Der Berlin-Monitor 2023 -  - E-Book

Der Berlin-Monitor 2023 E-Book

0,0
16,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mit der Studienreihe »Berlin-Monitor« werden seit 2019 Berlinerinnen und Berliner zu ihren politischen Einstellungen, Möglichkeiten der Partizipation, aber auch zu Diskriminierungserfahrungen befragt. Im »Berlin-Monitor 2023« werden die Ergebnisse der dritten repräsentativen Befragung der Berliner Bevölkerung aus dem Jahr 2023 vorgestellt. Er fokussiert darauf, wie die politischen Krisen der Gegenwart von den Befragten wahrgenommen und eingeschätzt werden. Schwerpunkte sind antimuslimische und transfeindliche Einstellungen oder die Ablehnung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Oft bereiten diese Faktoren den Boden für Extremismus und antidemokratische Positionen, welche in Berlin zwar in der Minderheit, allerdings dennoch vorhanden sind.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DER BERLIN-MONITOR 2023

Berlin in Zeiten multipler Krisen

Gert PickelOliver DeckerKatrin Reimer-Gordinskaya

Der Berlin-Monitor ist ein seit 2019 von der Beliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung und seit 2023 von der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung gefördertes Forschungsprojekt, durchgeführt in der Kooperation der Universität Leipzig und der Hochschule Magdeburg-Stendal.

www.berlin-monitor.de

© 2024 zu Klampen Verlag, Röse 21, 31832 Springe, zuklampen.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.dnb.de› abrufbar.

Herausgegeben von Gert Pickel, Oliver Decker und Katrin Reimer-Gordinskaya (auch Reihenherausgeber:innen)

Beteiligte Autor:innen: Kazim Celik, Oliver Decker, Johanna Niendorf, Fiona Kalkstein, Gert Pickel, Susanne Pickel, Heinrike Rustenbeck

Lektorat: Tilman Meckel

Gestaltung und Satz: Uta-Beate Mutz, Leipzig

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH

ISBN 978-3-98737-020-5

ISBN E-Book-Epub 978-3-98737-410-4

ISBN E-Book-Pdf 978-3-98737-409-8

Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort und Einleitung in den Berlin-Monitor 2023

Gert Pickel und Oliver Decker

Literatur

2 Stichprobe und Methode der Repräsentativbefragung

Kazim Celik

2.1 Stichprobe des Berlin-Monitor 2023

2.2 Fragebogenentwurf, Stichprobenziehung und Gewichtung

2.3 Erhebung des Migrationshintergrunds

Literatur

3 Die Politische Kultur Berlins im Zeitverlauf – Ergebnisse der repräsentativen Erhebungen des Berlin-Monitors von 2019 bis 2023

Kazim Celik & Gert Pickel

3.1 Berlin in Zeiten von Krisen

3.2 Theoretische Grundlage und Prämissen der Politischen Kulturforschung

3.3 Politische Kultur in Berlin im Zeitverlauf

3.4 Autoritäre Einstellungen und Ressentiments in Berlin

3.5 Soziales Engagement und Vorurteile am Beispiel der Haltung zu sozialen Gruppen

3.6 Gewaltbereite Gruppen in Berlin

3.7 Fazit

Literatur

4 „Was sind für Sie persönlich die wichtigsten Merkmale der Demokratie?“ Eine offene Frage an die Berliner:innen

Susanne Pickel & Kazim Celik

4.1 Einleitung

4.2 Konzepte und Definitionen für Demokratie

4.3 Messung von Demokratieverständnis im Berlin-Monitor

4.4 Antwortverhalten im Detail

4.5 Vertiefende Auswertung der Antworten

4.6 Reihenfolge der Eigenschaften

4.7 Zusammenhänge der Eigenschaften

4.8 Demokratieverständnis und Parteipräferenz

4.9 Fazit

Literatur

5 Antimuslimische Einstellungen und antimuslimischer Rassismus

Gert Pickel

5.1 Einführung – Die Ablehnung von Muslim:innen

5.2 Antimuslimische Einstellungen in Berlin

5.3 Die Sozialstruktur antimuslimischer Einstellungen in Berlin

5.4 Triebkräfte antimuslimischer Einstellungen und antidemokratische Folgen

5.5 Folgen antimuslimischer Einstellungen für die politische Kultur und Politik

5.6 Fazit: Antimuslimische Einstellungen als rechte Brückenideologie und Vorbote von Rassismus

Literatur

6 Transfeindlichkeit und Ablehnung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Berlin

Gert Pickel & Johanna Niendorf

6.1 Einführung – Ablehnung geschlechtlicher und sexueller Vielfalt

6.2 Konzeptionelles zu Antifeminismus und Transfeindlichkeit

6.3 Antifeminismus und traditionaler Sexismus in Berlin

6.4 Transgeschlechtlichkeit als das neue Feindbild

6.5 Triebkräfte in der Ablehnung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt

6.6 Fazit: Markante Probleme der Geschlechterdemokratie

Literatur

7 Multiple Krisen in Berlin und ihre Folgen. Einstellungen zum Klimawandel und russischen Angriffskrieg

Gert Pickel, Susanne Pickel & Heinrike Rustenbeck

7.1 Einführung – Aktuelle Krisen

7.2 Einstellungen zu aktuellen Krisen in Berlin

7.3 Klimawandel und russischer Angriffskrieg im Kontext

7.4 Krisen, Demokratie und demokratischer Zusammenhalt

7.5 Fazit: Krisen als Nahrung für antidemokratische Einstellungen

Literatur

8 Die Bedrohung der demokratischen Gesellschaft

Oliver Decker, Fiona Kalkstein, Kazim Celik & Gert Pickel

8.1 Elemente der rechtsextremen Einstellung in Berlin 2023

8.2 Die Entwicklung der rechtsextremen Einstellung über die Jahre 2019 – 2023

8.3 Rechtsextreme Einstellungen nach Soziodemografie und Parteiwahlen

8.4 Das Bedürfnis nach Autorität und die autoritären Aggressionen – Autoritarismus in Berlin 2023

8.5 Die Entwicklung des Autoritarismus über die Jahre 2019 – 2023

8.6 Zustimmung zu weiteren Erscheinungsformen des Antisemitismus im Berlin-Monitor 2023

8.7 Diskussion

Literatur

9 Fazit: Einstellungen in Berlin 2023 156

Gert Pickel und Oliver Decker

Fragebogen „Erhebung Berlin-Monitor 2023“

1 Vorwort und Einleitung in den Berlin-Monitor 2023

Gert Pickel und Oliver Decker

Mit dem vorliegenden Band präsentieren wir die repräsentative Befragung Berlin-Monitor 2023. Er ist der dritte Berlin-Monitor nach 2019 und 2021.1 Damit fällt seine Erhebungszeit in bewegte Zeiten. Seit 2020 führte die Covid-19-Pandemie zu einer Verschärfung gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Gegner der staatlichen Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie verschafften sich lautstark Gehör und verbanden sich über die Zeit mit tiefer reichenden, antidemokratischen Protesten zu einer unübersichtlichen Melange aus Politikkritik und Demokratieablehnung. Seit dem 24. Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der auch an Deutschland und Berlin nicht vorüberzieht. Während die Aufnahmebereitschaft der deutschen und Berliner Bevölkerung gegenüber den ukrainischen Geflüchteten groß war und ist, stellt sich die Lage bei der Frage nach den politischen Implikationen des Krieges vielschichtiger dar. So wie Debatten über die Hilfsleistungen an die Ukraine fast täglich über die Sendeanstalten der Fernseh- und Radiosender vermittelt werden, werden seitens der russischen Führung immer wieder Drohszenarien geäußert. Vor diesem Hintergrund haben sich unterschiedliche Positionen zu den Ukrainehilfen, aber auch zur Einschätzung des Krieges in Deutschland und Berlin etabliert. Begleitet werden diese Entwicklungen durch eine Verteuerung von Energie, die teils als „Energiekrise“ gelabelt wird, sowie der immer stärker in den Blick und die Diskussionen geratenden Klimakrise oder gar am Horizont vermuteten Klimakatastrophe. Zu all diesen Krisenentwicklungen summierte sich der Terroranschlag der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 samt der darauf reagierenden israelischen Bodenoffensive, die zu einem Aufflammen sowohl von Antisemitismus als auch von antimuslimischem Rassismus führten.

Die Haltungen zu all diesen Punkten scheinen in Deutschland und Berlin kontrovers und stärker von Affekten als von rationaler Entscheidung bestimmt. Die wachsende Unsicherheit über die Verlässlichkeit von Medienberichten, alternative Informationsangebote und filter bubbles verschärfen die mit den Krisen verbundene Gefahr einer Polarisierung in der Bevölkerung. Dass eine solche wahrgenommen wird, zeigt sich anhand der rasant zugenommenen Nutzung des Ausdrucks „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“. Er beschreibt die Sorge um dessen Krise und die Sorge über eine Polarisierung der Gesellschaft entlang von bestimmten Ereignissen, die zuletzt für diese Gesellschaft und die Demokratie toxisch sein könnten. Die Wahlerfolge der mittlerweile vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall und in einigen Bundesländern als rechtsextremistischer Beobachtungsfall (Thüringen, Sachsen-Anhalt) klassifizierten AfD sowie eine immer stärkere Präsenz von rechtsextremen Gruppierungen und Reichsbürgern können als Hinweis darauf gesehen werden. Entsprechend stellt sich die Frage, ob die politische Kultur der Bundesrepublik Deutschlands demokratisch bleibt (Pickel, Pickel & Yendell 2020). Die gleiche Frage kann man natürlich für Berlin stellen.

Krisen- und Polarisierungsphasen besitzen die Eigenschaft, dass in ihnen nicht die besten Seiten der Menschen sichtbar werden. Gerade zuletzt konnte wieder ein Anstieg von Abwertungen wie Rassismus, Antifeminismus, Transfeindlichkeit oder auch Antisemitismus konstatiert werden (BMI 2022), worüber in den letzten Jahren bereits verstärkt diskutiert wird (Kalkstein et al. 2023; Lüter et al. 2022). Und diese Messung ist noch nicht betroffen von dem Zuwachs an Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus seit dem 7. Oktober 2023. Insgesamt zeigt sich eine weit dynamischere politische Situation als noch vor einigen Jahren. Es ist zu erwarten, dass diese Krisen und Veränderungen auch auf die Einstellungen der Berliner Einfluss haben. Dem wollen wir im Berlin-Monitor 2023 nachgehen. Dies impliziert sowohl den Blick auf Entwicklungen seit 2019, den Vergleich mit Entwicklungen im Bundesgebiet als auch neue Analysen und Betrachtungen für 2023.2

Jede Erhebung des Berlin-Monitors fokussiert auf die Untersuchung bestimmter gesellschaftlicher Ressentiments, die als wichtige Brückenkonstrukte für den Erfolg rechter Gruppierungen auch in der Mitte der Gesellschaft angesehen werden können. Nach Antisemitismus und antisemitischen Ressentiments 2019 (Pickel, Reimer-Gordinskaya & Decker 2019) sowie Klassismus und antischwarzen Rassismus 2021 (Pickel, Decker & Reimer-Gordinskaya 2023) liegt 2023 der Schwerpunkt auf der Erhebung von antimuslimischen Einstellungen sowie Einstellungen gegenüber sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Unter Letzteren wird speziell die Ablehnung von Homosexuellen (Homosexuellenfeindlichkeit) und Transfeindlichkeit herausgehoben. Bereits im Bericht zum Berlin-Monitor 2021 (Pickel & Decker 2023, S. 9) haben wir darauf hingewiesen, dass der Zugang einer quantitativen Befragung nur begrenzt über alle Phänomene von Rassismus Auskunft geben kann. Dies gilt nicht nur für den 2021 gemessenen antischwarzen Rassismus, sondern auch für den 2023 zu messenden antimuslimischen Rassismus. Gleichzeitig ermöglicht die Erfassung von antimuslimischen Einstellungen, Anhaltspunkte für Überzeugungen und Problemlagen mit Bezug auf Muslime zu identifizieren. Um auch den Betroffenen Möglichkeit zur Äußerung zu geben, haben wir parallel eine Befragung zu Diskriminierungserfahrungen unter Muslimen gestartet.

Bei der Messung von antimuslimischen Einstellungen knüpfen wir an vorangegangene und etablierte Messungen an, fügen diese aber zu einer breiteren Erhebungsskala als bislang üblich zusammen (siehe auch Unabhängiger Expertenkreis Muslimfeindlichkeit 2023). Dabei berücksichtigen wir die Differenzierung zwischen Bewertungen von Muslimen als sozialer Gruppe und Bewertungen des Islams. Zudem erheben wir Informationen über die soziale Distanz gegenüber Muslimen und einer Einschätzung ihrer wahrgenommenen Bedrohlichkeit.

Die Erhebung von Transfeindlichkeit steckt dagegen in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Zwar haben wir bereits früher erste Zugänge zum Thema mitbetrachtet (Pickel & Niendorf 2023), diese blieben aber noch unbefriedigend. Auf Vorschlag der „Landesstelle für Gleichstellung – gegen Diskriminierung“ haben wir ein neues Instrument mit sechs Items verwendet, welches wir mit weiteren bekannten oder auch neuen Items ergänzt haben. Dadurch erhalten wir einen breiten Blick auf die Haltung gegenüber sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Berlin.

Ergänzend wurden einzelne Items zur Beurteilung der Covid-19-Pandemie (inkl. Covid-19-Verschwörungserzählungen), der Einstellung zu Hilfen für die Ukraine, Verschwörungsmentalität (Offenheit für einen Glauben an Verschwörungserzählungen), soziale Distanz, Bedrohungsgefühle und die Haltung zu Maßnahmen gegen den Klimawandel erfasst. Wie auch 2019 und 2021 wurden Aspekte der demokratischen politischen Kultur, von rechtsextremen Einstellungen und Diskriminierungserfahrungen aufgenommen. Die verschiedenen Ergebnisse unserer Erhebung werden in verschiedenen in sich geschlossenen Kapiteln vorgestellt. Teils schließen die Ergebnisse an frühere Berlin-Monitor-Veröffentlichungen sowie Publikationen aus dem interdisziplinären Projekt des Berlin-Monitors an (Celik & Pickel 2022; Pickel, Decker & Reimer-Gordinskaya 2023; Pickel, Reimer-Gordiskaya & Decker 2019; Pickel et al. 2020; Reimer-Gordinskaya et al. 2020, 2023). Wir hoffen, dass die vorgelegten Ergebnisse die Diskussion in Zivilgesellschaft und Wissenschaft in Berlin anregen.

Allen an den Auswertungen und der Vorbereitung der Studie beteiligten Personen ist an dieser Stelle genauso herzlich zu danken wie der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung als Förderinstitution, ohne die weder diese Publikation noch unsere Arbeit möglich wäre. Ebenfalls danken wir der „Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung“ (LADS) für ihre Zusammenarbeit und auch der Hilfe in der Konstruktion von Items für die Erfassung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Auch danken wir allen Autoren dieses Bandes, ob sie nun Mitglied des Teams des Berlin-Monitors sind oder dieses durch ihre aktive Beteiligung unterstützt haben. Für die vorgelegten Ergebnisse sind allein die Projektleiter des Berlin-Monitors und die jeweiligen Autoren der Artikel verantwortlich.

Literatur

BMI (2022). Politisch motivierte Kriminalität 2022. Wiesbaden: Bundeskriminalamt.

Celik, K. & Pickel, G. (2022). Migration und demokratische politische Kultur in Berlin – Antimuslimischer Rassismus als Gefahr für die Demokratie. Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik 6 (2), 431– 461.

Decker, O., Kiess, J., Heller, A. & Brähler, E. (Hrsg.) (2022). Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten. Neue Herausforderungen – alte Reaktionen? Leipziger Autoritarismus Studie 2022. Gießen: Psychosozial.

Kalkstein, F., Pickel, G., Niendorf, J., Höcker, C. & Decker, O. (2022). Antifeminismus und Geschlechterdemokratie. In O. Decker, J. Kiess, A. Heller & E. Brähler (Hrsg.), Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten. Neue Herausforderungen – alte Reaktionen? Leipziger Autoritarismus Studie 2022 (S. 245–270). Gießen: Psychosozial.

Lang, J. (2017). Feindbild Feminismus: Familien- und Geschlechterpolitik in der AfD. In S. Grigat (Hrsg.), AfD & FPÖ. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder. Interdisziplinare Antisemitismusforschung/Interdisciplinary Studies on Antisemitism 7 (S. 61–78). Baden-Baden: Nomos.

Lüter, A., Breitscheid, D., Greif, P., Imhof, W., Konradi, M. & Riese, S. (2022). Berliner Monitoring Trans- und homophobe Gewalt. Zweite Ausgabe 2022. Schwerpunktthema Transfeindliche Gewalt. Berlin: Camino.

Pickel, G., Celik, K., Schuler, J. & Decker, O. (2020). Bedrohungsempfinden als Quelle gruppenbezogener Vorurteile durch Religionen in einer heterogenen Stadtgesellschaft. Analysen des Berlinmonitors. Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik 4 (1), 7–43.

Pickel, G. & Decker, O. (2023). Vorwort und Einleitung in den Berlin-Monitor 2021. In G. Pickel, O. Decker & K. Reimer-Gordinskaya (Hrsg.), Berlin-Monitor 2021. Die herausgeforderte Demokratie der Großstadt (S. 8–9). Springe: zu Klampen.

Pickel, G. & Niendorf, J. (2023). Die Haltung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Berlin. In G. Pickel, O. Decker & K. Reimer-Gordinskaya (Hrsg.), Der Berlin-Monitor 2021. Die herausgeforderte Demokratie der Großstadt (S. 58–70). Springe: zu Klampen.

Pickel, G., Pickel, S. & Yendell, A. (2020). Zersetzungspotenziale einer demokratischen politischen Kultur: Verschwörungstheorien und erodierender gesellschaftlicher Zusammenhalt? In O. Decker & E. Brähler (Hrsg.), Autoritäre Dynamiken. Alte Ressentiments – neue Radikalität. Leipziger Autoritarismus Studie 2020 (S. 89–118). Gießen: Psychosozial.

Pickel, G., Reimer-Gordinskaya, K. & Decker, O. (2019). Berlin-Monitor 2019. Vernetzte Solidarität – Fragmentierte Demokratie. Springe: zu Klampen.

Pickel, G., Decker, O. & Reimer-Gordinskaya, K. (2023). Berlin-Monitor 2021. Die herausgeforderte Demokratie der Großstadt. Springe: zu Klampen.

Reimer-Gordinskaya, K., Decker, O. & Pickel, G. (2020). Antisemitismus – Heterogenität – Allianzen. Jüdische Perspektiven auf Herausforderungen der Berliner Zivilgesellschaft. Springe: zu Klampen.

Reimer-Gordinskaya, K., Pickel, G., Tzschiesche, S., Grella-Schmidt, F. & Obermüller, C. (2023). I mmer noch arm, aber sexy? Ungleiche Lebenslagen und Klassismus in Berlin. Forschungsbericht zum zweiten Schwerpunkt der Aktivierenden Befragung im Berlin-Monitor. Springe: zu Klampen.

Unabhängiger Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (2023). Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz. Berlin: Bundesministerium des Inneren und der Heimat.

Zick, A. & Küpper, B. (Hrsg.) (2021). Die Geforderte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2020/21. Bonn: Dietz.

Zick, A., Küpper, B. & Mokros, N. (Hrsg.) (2023). Die distanzierte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/23. Bonn: Dietz.

1 Leiter:innen des Berlin-Monitors sind Gert Pickel, Oliver Decker und Katrin Reimer-Gordinskaya. Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat den Berliner Senat mit der Umsetzung eines „Berlin-Monitors“ beauftragt, welcher mit Vereinbarung vom 25.06.2019 vom wissenschaftlichen Berlin-Monitor-Team in Kooperation mit der Abteilung Antidiskriminierung/ „Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung“ der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung durchgeführt wird. Er soll wichtige Wissensgrundlagen zur Einschätzung der politisch-kulturellen Situation in Berlin und bestehenden Vorurteilsstrukturen liefern sowie Impulse für die Weiterentwicklung der demokratischen Alltagskultur in Berlin geben.

2 Für den Vergleich mit Entwicklungen im Bundesgebiet verwenden wir weitgehend die Leipziger Autoritarismus Studie. Zwar weist sie eine andere Erhebungsform (Face-to-Face mit Selbstausfülleroption) auf als der Berlin-Monitor (TOM: telefonisch und onlinebasierte Befragung), allerdings bietet sie am ehesten vergleichbare Indikatoren zum Berlin-Monitor (Decker et al. 2022). Wenn möglich werden auch die „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert-Stiftung als Vergleichsgrundlage herangezogen. Sie sind vergleichbar erhoben, allerdings gleichen nur wenige Variablen den im Berlin-Monitor erhobenen Items (Zick & Küpper 2021; Zick, Küpper & Mokros 2023).

2 Stichprobe und Methode der Repräsentativbefragung

Kazim Celik

2.1 Stichprobe des Berlin-Monitor 2023

Im Rahmen der nun mittlerweile dritten repräsentativen Bevölkerungsumfrage des Berlin-Monitors wurden im Zeitraum von Ende Mai bis Ende Juli 2023 insgesamt 2.048 Berliner:innen und Berliner im Alter ab 18 Jahren befragt. Die Umfrage wurde, wie die Erhebung des Berlin-Monitors 2021, durch das Meinungs- und Sozialforschungsinstitut UADS – Institut für Umfragen, Analysen und DataScience als sogenannte TOM-Befragung durchgeführt, bei der die Stichprobe durch zwei Methoden erhoben wird. Etwa zwei Drittel der Personen wurde telefonisch befragt, ein Drittel hat den Fragebogen online ausgefüllt (1.422 CATI/626 CAWI). Für viele der erhobenen Daten liegen Vergleichswerte aus den bundesweiten Umfragen der Leipziger Autoritarismus Studie sowie der Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung3 vor (u. a. Decker et al. 2022; Zick & Küpper 2021). Daneben dienen auch die Ergebnisse der vergangenen Umfragen des Berlin-Monitors (2019, 2021) als Referenz. Die im zweijährigen Rhythmus erhobenen Daten ermöglichen es, konstant gemessene Phänomene im Zeitverlauf von 2019 bis 2023 zu betrachten. Sie werden an gegebener Stelle in den folgenden Kapiteln aufgegriffen.

2.2 Fragebogenentwurf, Stichprobenziehung und Gewichtung

Die Umfrage wurde mittels eines standardisierten Fragebogens durchgeführt, der Fragen nach soziodemografischen Angaben zu Geschlecht, Alter, Schulbildung, Einkommen, Religiosität und Migrationshintergrund sowie auch Messinstrumente zur Erfassung verschiedener Einstellungen inkludiert (siehe Fragebogen im Anhang). Die diesjährige Studie des Berlin-Monitors legt einen besonderen Fokus auf die Themen antimuslimische Einstellungen und damit Antimuslimischer Rassismus (siehe Kapitel 5) sowie Ablehnung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt mit dem Unterschwerpunkt Transfeindlichkeit (siehe Kapitel 6), für die entsprechend erweiterte Fragen-Sets erarbeitet und eingesetzt wurden. In den meisten Fällen wurden Likert-Skalen (Antwortmöglichkeiten in Abstufung zwischen Zustimmung und Ablehnung) zur Erfassung von persönlichen Einstellungen genutzt. Für die Vergleichbarkeit mit Daten anderer Bevölkerungsumfragen sind diese Skalen jeweils vier- oder fünfstufig, je nachdem wie sie in den Vergleichsumfragen verwendet werden. Die fünfstufigen Skalen beinhalten neben den jeweils zwei Antwortmöglichkeiten, um Zustimmung oder Ablehnung auszudrücken, eine Mittelkategorie (teilweise Zustimmung/teilweise Ablehnung). Die eigene politische Orientierung auf einem Links-Rechts-Spektrum wurde mithilfe einer zehnstufigen Skala gemessen. Zur Verbesserung der Validität und zur Reduktion fehlender Werte wurde bereits vor dem Einsatz des Fragebogens (im Pretest und der Haupterhebung) die Qualität des Fragebogenentwurfs erprobt. Dies geschah unter Einsatz sogenannter Fragebewertungssysteme durch das UADS (question appraisal systems; Willis & Lessler 1999; Faulbaum et al. 2009). Mithilfe eines Standard-Pretests unter Feldbedingungen wurde der Fragebogenentwurf weiter optimiert und finalisiert.

Der Prozess der Stichprobenziehung wurde in mehreren Schritten realisiert. Für die CAWI-Befragung erfolgte sie über ein Online-Access-Panel, mithilfe dessen die Befragten repräsentativ für das Land Berlin rekrutiert wurden. Die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Festnetz-Befragung erfolgte nach dem Random-Digital-Dialing-Verfahren (RDD) (ADM 2013; Gabler & Häder 2015; Häder 2000; Häder et al. 2019). Es erlaubt in einem ersten Schritt eine einfache Zufallsauswahl von Privathaushalten mit Telefonanschlüssen unter Berücksichtigung der im Telefonbuch nicht eingetragenen Haushalte. In einem zweiten Schritt wurde eine Zufallsauswahl unter den Personen des jeweiligen Haushalts durchgeführt (Within Household Sampling; z. B. Gaziano 2005). Dabei wird diejenige Person im Haushalt ausgewählt, die zuletzt Geburtstag hatte. Nach amerikanischen Untersuchungen ist diese „pseudoprobabilistische“ Methode einer Zufallsauswahl von Personen im Haushalt gleichzusetzen (Gaziano 2005). Pro Haushalt wurde nur eine Person ausgewählt, um sozialstrukturelle Klumpungseffekte durch (familiale) Verhaltensähnlichkeiten zu vermeiden.

Verzerrungen, die durch Ausfälle (z. B. Non-Response) auftreten, wurden mithilfe einer sogenannten Anpassungsgewichtung korrigiert. Als Hilfsvariablen der Gewichtung wurden die soziodemografischen Variablen Geschlecht, Alter und Schulabschlüsse berücksichtigt. Da in der vorliegenden Stichprobe die Häufigkeiten, die sich aus der Kreuzung der drei Merkmale ergeben, deutlich zu klein ausfallen, wurde auf die Soll/Ist-Gewichtung für Merkmalskombinationen verzichtet. Stattdessen wurde auf ein komplexeres Verfahren zurückgegriffen, das mit Randhäufigkeiten mehrerer Merkmale gleichzeitig umgehen kann: die Maximum-Entropie-Methode (Wittenberg 2010).

Tabelle 2.1 gibt Auskunft über die Verteilung verschiedener soziodemografischer Merkmale in der Stichprobe. Tabelle 2.2 zeigt die Verteilung der befragten Berlinerinnen und Berliner über die 12 Berliner Bezirke.

Tabelle 2.1: Soziodemografische Beschreibung der Stichprobe

Verteilung

absolut

in %

Altersgruppen

16 – 30 Jahre

166

8

 

31 – 60 Jahre

1.066

52

 

ab 61 Jahre

808

40

Geschlecht

männlich

979

48

 

weiblich

1.068

52

 

divers

0

0

Staats-bürgerschaft und Migrations-hintergrund

Deutsche Staatsbürger-schaft ohne Migrations-hintergrund

1.842

90

 

Deutsche Staatsbürger-schaft mit Migrations-hintergrund

142

7

 

ohne deutsche Staatsbürger-schaft

64

3

Schulab-schluss

ohne Schulab-schluss

22

1

 

Hauptschule / 8. Klasse

84

4

 

Mittlere Reife / Realschule

345

17

 

POS / 10. Klasse

171

8

 

Fachschule

74

4

 

Abitur / oder abgeschl. Studium

492

24

 

abgeschl. Hochschul- / FHS-Studium

840

41

 

Schülerin / Schüler einer allg. Schule

1

0

Haushalts-netto-einkommen / Monat

bis unter 1.250 €

196

10

 

1.250 bis unter 2.750 €

649

35

 

über 2.750 €

1.037

55

Religions-zugehörigkeit

christlich-katholisch

271

13

 

christlich-protestantisch

417

20

 

christlich-orthodox

32

2

 

jüdisch

17

1

 

muslimisch-sunnitisch

74

4

 

muslimisch-schiitisch

12

1

 

muslimisch-alewitisch

13

1

 

keine Religions-gemeinschaft

1.150

56

Quelle: Berlin-Monitor 2023, 2.048 befragte Berlinerinnen und Berliner, davon 1.422 CATI und 626 CAWI; Daten ungewichtet; Prozentwerte gerundet.

Tabelle 2.2: Verteilung der Befragten über die 12 Berliner Bezirke

Stadtbezirke

absolut

in %

Mitte

222

11

Friedrichshain-Kreuzberg

150

7

Pankow

253

12

Charlottenburg-Wilmersdorf

199

10

Spandau

109

5

Steglitz-Zehlendorf

213

10

Tempelhof-Schöneberg

177

9

Neukölln

128

6

Treptow-Köpenick

127

6

Marzahn-Hellersdorf

177

9

Lichtenberg

142

7

Reinickendorf

122

6

Quelle: Berlin-Monitor 2023, 2.048 befragte Berlinerinnen und Berliner, davon 1.422 CATI und 626 CAWI; Daten ungewichtet; Prozentwerte gerundet.

2.3 Erhebung des Migrationshintergrunds

Der Migrationshintergrund einer Person wurde im Rahmen der bisherigen Berlin-Monitor Studien über die eigene Staatsbürgerschaft sowie in Abhängigkeit vom eigenen Geburtsland und Geburtsland der Eltern erfasst. Der Mikrozensus-Definition folgend wird dann von einem Migrationshintergrund gesprochen, wenn mindestens ein Elternteil nicht bereits seit der Geburt über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügt.4 Im Rahmen unserer Studien erfassen wir den Migrationshintergrund befragter Personen, da er ein relevantes Merkmal im Rahmen der Beschreibung von Diskriminierungserfahrungen und politischen Teilhabemöglichkeiten darstellt. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die deutsche Bevölkerung mit Migrationshintergrund eine ausgesprochen heterogene Gruppe darstellt und Aussagen zu ihr entsprechend nur beschränkt möglich sind. Sowohl der Begriff des Migrationshintergrundes sowie auch seine Erfassung entlang der beschriebenen Kriterien bleiben umstritten (siehe Nesterko & Glaesmer 2019).

Unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen ermöglicht die Nutzung des Begriffs „Migrationshintergrund“ entlang der Mikrozensus-Definition dennoch eine Ablösung vom Vergleich zwischen Personen mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft. In standardisierten Fragebögen haben sich kaum Alternativen zur Erfassung verschiedener migrantischer Gruppen etablieren können, sodass Vergleichbarkeit und Praktikabilität auch weiterhin Gründe für diese Handhabung darstellen.

Tabelle 2.3 gibt einen Überblick über die Verteilung von Migrationshintergrund und Staatsangehörigkeit über die Berliner Bezirke. In allen Stadtteilen hat die Mehrheit der Befragten die deutsche Staatsbürgerschaft und keinen Migrationshintergrund.

Tabelle 2.3: Verteilung von Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund in den Berliner Bezirken

 

Deutsche Staatsbürger-schaft ohne Migrations-hintergrund

Deutsche Staatsbürger-schaft mit Migrations-hintergrund

Ohne deutsche Staatsbürger-schaft

 

in %

in %

in %

Mitte

89

9

2

Friedrichshain-Kreuzberg

87

10

3

Pankow

87

10

3

Charlottenburg-Wilmersdorf

90

6

4

Spandau

93

5

2

Steglitz-Zehlendorf

88

8

4

Tempelhof-Schöneberg

87

9

4

Neukölln

90

8

2

Treptow-Köpenick

94

2

4

Marzahn-Hellersdorf

94

4

2

Lichtenberg

92

6

2

Reinickendorf

96

2

2

Quelle: Berlin-Monitor 2023, 2.048 befragte Berlinerinnen und Berliner, davon 1.422 CATI und 626 CAWI; Daten ungewichtet; Prozentwerte gerundet.

Nähere Beschreibungen zu den einzelnen Fragen-Sets und ihrer Verwendung folgen in den jeweiligen Kapiteln. Für die statistischen Analysen wurde hauptsächlich auf gut einsehbare deskriptive Verfahren oder Häufigkeitsdarstellungen zurückgegriffen. Sofern multivariate statistische Verfahren verwendet wurden, sind diese auch in den entsprechenden Kapiteln näher beschrieben. Sie dienen der Ermittlung komplexer Zusammenhänge und werden in der Folge inhaltlich verständlich dargestellt.

Literatur

Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (2013). Stichprobenverfahren in der Umfrageforschung (2. Auflage). Wiesbaden: Springer VS.

Decker, O., Kiess, J., Heller, A. & Brähler, E. (Hrsg.) (2022). Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten. Neue Herausforderungen – alte Reaktionen. Gießen: Psychosozial.

Faulbaum, F., Prüfer, P. & Rexroth, M. (2009). Was ist eine gute Frage? Die systematische Evaluation der Fragenqualität. Wiesbaden: Springer VS.

Gabler, S. & Häder, S. (2015). Stichproben in der Theorie (GESIS Survey Guidelines). Mannheim: GESIS.

Gaziano, C. (2005). Comparative analysis of within-household respondent selection techniques. Public Opinion Quarterly, 69, 124–157.

Häder, S. 2000). Telefonstichproben (ZUMA-How-to-Reihe No. 6). Mannheim: ZUMA.

Häder, S., Häder, M. & Schmich, P. (2019). Stichproben in Deutschland. Wiesbaden: Springer VS.

Nesterko, Y. & Glaesmer, H. (2019). Warum fragen wir nicht direkt nach? Eine Analyse zur subjektiven Zuschreibung des Migrationshintergrundes. Psychologische Rundschau, 70, 101–108.

Willis, G. & Lessler, J. (1999). Question Appraisal System.

Wittenberg, M. (2010). An introduction to maximum entropy and minimum cross-entropy estimation using Stata. The Stata Journal, 10 (3), 315–330.

Zick, A. & Küpper, B. (Hrsg.) (2021). Die geforderte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2020/2021. Bonn: Dietz Verlag.

3 Für die aufgeführten Studien bleibt anzumerken, dass sie unterschiedliche methodische Zugänge nutzen und die Ergebnisse im Vergleich leichte Verzerrungen aufweisen können. Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung ist, wie auch der Berlin-Monitor, eine Telefonbefragung, während die Leipziger Autoritarismus Studie als Face-to-Face-Befragung durchgeführt wird. Erfahrungsgemäß ergibt sich für Face-to-Face-Befragungen eine stärkere Antwortbereitschaft normabweichender Gruppen. Weiterhin werden im Rahmen der Mitte-Studien nur Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit berücksichtigt, während die Berlin-Monitor Umfrage und die jüngsten Umfragen der Leipziger Autoritarismus Studie auch Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft in der Ergebnisdarstellung umfasst.

4 Die Definition umfasst folgende Personen: Zugewanderte und nicht zugewanderte Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, Zugewanderte und nicht zugewanderte Eingebürgerte, (Spät-)Aussiedler:innen, Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch Adoption durch einen deutschen Elternteil erhalten haben sowie mit deutscher Staatsangehörigkeit geborene Kinder der vier zuvor genannten Gruppen. Vertriebene des zweiten Weltkrieges, welche bis 1949 zugewandert sind, gehören hingegen nicht zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Ebenso wenig Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die im Ausland geboren sind und deren beide Eltern keinen Migrationshintergrund haben (z. B. während eines Auslandsaufenthalts geboren wurden).

3 Die Politische Kultur Berlins im Zeitverlauf – Ergebnisse der repräsentativen Erhebungen des Berlin-Monitors von 2019 bis 2023

Kazim Celik & Gert Pickel

3.1 Berlin in Zeiten von Krisen

Seit 2019 werden regelmäßige, im zweijährigen Rhythmus angesetzte, repräsentative Bevölkerungsumfragen im Rahmen des Berlin-Monitors durchgeführt. Neben wechselnden Schwerpunktthemen ist die Beobachtung von Entwicklungen hinsichtlich der politischen Kultur in Berlin ein zentrales Anliegen des Berlin-Monitors. Eine demokratische politische Kultur, wie sie durch die letzten Umfragen für Berlin ausgewiesen werden konnte, wird von der Unterstützung der Bevölkerung getragen (Almond & Verba 1963; Easton 1975; Pickel & Pickel 2006). Für die mittel- bis langfristige Stabilität eines demokratischen politischen Systems ist wiederum der Erhalt einer demokratischen politischen Kultur unerlässlich (Pickel & Pickel 2023, 30 – 35). Besondere Relevanz kommt der politischen Kultur in Zeiten von Krisen zu, die sich als eine Herausforderung für die Demokratie erweisen. So wurde die politische Kulturforschung nicht selten als Krisenwissenschaft bezeichnet.

In gewisser Weise durchlebt die deutsche Gesellschaft seit einigen Jahren eine solche krisenreiche Zeit. Genannt seien an dieser Stelle etwa die sogenannte Flüchtlingskrise, die Covid-19-Pandemie, der Klimawandel bzw. die Klimakatastrophe, der russisch-ukrainische Krieg sowie die steigenden Energiekosten mit ihrer Auswirkung gerade auf Haushalte in bereits prekärer finanzieller Lage. Teilweise treten die Krisen gleichzeitig auf, weswegen auch gelegentlich von multiplen Krisen oder einer polycrisis gesprochen wird. Politische Bewegungen und Gegenbewegungen reagieren auf diese Krisen und die mit ihnen einhergehenden Maßnahmen. Dabei befeuern sie sich teilweise gegenseitig in ihren Haltungen und unterliegen der Gefahr einer Radikalisierung. So führen Meinungen und Gegenmeinungen, die sich vermeintlich nicht vereinbaren lassen und einander in ihrer Rigidität übertreffen, zu Rissen in einer demokratischen politischen Kultur oder des gesellschaftlichen Zusammenhalts (McCarthy 2019; Pickel 2023; kritisch: Mau et al. 2020).

Auch in Berlin hinterlassen diese Krisen Spuren. Eindrücklich wurde dies etwa am Sturm auf den Reichstag im August 2020 im Rahmen von Demonstrationen gegen die Corona-Politik (Lenze 2023). Ein anderes Beispiel findet sich im Klimawandel und den dazugehörigen Protesten – so kündigte die Letzte Generation jüngst „unbefristete“ Proteste in Berlin an (Marschall 2023). Andere Gruppen wiederum stellen einen menschengemachten Klimawandel generell in Frage (Salheiser & Richter 2023). Nicht zuletzt zählen zu den polarisierenden Debatten auch jene über Rassismus (siehe Kapitel 5) und über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt (siehe Kapitel 6). Zwar werden diese Auseinandersetzungen im ganzen Bundesgebiet ausgetragen, oft fokussieren sie sich aber in Berlin.

Für 2019 und 2021 konnte als Ergebnis festgehalten werden, dass nur eine kleine Gruppe von Berlinerinnen und Berlinern manifest antidemokratische Einstellungen vertritt, diese Einstellungen aber rigider werden (Celik et al. 2023, 21f.; Pickel et al. 2019, 101–104; Pickel et al. 2023, 107–109). Dies drückt sich insbesondere in der steigenden Zustimmung zu Aussagen aus, die sich vehement gegen die demokratische Grundordnung richten, und betrifft antidemokratische Einstellungen wie z. B. Antisemitismus, Rechtsextremismus, gruppenbezogenen Vorurteile und Ressentiments sowie Autoritarismus. Wie sich die Einstellungen der Berlinerinnen und Berliner über die Zeit hinweg entwickelt haben und welche Tendenzen für die Politische Kultur Berlins ersichtlich werden, wird im Folgenden erörtert.

3.2 Theoretische Grundlage und Prämissen der Politischen Kulturforschung

Die Entwicklung der Politischen Kultur Berlins bewerten wir auf Grundlage der Prämissen und des Konzepts der politischen Kulturforschung (Almond & Verba 1963; Dalton & Welzel 2014; Übersicht: Pickel & Pickel 2006, 59–68). Sie ermöglicht es, anhand von Einstellungen der Bevölkerung und ihrer Kongruenz mit dem jeweiligen politischen System Erkenntnisse über die Stabilität politischer Systeme zu ziehen. Ihr Bezugspunkt ist immer das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Eine grundlegende Bedingung für die Stabilität eines demokratischen politischen Systems ist die politische Unterstützung der Institutionen eines politischen Systems. Dieser Prämisse folgend beschäftigt sich die politische Kulturforschung neben der Frage nach dem Wissen, das die Bürgerinnen und Bürger über das demokratische System und seine Institutionen haben, mit deren Empfindungen und Bewertungen ihm gegenüber (Almond & Verba 1963). Von zentraler Bedeutung ist hierbei die Unterstützung der Demokratie in ihrer Idee und die Akzeptanz der Staatsform Demokratie. Auch wenn nicht alle Bürgerinnen und Bürger ein politisches System unterstützen oder akzeptieren müssen, sollte es die Mehrheit schon tun, damit eine gewisse Stabilität des Systems gewährleistet ist.