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Die Autorin zeigt uns in ihrem Essay verschiedene Arten des Zusammenlebens mit Hunden auf. Der Text ist in dem Buch »Die sokratische Hundeschule. Gassigänge ohne Leine« erschienen.
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Seitenzahl: 29
Sabine Rothemann
Der Hund
Unser soziales Bezugstier
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.© Parodos Verlag Berlin 2023
Alle Rechte vorbehalten
Erschienen in: Die sokratische Hundeschule. Philosophische Gassigänge ohne Leine, Parodos Verlag, Berlin 2017, S. 94-115. ISBN der Printausgabe: 978-3-938880-87-6 ISBN des E-Books: 978-3-96024-029-7
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Wer einen Hund hat, hat zu tun. Wer einen Hund hat, hat in diesem Tun seine Freude. Sooft ich mir das sagte, sobald ich einen Hund sich von seinem Besitzer losreißen und auf mich vielleicht freudig zulaufen sah, verringerte sich meine Angst vor ihm und die Befürchtung, was durch ihn auf mich zukommen würde. In den nächsten Sekunden. Denn ein Hundebesitzer hat nicht nur seine Freude mit seinem Tier, oftmals hat er auch Kummer. Sein Hund hört nicht. Um diesen Kummer zu übertünchen, schreit der Besitzer dem angstvoll erstarrten Spaziergänger zu: „Der macht nichts“. Ungewiss bleibt der Ausgang.
Viel, sehr viel später dieses Bild: Da liefen zwei Frauen und zwischen ihnen ein Mann vor mir her, die Gruppe zu beiden Seiten von zwei großen Hunden flankiert. Dünn und hoch. Seht mal, wie groß die sind. Ich hörte, dass eine der Frauen ihr Erstaunen kundgab und sah einen ausgestreckten Finger auf Blumen zeigen. Dickstielige und breitblütige Geranien zierten in einem Zementkübel den Bürgersteig. Die hatte ich bis jetzt nicht bemerkt. Ich hatte unablässig gebannt auf das Hinterteil der Tiere gestarrt und mich gewundert, wie groß Hunde werden können. Sie liefen streng und gleichförmig neben den Menschen her, sie umrahmten sie, sie schienen mir wie in Gang gesetzte Steinskulpturen, lebendig gewordene Bewacher. Hätte ich solche Bewacher, ich würde anders leben.
Zwischen Vergötterung, Denkmalsetzung im europäischen Hundemuseum im österreichischen Burgenland, der Ikonografie des schlafenden Hundes (ein wesentliches Bildteil in Dürers Melencolia I), schließlich dem Hund als einem treuen Begleiter des Menschen und der Verteufelung des Hundes als blöden kläffenden Köters, der den Armen zum Fraß vorgeworfen oder für die Vernichtung von Feinden eingesetzt werden kann, ist viel möglich.
Zahlreiche Redewendungen und Redensarten spinnen sich um den Hund. Sie umgarnen ihn geradezu. Für beinah jede Lebenslage gibt es ein Hunde-Sinnbild. Beginnen wir.
Ach, hätt' ich doch einen echten Freund, und wenn nicht das, so doch einen Hund. Ja. Da weiß man, was man hat, da fühlt man, dass und wer man ist, da reicht es, durch sein zotteliges Fell an seinen langen Ohren zu streichen.
Hunde und Menschen bilden soziale Gemeinschaften besonderer Art, sie sind Bindungspartner, beziehen sich aufeinander, kooperieren und unterstützen sich. Mit keinem anderen Tier gehen wir so innige Beziehungen ein wie mit dem Hund, dem sprichwörtlich besten Freund des Menschen. Dem Hund könne man in die Augen schauen wie einem Menschen, so Josef H. Reichholf, einer der führenden Evolutionsbiologen, in seinem Essay Auf den Hund gekommen (2014): Dieser Blick in die Augen des anderen ermögliche eine Identifikation und damit eine starke Bindung.
Die Frage, von welchem Tier, Kojote, Wolf oder Schakal, der Hund abstammt, war lange ungeklärt. Erst eine 1997 in den USA 1997 durchgeführte DNA-Untersuchung konnte zweifelsfrei nachweisen, dass der Canis lupus der Stammvater aller Hunderassen ist. Man geht heute davon aus, dass der Hund/Wolf seit etwa 15.000 Jahren bei und mit dem Menschen lebt. Als gesichert gilt, dass der Hund das älteste domestizierte Haustier des Menschen ist. Weit älter als zum Beispiel die Ziege und das Schaf.
Abb. 1: Claude Monet: Portrait de V. Jaquemont