Das schwarze Element - Folge 2 - Nicole Böhm - E-Book

Das schwarze Element - Folge 2 E-Book

Nicole Böhm

0,0

Beschreibung

Matthew stößt im Gefängnis an seine Grenzen. Während sein Bruder nun in Chicago lebt und dort seine Heilung vorantreibt, bekommt Matthew immer mehr Druck von der Gang. Doch eines Tages erhält er eine Nachricht von Bishop. Und alles scheint sich zu ändern. Rose lebt sich langsam in ihrer Welt ein. Sie erledigt ihre Aufgaben und sucht weiterhin nach der Balance zwischen den strengen Regeln der Seelenwächter und ihrem Moralempfinden. Als sie mit Alec eine erschreckende Entdeckung macht, steht sie erneut vor der Wahl zwischen ihrer Menschlichkeit und ihrer Magie. Doch keine Entscheidung bleibt ohne Folgen ... Dies ist der zweite Teil von "Das schwarze Element". Der Fortsetzung von "Die Chroniken der Seelenwächter". Mehr Infos unter: www.nicole-boehm.de

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 264

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




Inhaltsverzeichnis

Das schwarze Element3

1. Kapitel5

****16

2. Kapitel17

3. Kapitel24

4. Kapitel30

5. Kapitel37

6. Kapitel49

7. Kapitel56

8. Kapitel70

9. Kapitel97

10. Kapitel109

****116

11. Kapitel117

12. Kapitel136

13. Kapitel144

14. Kapitel153

15. Kapitel160

****174

16. Kapitel175

17. Kapitel186

18. Kapitel191

19. Kapitel208

20. Kapitel217

21. Kapitel228

****234

22. Kapitel237

Matthew Kreese248

Impressum254

Das schwarze Element

Eine Geschichte aus der Welt der Seelenwächter

Von Nicole Böhm

Das schwarze Element

Teil 2

Von Nicole Böhm

1. Kapitel

Matthew

»An Matthew Kreese, 11. März

Von Vincent Kreese

Matt,

das ist das fünfte Mal, dass ich diese Nachricht anfange. Ich hoffe, die stellen dir meine Mails auch zu. Man hat mir versichert, dass ich an diese Adresse schreiben könne und dir die Briefe ausgedruckt werden. Leider sitzt du gerade noch in Einzelhaft. Ich bin am Tag nach unserem Streit wieder ins Gefängnis gefahren und hab nach dir gefragt, aber man sagte mir, dass du keinen Besuch empfangen darfst. Niemand wollte oder konnte mir sagen, wie lange du dortbleiben wirst. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, also schreib ich dir jetzt.

Es tut mir so leid! Ich wollte nicht mit dir streiten! Nun hab ich keine Möglichkeit, es zu klären. Scheiße, Matt, was soll ich tun?«

»An Matthew Kreese, 12. März

Von Vincent Kreese

Okay. Du bist noch immer in Einzelhaft. Ich war heute dort. Sie meinten, sie hätten die Mail von gestern weitergeleitet. Hast du sie erhalten? Kannst du mir zurückschreiben?

Ich spüre dich. In meinem Herzen und meiner Seele. Genau wie früher. Ich spüre, dass du mit mir reden willst. Ich bin hier, aber ich weiß nicht, wie ich zu dir kommen soll.«

»An Matthew Kreese, 13. März

Von Vincent Kreese

Ich hab jetzt von einem Wärter erfahren, dass alle Mails gesammelt und dir erst am Ende deiner Einzelhaft überreicht werden. Leider weiß ich noch immer nicht, wann das sein wird. Sie meinen, dass das individuell entschieden wird. Was bedeutet das? Kannst du beeinflussen, wie lange du dort festsitzt? Scheiße, ich wünschte ich wüsste, was ich tun soll.«

»An Matthew Kreese, 16. März

Von Vincent Kreese

Ich hab mit Amy gesprochen. Die Situation hat mich überfordert, und als sie mich angerufen hat, um zu fragen, ob ich mit nach Chicago käme, ist es aus mir herausgeplatzt. Wir haben über sechs Stunden geredet und es hat gutgetan. Amy hat ebenfalls im Gefängnis angerufen und ziemlich Druck gemacht. Die Frau kann ganz schön einschüchternd sein. Man sagte ihr, dass du mindestens noch weitere zehn Tage sitzen wirst. Zehn Tage. Fuck. Ich ... In vier Tagen geht die Studie los. Wenn ich den Platz nicht verlieren will, muss ich mit.«

»An Matthew Kreese, 18. März

Von Vincent Kreese

Ich bin in Chicago. Ich habe noch mal lang mit Amy gesprochen, wir haben beschlossen, es zu tun. Sie meinte, dass sie mir helfen wird, sobald wie möglich zurück nach England zu fliegen, damit ich dich treffen kann. Morgen geht schon meine erste Behandlung los. Ich bin aufgeregt und verwirrt und wünschte, ich könnte bei dir sein. Meine Gedanken sind es auf alle Fälle.«

»An Matthew Kreese, 20. März

Von Vincent Kreese

Es ist spät. Ich schreibe die Mail um drei Uhr morgens, weil ich nicht schlafen kann. Gestern hatte ich die erste Behandlung und sie verlief anders als erwartet. Ich weiß nicht, wie viel du darüber hören willst, vielleicht kannst du mir zurückschreiben, sobald du aus der Einzelhaft bist. Oder noch besser: Ruf mich an!«

»An Matthew Kreese, 26. März

Von Vincent Kreese

Heute müsste der Tag sein, an dem du aus der Einzelhaft kommst. Ich hoffe, es stimmt. Ich hoffe, du sitzt jetzt draußen und liest meine Mails. Bitte meld dich, so schnell du kannst.«

»An Matthew Kreese, 30. März

Von Vincent Kreese

Ruf mich an!!!!«

»An Matthew Kreese, 14. April

Von Vincent Kreese

Matt ... ich bin wieder halbwegs unter den Lebenden. Es tut mir so leid, dass ich nicht da war, als du angerufen hast. Amy meinte, dass sie kurz mit dir sprechen konnte. Sie hat dir ja erklärt, wie es mir geht. Die dritte Behandlung hat mich völlig ausgeknockt. Amy sagt, dass es normal sei und viele Patienten derart intensiv reagieren, mein Fall aber besonders schwer wäre. Was auch immer das heißen soll. Ich hab gedacht, mein Schädel würde in zwei Hälften gespalten. Noch nie in meinem Leben hab ich derartige Schmerzen verspürt. Meine Augäpfel haben von innen heraus geglüht. Wir mussten eine Behandlung abbrechen, weil es zu hart für mich wurde. Können wir noch mal telefonieren? Ich bin erst in zwei Tagen in der Klinik und muss eine Woche drinbleiben. Amy will mich vor Ort haben, wenn ich die nächste Behandlung bekomme, falls ich wieder so heftig reagiere.

Ich vermisse dich so. Ich wünschte, ich könnte bei dir sein oder du bei mir. Ich wünschte, unser Leben wäre nicht so beschissen.

Fuck. Ich sollte dir das nicht schreiben, während du im Knast sitzt, aber ich kann gerade nicht mehr.

Ich hab dich lieb.

Vinc«

»An Matthew Kreese, 10. Mai

Von Vincent Kreese

Scheiße, Matt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das Schicksal hat sich offenbar gegen uns verschworen und tut alles, um zu verhindern, dass wir miteinander sprechen. Ich konnte gestern nicht ans Telefon, weil ich über der Kloschüssel hing. Ich kotze mir seit Tagen die Seele aus dem Leib. Amy hat mich an eine Transfusion gehängt, weil ich nichts bei mir behalten kann. Ich schaff es im Moment kaum aus dem Bett. Man muss mir sogar beim Pissen und Scheißen helfen. Vorhin hab ich im Gefängnis angerufen, aber man sagte mir, dass du schon wieder in Einzelhaft sitzt. Was ist bei dir los? Es macht mich wahnsinnig, nichts von dir zu hören.

Laut Amy muss meine schlechte Phase bald vorbei sein, dann kann ich dir öfter schreiben oder endlich mit dir sprechen. Keinem ihrer anderen Patienten geht es so dreckig wie mir. Einer hat zwar heftig Durchfall bekommen, aber der war nach zwei Tagen wieder weg und ... Keine Ahnung, warum ich dir das mitteile. Ich bin so müde. Und erschöpft. Ich würde gern schlafen, aber ich kann nicht, weil ich jedes Mal wirre Lichtpunkte vor meinen Augen aufblitzen sehe, sobald ich sie schließe. Es ist, als würde mich jemand ständig mit einer Taschenlampe anstrahlen. Amy hat mir ein Beruhigungsmittel gegeben. Es hilft ein wenig, aber am liebsten würde ich aus diesem scheiß Bett aufstehen und auf etwas einschlagen. Oder mir die Haut vom Körper reißen. Ich weiß echt nicht, wie lange ich den Mist noch aushalte.

Tut mir leid, dass ich nichts Positiveres zu berichten habe. Vielleicht war es doch ein Fehler, nach Chicago zu kommen.«

»An Matthew Kreese, 23. Mai

Von Vincent Kreese

Matt! Heute hatte ich einen Durchbruch. Ich hab was gesehen! Es ist noch nicht viel, aber ich hab Amys Gesicht erkannt. Sie musste nah an mich herankommen, doch es hat geklappt. Sie sieht verdammt gut aus. Wenigstens werde ich von einer schönen Frau gequält. Es hat mich ziemlich angestrengt, die Augen so lange offen zu halten, und Amy hat mir wieder strikte Bettruhe verordnet. Du kommst morgen aus der Einzelhaft, oder? Ruf mich an!

Vinc«

Ich knüllte den letzten Ausdruck der Mails zusammen und schloss die Faust fest darum. Wie benommen hockte ich auf der Bank und lauschte dem Rauschen des Blutes in meinen Ohren.

Meine Zeit im Loch war seit gestern Abend vorbei. Keine Ahnung, wie ich sie dieses Mal überlebt hatte, ohne den Verstand zu verlieren. Oder vielleicht war ich längst verrückt und merkte es nur nicht. Vielleicht saß ich noch in dieser kleinen Zelle fest, donnerte mit dem Kopf gegen die Wand, kratzte mir über die Haut, schrie meine Verzweiflung hinaus, klammerte mich an die Gitterstäbe, kotzte und bebte und versuchte, mich zu beruhigen.

»Yo, Kreese«, sagte jemand neben mir. Ich blickte auf, blinzelte träge. Alles fiel mir schwer, alles war mir zu viel, und ich merkte, wie ein Teil von mir sich wieder ins Loch sehnte. In die Einsamkeit, den Wahnsinn, in diese vier Wände, die ich so gut kennengelernt hatte.

Bronson setzte sich ungefragt zu mir neben die Bank und hielt mir einen Joint hin. »Brauchste? Is’ ganz neuer Stoff. Haut gut rein.«

Ich schluckte trocken, sah auf den zusammengeknüllten Zettel in meiner Hand. Mir war übel. Von Vincents Worten. Von meinem Leben. Von der Welt. Seit über zwei Monaten hatten wir nicht miteinander gesprochen. Als ich das erste Mal aus dem Loch gekommen war, hatte er nicht reden können, weil es ihm so schlecht gegangen war. Ich hatte mit Amy telefoniert. Sie war nett, aber unterkühlt und ... Keine Ahnung. Ich war nicht sonderlich freundlich zu ihr gewesen. Es war unfair, dass sie bei meinem Bruder sein konnte und ich nicht. Ich wollte für ihn da sein. Ich wollte derjenige sein, den er als Erstes sah, sobald er die Augen öffnete. Stattdessen lauerte da diese fremde Frau.

»Kreese«, zischte Bronson. »Hab nich den ganzen Tag Zeit. Willste oder nich’?«

Ich sah auf den Joint und biss den Kiefer hart aufeinander. Ich sollte die Finger von dem Zeug lassen und es ohne den Scheiß aushalten, stattdessen rieb ich mir übers Kinn und nahm den Joint entgegen.

»Geht doch«, sagte Bronson. »Bezahlung wie immer.«

Ich nickte, zündete ihn an und inhalierte den ersten Zug. Es schmeckte süßlich und stieg mir sofort in den Schädel. In meinem Inneren löste sich die Anspannung, mir wurde schwindelig, alles drehte sich, dann zog angenehme Stille in mich. Bronson hatte nicht untertrieben, das Zeug war tatsächlich stärker als sonst.

Er grunzte, klopfte mir auf die Schulter und trottete davon. Ich nahm einen weiteren Zug und sah dabei auf die Mails, die Vincent mir geschickt hatte. In der Regel diktierte er seine Worte mit einem speziellen Programm. Ich stellte mir vor, wie er in einem fremden Zimmer in Chicago in seinem Bett gelegen und diese Worte an mich gesprochen hatte. Vermutlich half Amy ihm auch dabei. Bestimmt hockte sie die ganze Zeit neben ihm und hielt seine Hand.

Ich brummte, zog ein weiteres Mal an meinem Joint und wünschte, er könnte die Eifersucht wegbrennen. Ich sollte dankbar für Amy sein. Sie half Vincent und schenkte ihm etwas, nach dem er sich seit Jahren sehnte. Und ich? Zerging im Selbstmitleid. Ich wischte mir über die Augen, die tränten. Heute war es windig, ich war es nicht mehr gewöhnt, die Kühle auf meiner Haut zu spüren, nachdem ich die letzten vierzehn Tage im Loch gesessen hatte.

Wie schnell es geht.

Mein Körper hatte sich nach dieser kurzen Zeit bereits von allen Umweltreizen entwöhnt. Ich zog ein weiteres Mal an meinem Joint und versuchte so, die Erinnerungen ans Loch auszulöschen. Bishop war in der ersten Woche auch dort gewesen, aber dann hatten sie ihn rausgeholt. Er hatte es dieses Mal besser geschafft, war aber in manchen Nächten in Panik verfallen. Ich hatte versucht, ihm zu helfen und bin mit ihm die Übungen durchgegangen, bis er ruhiger geworden war. Dann war er eines Tages weg gewesen. Keine Ahnung, wo er sich jetzt rumtrieb. Hier oben hatte ich ihn zumindest nicht gesehen.

Ich zog ein weiteres Mal am Joint und ließ meinen Blick über den Hof schweifen. Maddock saß mit seiner Gruppe zusammen und lachte. Ehe ich ins Loch gewandert war, waren wir noch mal aneinandergeraten. Sein »Angebot« stand weiterhin unbeantwortet im Raum. Er wollte, dass ich für ihn Päckchen annahm und sie im Knast wie ein verdammter Postbote verteilte. Ich hatte nicht vor, mich auf Geschäfte mit Maddock einzulassen, aber auch keine Ahnung, wie ich ihm entgehen konnte. Jedes Mal ins Loch zu wandern, war auf alle Fälle keine Dauerlösung, um ihm aus dem Weg zu gehen.

Maddock musste meinen Blick bemerkt haben, denn er hielt im Gespräch inne und sah zu mir rüber. Ich schnaubte, zog ein letztes Mal am Joint, ehe ich ihn unter meinen Füßen ausdrückte und aufstand. Bedauerlicherweise erhob sich auch Maddock. Ich gab ein leises Stöhnen von mir, überlegte, wie ich möglichst schnell und unauffällig verschwinden konnte, aber Maddock hatte mich eh gleich eingeholt. Also schob ich die Briefe in eine Hosentasche und schlenderte los, als wollte ich einen scheiß Spaziergang machen.

»Kreese.«

»Maddock.« Ich blickte nicht zurück.

Er holte mich ein und heftete sich an meine Seite. »Wie war’s im Loch?«

»Super. Hatten das volle Erholungsprogramm, mit Massagen, Meditationen und Netflix. Echt schade, dass du es verpasst hast.«

»Ist der Schreihals noch unten?«

»Du meinst Bishop.«

Er rollte mit den Augen. Kane und Cracker versperrten mir den Weg. Letzterer war ein hagerer Typ, der aber verdammt gut zuschlagen konnte. Angeblich war er mal Neurochirurg gewesen und kannte alle empfindlichen Stellen im Körper. Neulich hatte er Santos, meinen Zellennachbarn, fast totgeschlagen. Er lag noch immer auf der Krankenstation.

»Ist er noch unten?«, wiederholte Maddock seine Frage.

»Nein.«

Er runzelte die Stirn.

»Sicher?«

»Ich hab in jede einzelne Zelle geschaut und sogar unter den Betten nachgeguckt. Klar bin ich mir sicher.«

Maddock machte einen Schritt auf mich zu und legte den Kopf schief. An seinem Gesichtsausdruck merkte ich, dass ich ihn reizte und es eigentlich besser wäre, die Klappe zu halten.

»Hier oben ist er aber auch nicht.«

»Dann hat er sich wohl in Luft aufgelöst.«

Maddock ballte die Hände zu Fäusten und ließ die Knöchel krachen. Die erste Warnung an mich.

»Er ist auch nicht entlassen worden.«

»Was soll ich dazu sagen?« Ich öffnete die Arme und sah ihn erwartungsvoll an. »Bin nicht sein verdammtes Kindermädchen.«

Maddocks Oberlippe zuckte. »Hab mit dem Typen noch ‘ne Rechnung offen.«

»Dann such dir ‘nen passenden Geldeintreiber und lass mich da raus.«

Maddock trat so nahe an mich heran, dass sein stinkender Atem mich benommen machte. Er legte seine Pranke in meinen Nacken und umklammerte mich mit der Kraft einer Schraubzwinge.

»Du wirst die Augen nach ihm offen halten und mir sofort Bescheid geben, wenn du ihn siehst. Außerdem hab ich noch einen Job für dich.«

»An dem ich kein Interesse habe.«

Er warf den Kopf in den Nacken. »Er hat kein Interesse, Leute. Gebt euch das.«

Kane und Cracker stimmten ins Gelächter ein. Maddock tätschelte mir mit der freien Hand die Wange. »Süß, Kreese. Wirklich süß.«

Er stieß mich von sich weg. Ich taumelte ein paar Schritte nach hinten und fasste mir an den Nacken.

»Wir sehen uns.« Maddock drehte sich um, winkte seinen Jungs zu und trottete davon. »Hab dich nicht vergessen.«

»Bedauerlicherweise«, murmelte ich zu mir selbst. Als die Gang weg war, knüllte ich die Hand in der Hosentasche zusammen und lauschte dem Rascheln der Briefe.

Es tut mir leid.

Es ist zu hart für mich.

Ich kann nicht mehr.

Vincents Worte spukten vor meinem geistigen Auge umher und tanzten auf meinem Herzen. Ich atmete sie ein und stopfte sie ganz tief an einen der dunklen Ort in meiner Seele, von denen es mittlerweile viel zu viele gab. Dann zog ich die Briefe aus der Hosentasche und warf sie in den nächsten Mülleimer.

Es tut mir leid.

Es ist zu hart für mich.

Ich kann nicht mehr.

****

Tropf.

Tropf.

Tropf.

Ich bin zurück. Im Dunkel. Im Nichts. Ich habe mich verloren und ich habe mich gefunden. Die Stille hallt in mir nach. Das Nichtsein nährt mich, stärkt mich, macht mich bereit.

Ich warte. Ich kann warten. Ich tue es schon so lange.

Seit Jahrtausenden.

Ein Moment nach dem anderen.

Tropf.

Tropf.

Tropf.

Ein Tropfen folgt dem nächsten. Unaufhörlich sickere ich dahin und höhle das Leben aus.

Bald kommt der Regen.

Ich spüre es.

Bald kommt meine Zeit.

Bis dahin schlafe ich und nähre mich. An jedem einzelnen Tropfen. An jedem einzelnen Vergehen. Und es gibt jeden Tag viele davon.

Jeden Tag füttern sie mich.

2. Kapitel

Rose

»Wo bist du?«

...

»Hier.«

...

»Ich suche dich.«

...

»Wer bist du?«

...

»Das Nichts.«

...

»Wie kommst du hierher?«

...

»Ich bin überall.«

...

»Was willst du von mir? ... Nein! ... Lass mich in Frieden.«

...

»Ich brauche dich.«

...

»Ich ... will ... nicht ... sterben.«

...

»Es ist unabdingbar.«

...

»NEIN! Bitte ... nicht!«

Ich schnappte nach Luft, riss erschrocken die Augen auf und starrte an die Zimmerdecke. Mein Herz hämmerte, mein Atem kam abgehackt. Ich hatte die Bettdecke um meine Beine gewickelt und mein Schlafshirt durchgeschwitzt. Die Narbe über meinem Herzen pochte derart heftig, dass mir übel davon wurde. Ich presste die Hand darauf und versuchte, den Druck wegzumassieren.

Sofort blitzte das Bild in mir hoch, wie ich auf dem Altar im Tempel gelegen hatte. Die Klinge, die mein Leben beenden sollte, schwebte wartend über mir.

Ich drängte die Bilder zurück, atmete stattdessen tief ein und aus. Meistens half das. Aber heute dauerte es länger, bis das Pochen abebbte und der Schmerz meinen Körper verließ.

Benommen blickte ich mich um. Ich lag in meinem Bett und hatte wieder diesen komischen Traum gehabt. Seit knapp zwei Monaten ging das nun so. Es hatte kurz nach dem Besuch bei Darius angefangen, den ich verbotenerweise mit Alec gemacht hatte, weil er uns beiden so leidgetan hatte. Wir hatten ihm jede Menge Geld gebracht, damit er ein neues Leben anfangen konnte. Einmal war ich danach noch in dem Studentenwohnheim gewesen, aber Darius war schon ausgezogen und niemand konnte mir sagen, wohin. Da mir Alec ständig im Nacken saß und mich mit Argusaugen beobachtete, hatte ich mich wieder auf meine Aufgaben konzentriert. Darius würde hoffentlich zurechtkommen, und mich brauchten noch andere Menschen.

Dann war der Traum losgegangen. Er spielte sich stets nach dem gleichen Muster ab. Ich hörte eine verzerrte Frauenstimme, die mir vage bekannt vorkam, die ich aber nicht genau verorten konnte. Ein Mann antwortete ihr, sie hielten einen kurzen Dialog, und dann schrie er um sein Leben und starb anscheinend. An der Stelle wachte ich auf.

Bilder bekam ich keine dazu. Nur ein helles Flirren, das alles ausfüllte. So ähnlich, als ob man auf einem Parsumi ritt und zwischen die Welten gelangte.

Ich schlang die Arme um meine Beine und zog sie an. Durch das geöffnete Fenster drangen nicht nur die ersten Sonnenstrahlen des Tages, sondern auch eine angenehm kühle Morgenbrise. Mein Element strich über meine Haut, forderte meine Aufmerksamkeit. Ich atmete es in meine Lunge und nahm es dankbar an. Fast meinte ich sein Wispern in meinem Kopf zu hören. Das sanfte Rauschen, das uns erfüllte, die Liebe, die uns verband. Je mehr ich trainierte, desto besser wurde ich im Umgang mit ihm und desto mehr fiel mir auf, dass ich ganz schön viele Defizite hatte.

Ich strich erneut über die Narbe und fragte mich nicht zum ersten Mal, ob es daran lag. Bei meiner Wandlung hatte ich gegen einige Regeln verstoßen und mir etwas genommen, das mir noch nicht zugestanden hatte. So weit ich wusste, hatte auch niemand der anderen eine derart große Narbe über dem Herzen zurückbehalten. Alec, Daniel und Kala hatten auf alle Fälle keine, die hatte ich schon gefragt.

Ich lehnte mich zur Seite, griff in meine Nachttischschublade und nahm mein Notizbuch und einen Stift heraus. Mit den Sachen auf dem Schoß rückte ich nach hinten an die Wand. Seit meiner Wandlung zur Seelenwächterin vor genau dreihunderteinundfünfzig Tagen führte ich dieses Buch. Manchmal schrieb ich nur wirre Gedanken auf, die ich über den Tag aufgeschnappt hatte und die aus meinem Kopf mussten, manchmal verfasste ich seitenlange Essays über das, was ich gelernt hatte. In den letzten dreißig Tagen hatten wir uns sehr auf meine Fähigkeiten konzentriert, Menschen zu beeinflussen. Ich hatte oft mit meiner Truppe geübt, war in ihre Köpfe eingedrungen und hatte sie verändert. Daniel hatte dabei meistens Gedichte aufgesagt, weil er meinte, er hätte zu viele schmutzige Gedanken, die ich nicht hören sollte; Alec war entspannt und ließ mich problemlos ein; und bei Kala tauchte immer wieder diese komische Gewitterwolke auf. Ich konnte sie weder genau greifen noch irgendeinen Sinn darin erkennen. Wenn ich sie danach fragte, zuckte sie mit den Achseln und meinte, dass sie nicht wusste, was es bedeutete.

Wir waren auch ein paarmal in eine Stadt gefahren und ich hatte mit mehreren Passanten üben sollen, aber das fiel mir nach wie vor schwer. Meistens begann mein Schädel nach einiger Zeit zu dröhnen und mir wurde schwindelig. Alec passte zwar stets auf, dass ich mich nicht überforderte, doch ich würde gern mehr machen. Es fuchste mich, dass ich diese Seite meines Elements nicht in den Griff bekam, auch wenn es wohl normal war. Jeder Seelenwächter hatte meist mit einer oder mehreren Fähigkeiten zu kämpfen. Manche brauchten Jahre, bis sie einen Schritt weiterkamen. Ich hatte nicht vor, so lange dafür zu benötigen. Es musste einen Weg geben, das Ganze zu beschleunigen.

Ich blätterte in meinem Notizbuch um und wollte gerade aufschreiben, dass ich schon wieder diesen Traum gehabt hatte, als es heftig an meiner Tür klopfte.

»Rose?«, fragte Kala. »Bist du wach?«

Ich schmunzelte, weil ich noch nie den Sinn dieser Frage verstanden hatte. »Ja, komm rein.«

Kaum hatte ich ausgesprochen, flog die Tür auf und Kala fegte ins Zimmer. Sie ließ sich mit Schwung auf meiner Bettkante nieder und strahlte mich erwartungsvoll an.

»Was ist denn mit dir los?«

Sie quiekte. »Wir bekommen Besuch!«

Ich hob eine Augenbraue. »Von wem?«

»Von Will! Eben kam die Nachricht rein, dass er heute unser Training leiten wird.« Sie klatschte in die Hände. Kala flippte immer aus, wenn Will, Anna oder Akil bei uns auftauchten. Ich hingegen versuchte, ihnen aus dem Weg zu gehen. Unser Verhältnis war ziemlich abgekühlt, seit ich damals in Eigenregie losgezogen war. Wie auf Kommando pochte meine Narbe bei dem Gedanken an die drei.

»Bringt er Anna mit?«, fragte ich.

»Kann sein, aber viel wichtiger ist«, Kala wackelte mit den Augenbrauen, »ob Akil dabei ist«.

»Geht das schon wieder los?«

Kala hoffte seit Jahren, dass ich sie mit Akil verkuppelte.

»Hab gehört, dass er neulich mit ein paar Seelenwächtern aus Dänemark ‘ne wilde Party geschmissen hat. Hat angeblich drei Tage gedauert.« Sie sah mich erwartungsvoll an, als müsste ich darüber Bescheid wissen.

»Ich kenne mich in Akils Partyleben genauso wenig aus wie in seinem Terminkalender.«

»Aber du könntest doch dafür sorgen, dass auch ich auf eine dieser Partys eingeladen werde.« Sie sah mich so begierig an wie ein Hund, der darauf wartete, dass sein Besitzer das Stöckchen warf.

»Auch da kann ich nichts für dich tun. Sorry.«

Kala boxte mich gegen den Arm. Fest.

»Aua!« Ich rieb mir die Stelle.

»Du bist manchmal ‘ne ganz schöne Langweilerin, weißt du das?«

»Das hat doch nichts mit langweilig zu tun. Und zum gefühlt tausendsten Mal: Nur weil ich bei ihnen gewohnt habe, sind wir keine besten Freunde.«

Kala seufzte. »Ich kann es mir echt nicht vorstellen. Sie sind doch so offen und nett.«

»Tja, was soll ich dazu sagen? Vielleicht haben sie sich vorgenommen, mehr Abstand zu ihren Schützlingen zu wahren. Steht denn fest, wann Will kommen möchte?«

»In eineinhalb Stunden. Wir sollen uns schon mal aufwärmen.«

»Gut.« Ich sah Kala herausfordernd an, weil sie noch immer auf meinem Bett saß, und runzelte die Stirn.

»Du bist die erste Person, die mich aus ihrem Bett wirft, weißt du das?«

»Mit irgendwem fängt es immer an.«

»Jaja, ich hab verstanden. Falls du dich doch noch dazu durchringen magst, mich mit Akil zu verkuppeln, weißt du ja, wo du mich findest.«

»Du hast mehr Chancen, wenn du ihn selbst ansprichst, glaub mir.«

Kala stand auf und ging zur Tür. Sie atmete tief ein, und ich hatte das Gefühl, dass ihr noch was auf dem Herzen lag. In meinem Kopf pochte es auf einmal dumpf nach, ich schloss für eine Sekunde die Augen und sah, wie eine Gewitterwolke sich zwischen Kala und mir zusammenzog. Die gleiche, die ich immer bemerkte, wenn ich in ihren Kopf eindrang. Ich riss die Augen wieder auf, sah zu Kala, doch die lächelte schon wieder.

»Wir sehen uns später. Ich bin gespannt, was der Tag bringt.«

»Ja, ich auch.«

Sie öffnete die Tür und huschte hinaus. Ich zog die Augenbrauen zusammen und rieb über die Narbe auf meinem Herzen. Kaum war Kala weg, hörte das Ziehen darin auf, und auch die Gewitterwolke lichtete sich. Ich schüttelte den Kopf, nahm mir mein Notizbuch und schrieb auch diese Gedanken nieder.

3. Kapitel

Matthew

Meine Stirn knallte gegen die Betonwand. Helle Sterne blitzten durch mein Blickfeld, mir war kotzübel, und ganz sicher würde ich jeden Moment ohnmächtig werden. Das Blut rann mir den Rachen hinunter. Ich hustete. Schluckte. Keuchte.

»Ich sag es dir gern noch mal, weil du scheinbar ‘ne lange Leitung hast, Kumpel.« Kane stand hinter mir. Bei jedem seiner Worte spuckte er mir in den Nacken. »Du wirst unser neuer Bote.«

»Ich wiederhole ...« Ich hustete. Gott, war mir übel. »... m-mich auch gern ...« Wieder ein Husten. Ich drehte den Kopf ein Stück, konnte Kane aber nur am Rand meines Sichtfelds wahrnehmen. Dafür sah ich Maddock klar und deutlich, denn der lehnte neben mir an der Wand und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Ich fixierte ihn, während ich die nächsten Worte genauso ausspuckte wie Kane: »Kein Interesse.«

Kane donnerte mir die Faust in die Rippen. Ich unterdrückte den Schmerzenslaut, presste die Lippen fest aufeinander. Ein weiterer Tritt, noch ein Schlag. Wieder und wieder. Meine Beine knickten ein. Mein Körper war längst bereit aufzugeben, mein Kopf bedauerlicherweise nicht.

»Ich glaube, du schnallst nicht, dass wir dich nicht vor die Wahl stellen«, sagte Kane.

»Doch, doch. Ist angekommen. Klar und deutlich.«

Maddock gab ein tiefes Grunzen von sich, das in ein Lachen überging. Er klatschte in die Hände. »Biss hast du ja, Junge, das muss man dir lassen. Du bist perfekt für uns.«

Kane presste mich an die Wand, raubte mir so den Atem. Meine Lider flatterten, ich würgte an meinem eigenen Blut. Keine Ahnung, wie lange sie mich schon in der Mangel hatten. Mir kam es wie zwei Stunden vor, vermutlich waren es aber erst zwanzig Minuten oder so. Maddock, Kane und Cracker hatten mich vorhin nach dem Essen abgepasst und mich in diesen abgeschiedenen Bereich hinter der Wäscherei geschleppt; wo sie mir erneut gesagt hatten, dass ich für sie den Boten spielen sollte. Und ich hatte mich erneut geweigert, was ziemlich schnell ihre Fäuste gelockert hatte.

»Yo, Leute. Da kommt wer«, sagte Cracker, der am Durchgang Schmiere stand.

»Wer?«, fragte Maddock.

»Reinigungstrupp.«

Wieder gab Maddock dieses Grunzen von sich, das ich ihm am liebsten zurück in seinen Rachen gestopft hätte. Er trat näher zu mir, packte mich am Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. »Gratuliere. Dein erstes Vorstellungsgespräch lief super. Bist zum zweiten eingeladen.«

Kane lachte, donnerte mich noch mal gegen die Wand und ließ mich endlich los. Mit letzter Willenskraft konnte ich verhindern, vor ihnen auf den Boden zu sinken.

»Wir sehen uns«, sagte Maddock und wandte sich ab. »Los, Leute. Wir verschwinden.«

Ich stöhnte, wartete, bis die Schritte sich entfernt hatten, und sackte in mich zusammen. Jede Zelle in meinem Körper ächzte. Ich drehte mich, sodass die Wand in meinem Rücken war, lehnte den Kopf dagegen, atmete ein und aus. Der ekelhafte Geschmack von Blut lag mir auf der Zunge. Ich spuckte aus, schluckte runter. Obwohl ich saß, hatte ich das Gefühl, tiefer in den Boden zu sinken. Meine Lider klappten zu, ich lauschte dem leisen Rasseln in meiner Lunge.

Schritte näherten sich. Ich wollte aufstehen, aber ein beißender Schmerz schoss mir durch die Seite.

Scheiße.

Die Schritte kamen näher. Ich blickte benommen auf und blinzelte die fünf Männer an. Der Reinigungstrupp. Die Jungs musterten erst mich skeptisch, dann das Blut zu meinen Füßen und auf der Wand.

»Im Ernst?«, fragte einer. »Könnt ihr eure scheiß Schlägereien nicht draußen abhalten?«

»Hatte leider kein Mitbestimmungsrecht«, gab ich von mir.

»Jetzt dürfen wir den Mist sauber machen. Denkt ihr jemals an uns?«

Ich runzelte die Stirn, der Typ winkte ab. »Vergiss es. Natürlich tut ihr das nicht.« Er wandte sich zu seinen Kollegen um. Ich kannte ein paar vom Sehen, hatte aber keine Ahnung, wie sie hießen, und ich war auch viel zu k.o., um mir darüber Gedanken zu machen.

»Bin gleich weg«, sagte ich.

»Ich helfe dir«, sagte einer der Jungs, der weiter hinten stand. Ein schmächtiger Kerl mit Glatze und ...

»Bishop?«

Er zuckte zusammen und versteckte sich sofort wieder hinter einem der Jungs, doch der schob ihn nach vorne.

»Du erledigst das, Kleiner.« Der, der als Erstes gesprochen hatte, pfiff den anderen zu und setzte sich wieder in Bewegung. Bishop und ich blieben zurück.

»Hier hast du dich also verkrochen, du Sackratte.«

Er kratzte sich am Hals, ging vor mir in die Hocke und streckte die Finger auf Höhe meines Gesichts. »Darf ich mir das ansehen?«

»Warum?«

»Weil ich gern checken würde, ob es genäht werden muss.«

»Also bist du auch noch ein scheiß Arzt, oder wie?«

»Nein.« Bishop fasste mir ohne meine Zustimmung ans Kinn, drehte meinen Kopf, tastete die Wunde knapp über meinem Auge ab. »Das sieht ganz okay aus, wo hast du sonst noch Schmerzen?«

»Lass mich in Frieden.« Ich wollte ihn wegschieben und aufstehen, aber der Schmerz, der mir durch die Seite schoss, verriet mich.

»Da also.« Er drückte auf meine Seite, ich japste nach Luft und schlug seine Hand weg. »Ist leicht geschwollen, du solltest das genauer untersuchen lassen.«

»Klar, ich ruf nachher meinen privaten Arzt an und lass mir im Anschluss ‘ne Massage geben, um die verspannten Muskeln zu lockern.«

Bishop verzog das Gesicht, untersuchte mich weiter. Er ging methodisch und ruhig vor. Das machte er definitiv nicht zum ersten Mal.

»Hab schon viele Schläge einstecken müssen und vermutlich genauso viele Leute zusammengeflickt«, sagte er, als könnte er meine Frage hören. »Mit der Zeit lernt man Dinge.«

»Ach ja? Wie man sich im Knast unauffällig aus dem Staub macht, zum Beispiel? Maddock fragt mich ständig nach dir. Vermutlich denkt er, dass wir beste Freunde sind.«

Bishop grinste schief. »Für deine Hilfe bin ich dankbar. Ich glaube nicht, dass ich ohne dich das Loch überstanden hätte. Tut mir leid, wenn du deshalb Ärger bekommst.« Er tastete auch die andere Seite ab, rotierte meine Schulter und die Handgelenke und nickte schließlich. »Du hast Glück. Es ist nichts gebrochen.«

Bishop stand auf und reichte mir die Hand, um mir aufzuhelfen. Dieses Mal nahm ich es an. Konnte ja schlecht für immer hier hocken.

»War das Maddock?«

»Wer sonst. Er will, dass ich für ihn arbeite.«

»Was du nicht tun magst.«

»Bin doch nicht lebensmüde. Es ist schwer genug hier drin, ich brauch mich nicht noch in illegale Geschäfte verwickeln lassen.«

Er rieb sich übers Kinn und schien über meine Worte nachzudenken. »Wie lange musst du noch absitzen?«

»Drei Jahre.«

Bishop schloss die Augen und nickte. »Und du bist hier wegen Mord, oder? Das behaupten zumindest die anderen.«

»Dann wird es wohl stimmen.«

»Du siehst nicht aus wie jemand, der einen anderen umbringt.«

Ich lachte auf. Laut und bellend. »Schön. Solltest du dem Richter erzählen, der mich verurteilt hat.«

Bishop öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder. »Es tut mir leid, dass du hergeraten bist.«

Ich schnaubte, rollte mit den Augen und wandte mich ab.

»Matthew«, sagte Bishop. »Danke für deine Hilfe unten im Loch. Ich werde nicht mehr lange hier sein, aber das werde ich nicht vergessen.«

Ich blieb stehen, schloss die Augen und lauschte meinem rasselnden Atem. Dann setzte ich mich in Bewegung und hoffte, heute nicht mehr Maddock oder einem seiner Jungs zu begegnen.

Erst sehr viel später, als ich wieder in meiner Zelle lag, fiel mir auf, dass ich Bishop nie meinen Vornamen verraten hatte.

4. Kapitel

Rose