentrieren, die von Schattendämonen ausging. In meinem Geist tauchten sie stets als schwarze Silhouetten auf. Ein Schatten, der übrig blieb, wenn sie alles Menschliche hinter sich ließen und sich in das verwandelten, was sie waren.

»Es ist definitiv eine Gruppe«, sagte ich. »Vorneweg zwanzig Dämonen, vielleicht mehr.«

»Wo?«, fragte Alec.

Ich hob eine Hand und deutete in die Richtung, ohne die Augen zu öffnen. »Sie bewegen sich auf mehrere Menschen zu.« In meinem Inneren ballte sich der Faden wieder zu einem Knäuel und überlagerte sich mit wirren Bildern. Meine Sinne wurden überwältigt, ich sah nur helle Energiebahnen vor mir, die ich nicht zuordnen konnte. Meistens ein Indiz dafür, dass viele Seelen auf engem Raum zusammen waren. »Ich weiß nicht genau.« Ich ließ die Hand sinken und öffnete die Augen.

»Schauen wir es uns an.« Alec setzte sich bereits in Bewegung.

Wir verfielen in einen lockeren Dauerlauf und rannten die ansonsten menschenleere Straße hinunter. Die Waffen klimperten gegen unsere Körper. Ein Pärchen kam uns entgegen. Sie waren festlich gekleidet. Der Mann im Smoking mit Fliege, die Frau in einem kurzen Abendkleid und einem viel zu dünnen Mantel. Ihre hohen Absätze klackerten bei jedem Schritt auf dem Asphalt. Sie bemerkten uns natürlich nicht, also wichen wir ihnen aus.

»Bin ich froh, wenn wir daheim sind«, sagte die Frau.

»Ich auch. Wir verziehen uns am besten gleich ins Bett und machen es uns gemütlich.«

»Die Party war echt grauenhaft. Hast du gesehen, wie Keith ständig beim CEO rumgeschleimt hat?«

»Ja. Der Typ ist das Letzte.«

Sie kamen so dicht an mir vorbei, dass ich nur eine Hand hätte ausstrecken müssen, um sie zu berühren, aber sie schenkten mir nicht mal einen Blick. Bis heute hatte ich mich nicht daran gewöhnt, dass Menschen uns selbst dann ignorierten, wenn wir direkt vor ihnen standen. Dafür verantwortlich war das Amulett, das jeder Seelenwächter um den Hals trug. Es machte uns nicht wirklich unsichtbar, sondern filterte uns aus dem Bewusstsein der Menschen heraus. Sie nahmen uns erst wahr, wenn wir sie ansprachen oder sie von Natur aus einen sehr offenen Geist hatten. Manchmal entdeckten uns Kinder, oder Menschen, die einen starken Zugang zu ihrer Spiritualität hatten, genau wie Tiere.

»Da vorne.« Alec hielt an und zeigte auf ein futuristisches, kastenförmiges Gebäude, dessen Erdgeschoss mit Glasfronten ummantelt war. Auf der Vorderseite stand in großen Lettern: Public Library. Drinnen brannte Licht. Unzählige Leute hingen entweder in Grüppchen ab oder tanzten zur Musik der Liveband. Die Gäste waren genauso schick gekleidet wie das Pärchen, das uns eben begegnet war. Die Männer trugen Smokings und Anzüge, die Frauen bewegten sich in ihren glitzernden Kleidern. Sie lachten und scherzten und ließen es sich gut gehen. Kellner balancierten Häppchen durch die Menge und es wurde sehr viel Champagner ausgeschenkt.

»Na prima. ‘Ne Schickimickiparty.« In mir baute sich ein unangenehmer Druck auf, den ich noch sehr gut von früher kannte. Gesellschaften wie diese waren für mich tabu gewesen. Ich war lediglich das kleine schmutzige Mädchen vom Trailerpark gewesen, mit dem niemand was zu tun haben wollte.

Nur einer hatte sich mir geöffnet und …

»Wo sind die Dämonen?«, fragte Alec und nahm einen tiefen Atemzug. Der charakteristische Geruch nach Verwesung hing bereits in der Luft.

»Ich glaube, fünf sind unten im Gebäude«, sagte ich. »Eine weitere Gruppe von acht oder so bewegt sich da drüben durch die Seitenstraßen auf die Bibliothek zu, und mehr sind auf dem Dach. Sie suchen einen Weg hinein. Ich … Ich weiß nicht, wie viele es sind.« Die unzähligen Seelen auf der Party verwirrten mich.

»Okay, wir teilen uns auf. Kala, Daniel: Ihr geht über den Hintereingang ins Gebäude und tötet lautlos die Dämonen drinnen. Daniel: Nutze Magie, damit ihr ungesehen bleibt. Rose: Du nimmst das Dach. Ich kümmer mich um die Dämonen in den Seitengassen und treibe sie von hier weg. Der Hafen ist nur fünf Blöcke entfernt, da sollte um diese Uhrzeit nicht mehr viel los sein und ich kann sie in Ruhe erledigen.«

»Geht klar.« Kala zückte ihr Langschwert. Die Klinge sirrte leise, als sie sie durch die Luft gleiten ließ.

Ich kaute auf meiner Unterlippe und sah den Leuten zu, die ausgelassen feierten und keine Ahnung davon hatten, welche Gefahr sich auf sie zubewegte. »Was, wenn die Gäste es mitbekommen?«

»Es ist unser Job dafür zu sorgen, dass das nicht passiert«, sagte Alec.

»Aber wenn doch, werden sie in Panik verfallen. Das kann sich schnell in eine Massenhysterie steigern.«

»Da hat sie nicht ganz unrecht«, sagte Daniel. »Erinner dich, was letztes Jahr in San Francisco passiert ist. Da hatten wir echt Glück, dass niemand totgetrampelt wurde.«

»Ja, aber hier findet kein gigantisches Straßenfest mit mehreren Tausend Leuten statt, sondern eine kleine Party«, sagte Alec.

»Die dennoch ausarten kann«, sagte ich. »Ich werde die Gäste beeinflussen und sie zum geordneten Rückzug bringen, während ihr euch die Dämonen schnappt.«

»Das sind vorneweg zweihundert Leute«, sagte Alec.

»Ich weiß.«

»Dafür bist du noch nicht stark genug.«

Ich kniff die Augen zusammen und hätte ihm am liebsten ins Gesicht gebrüllt, dass er gar nicht wissen konnte, wofür ich stark genug war. Die Narbe an meinem Herzen pochte dumpf, das Ziehen half mir, mich zu zügeln. »Ich such mir einen ruhigen Platz, wo ich mich konzentrieren kann. Dann suggeriere ich den Leuten, dass sie geordnet die Bibliothek verlassen sollen. Ich kann das.«

Alec zog die Augenbrauen zusammen und musterte mich. Seine Gedanken rotierten, ich spürte es auch ohne Supersinne. »Nein. Wir bleiben bei dem Plan und teilen uns auf.«

»Aber ich …«

Er hob die Hand. »Das ist nicht die Zeit oder der Ort, deine Fähigkeiten zu trainieren.«

»Wenn ich sie nicht einsetzen darf, wofür hab ich sie dann?«

Er verzog das Gesicht und senkte die Hand wieder. »Wir haben keine Zeit für Diskussionen.«

»Wir könnten doch …«

Eine warme Hand wurde auf meine Schulter gelegt. »Er hat recht, Rose«, sagte Daniel. »Wir haben echt keine Zeit. Du darfst das nächste Mal mit deinen Fähigkeiten protzen.«

»Ich will überhaupt nicht protzen, ich will nur das Beste für diesen Einsatz.«

»Genau wie wir«, sagte Alec. »Los jetzt.« Er drehte um und setzte sich in Bewegung.

»Wird schon.« Kala klopfte mir auf die Schulter und rannte ebenfalls los.

Ich kämpfte das Magengrummeln und den Frust nieder und huschte mit Daniel und Kala auf die Seite des Gebäudes.

»Ich geh nach rechts«, sagte sie und verschwand um eine Ecke.

Daniel sah sich um und lauschte aufmerksam, während wir auf einen der Hintereingänge zukamen. Ich warf einen weiteren Blick durch die großen Fenster und beobachtete die Leute auf der Party. Einige waren schon angetrunken, andere flirteten heftig miteinander und ließen keinen Zweifel daran, was heute Nacht noch passieren würde. Ich kam kurz ins Straucheln, weil es sich anfühlte, als würden diese viele Seelen da drinnen nach mir greifen. Ihre Gedanken strömten auf mich ein, und ehe ich mich dagegen wehren konnte, waren sie schon in meinem Kopf.

»Ich muss mein Konto noch mal checken.«

»Wir haben keine Milch mehr zu Hause.«

»Dieser Typ starrt mir seit fünf Minuten in den Ausschnitt.«

»Die würde ich echt gern flachlegen.«

»Mein Chef hasst mich.«

»Diese Party ist so langweilig.«

»Diese Party ist so cool.«

»Ob ich das auf TikTok posten kann?«

»Ich bin ein Verlierer.«

»Ich muss noch meine Sachen aus der Reinigung holen.«

»Pass doch auf, du Hohlkopf!«

Ich blieb bei dem Typen im Anzug hängen, der das eben gedacht hatte. Einer der Kellner war anscheinend gestolpert. Die Gläser mit dem Champagner waren umgefallen, und der Typ im Anzug hatte etwas abbekommen. Jetzt beschimpfte er den jungen Mann. Seine Worte konnte ich nicht verstehen, aber seine Gedanken waren glasklar: »Das ist ein verfluchter Armani-Anzug, der hat mich zwei Riesen gekostet!«

Der Kellner entschuldigte sich mit Gesten und zückte bereits eine Serviette, um den Schaden zu beseitigen.

»O Gott, ich bin so unfähig«, dachte er. »Ich kann nichts, ich bin dumm, ich werde rausfliegen. Der Chef hat gesagt, dass ich beim nächsten Vorfall meine Sachen packen kann!«

»Ich verstehe nicht, warum wir solche Versager hier arbeiten lassen«, dachte der Typ. In mir zog sich alles zusammen, ein dicker Kloß formte sich in meiner Kehle.

Du bist nichts, du kannst nichts, niemand will dich. Worte, die ich früher ständig zu hören bekommen hatte. Ob von meinen Mitschülern, die sich für was Besseres gehalten hatten, oder von meinem Vater, der all seinen Frust an mir oder Mom ausgelassen hatte.

Das Bild von unserem letzten Treffen flackerte in mir hoch. Blut an meinen Händen. Blut auf meiner Kleidung. Blut überall. Ich hörte das Krachen von Knochen, spürte die Angst, die seither tief in meinen Eingeweiden wohnte. Meine Sicht verschwamm, mir wurde schwindelig. Panik stieg in mir auf, umschlang mein Herz und bohrte sich tief an die Stelle, wo ich all diesen Kram vergraben hatte. Ich fasste an meine Narbe, rieb darüber, versuchte, diese Gefühle unten zu halten.

»Rose!«, sagte jemand neben mir. Der Geruch nach Kohle und Feuer stieg mir in die Nase. Ich zuckte und sah Daniels Gesicht. Sofort verblassten die Eindrücke meiner Vergangenheit.

»Alles in Ordnung?«

»J-ja. Natürlich.«

Er zog die Augenbrauen zusammen, musterte mich skeptisch, aber ich winkte ab. Ein letztes Mal blickte ich zurück zur Party, wo der Kellner gerade die nächste Standpauke von seinem Chef erhielt, dann folgte ich Daniel. Das Engegefühl begleitete mich weiter, und auch die Gedanken der Leute hafteten noch in meinem Kopf.

»Da vorne«, sagte Daniel und zeigte auf eine Tür, die einen Spalt offen stand. »Riechst du es?«

Ich nahm einen Atemzug und zwang meine Aufmerksamkeit zurück auf unsere Aufgabe. Der Gestank nach Verwesung hing stark in der Luft. Mir wurde ein wenig übel davon. Dreihundertzwölf Tage war es her, dass ich als Seelenwächterin erwacht war, und nach wie vor konnte ich mich nicht an diesen Geruch gewöhnen. Ich spähte die Hauswand hinauf. Das Gebäude war komplett verglast. In dem Bereich oben brannte Licht, ich erkannte eine Zwischenebene, auf der sich ebenfalls Leute aufhielten. Die Dämonen spürte ich nach wie vor auf dem Dach. Mittlerweile hatten sie einen Zugang gefunden und nahmen die Treppe abwärts. »Ich teleportiere mich nach oben und folge den Biestern«, sagte ich.

»Okay, sei vorsichtig«, antwortete Daniel. »Ich komm von unten, wir nehmen sie in die Zange.«

»Alles klar.«

Daniel streckte mir die Faust hin und blickte mich erwartungsvoll an. »Statt High-Five. Ist cooler.«

»Wenn du das sagst.« Ich stieß mit meiner Faust gegen seine, er grinste mich an, schob die Tür auf und zückte gleichzeitig ein Messer, das er am Gürtel trug. Ich trat einen Schritt zurück und sah an der Hauswand entlang nach oben. Das Gebäude war rund sechzig Meter hoch und hatte ein flaches Dach, so weit ich es von hier aus erkennen konnte. Es fiel mir zwar schwer, mich an Orte zu teleportieren, an denen ich vorher nie gewesen war, aber in diesem Fall sollte es gehen. Ich atmete einmal tief ein und aus, schüttelte die Arme und konzentrierte mich auf mein Ziel. Kaum richtete ich meine Aufmerksamkeit auf diese Kraft, verengte sich auch schon mein Wahrnehmungsfeld. Zum Glück war Teleportieren eine Fähigkeit, die mir von Anfang an relativ leicht gefallen war. Anscheinend mochte es mein Körper, binnen Sekundenbruchteilen von einem Ort zu einem anderen zu reisen.

Ich wünschte, ich hätte das als Mensch gekonnt. Es hätte mir so viel Schmerz erspart.

Ich atmete tief durch, und schon setzte der Sog in meiner Mitte ein. Das Ziehen breitete sich von meinem Magen her aus und erfüllte meine Zellen. Es fühlte sich an, als würde ich von innen zusammengefaltet und in eine kleine Hülle gesteckt werden. Vielen machte dieser Vorgang Angst, weshalb nicht alle von uns das Teleportieren so leicht annehmen konnten, aber mir schenkte es Ruhe. Der Sog wurde stärker, meine Haut kribbelte heftig und ein Zittern ging durch meinen Körper.

Als ich zehn war, hatte meine Mom mich mal mit ins Freibad genommen. Ich war eine recht gute Schwimmerin gewesen und hatte die ganze Zeit hoch zum Zehnmeterbrett geblickt, von wo aus die älteren Kinder einen Sprung nach dem anderen absolvierten. Natürlich war ich noch zu klein dafür gewesen und hätte eigentlich auch nicht hochgehen dürfen, doch in einem unbeobachteten Moment war ich die Stufen nach oben gekraxelt und hatte mich auf die Plattform gestellt. Nie würde ich das Gefühl vergessen, wie der Wind an mir zog, mir zuflüsterte, dass ich mich in seine Arme fallen lassen sollte. Ich war nach vorne auf den kleinen Vorsprung getreten, von wo aus die anderen Kinder in die Tiefe verschwanden, und hatte nach unten geschaut. Die blau schimmernde Wasseroberfläche wirkte ewig weit entfernt. Es kam mir vor, als wäre da gar kein Boden mehr, nichts, was mich auffangen würde. Meine Mutter hatte mich schließlich entdeckt und dem Bademeister Bescheid gegeben, dass er mich runterholen sollte, doch ich hatte schon die Arme ausgebreitet und war einen Schritt nach vorne getreten. Als ich ins Nichts fiel, hatte ich geglaubt, meine Welt würde aufhören zu existieren. Ich war gestürzt, aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl gehabt, als könnte ich fliegen. Als wäre ich schwerelos. Ich trieb auf den Wolken dahin, verlor mich in dem Rausch des Fallens und atmete mit dem Wind im Einklang.

Ob das rückblickend ein Hinweis auf mein jetziges Leben gewesen war, wusste ich nicht, aber an jenem Tag hatte ich zum ersten Mal bewusst dieses Gefühl der Freiheit verspürt, nach dem ich mich heute noch sehnte.

Ich konzentrierte mich weiter auf die Teleportation und wollte gerade den letzten Schritt in die Schwerelosigkeit machen, als ich es wahrnahm. Etwas Dunkles, Bedrohliches. Ich unterbrach die Teleportation und blickte mich um. Der Geruch nach Verwesung stieg mir heftig in die Nase. Ich spürte einen Dämon und zwei menschliche Seelen in meiner direkten Nähe.

Waren die eben schon da gewesen? Ich spähte rüber, wo ich die Seelen wahrnahm. Dort huschten zwei Jungs gerade in den Schatten eines Gebäudes. Einer war der Kellner von drinnen. Der andere Junge zog ihn sanft, aber bestimmt in eine Ecke und küsste ihn.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Wir bekommen das hin. Ich bin für dich da.«

»Ich hab so Angst«, antwortete der Kellner. »Was mach ich jetzt? Ich kann meine Miete nicht mal zahlen.«

In mir zog sich alles zusammen, weil ich das so gut nachempfinden konnte. Menschliche Belange hatte ich zwar längst hinter mir gelassen, aber in meinem Herzen steckten noch all der Kummer und die Sorgen von früher. Wenn man nicht mal genug Geld hatte, um sich ein Brot zu kaufen oder vor Hunger kaum klar denken konnte. Wenn die Klamotten, die man seit Jahren trug, nur noch von Flicken und Dreck zusammengehalten wurden.

Ein Schatten huschte auf das Gebäude zu, und nun war ich mir sicher, dass ein Dämon die beiden verfolgte. Vermutlich war es einer von denen, die Alec zum Hafen hatte treiben wollen. Er war ein toller Jäger, aber möglicherweise war ihm einer entwischt. Und nun waren die Jungs eine leichte Beute für ihn.

Mist.

Ich drehte mich um. Mein Herz klopfte wie verrückt. Eigentlich sollte ich schon auf dem Dach sein und Daniel entgegenkommen. Er würde sich darauf verlassen, dass ich die Dämonen von oben erledigte, während er von unten aufräumte.

Ich kaute auf meiner Unterlippe herum, umschloss mein Amulett und überlegte, ob ich Daniel rasch anfunken sollte. Die Amulette dienten uns nicht nur zur Abschottung vor den Menschen, sondern auch als Kommunikationsmittel. Zwar war es nicht so schnell und einfach wie zu telefonieren, aber besser als nichts. Doch blieb mir überhaupt noch die Zeit? Wenn Daniel schon im Kampf war, konnte er nicht antworten, und wenn ich zu lange zögerte, wäre es das für die Jungs. Der Dämon würde sie überwältigen und ihre Seelenenergie aussaugen, während ich hier stand und nicht wusste, was ich tun sollte.

Ich drehte um, überquerte die Straße und zückte noch im Gehen meinen Bogen. Alles in mir vibrierte vor Kraft und Aufregung. Der Gestank nach Verwesung ließ meine Augen tränen und wurde intensiver, je näher ich dem anderen Gebäude kam.

Ich sog die Luft ein. Der Dämon war da. Ich roch ihn und ich spürte ihn. Meine Oberlippe zuckte, während ich mit dem Bogen im Anschlag in die Schatten des Hauses trat. Ein Knurren erklang, ich legte sofort an. Der Dämon war irgendwo vor mir. Ich sah seine Silhouette huschen und wollte schießen, aber ich erkannte ihn nicht richtig.

»Was war das?«, fragte einer der Jungs, der ihn offenbar auch gehört hatte.

Ich legte erneut an, doch der Dämon sprang bereits auf den Kellner zu. Der schrie auf und verstummte fast augenblicklich.

»Darius!«, rief der andere. Ich hörte ein Gurgeln, ein Knurren und einen dumpfen Aufprall, als Darius zu Boden ging.

Ich fluchte und rannte los. Vor mir ragten drei Silhouetten auf. Darius lag unter dem Dämon, der die Hände auf die Stirn und den Brustkorb seines Opfers gelegt hatte. Es erstaunte mich immer wieder, wie menschlich diese Biester aussahen, aber hinter dieser unschuldigen Fassade verbargen sich pure Monster.

Darius’ Freund schlug auf den Dämon ein, der ihn jedoch überhaupt nicht beachtete. Ich schoss den Pfeil, traf ihn seitlich im Hals. Er fauchte, fuhr herum und sah mich an. In seinen Augen flackerte die Furcht auf. Er hatte erkannt, was ich war, und musste nun abwägen, ob er fliehen oder kämpfen sollte.

Langsam richtete er sich auf, was Darius’ Freund die Möglichkeit gab, seinem Partner auf die Beine zu helfen.

»Verschwindet«, sagte ich zu den beiden. »Ich bring das in Ordnung.«

Der Junge blickte mich an und bebte, als er erkannte, dass ich mit Bogen und Messern bewaffnet war.

»Los!«, brüllte ich.

Endlich setzten sie sich in Bewegung. Darius brauchte die Hilfe seines Freundes, um überhaupt gehen zu können. Offenbar hatte der Dämon schon einiges von seiner Seelenenergie geraubt.

»Such dir einen besseren Job, Darius«, gab ich ihm noch mit. »Du schaffst es!«