Der Geist des Zen - Huang-po - E-Book

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Huang-po

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Beschreibung

In seiner Lehre vom Einen Geist hat Huang-po die "Leerheit", den Kernbegriff des Mahayana-Buddhismus, auf eine einmalig klare und lebensnahe Weise erklärt. Die überlieferten Unterweisungen sind so zu einem Juwel innerhalb der Zen-Literatur geworden. Wie viele der großen Weisen der Welt hat Huang-po nichts Schriftliches hinterlassen. Der Meister hat immer darauf bestanden, dass sein Wort nur im Augenblick des Sprechens wirken solle. Umso kostbarer sind deshalb die wenigen gesammelten Aussprüche und überlieferten Dialoge, die sich durch eine einzigartige Prägnanz auszeichnen. Als Meister vom Rang eines Lao-tse, Ramana Maharshi oder Meister Eckhart reiht sich Huang-po in die Linie der großen spirituellen Lehrer der Menschheit ein. Sein Werk gehört zu den Klassikern der spirituellen Weltliteratur.

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Huang-po

Der Geist des Zen

Die legendären Aussprüche und Ansprachen des Huang-po

Aus dem Englischen von Ursula von Mangoldt

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Vorwort von Jean GebserEinführung von John BlofeldDie Stellung des Zen im BuddhismusUrsprung und Ausbreitung des ZenDer Zen-Meister Huang-poDie Lehre des ZenDie Übung des ZenHuang-pos Einstellung gegenüber anderen Schulen des BuddhismusDie Unterteilung in Unterweisungen, Dialoge und AnekdotenDer Autor des chinesischen TextesDie ÜbersetzungDER TEXTVorrede des P’ei-hsiuERSTER TEILZWEITER TEILDie Anekdoten
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Vorwort von Jean Gebser

Eine über Jahrhunderte vorherrschende einseitige Einstellung hinsichtlich der denkerischen Erfassung der Wirklichkeit ließ im Abendland bis vor kurzem niemals die Vermutung aufkommen, es könne eine Denk- oder Realisationsform möglich sein, die das mental-rationale Denken zu überwölben vermöchte. Alles, was nicht begriffliches Denken war, wurde als eher unwürdiges und unsachgemäßes Denken in den Bereich des Irrationalen verwiesen und schlimmstenfalls als psychische Spekulation, bestenfalls als verschwommene Mystik abgetan.

Diese einseitige Abgrenzung und die zugleich ausschließliche Betonung des mental-rationalen Denkens hat uns, verglichen mit dem Fernen Osten, eine einseitige Steigerung dessen eingebracht, was man als Verwaltbarkeit des Materiellen bezeichnen darf, die sich in unserer Technik und Industrie zu erkennen gibt; andererseits brachte sie eine Verarmung in der Bewahrung dessen mit sich, was »hinter« der Materie liegt. Aus dieser Einseitigkeit heraus wurden auch alle fernöstlichen Lehren mehr oder weniger als bloßer Irrationalismus abgetan. Aber bereits zu Beginn des achten Jahrhunderts n. Chr. hatte Shankara in seiner Schrift Das Kleinod der Unterscheidung[1] die Mängel des begrifflichen Denkens, das er sehr wohl zu handhaben wusste, dargestellt und sich von ihm zugunsten einer über dieses Denken hinausgehenden Realisationsform distanziert. Etwa hundertfünfzig Jahre später folgte Huang-po (jap.: Obaku), dessen Lehre in der Tradition des Ch’an-Buddhismus (jap.: Zen) von seinen Schülern aufgezeichnet wurde. Sie wurde zum Keim, aus dem die mächtige Lin-chi-(jap.: Rinzai-)Schule des Zen-Buddhismus hervorging. Diese Aufzeichnungen gehören zu den ältesten Dokumenten des chinesischen Zen, die auf uns gekommen sind. Sie haben nichts mit verschwommener Mystik zu tun, da Zen, obwohl noch viele anderer Meinung sind, nicht Mystik ist.

Der europäische Leser wird vielleicht zuerst ob der Unbedingtheit der Aussagen und Forderungen des Huang-po erschrecken. Bei einem achtsamen Lesen wird er jedoch feststellen können, dass die Absage an das begriffliche Denken durchaus nicht zu Wirklichkeits- und Weltfremdheit führt, sondern dass sie eine auch das begriffliche Denken integrierende Realisationsform aufleuchten lässt. Betrifft dieser Hinweis die Lehre als solche, so ist auch zu Stil und Terminologie des Huang-po etwas zu sagen. Was den Stil angeht, so erklären sich manche Wiederholungen, die aber dem Leser keineswegs überflüssig erscheinen sollten, einerseits aus der buddhistischen Tradition, andererseits aus der Tatsache, dass es sich um Aufzeichnungen von Fragebeantwortungen handelt, die Huang-po gab. Was die Terminologie betrifft, sollte man in die verschiedenen Termini nicht, wie zuerst fast unvermeidlich, abendländische Inhalte hineinprojizieren. Es handelt sich um übersetzte Termini, für die ein genaues begriffliches Äquivalent in unseren Sprachen kaum zu finden ist, so dass auf vorhandene, aber inhaltlich vorbelastete zurückgegriffen werden muss.

In den letzten Jahrzehnten hat die Kernphysik den Nachweis erbracht, dass sich die subatomaren Bausteine der Materie, die Elementarteilchen, im Unvorstellbaren, Unbegreifbaren, Unsichtbaren verlieren, dass somit die Materie Māyā ist. Ferner hat sie die großen Dualismen wie Partikel (Materie) und Welle (Energie) sowie die Alleingültigkeit des primitiven Kausalgesetzes in Frage gestellt. Dies geschah ohne ein Wissen von den fernöstlichen Lehren. Und ohne Kenntnis Shankaras oder Huang-pos wiesen wir schon vor einundzwanzig Jahren auf die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Realisationsweise hin, welche die bisher anerkannten Realisationsweisen des Irrationalen und des Rationalen überwölbt. Wir bezeichneten sie (in Ursprung und Gegenwart) als integrale beziehungsweise als arationale Realisationsweise, als eine, die sich von der ausschließlichen Gültigkeit des Rationalen und dessen Vorstufen frei zu machen vermag.

Huang-po weist seinerseits immer wieder darauf hin, dass unser »ursprüngliches Wesen jenseits der Dualität« beheimatet sei, dass es gelte, den begrifflichen Dualismus zu überwinden. Und er distanziert sich sowohl vom rationalen (begrifflichen) als auch vom irrationalen Denken, wenn er äußert, dass »Begriffe mit den Sinnen verbunden« seien, und dass, »wenn Gefühle eintreten, die Weisheit ausgeschlossen« würde, während die Realisationsweise, die das begriffliche Denken überwölbt, »frei (sei) vom begrifflichen Denken«, mit anderen Worten, dass sie arational sei.

Die neue Kernphysik und die neuartige philosophische Realisationsweise scheinen das abzuschließen, was man als den europäischen Umweg bezeichnen kann. Wir haben Jahrhunderte hindurch experimentell und empiristisch das begriffliche, das rationale Denken so weit getrieben und ausgebeutet, dass wir großartigste technische und industrielle Resultate erzielten. Jetzt aber stehen wir, wie die Materiebewertung durch die Kernphysik zeigt, an seinen äußersten Grenzen: Es sind jene Grenzen, die nicht experimentell, sondern intuitiv ein Huang-po bereits erkannt hat. Er begab sich nicht auf den europäischen Umweg, und Asien fand, da es diese Denkmöglichkeit nicht ausschöpfte, auch nicht die uns heute nicht nur bedrohende Technik. Wir dagegen fanden zwar die Technik, verloren darüber aber den Urgrund aus dem Auge. Heute nun öffnet sich auch für uns wieder der Ausblick in die geistigen Bereiche, nachdem wir den dornenvollen Umweg der Materiedurchdringung gegangen sind. Was aus Weisheit und Intuition im Fernen Osten erstand, das können wir heute aus wissenschaftlicher Empirie und rationaler Schlussfolgerung bestätigen. Damit zeichnet sich ein neuer, gemeinsamer Weg der Menschheit ab, falls es einerseits uns gelingt, die Einsichten des Ostens, wie sie auch Huang-po lehrt, mit den unseren in Übereinstimmung zu bringen, und falls andererseits der Osten nicht der Faszination der inhumanen Resultate des begrifflichen Denkens und damit diesem selber erliegt. Diese Gefahr besteht, so wie die andere droht, dass wir selbst im rationalbegrifflichen Denken steckenbleiben.

Möge diese Schrift des Huang-po mit dazu beitragen, uns die Weite und Fülle der echten geistigen Weltteilhabe zu erleichtern, für welche wir im Abendland uns mit einem exzessiven Tribut an das Materielle einen bitteren Brückenzoll eingehandelt haben. Dieser aber ist Gewähr für den Brückenschlag, den unsere eigene, neue Realisationsweise, von der eben gesprochen wurde, ermöglichen könnte. Es wird unserer Wachheit bedürfen zu realisieren, was wir dank des europäischen Umweges zu finden beginnen; und es wird der Wachheit Asiens bedürfen, dass es nicht endgültig verliert, was es intuitiv bereits gefunden hatte. Wenn dies gelingt, wird die Menschheit die kommenden Jahrzehnte überleben.

Jean Gebser

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Einführung von John Blofeld

Der vorliegende Band enthält die vollständige Übersetzung eines Textes des chinesischen Buddhismus aus dem neunten Jahrhundert, dem Huang-po Ch’uan Hsin Fa Yao. Er enthält eine zusammengefasste Aufzeichnung der erhabenen Lehren eines großen Meisters der Dhyāna-Schule des Buddhismus[2], die ich nach der geläufigen westlichen Art mit ihrem japanischen Namen »Zen« nennen werde.

Häufig wird Zen als eine gänzlich fernöstliche Entwicklung des Buddhismus betrachtet. Die Anhänger des Zen erheben jedoch den Anspruch, dass ihre Lehre unmittelbar von Gautama Buddha selbst stammt. Der vorliegende Text, der zu den wesentlichsten Schriften des Zen gehört, hält sich eng an die Lehren des Diamant-Sūtra; er steht auch in enger geistiger Beziehung zu dem Sūtra des Hui-nêng. Besonders fiel mir zudem seine erstaunliche Ähnlichkeit – sowohl dem Geist wie der Terminologie nach – mit dem Tibetischen Buch der großen Befreiung[3] auf, das im achten Jahrhundert entstand und aus dem nicht gar so fernen Osten kommt.

Diese vier Bücher gehören meiner Meinung nach zu den glänzendsten bisher in einer westlichen Sprache erschienenen Darlegungen der Höchsten Weisheit. Das vorliegende aber enthält zusammen mit dem Tibetischen Buch der großen Befreiung diese Lehre in einer dem Verständnis des Westens am besten angepassten Weise.

Die Stellung des Zen im Buddhismus

Zen ist ein Zweig der großen Mahāyāna-Schule des Buddhismus, die in China und in den nördlichen Ländern Ostasiens vorherrscht. Von den Anhängern des Hīnayāna, der südlichen Schule des Buddhismus, wird er nicht als orthodoxer Buddhismus anerkannt. Heute aber sind selbst die oft zu einer puristischen Anschauung neigenden westlichen Gelehrten nicht mehr einhellig davon überzeugt, dass das Hīnayāna, trotz des früheren Ursprungs seiner Haupttexte, der einzige Hüter jener Wahrheit ist, die der Gründer des Buddhismus verkündete. Die Aufspaltung in zwei Hauptschulen fand vor etwa zweitausend Jahren in Nordindien statt. Seither betrachten die Anhänger des Mahāyāna die Lehren der Schwesterschule als einen Teil der wahren Lehre, während jene, mit weniger Toleranz, jede ausgesprochene Mahāyāna-Lehre zurückweist. Zen dagegen, das erst viel später ans Licht trat, behauptet, dass zwar alle Schulen des Buddhismus die Wahrheit mehr oder weniger klar widerspiegeln, dass es allein aber die höchsten Lehren bewahrt hat – Lehren, die auf einer geheimnisvollen geistigen Übermittlung beruhen. Diese soll stattgefunden haben zwischen Gautama Buddha und Mahākāshyapa, dem einzigen seiner Schüler, der für eine solche Übertragung geeignet war.

Die Meinungen über die Wahrheit dieser Geschichte gehen natürlich auseinander, aber Meister wie Huang-po sprechen offensichtlich aus einer tiefen inneren Erfahrung. Ihm und seinen Nachfolgern ging es nur um die unmittelbare Erfahrung der Wahrheit, und sie hatten nicht das geringste Interesse, ihre Überzeugungen als historisch richtig zu beweisen. Die großen Mystiker, wie etwa Plotin und Meister Eckhart, die in die Tiefen des Bewusstseins eindrangen, das innere Licht schauten und die alles durchdringende Stille erfuhren, beschreiben ihre Erfahrung der Wirklichkeit mit einer solchen Übereinstimmung, dass ich selbst keinen Zweifel an der Wahrheit ihrer Berichte hege. Huang-po beschreibt in einer etwas allgemeinverständlicheren Sprache die gleiche Erfahrung, und ich nehme an, dass die Erleuchtung des Gautama Buddha unter dem Bodhi-Baum sich von dieser nicht wesentlich unterschied, vielleicht nur tiefer und umfassender war. Wollte man das anders sehen, müsste man verschiedene Formen der absoluten Wahrheit annehmen. Oder man wäre genötigt anzunehmen, dass einige oder alle dieser Meister in Selbsttäuschung befangen waren.

Ich selbst zweifele nicht einen Augenblick daran, dass Huang-po, so wenig auch für den Anspruch des Zen auf seine Begründung durch Gautama Buddha sprechen mag, ebendiese Erfahrung der ewigen Wahrheit auf seine Weise ausdrückt, so wie Gautama Buddha und andere Buddhisten und Nichtbuddhisten dies auf ihre Weise taten. Die Verwandtschaft dieses Textes mit der Lehre, die das Tibetische Buch der großen Befreiung enthält und die Padmasambhava, dem Lotosgeborenen, zugeschrieben wird, ist erstaunlich. Da beide Texte annähernd aus der gleichen Zeit stammen, könnte man annehmen, dass sie auf die gleiche schriftliche oder mündliche Quelle zurückgehen. Viel wahrscheinlicher aber scheint es mir, dass die beiden Texte die innere Erfahrung der ewigen Wahrheit aus der Sicht zweier verschiedener Menschen beschreiben. Dennoch gibt es viele, die diese Dinge anders sehen. Deshalb will ich noch etwas über den Ursprung, die Tradition und die modernen Theorien über das Zen sagen.

Ursprung und Ausbreitung des Zen

Gautama Buddha soll seine Lehre der jeweiligen Auffassungsgabe seiner verschiedenen Schüler und Zuhörer angepasst haben. Einmal nahm er, als er sich zu einem Lehrvortrag niedergelassen hatte, wortlos eine Blume auf und hielt sie hoch, damit alle sie sehen konnten. Mahākāshyapa, der als einziger der versammelten Mönche den tiefen Sinn dieser Geste begriff, antwortete mit einem Lächeln. Später rief der Buddha diesen Schüler zu sich und übermittelte ihm unter vier Augen die wortlose Lehre »von Geist zu Geist«. Mahākāshyapa gab seinerseits auf mystische Weise die Lehre dem Ānanda weiter, der somit der zweite in der Reihe der achtundzwanzig indischen Patriarchen wurde. Der letzte von diesen war Bodhidharma, der im sechsten nachchristlichen Jahrhundert nach China reiste und damit zum ersten chinesischen Patriarchen wurde, über den sich die Überlieferung bis auf Hui-nêng, den sechsten und letzten Patriarchen, fortsetzte. Danach spaltete sich die Linie auf, und es gab keine Patriarchen mehr.

Der Buddhismus, der offiziell im Jahre 61 n. Chr. nach China kam, hat wahrscheinlich die Küste von Shantung schon im ersten oder zweiten Jahrhundert vor Christus erreicht. Das Hīnayāna überlebte in China nicht lange, während das Mahāyāna zu hoher Blüte gelangte. Verschiedene Schulen indischen Ursprungs entwickelten sich weiter, andere wurden neu gegründet. Eine der spätesten Schulen war das Zen, das schnell an Einfluss gewann. Obwohl es selbst behauptet, indischen Ursprungs zu sein, zweifeln viele daran. Manche gehen sogar so weit, selbst an der Existenz des Bodhidharma zu zweifeln. Wenn es diesen, wie ich gern annehme, wirklich gab, so kam er wahrscheinlich von Südindien über Kanton nach China und besuchte die Herrscher zweier chinesischer Staaten. Denn China war damals, wie so oft in seiner langen Geschichte, in zwei Teile gespalten.

Professor Daisetz T. Suzuki nimmt die Existenz des Bodhidharma an, vermutet aber, dass seine Lehren aus dem Lankāvatāra-Sūtra stammen, das anscheinend die Keime der wortlosen Lehre enthält. Dr.Hui Shih erkennt weder die geschichtliche Wirklichkeit des Bodhidharma noch die Authentizität der frühen Schriften des Zen an und betrachtet selbst das berühmte Sūtra des Hui-nêng, des Sechsten Patriarchen, als eine spätere Fälschung. Um seine Behauptung zu stützen, führt er einige Manuskripte aus dem achten Jahrhundert an, die vor nicht allzu langer Zeit in den Tun-Huang-Höhlen gefunden wurden und, sowohl was die Namen als auch den Inhalt angeht, von den überlieferten Werken der Zen-Meister abweichen. Dr.Hui Shih hält das Zen sogar für eine chinesische Gegenbewegung gegen den Buddhismus, den die Chinesen als eine fremdländische Lehre empfunden hätten.

Nach meiner Ansicht steht das Zen nicht im Gegensatz zu anderen Formen des Buddhismus, einschließlich jener, deren indischer Ursprung gewisser ist. Alle Schulen des Buddhismus halten die Übung des Dhyāna, der Versenkung, für eine wesentliche Hilfe auf dem Weg zur Erleuchtung – eine Übung, die den Geist nach innen wendet und die darauf ausgerichtet ist, die Schleier der Sinneswahrnehmung und des begrifflichen Denkens zu durchdringen und eine intuitive Erfahrung der Wirklichkeit zu erlangen. Zen legt hierauf den größten Wert, wobei es viele andere Aspekte ganz oder zumindest teilweise vernachlässigt. Es unterscheidet sich auch darin von den meisten anderen Schulen des Buddhismus, dass es die Erleuchtung für ein Ereignis hält, das in einem einzigen Augenblick eintreten kann.

So ist diese Form des Buddhismus für jene geeignet, die die meditative Versenkung dem Studium der Schriften oder dem Vollbringen guter Werke vorziehen. Zen steht allerdings nicht allein mit seiner Betonung eines bestimmten Aspektes der Gesamtlehre. Gäbe es solche Präferenzen nicht, gäbe es auch keine verschiedenen Schulen. Überdies bildet »Rechte Versenkung« (Samyak-Samādhi) die Endstufe des Edlen Achtfachen Pfades, der die Grundlage des Buddhismus für das Mahāyāna wie für das Hīnayāna bildet. Die Übung des Dhyāna zielt genau auf diese vollkommene Meditation hin.

Wenn es auch wenig Beweise für oder gegen den indischen Ursprung des Zen gibt, so scheint es mir doch keineswegs unglaubhaft, dass Bodhidharma tatsächlich nach China kam und eine Lehre von bereits hohem Alter mitbrachte, die ihm von seinen Lehrern übermittelt worden war. Dieser Lehre nach sind die sieben vorausgehenden Stufen des Edlen Achtfachen Pfades nur Vorbereitungen für die achte. Wäre diese achte Stufe nicht eine Folge der anderen sieben, so wäre nicht einsichtig, warum in diesem Zusammenhang immer wieder Ausdrücke wie »Pfad« und »Stufen« verwendet werden.

Der verstorbene ehrwürdige T’ai Hsü, der damit ein Beispiel der eines Buddhisten würdigen weitherzigen und toleranten Haltung gibt, vergleicht die verschiedenen Schulen mit ebenso vielen Perlen auf einem einzigen Rosenkranz. Die Mahāyāna-Buddhisten werden sogar ermuntert, sich ihre eigenen Gedanken zu machen; es steht ihnen frei, den Pfad zu wählen, der ihren persönlichen Anforderungen am besten entspricht. Die Schärfe westlicher Sektierer ist den Chinesen fremd. Da die Chinesen, wenn auch ohne allzu puritanisch zu sein, im Allgemeinen recht bedürfnislos leben, haben ihnen Schulen wie das Hīnayāna, die vor allem eine strenge Beachtung moralischer Vorschriften betonen, selten Eindruck gemacht. Dies mag einer der Hauptgründe sein, warum die südliche Schule des Buddhismus keine Wurzeln in China schlagen konnte. Außerdem waren die chinesischen Intellektuellen seit jeher einer gewissen Skepsis zugeneigt; so mag ihnen die herbe Schlichtheit des Zen und das Fehlen praktisch aller Rituale darin besonders entgegengekommen sein. Auch auf andere Weise war der Boden in China für das Zen bereitet. Einerseits hatten Jahrhunderte des Konfuzianismus die Gelehrten gegen die feingesponnenen Spekulationen eingenommen, in denen sich die indischen Buddhisten mit so viel Begeisterung ergingen, zum anderen hatte die Lehre der taoistischen Weisen Lao-tse und Chuang-tse den Quietismus des Zen bereits weitgehend vorweggenommen und das Bewusstsein der Chinesen für eine Lehre vorbereitet, die in vieler Hinsicht eine auffallende Ähnlichkeit mit ihren eigenen Lehren aufweist. Aus ähnlichen Gründen fand das Zen auch bei jenen Menschen im Westen Anklang, die sich hin- und hergerissen fühlen zwischen der so »fortschrittlichen« Skepsis und dem Verlangen nach einer Lehre, die in die Tiefe dringt und den Sinn des Daseins zu erkennen sucht.

Die geschichtliche Bedeutung des Zen dürfte deshalb von relativ geringer Wichtigkeit sein, es sei denn für eine beschränkte Anzahl von Gelehrten. Sie ist vor allem ohne Bedeutung für jene, die in der Lehre der Zen-Meister die strahlende Widerspiegelung einer authentischen Erfahrung der Wahrheit erblicken. Zen hat in China und Japan eine weite Verbreitung gefunden und beginnt nun, sich auch im Westen zu entfalten, da jene, die seine Prinzipien über längere Zeit in der Praxis erprobt haben, erfahren haben, dass es tiefe spirituelle Bedürfnisse zu befriedigen vermag.

Der Zen-Meister Huang-po

Als Hui-nêng, der Sechste Patriarch, die Übertragung von Geist zu Geist empfing, war die Zen-Schule bereits gespalten. Der nördliche Zweig mit seiner Lehre vom allmählichen Eintreten der Erleuchtung blühte eine Zeitlang unter kaiserlicher Protektion, konnte sich aber nicht lange halten. Inzwischen gewann der südliche Zweig mit seiner Lehre von der plötzlich durchbrechenden Erleuchtung an Einfluss und verästelte sich später weiter. Der bedeutendste Nachfolger des Sechsten Patriarchen war Ma-tsu Tao-i (jap.: Baso Dōitsu), der 788 n. Chr. starb. Huang-po, den man vielfach für ein oder zwei Generationen jünger hielt, scheint erst um 850 gestorben zu sein, nachdem er die wortlose Lehre an Lin-chi I-hsüan (jap.: Rinzai Gigen), den Begründer der großen Lin-chi-(Rinzai-)Schule des Zen, die heute noch in Japan lebendig ist, übermittelt hatte. So ist Huang-po in gewissem Sinne als Vorvater dieser bedeutenden Linie anzusehen. Wie alle chinesischen Mönche hatte er mehrere Namen. Zu seinen Lebzeiten kannte man ihn als Meister Hsi-yün und als Meister T’uan-chi; nach seinem Tod bezeichnete man ihn mit dem Namen des Berges Huang-po, auf dem er viele Jahre lang gelebt hatte. In Japan ist er als Obaku Kiun bekannt, was die japanische Aussprache von Huang-po Hsi-yün ist.

Die Lehre des Zen

Auf den ersten Blick müssen Zen-Werke so paradox erscheinen, dass sie den Leser befremden. Einmal wird uns erklärt, alles sei der unteilbare Eine Geist, ein anderes Mal, der Mond sei zweifellos der Mond, ein Baum unzweifelhaft ein Baum. Sicher aber sollen solche Paradoxa nicht nur Unterhaltungswert haben, da einige Millionen von Menschen Zen als das Wichtigste im Leben betrachten.

Alle Buddhisten gehen von der Erleuchtung Buddhas aus und streben nach jener übersinnlichen Erkenntnis, in der sie die Wirklichkeit von Angesicht zu Angesicht schauen und dadurch von der Wiedergeburt in raumzeitlichen Bereichen erlöst werden. Die Zen-Schüler aber gehen weiter. Ihnen genügt nicht, durch Äonen vielfältiger Daseinsformen, die notwendigerweise mit Schmerz und Unwissenheit verbunden sind, nach Erleuchtung zu streben und auf einem unendlich langsamen Weg zu jener höchsten Erfahrung zu gelangen, die christliche Mystiker »die Vereinigung mit der Gottheit« nannten. Sie glauben vielmehr an die Möglichkeit, hier und jetzt die vollkommene Erleuchtung erlangen zu können, wenn sie entschlossen alle ihre Kraft darauf richten, das begriffliche Denken zu übersteigen und intuitives Wirken, das zentrale Erlebnis der Erleuchtung, zu erfassen. Ferner behaupten sie, diese Erfahrung sei sowohl plötzlich als auch vollständig. Die vorangehende Anstrengung mag Jahre dauern, die Belohnung aber offenbart sich in Blitzesschnelle. Doch um diese zu erlangen, genügen weder Übung der Tugend noch Enthaltsamkeit. Man muss sich über relative Begriffsvorstellungen wie Gut und Böse, Suchen und Finden, erleuchtet und nicht erleuchtet und über alle anderen Gegensätze erheben.

Um dies klarer zu erfassen, wollen wir einige christliche Gedanken über Gott betrachten. Gott wird als das Erste Prinzip gedacht, das keine Ursache hat und nicht gezeugt ist. Dies bedeutet logischerweise Vollkommenheit, und ein solches Wesen kann keiner relativen, raumzeitlichen Betrachtung unterzogen werden. Weiter wird von Gott ausgesagt, Er sei gut. Dies aber nimmt, wie es christliche Mystiker ausführten, etwas fort von Seiner Vollkommenheit. Denn Gutsein schließt Nicht-Bösesein ein. Eine solche Einschränkung zerstört unvermeidlich die Einheit und Ganzheitlichkeit, die untrennbar mit Vollkommenheit verbunden ist. Dies soll natürlich nicht bedeuten, dass Gott böse oder gut und böse sei. Für den Mystiker ist Er nichts von alledem, da Er alle Begriffe überschreitet. Auch die Idee, dass Gott der Schöpfer des Weltalls ist, setzt einen Dualismus voraus, eine Unterscheidung zwischen Schöpfer und Geschaffenem. Dies würde Gott auf eine niederere Ebene stellen als die Vollkommenheit, denn es kann weder Einheit noch Ganzheitlichkeit geben, wenn A B ausschließt oder B A.