Dein ist die Vergeltung - Maria Höfle - E-Book

Dein ist die Vergeltung E-Book

Maria Höfle

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Beschreibung

Cosy Crime im beschaulichen Kufstein. Für Fans von Commissario Grauner und den Grenzfall-Krimis »Wir müssen noch einmal von vorne beginnen. Und diesmal müssen wir uns fragen: Warum legt jemand einen Engel neben eine Leiche?« Es ist ein düsterer Septembermorgen für das Turmschloss: Simona Grafstatt, die Besitzerin des verschnörkelten Kufsteiner Hotels, wird in der Bibliothek erstochen aufgefunden. Und am Tatort liegt eine mysteriöse Engelsfigur … Erneut ermittelt Inspektorin Dorothea Keusch – nun endlich als Mitglied der Mordkommission. Doch ihr Start beim LKA gestaltet sich steinig. Ihre neue Chefin zweifelt an ihren Fähigkeiten und ihr ehemaliger Vorgesetzter behindert die Ermittlungen vor Ort. Chefinspektor Konstantin Schmitt dagegen hat sich seit Tagen nicht mehr bei ihr gemeldet … Schon bald muss Dorothea sich fragen: Werden ihre neue Karriere und ihre Romanze enden, ehe sie begonnen haben? 

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© Piper Verlag GmbH, München 2023

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Epilog

Mein herzlicher Dank

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Für Lea

Kapitel 1

Irgendetwas stimmte nicht. In der Bibliothek des Turmschlosses fröstelte Dorothea Keusch und beugte sich über die Leiche. Die blonde Frau lag friedlich in dem Sessel vor dem erkalteten Kamin, aber die Blutstropfen am Kragen der weißen Bluse hatten etwas Gnadenloses, Grausames an sich. Und irgendetwas war seltsam. Dorothea zermarterte sich ihr Gehirn, aber sie konnte es nicht entschlüsseln.

Die Aufregung schnürte ihr die Kehle zu.

Dein erster Einsatz bei der Mordkommission. Konzentrier dich!

Sie strich die letzten winzigen Tropfen des Nieselregens von ihrem Zopf und betrachtete den liebevoll geschmückten Raum. Ohne Zweifel bot das Turmzimmer des Hotels an kühlen Abenden das perfekte Ambiente. Eine offene Feuerstelle, knisternde Birkenscheite, der rot-goldene Widerschein der Flammen. Schwere Ohrensessel, Ledereinbände mit alter Schrift, viktorianische Aquarellbilder, Jagdszenen. Eine kunstvolle Sanduhr und ein weicher Teppich in sanftem Weiß. Die Atmosphäre, in der man in Literatur schmökerte, Whisky trank, philosophierte und Bridge spielte. Eine Mischung aus einem englischen Cottage, einem französischen Landhaus und einem mittelalterlichen Schloss. Ein Raum, der an Miss Marple, Sherlock Holmes und verborgene Geheimgänge hinter Bücherregalen denken ließ.

Doch an diesem nassen Septembermorgen brannte kein Feuer, die verkohlten Holzscheite knackten nicht mehr, nur leise Flocken der schwarzen Asche stoben im nüchternen Licht der Glockenlampen durch die Luft. Um sieben Uhr morgens krochen dumpfe Feuchtigkeit und kalter Rauch über die hohen Bücherregale bis hinauf zu der kunstvoll verzierten Täfelung.

Dorothea schauderte. Mit diesem Sonntagmorgen waren der Herbstbeginn und frostiges, regnerisches Wetter eingezogen.

»Was sagt das neueste Mitglied der Mordkommission?« René Speckner riss Dorothea aus ihren Überlegungen. Spöttisch musterte ihr ehemaliger Kollege ihren dunkelgrünen Parka, verschränkte die Arme über seinem Uniformhemd und legte einen Spalt seines behaarten Bauchs frei. »Hat unser Genie Keusch den Fall schon gelöst?«

Dorothea sog den Schweißgeruch ein, der von ihm ausging, und widerstand dem Drang, René Speckner anzuherrschen. Warum musste ihr erster Fall bei der Abteilung Leib und Leben ausgerechnet im Sprengel ihrer früheren Dienststelle stattfinden? In der sie sich mit Speckner herumschlagen musste. Einem Dorfpolizisten, wie er im Buche stand. Innsbruck. Mayrhofen. Ischgl. Tirol hatte so viele Orte, in denen Verbrechen verübt wurden. Warum gerade Kufstein?

Sie zog den ausgebleichten Parka enger um sich.

»Dein Vitamin B und deine Verbindungen zur Presse haben also gewirkt.« Gehässig sah Speckner sie an.

Dorothea presste die Lippen zusammen. Sie hatte keine Verbindungen zur Presse. Kein Vitamin B. Sie hatte die Dienstprüfung als Beste bestanden, auch wenn sie mit Anfang dreißig die jüngste Bewerberin für den Job gewesen war. Sie richtete sich auf.

Vergiss Speckner. Er will dich provozieren. Konzentrier dich auf deine Arbeit. Dein Abteilungsleiter hat dich angerufen. Du darfst bereits offiziell an einem Fall mitarbeiten. Man setzt Vertrauen in dich, obwohl du noch in der Probezeit bist, nur für die Kollegin eingesprungen bist, die in frühzeitigen Mutterschutz gegangen ist. Lass Speckner spotten. Beweise, dass du der Aufgabe gewachsen bist. Stell sicher, dass du mit Neuigkeiten nach Innsbruck fahren kannst.

Sie nahm ihren neuen Notizblock aus der Tasche.

Du bist jetzt ein Mitglied der Mordkommission. Du hast das Kommando. Du stellst die Fragen.

»Was hast du schon in Erfahrung gebracht?«

Speckner warf ihr einen trotzigen Blick zu und wartete ab, doch Dorothea hielt ihm stand. Schließlich gab er nach. »Das ist Simona Grafstatt, die Besitzerin. Einundfünfzig Jahre alt. Sie hat dieses Schloss vor einigen Jahren gekauft und es in ein romantisches Hotel umgebaut.«

Er schnaubte verächtlich, aber Dorothea sah sich um. Das Flair war perfekt. »Wer hat die Tote gefunden?«

Speckner kratzte sich am Ohr. »Die Rezeptionistin. Oriana Gonzalez. Als sie das Feuer im Kamin der Bibliothek entfachen wollte.«

»Wo ist Frau Gonzalez jetzt?«

»Im Krankenhaus. Zart besaitet.« Er schnaubte erneut. »Hat einen Schwächeanfall erlitten. Wir mussten den Notarzt rufen.« Er deutete mit dem Daumen in Richtung der toten Hotelbesitzerin. »Es sieht so aus, als ob sie erstochen worden wäre.«

Das stimmte. Der Kopf der Toten war zur Seite gewandt, zeigte eine klaffende Wunde im Nacken. »Die genaue Todesursache wird der Gerichtsmediziner feststellen. Gibt es Hinweise auf die Mordwaffe?«

»Wir haben nichts gefunden.«

»Danke, René. Ich übernehme hier drin.«

»Die Mordkommission muss unterbesetzt sein, wenn sie jetzt schon Grünschnäbel zu Fällen schickt.« Speckner ließ sich nicht so schnell abwimmeln. »Sieht fast so aus, als ob sie schwarze Schafe dort besonders gut brauchen könnten. Solche, die sich nicht an die Vorschriften halten.« Er verschränkte die Arme und sah sie herausfordernd an.

Dorothea reagierte nicht.

Speckner warf ihr einen letzten gehässigen Blick zu, ehe er sich zur Tür wandte.

Schwarze Schafe. Dorothea seufzte innerlich. Speckner war nicht der begnadetste Denker unter der Sonne, aber er hatte sie nicht verloren: seine Fähigkeit, den wunden Punkt zu treffen. Sie war kein Grünschnabel. Sie hatte schon zwei Fälle gelöst. Sich nicht davor gescheut, sich gegen den Polizeipräsidenten zu stellen. Aber nicht als offizielles Mitglied der Mordkommission, sondern als Stadtpolizistin in Kufstein. In eigenmächtigen Nachforschungen, die sie beinahe ihren Job gekostet hatten. Sie hatte ermittelt. Mit Chefinspektor Schmitt. Mit … Konstantin.

Der Schmerz traf sie unerwartet, und sie musste schlucken.

Konstantin.

Sie schob die drei Silben beiseite, aber wie ein Bumerang kamen sie wieder zurück, schlugen mit harter Wucht gegen ihre Brust.

Konstantin.

Wo war er gerade? Sie betrachtete den altmodischen Globus. Im Mekongdelta? Auf Java? In Myanmar? Sie wusste es nicht. Seit fünfeinhalb Tagen keine Zeile mehr von ihm. Hunderteinunddreißig Stunden. Neunzehn Minuten. Keine Silbe. Warum schrieb er ihr nicht mehr? Zum tausendsten Mal ging sie ihre letzte Nachricht im Kopf durch. Was hatte sie falsch gemacht? Welches Wort war es gewesen, das ihn abgeschreckt hatte?

Dabei waren sie nun Kollegen. In ihrem Magen bildete sich ein Knoten. In acht Tagen war sein erster Arbeitstag nach dem Urlaub. Sie hatte gehofft, ihn davor noch zu sehen. Aber nun war alles anders. Wie sollte sie mit Konstantin zusammenarbeiten, wenn er zurückkam? Wie begegnete man jemandem, der einfach aufhörte zu schreiben?

Stopp die Grübelei. Konzentrier dich auf deinen Job. Sie betrachtete die geschlossenen Lider der Toten. Erneut bekam sie das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Was war es? Sie wollte ihrem Abteilungsleiter beweisen, dass sie für den Job geeignet war. Sie dachte an das Bewerbungsgespräch. Was hatte er gesagt? »Geben Sie Ihr Bestes!«

Hinter ihr knarzten die Dielen der Bibliothek. Sie seufzte. Was wollte Speckner nun noch?

»Eine Leiche in Kufstein. Und wer ist wieder mitten im Geschehen?«

Der Klang der vertrauten Stimme kam so unerwartet, dass Dorothea einen Moment lang schwarz vor Augen wurde. Der Boden begann, unter ihr zu schwanken. Der Hauch von Hugo Boss nahm ihr den Atem.

»Inspektorin Keusch.«

Ihre Knie zitterten. Sie drehte sich nicht zu ihm um, aus Angst, ihre Beine würden sie nicht tragen.

Kapitel 2

Chefinspektor Konstantin Schmitt. Die Chesterfield-Möbel in der Bibliothek des Turmschlosses schlingerten gefährlich, die tote Frau in dem glamourösen Armsessel verschwamm einen Augenblick lang vor Dorotheas Augen. Es war, als ob ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen hatte.

Konstantin.

Wie oft hatte sie in den letzten Wochen das Wiedersehen mit ihm herbeigesehnt. Ein erstes Date. In einem eleganten Restaurant. In ihrem lilafarbenen Kleid. Nicht hier. Nicht auf diese Weise. Nicht an einem regnerischen Morgen, an dem sie in ihrer Eile keinen Schirm mitgenommen hatte. An dem sie sieben Minuten Zeit gehabt hatte, um zu duschen und sich anzuziehen, ehe sie noch halb verschlafen zum Hotel Turmschloss im Zentrum der Stadt gehetzt war.

Sie widerstand dem Drang, den ausgeblichenen Parka und die ausgebeulte Wollhose glatt zu streichen, zog ihren Zopf nach vorn und drehte sich nun doch um. Unter den vertrauten Duft seines Aftershaves mischte sich ein feuchter Schwall des düsteren Septembertages.

»Guten Morgen.« Konstantin fuhr sich durch das akkurat geschnittene Haar und musterte Dorothea. Er zwinkerte nicht, die Pünktchen in seinen Augen waren stumpf. Er öffnete seine Lippen, dann schloss er sie wieder. Öffnete sie erneut zu einem »Wie geht es dir?«.

»Hervorragend, danke.« Hölzern kamen die Worte über ihre Lippen, Dorothea musste sich zwingen, ihn nicht anzustarren. Seit wann war Konstantin wieder zurück in Tirol? Warum hatte er nicht geschrieben? Nicht angerufen? Wie immer war Chefinspektor Schmitt sportlich und modern gekleidet. Sein Handgelenk jedoch zierte ein ledernes Band, das Dorothea noch nie gesehen hatte. Und er war braun gebrannt. Eindeutig war es nicht das asiatische Regenwetter, das ihn zurück nach Tirol gebracht hatte. Was dann? »Wie war deine Reise?«

Unter seinen Augen lagen Schatten. »Interessant. Spannend. Abenteuerlich.«

»Klingt hervorragend.« Wie idiotisch. Abermals trafen sich ihre Augen für den Bruchteil einer Sekunde. Seine Hände in ihrem Gesicht. Vorsichtig. Zart. Seit Tagen hatte sie sich jene letzte Berührung vor seinem Urlaub ins Gedächtnis gerufen. Helles Rauschen klang unheilvoll in ihren Ohren, die Erinnerung war weggefegt. Sie senkte ihre Lider.

»Was haben wir hier?« An ihr vorbei trat Konstantin zu der Leiche.

Er war ebenfalls diesem Fall zugeteilt? Dorotheas Kopfhaut spannte. »Warum …?« Auf dem Steinboden ertönte das energische Klopfen von Stöckelschuhen, und Dorothea verschluckte den Rest ihrer Frage. Kein guter Zeitpunkt. Sie gab sich einen Ruck. Er ist jetzt dein Kollege. Du musst dich professionell verhalten.

»Bei der Leiche handelt es sich vermutlich um die Besitzerin dieses Hotels. Inspektor Speckner von der Stadtpolizei Kufstein war der erste Beamte am Einsatzort.« Sie wiederholte die Details, die ihr ihr ehemaliger Kollege einige Minuten zuvor gegeben hatte. Konstantin trat neben sie, ging in die Knie und fixierte die Blutflecken auf der Bluse der Toten.

Dorothea betrachtete seine breiten Schultern und ein neuerlicher Stich traf sie.

Konstantin.

Flapsig, frech, wie immer. Nein. Nicht ganz. Er war zurückhaltender, kühler, mied ihren Blick.

Die hämmernden Schritte auf dem Flur kamen näher. Eine Ahnung beschlich sie, Dorotheas Hals pochte, ihre Wangen glühten. Sie hatte mit Oskar Buchwald gerechnet, dem freundlichen Vorstand der Abteilung Leib und Leben, doch dessen Füße bewegten sich lautlos in Lederslippern. Stöckelschuhe trug er ihres Wissens nicht.

»Tatwaffe?«

Ehe Dorothea antworten konnte, knarzten die Dielen der Türschwelle.

»Schmitt, ich sehe, du hast es noch vor mir nach Kufstein geschafft.«

Der Anblick einer orangen Paisley-Bluse und eines makellosen beigefarbenen Blazers ließ Dorothea zusammenzucken. Die Leiterin des gesamten LKA. Erst Konstantin und nun Astrid Relsch in Kufstein? Dorotheas Magen fiel in ein Loch.

»Frau Inspektorin.« Mit zwei großen Schritten und einem barschen Nicken war Relsch neben ihnen, streifte die Leiche mit einem Seitenblick, ehe sie skeptisch Dorotheas Parka betrachtete.

Veras Stimme tönte Dorothea im Ohr: Besorg dir ein ordentliches Outfit für deinen neuen Job. Warum hatte sie nicht auf ihre Freundin gehört? Nun bereute sie es. Dorothea straffte ihre Schultern unter dem durchdringenden Blick ihrer höchsten Vorgesetzten und sog das herbe Parfüm ein. Wie eine apart gealterte Giraffe. Wie immer, wenn sie Astrid Relsch sah, kam Dorothea der Gedanke. Relsch war groß, ausgesprochen schlank, untadelig und dezent gestylt, perfekt in ihrem modischen Top. Ihre Anzugshose schmiegte sich mühelos um die schmale Taille. Alles an der Frau Oberleutnant war makellos. Make-up bedeckte das schon leicht faltige Gesicht, Wimperntusche und blass-oranger Lippenstift betonten die grünen Augen und die dünnen Lippen. Einzig Relschs Hals war zu lang und ihr rostbraunes Haar fiel aus dem Rahmen, ließ sich nicht zähmen. Kraus und widerspenstig ringelte es sich fast bis zu den Schultern um das längliche Gesicht.

»Chefinspektor Schmitt, dies ist Inspektorin Keusch, unser Neuzugang.« Ohne Konstantin oder Dorothea eines weiteren Blickes zu würdigen, studierte Astrid Relsch die Leiche. »Ich denke, Sie beide kennen sich bereits.«

Kennen sich bereits. Dorothea kannte Konstantins Augen, die goldenen Pünktchen darin, wusste, wie sich die leichte Berührung seiner Hand auf ihrer Wange anfühlte. Doch sie wusste nicht, warum er ihr seit Tagen nicht mehr geschrieben hatte. Und sie wusste nicht, warum er in der Bibliothek des Turmschlosses stand und nicht im Mekongdelta.

»Du bist bereits im Bilde, Schmitt?«

»Habe alle Informationen erhalten.« Konstantin nickte. »Was die Tote betrifft.«

Was meinte er damit? Dorothea hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Panisch musterte sie den leicht eingezogenen Hals ihrer Vorgesetzten. Sag etwas Kluges. Oder sag irgendetwas, Dorothea.

»Die Tatortgruppe ist unterwegs.« Relsch kam ihr zuvor. »Inspektorin Keusch, nachdem Chefinspektor Schmitt jetzt hier ist, können Sie nach Hause gehen. Schmitt, du übernimmst den Fall.«

Nach Hause. Die Enttäuschung traf Dorothea wie ein Schlag ins Gesicht.

»Du leitest die Ermittlungen, kümmerst dich um die Befragungen vor Ort.«

Wie durch Watte hörte sie Relschs weitere Worte an Konstantin.

»Ich werde mich mit der Presse herumschlagen.«

»Inspektorin Keusch kann uns bei diesem Fall vor Ort behilflich sein.«

Dorothea erstarrte. Wie bitte? Schmitt meldete sich fünf Tage nicht bei ihr, war aber ihr Fürsprecher bei Relsch? Dorothea öffnete ihre Lippen, schloss sie wieder. Sag kein Sterbenswörtchen. Du bist auf Probe. Dies ist deine Chance zu zeigen, dass du eine dauerhafte Position hier verdienst.

Relsch hob zweifelnd eine Augenbraue. »Inspektorin Keusch hat noch keine Erfahrung bei der Abteilung Leib und Leben. Du kennst meine Prinzipien. Keine Anfänger vor Ort.«

»Bei allem Respekt, Astrid, warum hast du sie dann angerufen?« Konstantin verschränkte seine Arme.

»Das habe ich nicht. Das war Buchwald. Euer Abteilungsleiter.«

Plötzlich wusste Dorothea, warum Konstantin Oskar Buchwald noch nie erwähnt hatte, Relsch dagegen schon. Buchwalds Verantwortung für die Abteilung existierte nur auf dem Papier.

»Kufstein hat sich in letzter Zeit als schwieriges Pflaster erwiesen. Zu viel Rampenlicht. Zu viele Medien. Zu viele Pannen bei Ermittlungen. Ermittlungsbeamte, die sich nicht mit Ruhm bekleckerten.« Relsch nahm Konstantin ins Visier.

Er errötete nicht, aber seine Füße tänzelten unruhig. »Ich wollte lediglich eine meiner Mitarbeiterinnen so schnell wie möglich am Einsatzort sehen. Buchwald hat Inspektorin Keusch angerufen. Sie ist die Einzige aus dem Team, die in Kufstein wohnt.«

Und du dachtest, dass man dich für besonders klug hält. Dorothea hielt Ausschau nach einem Loch, in dem sie sich verkriechen konnte.

Astrid Relsch wandte sich an Konstantin. »Ich möchte deinen Ermittlungen nicht vorgreifen, aber du kennst die Statistik. Drei Viertel aller Tötungsdelikte ereignen sich im nahen sozialen Umfeld. Es könnte ein voreiliger Schluss sein, aber die Ermittlungen in diesem Fall erscheinen mir geradlinig. Gott sei Dank. Wir brauchen gute Publicity in den Medien.«

»Dennoch ist Hilfe vor Ort immer von Vorteil.«

Dorotheas Parka begann zu läuten. Sonntagmorgen. Wer…? Glühend heiß fiel es ihr ein. Noch während sie hastig ihr Mobiltelefon aus der Tasche nahm und auf lautlos stellte, ging ein weiterer Anruf ein. Für einen Moment schloss Dorothea die Lider. Ein Blitz durchzuckte sie. Plötzlich wusste sie, was ihr an der Leiche seltsam vorgekommen war. »Jemand hat die Lider der Toten geschlossen. Falls es der Täter war, weist es darauf hin, dass er Reue gezeigt hat.« Unkontrolliert sprudelten die Worte über ihre Lippen.

»Spekulativ. Studien zufolge sterben die meisten Menschen mit offenen Augen. Theoretisch ist es jedoch möglich, dass die Hotelbesitzerin mit geschlossenen starb.« Relschs Blick glich der einer Forscherin, der auf der Suche nach einer neuen Spezies eine Eintagsfliege in den Weg flatterte. »Ich will ehrlich mit Ihnen sein, Inspektorin Keusch.« Sie hob die Augenbrauen. »Sie waren die beste Bewerberin. Auf dem Papier. Aber das heißt noch lange nicht, dass Sie die geeignete Besetzung für diesen Job sind. Das müssen Sie erst beweisen. Und dabei sollten Sie kleine Brötchen backen. Die Arbeit von der Pike auf lernen. Woran arbeiten Sie gerade?«

»An Cold Cases. Morde, die vor vielen Jahren verübt wurden.«

Du brauchst der Leiterin des LKA nicht erklären, was Cold Cases sind. Und du arbeitest nur theoretisch an diesen Fällen. Praktisch gesehen hat der uralte, unmotivierte Mitarbeiter dich angewiesen, das Archiv aufzuräumen. Die einzige Fallakte, die du im Moment zu Gesicht bekommst, ist die deines Vaters.

»Morde, die vor vielen Jahren verübt wurden.« Relsch nickte zufrieden. »Und dafür gibt es einen Grund. Um vor Ort mitzuarbeiten, brauchen Sie mehr als eine gute Dienstprüfung und ein paar Tage Erfahrung bei der Mordkommission. Gehen Sie heute nach Hause, und morgen arbeiten Sie weiter an Ihren Cold Cases.«

Kapitel 3

Dorothea lauschte dem heiseren Geschrei einer Krähe, zog sich die Kapuze ihres Parkas über den Kopf, warf einen letzten Blick auf die Erker und Türmchen des Hotels und machte sich auf den Heimweg. Genervt zog sie das Handy aus der Tasche. Fünf Anrufe in Abwesenheit. Unter einem dicken Tropfen verschwamm die Schrift auf dem Display. Einige Sekunden lang starrte sie auf das Gerät, nur um den Klingelton auf laut zu stellen und es wieder einzustecken. Vielleicht meldete sich Relsch doch noch. Die Hoffnung starb zuletzt.

Zu Hause angelangt ließ sie die Eingangstür krachend ins Schloss fallen und hielt sich einen Moment am Messinggeländer fest, ehe sie sich vorbei an Kastanienmännchen und rot-gelben Blätterzeichnungen über die Stufen zum Dachgeschoss hinaufschleppte.

Der Geruch nach Spiegeleiern sowie eine alte Frau traten aus einer Tür, und Dorothea erschrak. Frau Weber hasste Lärm jeglicher Art. Geduldig wartete sie auf eine Rüge.

»Guten Morgen, Frau Keusch.« Die betagte Nachbarin war bester Laune. »So früh schon auf den Beinen?«

Verwundert betrachtete Dorothea das faltige Gesicht, eine Sekunde später dämmerte ihr die Erkenntnis. Sonntag. Jedes Wochenende kam Frau Webers pflichtbewusste Tochter und half ihr, die Hausarbeit zu erledigen.

Ihr Smartphone klingelte erneut. Dorothea seufzte und zog es schuldbewusst aus der Tasche.

»Endlich erreiche ich dich.« Ihre Mutter klang aufgeregt, außer Atem. »Mit deinem Telefon stimmt etwas nicht. Ich habe einige Male versucht, dich anzurufen, und dann hat es jeweils nur zweimal geklingelt. Ich war in solcher Sorge. Warum hast du meine Anrufe nicht beantwortet? Hast du vergessen, dass du zum Frühstück kommen wolltest?«

»Tut mir leid.« Dorothea sah auf ihre Armbanduhr. »Ich verspäte mich leider.« Mit einer Hand versuchte sie, die Tür aufzusperren; es funktionierte nicht. Einen Moment steckte sie das Gerät in ihre Tasche.

»Bist du noch in Kufstein?« Die Stimme tönte vorwurfsvoll. Mit der freien Hand zog Dorothea sich ihre Timberlands aus. Verzweifelt bemühte sie sich, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »Ich war in einer Dienstbesprechung.«

»An einem Sonntag?«

Schwerer Fehler. Dorothea biss sich auf die Lippen. »Es war nur eine Ausnahme.« Aber nun brauchte man sie doch nicht. Siedend heiß stieg die Scham in Dorothea auf. »In etwa einer Stunde bin ich bei dir in Innsbruck.« Sie legte auf.

Ehe sie ihn an die Garderobe hängte, betrachtete sie ihren durchweichten Parka. Er war praktisch. Zugegeben, das Dunkelgrün war mittlerweile deutlich verblasst, rechtfertigte aber immer noch nicht den missbilligenden Blick ihrer Chefin. Alles an ihr fühlte sich niedergeschlagen und leer an … als hätte sie bei einer entscheidenden Prüfung versagt.

Sie setzte sich an den Jugendstiltisch in der Erkernische ihres Wohnzimmers und nahm ihr Telefon erneut zur Hand.

Lieber Konstantin. Warum hast du dich fünf Tage lang nicht gemeldet?

Mehr als fünf Tage. Sie seufzte, löschte die Zeilen wieder. Er hat alle Hände voll damit zu tun, eine Mordermittlung zu führen. Ruf ihn abends an. Oder in ein paar Tagen. Sie schlang die Arme um ihre Schultern und trat ans Fenster. Schwere Tropfen klopften ans Fenster, die Festung war in dem Herbstschauer kaum zu sehen.

Dorothea sog das Aroma des Mandarinen-Duftöls ein, das noch schwach in der Luft hing. Du könntest absagen. Dir einen gemütlichen Sonntag machen. Am Abend wie geplant mit Vera im WU wok & teppanyaki essen gehen. Dazwischen deine Notizen über die Akten studieren. Seit sie Einsicht in die Dokumente über ihren Vater bekommen hatte, versuchte sie, alles über seinen Tod herauszufinden. Aber es funktionierte nicht. Bis jetzt hatte sie noch nichts Brauchbares entdeckt. Ihre Kehle wurde eng.

In der Küche brühte sie sich einen Schwarztee auf – mit Milch. Ruf sie an. Sag ihr, dass du heute nicht kommst. Sie ließ sich auf einem der Stühle nieder, nippte an der hellbraunen Flüssigkeit und schloss die Augen, ehe sie ihr Mobiltelefon erneut zur Hand nahm. Einige Sekunden lang starrte sie auf das Display, nur um es wieder wegzulegen. Sie war an den letzten zwei Sonntagen schon nicht dort gewesen.

Dorothea trank den letzten Schluck Tee und erhob sich seufzend.

Kapitel 4

»Du bist zwei Stunden zu spät.«

Dorothea schwieg und sog an der Spüle die Geruchsmischung in der Küche ihres Elternhauses ein, während sie Wasser auf die verkalkten Heizstäbe des Teekochers gab. Mottenkugeln, vergilbte Zeitungen, Staub, verbranntes Essen, ungewaschene Haut, altmodisches Parfüm. Seit sie es geschafft hatte, ihre Mutter für die Idee einer Reinigungskraft zu gewinnen, hatte sich die Unordnung in dem überfüllten Haus etwas gemildert, der Geruch jedoch war geblieben.

»Du wolltest doch schon zum Frühstück kommen, Liebes.«

Obwohl die Feuchtigkeit und Kälte des verregneten Herbsttages im Haus standen, saß ihre Mutter mit einer schief geknöpften kurzärmligen Bluse und einer zerknitterten Leinenhose am Küchentisch. Ihre kurzen grauen Haare waren ungekämmt.

»Ich dachte, du arbeitest im Moment im Archiv und musst erst wieder am Montag raus.«

Es war ein Vorwurf, keine Feststellung.

»Ich sagte es doch schon.« Dorothea räumte einen schmutzigen Teller und ein von Fett verschmiertes Buttermesser in den Geschirrspüler. »Ich war in einer Dienstbesprechung.«

»An einem Sonntag?«

Dorothea biss sich auf die Lippen. Du hättest dir auf der Fahrt eine bessere Entschuldigung einfallen lassen können. »Willst du dir nicht eine Strickjacke anziehen, Mama?« Ihre Kopfhaut spannte unangenehm. Wie lange musste sie bei ihrer Mutter ausharren, ehe sie nach Kufstein zurückfahren konnte? Sie gab zwei Teebeutel in Porzellantassen und lauschte dem leisen Brodeln des Wasserkochers. Mit einem Mal kam ihr die Unordnung in der Küche unerträglich vor. Sie begann, die verkrustete Kochplatte zu putzen.

»Willst du dich nicht zu mir setzen? Das mache ich später.«

Dorothea wusste, dass später in einigen Tage bedeutete. »Gleich. Hast du frische Milch?«

Obwohl sie die Antwort kannte, machte Dorothea sich die Mühe, im Kühlschrank zu suchen. Vergeblich. Sie roch an der Flasche, kippte die klumpige Pampe in den Ausguss, goss Wasser nach und schrubbte die Spüle.

Später balancierte sie die heiße Fracht auf den Tisch. Gefährlich klirrten die silbernen Löffel auf den Untertassen.

»Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen«, kam von ihrer Mutter.

Dorothea nippte an dem heißen Tee.

»Die jungen Leute nebenan haben bis zum Morgengrauen gefeiert. Ich wollte dich schon anrufen, damit du mir hilfst.«

»Wobei?« Prüfend betrachtete Dorothea die dunkelgelb schimmernde Butter, die ihre Mutter bereitgestellt hatte.

»Mit ihnen zu reden. Ihnen zu sagen, dass das illegal ist.«

»Du kannst selbst hinübergehen und sie bitten, leiser zu sein.« Dorothea war froh, dass ihre Mutter sie nicht angerufen hatte. Sie entschied sich gegen die Butter, bestrich eine Scheibe Toast nur mit Orangen-Marmelade. Eine halbe Stunde. Höchstens eine. Nicht länger. Dann kannst du dir einen gemütlichen Sonntag machen. Mittagessen kochen. Vaters Akte erneut ansehen. Mit Vera abends essen gehen.

»Mitten in der Nacht? Das ist viel zu gefährlich.« Ihre Mutter legte ihr Besteck beiseite. »Ich habe nachgedacht, Dorothea.«

Dorotheas Brust wurde eng. Schon der Ton verkündete Unheilvolles.

»Da du nicht mehr in Kufstein arbeitest, sondern in Innsbruck, könntest du wieder bei mir einziehen.«

All der Staub, der sich seit Jahren in dem Haus gesammelt hatte, legte sich über Dorotheas Lunge, ein Stück trockener Toast blieb in ihrem Hals stecken. Sie hustete, drohte zu ersticken. »Die Position in Innsbruck ist mir noch nicht sicher.« Sie holte einige Male tief Luft. »Es ist eine Art Probezeit.« Erneuter Würgereiz. »Wenn ich mich nicht bewähre, muss ich wieder an meine alte Dienststelle zurück.«

»Wird deine Stelle nicht nachbesetzt?«

»Sie werden es versuchen, aber im Moment herrscht überall Personalmangel. Auch bei der Polizei.« Die Vorstellung, wieder in ihrem Elternhaus bei ihrer Mutter zu wohnen, war unerträglich.

»Ich finde immer noch, dass du dir einen Job an der Universität suchen solltest.« Resolut drückte ihre Mutter den Teebeutel aus. »Du bist eine Doktorin der Archäologie, bei der Polizei werden deine Fähigkeiten verkümmern.«

Immer dasselbe Thema. Dorothea presste ihre Lippen zusammen, ihre Schläfen begannen zu hämmern. Verstohlen lugte sie auf ihre Armbanduhr. Wie viele Minuten musste sie noch ausharren?

»Ein Brief ist angekommen.« Mühsam erhob sich ihre Mutter, schlurfte zu einem Stapel Zeitungen.

»Bestimmt irgendwelche Werbung.«

Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Ein persönlicher Brief. Von Julius.«

Julius. Was wollte der denn von ihr? Dorothea nahm einen riesigen Schluck Schwarztee und verbrannte sich die Zunge. »Wirf ihn in den Papierkorb.«

»Willst du nicht wenigstens lesen, was er geschrieben hat?« Die zitternden Hände übergaben Dorothea einen Umschlag. »Vielleicht könntet ihr euch versöhnen. Ihr habt so gut zueinandergepasst.« Ihre Mutter ließ sich nieder, schabte eine dunkelgelbe Schicht auf ihren Toast. »Oder gibt es jemand anderen?«

Der Schmerz traf Dorothea so unerwartet in der Brust, dass sie nach Luft schnappen musste. Wie so oft konnte sie den Gedanken nicht ertragen, sich mit ihrer Mutter über ihre Karriere, ihr nicht vorhandenes Liebesleben und diverse Fehlentscheidungen zu unterhalten.

Sie steckte den Umschlag in die Tasche ihrer Strickjacke. Wirf ihn zu Hause weg. Wechsle das Thema. »Wie geht es mit der Recherche voran?« Seit Jahren sprach ihre Mutter davon, noch ein neues Buch zu schreiben.

»Wir könnten später noch zum Grab deines Vaters fahren.« Gekonnt ignorierte Dorotheas Mutter die Frage.

Zu Vaters Grab ging sie viel lieber allein. Aber das konnte sie ihrer Mutter nicht sagen. Wie immer, wenn sie an seine letzte Ruhestätte dachte, stiegen ihr Tränen in die Augen. Selbst nach all den Jahren hatte Dorothea das Gefühl, dass ihr Vater erst seit einigen Stunden tot war. Was hätte er dazu gesagt, dass sie heute nach Hause geschickt worden war?

Minutenlang herrschte Stille in der Küche.

»Hatte deine Dienstbesprechung etwas mit der toten Frau in Kufstein zu tun?

Erstaunt sah Dorothea ihre Mutter an. »Woher weißt du davon?«

»Ich habe es im Radio gehört.«

Dorothea warf einen raschen Blick auf ihre goldene Armbanduhr. Kurz nach zehn. Relsch hatte recht behalten. Die Presse hatte schnell Wind vom Tod der Hotelbesitzerin bekommen. Genervt pickte Dorothea einen imaginären Faden von ihrer Strickjacke.

»Darfst du schon an dem Mordfall arbeiten? In deiner ersten Woche im Dienst?«

Der ungläubige Tonfall ihrer Mutter übertraf Speckners Spott um Längen. »Nein. Ich ermittle nicht in dem Fall.«

»Weshalb warst du dann in einer Dienstbesprechung?«

Dorothea musterte die Arme ihrer Mutter. »Soll ich dir nicht doch eine Jacke holen?«

»Sie hat Mode und Design studiert. Dann hat sie sich den Traum eines eigenen Hotels erfüllt.«

Der plötzliche Themenwechsel brachte Dorothea aus dem Konzept. »Von wem sprichst du?«

»Von der ermordeten Hotelbesitzerin. Von Simona Grafstatt. Vor einigen Jahren habe ich beim Arzt im Wartezimmer eine Reportage über sie gelesen. Sie hat drei Kinder, und ihr Mann ist Schauspieler. Laut dem Artikel allerdings ist er nicht besonders erfolgreich. In einigen Tagen ist ihr Geburtstag, sie teilt ihn mit Iwan Pawlow und T. S. Eliot. «

Dorothea seufzte. Leider brauchte sie diese Information nun nicht mehr. Aber vor eineinhalb Stunden hätte sie Relsch damit beeindrucken können.

Kapitel 5

»Du bist zu früh dran. Komm rauf.« Ohne auf ein Wort von unten zu warten, drückte sie auf den Knopf der Gegensprechanlage und warf einen verwunderten Blick auf ihre Armbanduhr. Zehn vor sieben. Was war heute mit ihrer Freundin los? In all den Jahren ihrer Freundschaft war Vera noch nie pünktlich gewesen. Und schon gar nicht zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit erschienen. Dorothea rieb sich fröstelnd die bloßen Schultern, schob die Überlegung beiseite, ließ die Wohnungstür angelehnt und eilte zurück ins Bad.

»Wichtiges Date?«

Der Klang der Stimme traf sie in Mark und Bein. Die Handcreme entglitt ihr. Polternd fiel der Tiegel auf den Boden, Flocken verteilten sich über Fliesen, Spiegel und Wandschränke. Während sie versuchte, die cremefarbenen Tupfen mit einem Waschlappen notdürftig abzuwischen, rasten die Gedanken wie Pfeile durch Dorotheas Gehirn. Was machte Konstantin hier?

Verzweifelt sah sie sich im Badezimmer um, doch es standen nur Handtücher zur Verfügung, wenn sie nicht nackt aus dem Bad treten wollte. Sie schlang sich die rauen Fasern um und warf einen panischen Blick in den Spiegel. Vor einer Minute war sie mit ihrem Aussehen zufrieden gewesen, nun prangten rote Kreise auf ihren Wangen und ihr frisch geflochtener Zopf drohte, sich auszulösen.

»Dorothea?«

Schritte in der Eingangshalle.

»Kannst du bitte im Wohnzimmer warten?«

Sie harrte aus, bis die Dielenbretter vor dem Sekretär im Wohnzimmer ächzten, dann schlich sie ins Schlafzimmer, schlüpfte in ihre Unterwäsche, nahm das lila Kleid vom Bett und zog es sich über. Was wollte er? Warum war er in ihre Wohnung gekommen? Noch immer schossen die Fragen durch ihren Kopf. Eine Antwort tauchte auf, brachte endlich Ruhe. Vielleicht wird er dir erklären, warum er sich fünf Tage lang nicht gemeldet hat.

Sie hielt inne, atmete erleichtert aus und lächelte. Sicher machte Konstantin sich wieder an ihrer Vitrine zu schaffen. Dorothea hasste es, wenn jemand ihre Elefantenfiguren aus dem Glasschrank nahm, dennoch konnte sie ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Oder er betrachtet die Bilder an der Wand. Und bestimmt will er einen Espresso. Sie dachte an den italienischen Kaffeekocher, der im Schrank seit einigen Wochen darauf wartete, wieder benützt zu werden. Sie lauschte, doch nebenan war es merkwürdig still.

Als sie ins Wohnzimmer kam, stand er am Fenster und sah zur Kufsteiner Festung hinüber. Erst nach einigen Sekunden drehte er sich um, musterte sie und nickte anerkennend. »Romantische Verabredung?«

Verlegen sah Dorothea an dem Kleid hinunter. »Abendessen mit Vera.« Sie biss sich auf die Lippen. Vera und Konstantin waren einander nicht gewogen. Die beiden hatten sich gekannt, lange bevor Dorotheas und Konstantins Wege sich kreuzten. Ihr Brustbein stach und sie sah die Pein in seinen Augen. Eine Bandprobe. Ein Trinkspiel. Fünf Freunde. Ein junges Mädchen … Veras jüngere Schwester. Drei Flaschen Schnaps.

Veras Schwester war ins Koma gefallen, die Freunde und der Notarzt hatten ihr nicht helfen können. Vier Wochen später war sie gestorben. Fast zwei Jahrzehnte waren vergangen. Der Chefinspektor trank immer noch keinen Tropfen Alkohol, und Vera hasste Konstantin immer noch.

In der schweren Stille ratterte weit unter ihnen ein Güterzug über die Gleise. Endlich räusperte Konstantin sich, konsultierte seine Sportuhr. »Wann wird Vera eintreffen?«

»Um sieben. Normalerweise kommt sie fünfzehn Minuten zu spät. Ich dachte, sie wäre einmal in ihrem Leben zu früh dran.« Noch ehe die Worte über ihre Lippen gekommen waren, bereute sie sie. Warum machte sie Vera vor Konstantin schlecht? »Möchtest du einen Espresso?«

Er antwortete nicht sofort, seine Mundwinkel hoben sich, deuteten ein Grinsen an. Erinnerte er sich an den ersten Kaffee, den sie ihm in Jänner in ihrer Wohnung serviert hatte – entkoffeiniert, dünn, untrinkbar? Sie lächelte, ein Schimmer stieg in ihr auf, vage und zaghaft.

Konstantin zögerte. »Nein danke. Ich werde mich kurzfassen.« Abwehrend verschränkte er seine Arme.

»Willst du dich nicht setzen?« Dorothea ließ sich auf einem Stuhl nieder und sah Konstantin erwartungsvoll an.

Seine Augen wanderten zu dem neuen Foto, das Dorothea an einer Steilküste der Bretagne zeigte, doch er fragte nicht. Er zauderte, dann zog er am Kragen seines Hemdes. »Ich bleibe lieber stehen.« Seine Stimme klang merkwürdig belegt.

Das hoffnungsvolle Gefühl verschwand. Konstantin hatte nicht die Absicht, ihr etwas zu erklären. Warum verhielt er sich so seltsam? Er war derjenige, der sich nicht mehr gemeldet hatte. Sie sog die Mischung aus Feuchtigkeit und Aftershave ein, die in der Luft hing, und wartete. Sie fühlte sich unbeholfen.

Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke. »Dorothea, ich …« Seine Augen glitten erneut zu der Steilküste der Bretagne, und er verstummte.

Die Stille, die folgte, legte sich wie ein Stück Stacheldraht um Dorotheas Brust. Irgendetwas Fremdes war zwischen sie getreten, irgendetwas Quälendes. Sie waren sich so nahe gewesen im Sommer auf ihrer Terrasse. Sie schluckte verzweifelt, doch es half nicht.

Endlich räusperte Konstantin sich. »Relsch hatte einen Sinneswandel. Sie will nun doch, dass du vor Ort an dem Fall arbeitest.«

Dorotheas Herz machte einen Satz. »Warum hat sie ihre Meinung geändert?«

Er sah sie nicht an, sondern starrte auf das Wahrzeichen der Stadt Kufstein, das gespenstisch im Nebel verschwand. »Simona Grafstatt starb zwischen zehn Uhr abends und ein Uhr morgens. Die Rezeption war bis zehn besetzt, aber es hat sich herausgestellt, dass der Hintereingang des Hotels nicht versperrt war.«

»Es könnte also jeder von der Straße hereingekommen sein?«

»Das Turmschloss verwendet kein elektronisches Schließsystem, und es gibt auch keine Kameras. Relsch befürchtet, dass wir mit weiteren Toten rechnen müssen.«

»Warum glaubt sie das?« Dorothea war verwirrt. »Das ist ausgesprochen unwahrscheinlich.«

»Die Ermittlungen zu dem Mordfall haben zudem merkwürdige Details zutage gebracht.«

»Welche?«

Warum gab Konstantin ihr so kryptische Botschaften?

»Das will Relsch dir selbst mitteilen.« Er zögerte. »Die Presse hat sich auf den Fall gestürzt. Mittlerweile ist auch das deutsche Fernsehen vor Ort. Relsch ist wohl klar geworden, dass«, er zögerte, »deine Hilfe kostbar ist.« Er drehte sich zu ihr. »Du sollst morgen früh um sieben Uhr dreißig zu einer Besprechung in die Liebelei kommen.«

Noch ehe Dorothea antworten konnte, läutete die Türglocke abermals.

Kapitel 6

Dorothea belud ihren Teller mit frischem Fisch, Fleisch und Gemüse, übergab ihn dem freundlichen Koch am Barbecue-Grill, holte sich drei Mini-Frühlingsrollen vom Buffet und manövrierte sich dann zurück zu ihrem Stuhl am Fenster des WU wok & teppanyaki. Sie legte sich ihre Serviette zurecht, sog den Duft von asiatischen Speisen ein und betrachtete ihre Freundin über den Tisch hinweg. Vera sah müde aus in dem gedämpften Licht des Restaurants. Ausgelaugt. Wie eine alternde Rockdiva. Wie so oft, wenn Dorothea ihre ehemalige Kollegin betrachtete, kam ihr dieser Gedanke.

»Langer Tag?«

Vera nickte. »Einer dieser Tage, an denen man Fuhrmann besser aus dem Weg geht. »Schon wieder eine Zigarettenpause, Nagler?« Sie ahmte Fuhrmanns mürrische Stimme perfekt nach. »Sei froh, dass du nicht mehr für ihn arbeitest.«

Dorothea stutzte. Ihr ehemaliger Vorgesetzter hatte schlechte Laune? Keine Seltenheit. Aber dass er sie an einer alleinerziehenden Mutter ausließ, das war sonderbar.

»Lass uns das Thema wechseln. Erinnerst du dich? Kommende Woche möchte ich dir Dietmar vorstellen.«

»Sicher. Ich freue mich.« Dorothea biss sich auf die Lippen. Sie hatte Veras Vorhaben nicht vergessen, nur gehofft, dass es sich auf mirakulöse Art und Weise in Luft auflöste. Dietmar. Warum wollte Vera ihr immer ihre Jahresabschnittspartner präsentieren? Ohne ihn je gesehen zu haben, wusste Dorothea, dass der Neue wie jede von Veras Eroberungen zu cool für diese Welt, ein ambitionsloser Schmarotzer oder ein Narzisst, gespickt mit destilliertem Egoismus, war. Jemand, der viel redete und wenig tat. Jemand, der ihre Freundin einige Monate lang benutzte und sie deprimiert zurückließ. Taugenichtse zogen Vera an wie das Licht die Motten. Aber das konnte Dorothea ihrer Freundin nicht sagen. Sie atmete tief durch. Sei nicht immer so voreingenommen. Vielleicht ist es diesmal anders. Immerhin hat sie sehr lange gewartet, um ihn dir vorzustellen. Seit wann traf Vera sich mit Dietmar? Dorothea versuchte, sich zu erinnern. Seit vier Monaten? Oder seit fünf? Plötzlich wurde Dorothea klar, dass sie nur äußerst wenig über Veras neue Eroberung wusste.

»Wie wäre es mit einem Treffen am Dienstagabend?« Vera schob sich geschickt eine Sushirolle in den Mund. »Da hat er keinen Dienst im Krankenhaus. Dietmar ist Arzt.« Vera war sichtlich stolz auf diese Tatsache.

Richtig. Er war Mediziner. Es war ihr entfallen. Dorothea atmete erleichtert aus. »Ich kann es nicht versprechen.« Sie lehnte sich zurück und breitete die rote Serviette über ihre Knie, während eine junge Kellnerin mit tiefschwarzen Haaren ihr den Teller servierte. Dünn geschnittenes Hühnerfleisch, frisches Rindfleisch, Lachsstücke, Zucchinischeiben, Karotten, gelbe und rote Paprika, Glasnudeln. Sie zog den Duft der gebratenen Speisen ein. »Diese Woche bin ich wahrscheinlich sehr beschäftigt.«

»Beschäftigt? Hast du nicht erzählt, dass du das Archiv aufräumen musst?«

»Können wir uns spontan treffen?« Dorothea umschiffte das Thema, sie hatte wenig Lust, von ihrem Tag zu berichten. Vorsichtig nahm sie die Stäbchen zur Hand.

»Das geht leider nicht.« Vera senkte ihren Blick und griff rasch nach ihrem Mangosaft.

»Warum nicht?« Versteckte Vera ihr Gesicht hinter der dunkelgelben Flüssigkeit? Welches Geheimnis ihrer Eroberung wollte sie nicht preisgeben?

»Genug über mich.« Energisch stellte Vera ihr Glas wieder ab. »Dein Konstantin war also heute bei dir.« Vielsagend hob sie ihre Augenbrauen.

Dorothea senkte den Blick und klemmte ein Stück Lachs zwischen die dünnen Holzstücke. Ohne ihren Kopf zu heben, spürte sie den anzüglichen, bedeutungsvollen Blick ihrer Freundin. Natürlich war Vera Konstantin im Treppenhaus begegnet. Die Tatsache, dass sie bis jetzt gewartet hatte, um Dorothea dazu zu befragen, zeigte nur, dass ihre Kollegin gute Verhörmethoden hatte.

»Versuch erst gar nicht, es zu leugnen.«

Das lachsfarbene Teil entglitt Dorothea. »Er ist nicht mein Konstantin.«

»Ich möchte alle Details hören.« Vera beugte sich nach vorn. »Wie war der Sex?«

Wie in einer Talkshow. »Du liegst falsch.« Dorothea räusperte sich mühsam. »Es war eine geschäftliche Besprechung.«

»So nennt man das also heute.«

»Es ging um Ermittlungen. In Kufstein wurde heute eine Leiche gefunden.«

»Die tote Frau im Turmschloss? Du bist Teil des Ermittlungsteams vor Ort?« Ungläubig ließ Vera ihre Stäbchen mitten in der Luft hängen.

Der Stich in den Rücken traf Dorothea härter als alle anderen zuvor. Speckner. Relsch. Ihre Mutter. Nun auch noch Vera? Sie nickte so beiläufig wie möglich. »Mein Abteilungsleiter hat mich am Morgen angerufen.«

»Ernsthaft?«

Dorotheas Wangen brannten. Sie trank einen Schluck Lycheesaft, aber der Knoten in ihrem Hals verschwand nicht.

Vera griff über den Tisch und legte eine Hand auf Dorotheas Arm. »Entschuldige, es war nicht so gemeint.« Sie mimte einen Reißverschluss, der ihre Lippen verschloss. »Details, bitte.«

Dorothea wischte sich mit der Serviette über die Lippen, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und berichtete über die Ereignisse des Tages. »Du hattest recht, ich hätte mir ein neues Outfit zulegen sollen.« Sie beendete ihre Erzählung. »Sie hat meinen Parka betrachtet, als ob ich ihn von der Müllhalde hätte.«

»I told you so!« Lächelnd schüttelte Vera den Kopf. »Mein Angebot steht noch: Wenn du Lust hast, können wir zusammen shoppen gehen.«

Der Enthusiasmus war unerträglich.

»Gute Idee.« Schon jetzt hämmerten Dorotheas Schläfen. Sie hasste es, sich in neue Hosen zu zwängen, die immer entweder zu eng und zu kurz oder zu weit und zu lang waren. Sie verabscheute es, Sweater zu erproben, deren Farben laut Vera »rockten«. Wenn es nach Vera ging, würde Dorothea in Pink und Grellgrün herumlaufen. Dezente Strickjacken in Beige und Dunkelblau fand Vera dagegen »grottenhässlich«. Mit ihrer ehemaligen Kollegin shoppen zu gehen, war wie ein Ritt durch die Hölle. Nur eine Sache war noch schlimmer: allein Modegeschäfte zu betreten.

»Relsch wollte also keine Anfängerin?«

Dorothea wippte einige Male mit ihrem Kopf. »Doch nun lässt sie mich doch an dem Fall arbeiten.«

»Die Frage ist, warum.« Vera sah beunruhigt aus. »Relsch hat recht. Als Grünschnabel braucht man immer eine Schonzeit.«

»Ich bin kein Grünschnabel.« Dorothea ignorierte die Hitze, die sich in ihr ausbreitete, und rückte ihren Stuhl zurecht. »Ich habe bereits zwei Fälle gelöst.«

»Und beide hätten dich fast deine Karriere gekostet. Wenn du nun ermittelst, bist du ein offizielles Mitglied der Mordkommission. Die Presse wird sich auf dich stürzen. Dies hier ist ein High-Profile-Case. Willst du deinen ersten Fall bei der Mordkommission tatsächlich im Schatten deiner alten Dienststelle lösen? Wo du auf Widerstand bei deinen ehemaligen Kollegen stoßen wirst? Sie dir ein Bein stellen werden?«

»Sie sind alle Polizisten.« Dorothea stocherte lustlos in ihren Glasnudeln. Ihr Appetit war verflogen. »Sie werden sich professionell verhalten.«

Vera zog zweifelnd ihre Augenbrauen nach oben. »Wer war der erste Beamte am Einsatzort?«

»Speckner.«

»Hat er sich professionell verhalten?«

Trotz stieg in Dorothea auf. Sie musste ihren letzten Trumpf ausspielen. »Konstantin glaubt, dass ich bereit für den Fall bin.«

»Du bist hoffnungslos. Du weißt einfach nichts über Männer.«

Ich weiß mehr als du. Dorothea presste die Lippen zusammen. Sie wollte keinen Streit mit ihrer Freundin. Schon gar nicht über Männer. Oder über die Tatsache, dass Vera bei der männlichen Spezies faule Äpfel mit einer Treffsicherheit aussuchte, die man nur mit der von Wilhelm Tell vergleichen konnte. Demonstrativ sah sie auf ihre Uhr. »Ich kann heute nicht lange bleiben. Ich muss morgen früh aufstehen.«