Der junge Gelehrte - Gotthold Ephraim Lessing - E-Book

Der junge Gelehrte E-Book

Gotthold Ephraim Lessing

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Beschreibung

Der junge Gelehrte Damis wartet sehnsüchtig auf ein wichtiges Antwortschreiben der Berliner Akademie, um seine Studien fortzuführen. Sein Vater, der Kaufmann Chrysander, hat derweil lukrativere Pläne für seinen promovierten Sohn und möchte ihn mit der betuchten Juliane verheiraten. Gegenseitige Intrigen und Täuschungen lassen alle Beteiligten am Ende jedoch zerstritten und verbittert zurück und Damis so verzweifelt, dass er das Land verlassen will.-

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Gotthold Ephraim Lessing

Der junge Gelehrte

Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Saga

Der junge Gelehrte

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1747, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728015551

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Personen:

Chrysander, ein alter Kaufmann Damis, der junge Gelehrte, Chrysanders Sohn ValerJulianeAnton, Bedienter des Damis Lisette

 

Der Schauplatz ist die Studierstube des Damis.

Erster Aufzug

Erster Auftritt

Damis (am Tische unter Büchern). Anton.

Damis. Die Post also ist noch nicht da?

Anton. Nein.

Damis. Noch nicht? Hast du auch nach der rechten gefragt? Die Post von Berlin –

Anton. Nun ja doch; die Post von Berlin; sie ist noch nicht da! Wenn sie aber nicht bald kömmt, so habe ich mir die Beine abgelaufen. Tun Sie doch, als ob sie Ihnen, wer weiß was, mitbringen würde! Und ich wette, wenn's hoch kömmt, so ist es eine neue Scharteke oder eine Zeitung oder sonst ein Wisch. – –

Damis. Nein, mein guter Anton; dasmal möchte es etwas mehr sein. Ah! wann du es wüßtest – –

Anton. Will ich's denn wissen? Es würde mir weiter doch nichts helfen, als daß ich einmal wieder über Sie lachen könnte. Das ist mir gewiß etwas Seltnes? – – Haben Sie mich sonst noch wohin zu schicken? Ich habe ohnedem auf dem Ratskeller eine kleine Verrichtung; vielleicht ist's ein Gang? Nu?

Damis(erzürnt). Nein, Schurke!

Anton. Da haben wir's! Er hat alles gelesen, nur kein Komplimentierbuch. – – Aber besinnen Sie sich. Etwa in den Buchladen?

Damis. Nein, Schurke!

Anton. Ich muß das Schurke so oft hören, daß ich endlich selbst glauben werde, es sei mein Taufname.  –  Aber zum Buchbinder?

Damis. Schweig, oder – –

Anton. Oder zum Buchdrucker? Zu diesen dreien, Gott sei Dank! weiß ich mich, wie das Färbepferd um die Rolle.

Damis. Sieht denn der Schlingel nicht, daß ich lese? Will er mich noch länger stören?

Anton(beiseite). St! Er ist im Ernste böse geworden. Lenk ein, Anton. – – Aber, sagen Sie mir nur, was lesen Sie denn da für ein Buch? Potz Stern, was das für Zeug ist! Das verstehen Sie? Solche Krakelfüße, solche fürchterliche Zickzacke, die kann ein Mensch lesen? Wann das nicht wenigstens Fausts Höllenzwang ist – – Ach, man weiß es ja wohl, wie's den Leuten geht, die alles lernen wollen. Endlich verführt sie der böse Geist, daß sie auch hexen lernen. – –

Damis(nimmt sein muntres Wesen wieder an). Du guter Anton! Das ist ein Buch in hebräischer Sprache. – Des Ben Maimon Jad chasaka.

Anton. Ja doch; wer's nur glauben wollte! Was Hebräisch ist, weiß ich endlich auch. Ist es nicht mit der Grundsprache, mit der Textsprache, mit der heiligen Sprache einerlei? Die warf unser Pfarr, als ich noch in die Schule ging, mehr als einmal von der Kanzel. Aber so ein Buch, wahrhaftig! hatte er nicht; ich habe alle seine Bücher beguckt; ich mußte sie ihm einmal von einem Boden auf den andern räumen helfen.

Damis. Ha! ha! ha! das kann wohl sein. Es ist Wunders genug, wenn ein Geistlicher auf dem Lande nur den Namen davon weiß. Zwar, im Vertrauen, mein lieber Anton, die Geistlichen überhaupt sind schlechte Helden in der Gelehrsamkeit.

Anton. Nu, nu, bei allen trifft das wohl nicht ein. Der Magister in meinem Dorfe wenigstens gehört unter die Ausnahme. Versichert! der Schulmeister selber hat mir es mehr als einmal gesagt, daß er ein sehr gelehrter Mann wäre. Und dem Schulmeister muß ich das glauben; denn wie mir der Herr Pfarr oft gesagt hat, so ist er keiner von den schlechten Schulmeistern; er versteht ein Wort Latein und kann davon urteilen.

Damis. Das ist lustig! Der Schulmeister also lobt den Pfarr, und der Pfarr, nicht unerkenntlich zu sein, lobt den Schulmeister. Wenn mein Vater zugegen wäre, so würde er gewiß sagen: Manus manum lavat. Hast du ihm die alberne Gewohnheit nicht angemerkt, daß er bei aller Gelegenheit ein lateinisches Sprüchelchen mit einflickt? Der alte Idiote denkt, weil er so einen gelehrten Sohn hat, müsse er doch auch zeigen, daß er einmal durch die Schule gelaufen sei.

Anton. Hab ich's doch gedacht, daß es etwas Albernes sein müsse; denn manchmal mitten in der Rede murmelt er etwas her, wovon ich kein Wort verstehe.

Damis. Doch schließe nur nicht daraus, daß alles albern sei, was du nicht verstehst. Ich würde sonst viel albernes Zeug wissen. – – Aber, o himmlische Gelehrsamkeit, wieviel ist dir ein Sterblicher schuldig, der dich besitzt! Und wie bejammernswürdig ist es, daß dich die wenigsten in deinem Umfange kennen! Der Theolog glaubt dich bei einer Menge heiliger Sprüche, fürchterlicher Erzählungen und einiger übel angebrachten Figuren zu besitzen. Der Rechtsgelehrte bei einer unseligen Geschicklichkeit, unbrauchbare Gesetze abgestorbner Staaten, zum Nachteile der Billigkeit und Vernunft, zu verdrehen und die fürchterlichsten Urtel in einer noch fürchterlichern Sprache vorzutragen. Der Arzt endlich glaubt sich wirklich deiner bemächtiget zu haben, wann er durch eine Legion barbarischer Wörter die Gesunden krank und die Kranken noch kränker machen kann. Aber, o betrogene Toren! die Wahrheit läßt euch nicht lange in diesem sie schimpfenden Irrtume. Es kommen Gelegenheiten, wo ihr selbst erkennet, wie mangelhaft euer Wissen sei; voll tollen Hochmuts beurteilet ihr alsdann alle menschliche Erkenntnis nach der eurigen und ruft wohl gar in einem Tone, welcher alle Sterbliche zu bejammern scheinet, aus: Unser Wissen ist Stückwerk! Nein, glaube mir, mein lieber Anton: der Mensch ist allerdings einer allgemeinen Erkenntnis fähig. Es leugnen, heißt ein Bekenntnis seiner Faulheit oder seines mäßigen Genies ablegen. Wenn ich erwäge, wieviel ich schon nach meinen wenigen Jahren verstehe, so werde ich von dieser Wahrheit noch mehr überzeugt. Lateinisch, Griechisch, Hebräisch, Französisch, Englisch, Italienisch – – das sind sechs Sprachen, die ich alle vollkommen besitze: und bin erst zwanzig Jahr alt!

Anton. Sachte! Sie haben eine vergessen; die deutsche – –

Damis. Es ist wahr, mein lieber Anton; das sind also sieben Sprachen; und ich bin erst zwanzig Jahr alt!

Anton. Pfui doch, Herr! Sie haben mich oder sich selbst zum besten. Sie werden doch das, daß Sie Deutsch können, nicht zu Ihrer Gelehrsamkeit rechnen? Es war ja mein Ernst nicht. – –

Damis. Und also denkst du wohl selber Deutsch zu können?

Anton. Ich? ich? nicht Deutsch! Es wäre ein verdammter Streich, wenn ich Kalmuckisch redete und wüßte es nicht.

Damis. Unter können und können ist ein Unterschied. Du kannst Deutsch, das ist: du kannst deine Gedanken mit Tönen ausdrücken, die einem Deutschen verständlich sind; das ist, die ebendie Gedanken in ihm erwecken, die du bei dir hast. Du kannst aber nicht Deutsch, das ist: du weißt nicht, was in dieser Sprache gemein oder niedrig, rauh oder annehmlich, undeutlich oder verständlich, alt oder gebräuchlich ist; du weißt ihre Regeln nicht; du hast keine gelehrte Kenntnis von ihr.

Anton. Was einem die Gelehrten nicht weismachen wollen! Wenn es nur auf Ihr »das ist« ankäme, ich glaube, Sie stritten mir wohl gar noch ab, daß ich essen könnte.

Damis. Essen? Je nun wahrhaftig, wenn ich es genau nehmen will, so kannst du es auch nicht.

Anton. Ich? ich nicht essen? Und trinken wohl auch nicht?

Damis. Du kannst essen, das ist: du kannst die Speisen zerschneiden, in Mund stecken, kauen, herunterschlucken und so weiter. Du kannst nicht essen, das ist: du weißt die mechanischen Gesetze nicht, nach welchen es geschiehet; du weißt nicht, welches das Amt einer jeden dabei tätigen Muskel ist; ob der Digastrikus oder der Masseter, ob der Pterygoideus internus oder externus, ob der Zygomatikus oder der Platysmamyodes, ob – –

Anton. Ach ob, ob! Das einzige Ob, worauf ich sehe, ist das, ob mein Magen etwas davon erhält und ob mir's bekömmt. – – Aber wieder auf die Sprache zu kommen. Glauben Sie wohl, daß ich eine verstehe, die Sie nicht verstehen?

Damis. Du, eine Sprache, die ich nicht verstünde?

Anton. Ja; raten Sie einmal.

Damis. Kannst du etwa Koptisch?

Anton. Foptisch? Nein, das kann ich nicht.

Damis. Chinesisch? Malabarisch? Ich wüßte nicht woher.

Anton. Wie Sie herumraten. Haben Sie meinen Vetter nicht gesehn? Er besuchte mich vor vierzehn Tagen. Der redete nichts als diese Sprache.

Damis. Der Rabbi, der vor kurzen zu mir kam, war doch wohl nicht dein Vetter?

Anton. Daß ich nicht gar ein Jude wäre! Mein Vetter war ein Wende; ich kann Wendisch; und das können Sie nicht.

Damis(nachsinnend). Er hat recht. – Mein Bedienter soll eine Sprache verstehen, die ich nicht verstehe? Und noch dazu eine Hauptsprache? Ich erinnere mich, daß ihre Verwandtschaft mit der hebräischen sehr groß sein soll. Wer weiß, wieviel Stammwörter, die in dieser verloren sind, ich in jener entdecken könnte! – – Das Ding fängt mir an, im Kopfe herumzugehen!

Anton. Sehen Sie! – Doch wissen Sie was? Wenn Sie mir meinen Lohn verdoppeln, so sollen Sie bald so viel davon verstehen als ich selbst. Wir wollen fleißig miteinander wendisch parlieren, und – – Kurz, überlegen Sie es. Ich vergesse über dem verdammten Plaudern meinen Gang auf den Ratskeller ganz und gar. Ich bin gleich wieder zu Ihren Diensten.

Damis. Bleib itzt hier; bleib hier.

Anton. Aber Ihr Herr Vater kömmt. Hören Sie? Wir könnten doch nicht weiterreden. (Geht ab.)

Damis. Wenn mich doch mein Vater ungestört lassen wollte. Glaubt er denn, daß ich so ein Müßiggänger bin wie er?

Zweiter Auftritt

Damis. Chrysander.

Chrysander. Immer über den verdammten Büchern! Mein Sohn, zuviel ist zuviel. Das Vergnügen ist so nötig als die Arbeit.

Damis. O Herr Vater, das Studieren ist mir Vergnügens genug. Wer neben den Wissenschaften noch andere Ergötzungen sucht, muß die wahre Süßigkeit derselben noch nicht geschmeckt haben.

Chrysander. Das sage nicht! Ich habe in meiner Jugend auch studiert; ich bin bis auf das Mark der Gelehrsamkeit gekommen. Aber daß ich beständig über den Büchern gelegen hätte, das ist nicht wahr. Ich ging spazieren; ich spielte; ich besuchte Gesellschaften; ich machte Bekanntschaft mit Frauenzimmern. Was der Vater in der Jugend getan hat, kann der Sohn auch tun; soll der Sohn auch tun. A bove majori discat arare minor! wie wir Lateiner reden. Besonders das Frauenzimmer laß dir, wie wir Lateiner reden, de meliori empfohlen sein! Das sind Narren, die einen jungen Menschen vor das Frauenzimmer ärger als vor Skorpionen warnen; die es ihm, wie wir Lateiner reden, cautius sanguine viperino zu fliehen befehlen. –

Damis. Cautius sanguine viperino? Ja, das ist noch Latein! Aber wie heißt die ganze Stelle?

Cur timet flavum Tiberim tangere? cur olivum

        Sanguine viperino

Cautius vitat? – –

Oh, ich höre schon, Herr Vater, Sie haben auch nicht aus der Quelle geschöpft! Denn sonst würden Sie wissen, daß Horaz in ebender Ode die Liebe als eine sehr nachteilige Leidenschaft beschreibt, und das Frauenzimmer – –

Chrysander. Horaz! Horaz! Horaz war ein Italiener und meinet das italienische Frauenzimmer. Ja vor dem italienischen warne ich dich auch! das ist gefährlich! Ich habe einen guten Freund, der in seiner Jugend – – Doch still! man muß kein Ärgernis geben. – Das deutsche Frauenzimmer hingegen, o das deutsche! mit dem ist es ganz anders beschaffen. – – Ich würde der Mann nicht geworden sein, der ich doch bin, wenn mich das Frauenzimmer nicht vollends zugestutzt hätte. Ich dächte, man sähe mir's an. Du hast tote Bücher genug gelesen; guck einmal in ein lebendiges!

Damis. Ich erstaune – –

Chrysander. O du wirst noch mehr erstaunen, wenn du erst tiefer hineingehen wirst. Das Frauenzimmer, mußt du wissen, ist für einen jungen Menschen eine neue Welt, wo man so viel anzugaffen, so viel zu bewundern findet – –

Damis. Hören Sie mich doch! Ich erstaune, will ich sagen, Sie eine Sprache führen zu hören, in der wahrhaftig diejenigen Vorschriften nicht ausgedruckt waren, die Sie mir mit auf die hohe Schule gaben.

Chrysander. Quae, qualis, quanta! Jetzt und damals! Tempora mutantur! wie wir Lateiner sagen.

Damis. Tempora mutantur? Ich bitte Sie, legen Sie doch die Vorurteile des Pöbels ab. Die Zeiten ändern sich nicht. Denn lassen Sie uns einmal sehen: was ist die Zeit? – –

Chrysander. Schweig! die Zeit ist ein Ding, das ich mir mit deinem unnützen Geplaudre nicht will verderben lassen. Meine damaligen Vorschriften waren nach dem damaligen Maße deiner Erfahrung und deines Verstandes eingerichtet. Nun aber traue ich dir von beiden so viel zu, daß du Ergötzlichkeiten nicht zu Beschäftigungen machen wirst. Aus diesem Grunde rate ich dir also – –

Damis. Ihre Reden haben einigen Schein der Wahrheit. Allein ich dringe tiefer. Sie werden es gleich sehen. Der Status Controversiä ist – –

Chrysander. Ei, der Status Controversiä mag meinetwegen in Barbara oder in Celarent sein. Ich bin nicht hergekommen mit dir zu disputieren, sondern – –

Damis. Die Kunstwörter des Disputierens zu lernen? Wohl! Sie müssen also wissen, daß weder Barbara noch Celarent den Statum – –

Chrysander. Ich möchte toll werden! Bleib Er mir, Herr Informator, mit den Possen weg, oder – –

Damis. Possen? diese seltsamen Benennungen sind zwar Überbleibsel der scholastischen Philosophie, das ist wahr; aber doch solche Überbleibsel – –

Chrysander. Über die ich die Geduld verlieren werde, wann du mich nicht bald anhörst. Ich komme in der ernsthaftesten Sache von der Welt zu dir, – – denn was ist ernsthafter als heiraten? – – und du – –

Damis. Heiraten? Des Heiratens wegen zu mir? zu mir?

Chrysander. Ha! ha! Macht dich das aufmerksam? Also ausculta et perpende!

Damis. Ausculta et perpende? ausculta et perpende? Ein glücklicher Einfall – –

Chrysander. Oh, ich habe Einfälle –

Damis. Den ich da bekomme!

Chrysander. Du?

Damis. Ja, ich. Wissen Sie, wo sich dieses ausculta et perpende herschreibt? Eben mache ich die Entdeckung; aus dem Homer. O was finde ich nicht alles in meinem Homer?

Chrysander. Du und dein Homer, ihr seid ein paar Narren!

Damis. Ich und Homer? Homer und ich? wir beide? Hi! hi! hi! Gewiß, Herr Vater? O ich danke, ich danke. Ich und Homer! Homer und ich! – Aber hören Sie nur: sooft Homer – er war wirklich kein Narr, so wenig wie ich – sooft er, sag ich, seine Helden den Soldaten zur Tapferkeit ermuntern oder in dem Kriegsrate eine Beratschlagung anheben läßt; sooft ist auch der Anfang ihrer Rede: Höret, was ich vortragen werde, und überlegt es! Zum Exempel in der Odyssee:

    Κέκλυτε δη νυν μεν, Ιθακήσιοι, ότι κεν είπω

Und darauf folgt denn auch oft:

    Ως έφαθ' οι δ' άρα του μάλα μεν κλύον, ηδ' επίθοντο,

das ist: so sprach er, und sie gehorchten dem, was sie gehöret hatten.

Chrysander. Gehorchten sie ihm? Nu, das ist vernünftig! Homer mag doch wohl kein Narr sein. Sieh zu, daß ich von dir auch widerrufen kann. Denn wieder zur Sache: ich kenne, mein Sohn –

Damis. Einen kleinen Augenblick Geduld, Herr Vater. Ich will mich nur hinsetzen und diese Anmerkung aufschreiben.

Chrysander. Aufschreiben? was ist hier aufzuschreiben? Wem liegt daran, ob das Sprüchelchen aus dem Homer oder aus dem Gesangbuche ist?

Damis. Der gelehrten Welt liegt daran; meiner und Homers Ehre lieget daran! Denn ein Halbhundert solche Anmerkungen machen einen Philologen. Und sie ist neu, muß ich Ihnen sagen, sie ist ganz neu.

Chrysander. So schreib sie ein andermal auf.

Damis. Wenn sie mir aber wieder entfiele? Ich würde untröstlich sein. Haben Sie wenigstens die Gütigkeit, mich wieder daran zu erinnern.

Chrysander. Gut, das will ich tun; höre mir nur jetzt zu. Ich kenne, mein Sohn, ein recht allerliebstes Frauenzimmer; und ich weiß, du kennst es auch. Hättest du wohl Lust – –

Damis. Ich soll ein Frauenzimmer, ein liebenswürdiges Frauenzimmer kennen? Oh, Herr Vater, wenn das jemand hörte, was würde er von meiner Gelehrsamkeit denken? – – Ich ein liebenswürdiges Frauenzimmer? – –

Chrysander. Nun wahrhaftig; ich glaube nicht, daß ein Gastwirt so erschrecken kann, wenn man ihm schuld gibt, er kenne den oder jenen Spitzbuben, als du erschrickst, weil du ein Frauenzimmer kennen sollst. Ist denn das ein Schimpf?

Damis