Der verschwundene Weihnachtsengel - Carola Wimmer - E-Book

Der verschwundene Weihnachtsengel E-Book

Carola Wimmer

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Beschreibung

Der neue Adventskalender-Krimi!

Na endlich: Weihnachten steht vor der Tür! Laura und ihr Bruder Jakob sind schon ganz aufgeregt. Besonders, weil sie dieses Jahr beim großen Krippenspiel mit dabeisein dürfen. Aber dann ist auf einmal der kostbare, antike Weihnachtsengel aus der Krippe verschwunden. Klar, dass Laura und Jakob beschließen, dem Dieb auf die Spur zu kommen. Und so wird aus der besinnlichen Weihnachtszeit für die beiden Geschwister ein spannendes Krimiabenteuer.

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Carola Wimmer

Der verschwundene Weihnachtsengel

Ein Weihnachtskrimi in 24 Kapiteln

Mit Illustrationen von Josef Hammen

cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlagin der Verlagsgruppe Random House

Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform

1. Auflage 2012© 2012 cbj, MünchenAlle Rechte vorbehaltenUmschlagbild und Innenillustrationen: Josef HammenUmschlagkonzeption: basic-book-design, Karl Müller-BussdorfMP · Herstellung: AWSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-08545-2

www.cbj-verlag.de

Eigentlich könnte heute ein ganz normaler erster Dezember sein. Wenn da nicht Laura, Jakobs jüngere Schwester wäre. Bereits seit einigen Tagen benimmt sie sich merkwürdig. Den halben Vormittag läuft sie unruhig hin und her. Dann wieder sitzt sie still wie eine lauernde Katze am Küchenfenster.

»Falls du auf den Weihnachtsmann wartest: Der kommt erst in drei Wochen!«, sagt Jakob, als er Laura mal wieder mit der Nase am Fenster entdeckt.

»Sehr witzig«, erwidert Laura, während sie unbewegt auf die Straße starrt. In ihrem Blick liegt bange Erwartung.

Jakob will an seiner Schwester vorbei aus dem Fenster spähen. Doch in diesem Moment springt Laura auf und stößt Jakob hektisch zur Seite. »Platz da! Lass mich durch! Er ist da!«, ruft sie aufgeregt. Dann stürzt sie aus dem Haus. Was ist nur mit Laura los?

Kopfschüttelnd geht Jakob ins Wohnzimmer. Hier sitzen Mama und Papa gemeinsam am Tisch und schreiben Weihnachtskarten, wie jedes Jahr Anfang Dezember. Doch womöglich müssen sie damit bald früher anfangen, wenn sie auch wirklich fertig werden wollen. Denn nicht nur jede Urlaubsbekanntschaft und alle noch so entfernt verwandten Tanten werden zum Jahresende mit lieben Wünschen und Grüßen bedacht. Seit die Familie vor einem Jahr aus der großen Stadt in das lauschige Rhodenberg gezogen ist und Jakob hier die sechste, Laura die vierte Klasse besucht, schreiben Mama und Papa auch an alle ehemaligen Nachbarn und Arbeitskollegen. Ja, sie schreiben sogar an die freundliche Frau vom Kiosk, in dem sie immer die Zeitung gekauft haben.

»Wisst ihr, was mit Laura ist?«, erkundigt sich Jakob.

Mama sieht für einen Augenblick von ihren Karten auf. »Keine Sorge. Es ist alles in Ordnung mit ihr«, winkt sie ab. »Ich glaube, sie wartet nur auf eine Nachricht.«

Im nächsten Moment fliegt krachend die Tür auf. Alle zucken vor Schreck zusammen. Laura stürzt, wild mit den Armen fuchtelnd, ins Zimmer und jubiliert: »Ich bin es!«

»Ja, ich weiß. Du bist es«, erwidert Jakob verblüfft und wendet sich an seine Mutter. »Und du meinst wirklich, dass alles in Ordnung ist?«

»Nein, du verstehst nicht, Jakob!« Laura hüpft vor Freude auf der Stelle. Ihre Stimme hat einen schrillen Klang. »Ich bin es!«

Zu Jakobs Verblüffung springen nun auch Mama und Papa auf und umarmen Laura begeistert. »Hurra, wie schön!«, ruft Mama, während Papa Laura durch die Luft wirbelt. »Ich freue mich so für dich!«

Als seine Schwester wieder festen Boden unter den Füßen hat, drückt sie Jakob einen Brief in die Hand. »Hier!«, jauchzt sie. Der Brief kommt vom Bürgermeister.

»Laura Lenkemeyer wurde für den diesjährigen Rhodenberger Traditionsadvent als Weihnachtsengel ausgewählt«, liest Jakob die ersten Zeilen vor. Dann umarmt auch er seine Schwester. »Herzlichen Glückwunsch! Meine Schwester als Rhodenberger Weihnachtsengel. Das ist ja wirklich etwas ganz Besonderes!«

Und damit hat Jakob in jeder Hinsicht recht. Denn zum Weihnachtsengel gewählt zu werden, ist in dem kleinen Städtchen Rhodenberg eine außergewöhnliche Ehre, um die sich praktisch alle Mädchen in Lauras Alter reißen. Der Weihnachtsengel führt am vierten Advent Kinder und Mütter des Ortes durch die Altstadtgassen zur Kirche, wo die Väter auf sie warten. In der Kirche sagt der Engel ein Gedicht auf, wünscht allen ein schönes Weihnachtsfest und entzündet den großen Lichterkranz. Von jeher kommen zum Traditionsadvent Touristen aus aller Welt. Seit einigen Jahren wird das Spektakel sogar vom Fernsehen übertragen.

»Warum hast du mir nichts davon gesagt, dass du dich beworben hast?«, fragt Jakob ein wenig gekränkt.

»Ich dachte, du lachst mich aus«, erklärt Laura. »Vor allem wenn nichts daraus geworden wäre.«

»Aber das war doch klar, dass sie dich nehmen! Was denkst denn du?« Jakob ist empört.

»Nein, nein!«, nimmt Mama Laura in Schutz. »Der Wettbewerb ist wirklich streng. Also, ich hätte da nicht mitgemacht! Laura musste dreimal ins Stadttheater zum Vorsprechen.«

»Und die Jury bestand aus dem Theaterdirektor, dem Bürgermeister und unserer Rektorin!«, fügt Laura hinzu.

»Aber im Gedichteaufsagen bist du doch unschlagbar«, widerspricht Jakob. Denn er kennt niemanden, der am Heiligen Abend schöner Gedichte aufsagen kann als seine kleine Schwester.

Laura wird ein bisschen rot. »Ach was!«, erklärt sie entschieden. »Bei solchen Wettbewerben geht es außerdem nicht nur um Talent. Meistens werden nur ganz zierliche Mädchen mit langen lockigen hellblonden Haaren ausgewählt. Die müssen Haare bis zum Boden haben! Wirklich wahr!«

Jakob bezweifelt, dass Laura mit ihrer Behauptung recht hat. Aber falls doch, wird Laura ein sehr untypischer Weihnachtsengel sein. Denn ihre Haare sind eher kurz und rot, genau wie bei Jakob und seinem Vater. Nur Mama hat lange braune Haare. Außerdem ist Laura ein bisschen pummelig.

»Dann müssen wir jetzt aber sofort mit den Vorbereitungen beginnen«, erklärt Laura geschäftig.

»Wir? Sofort? Wie meinst du das?«, fragt Papa etwas erschrocken.

Seitdem Mama und Papa in Rhodenberg eine Konditorei aufgemacht haben, bleibt ihnen nur wenig Zeit. Von früh bis spät stehen sie gemeinsam oder abwechselnd im Laden. Aber daran denkt Laura jetzt nicht.

»Ich hab mir die Bilder der letzten Engel angesehen«, fährt sie begeistert fort. »Tatjana Müller hatte letzte Weihnacht ein fantastisches Kleid an. Über und über mit Glitzersteinen benäht …«

»Das klingt aber eher nach einem Prinzessinnenkleid«, sagt Mama vorsichtig.

»Und das Jahr davor war Cosima Mayerwirth der Weihnachtsengel. Sie soll auf einem Pony zur Kirche geritten sein«, schwärmt Laura.

»Das passte doch überhaupt nicht! Ein Weihnachtsengel auf einem Pony!«, protestiert Papa.

»Aber es hat ziemlich Aufsehen erregt«, gibt Jakob zu bedenken. »Über das Pony sprechen sie jetzt noch.«

»Etwas Bombastisches kaufen kann jeder …«, sagt Mama.

»Genau! Und deshalb habe ich gedacht, ich könnte vielleicht in einem Glitzersteinekleid, auf einem Pony …«, beginnt Laura hoffnungsvoll. Aber Mama und Papa schütteln energisch den Kopf.

»Wenn du einen bleibenden Eindruck hinterlassen möchtest, musst du dir für deinen Auftritt etwas Neues ausdenken«, erklärt Mama entschieden. »Und bitte nichts, was uns ruinieren wird«, fügt Papa hinzu. »Ponys sind definitiv nicht im Budget.«

Laura lässt betrübt den Kopf hängen. Eigentlich hätte sie mit dieser Antwort rechnen können.

»Ach, komm, dir fällt sicherlich etwas total Schönes ein«, tröstet sie Jakob.

Was wird sich Laura für ihren Auftritt einfallen lassen?

Am nächsten Tag, einem kalten, aber wunderbar klaren Sonntagmittag, machen sich Laura und Jakob auf den Weg zum Pfarrhaus. Denn der Pfarrer ist für die Vorbereitungen des Rhodenberger Traditionsadvents zuständig und möchte Laura, den zukünftigen Weihnachtsengel, gerne kennenlernen.

»Hast du dir denn jetzt für deinen Auftritt etwas überlegt?«, fragt Jakob, während sie im Bus auf dem Weg in die Innenstadt sitzen.

»Ich hänge immer noch an der Idee mit dem Pony und dem Glitzerkleid«, gesteht Laura.

»Aber daraus wird ja nun nichts«, gibt Jakob zu bedenken.

Laura sieht Jakob zornig an und ballt die Fäuste. »Aber ich muss die anderen unbedingt übertreffen und einfach super aussehen! Ich muss, ich muss, ich muss!«, platzt es aus ihr heraus.

Jakob guckt seine Schwester erschrocken an. So kennt er Laura gar nicht! »Hat es eigentlich einen besonderen Grund, dass du dich so sehr um den Weihnachtsengelposten bemüht hast?«, fragt Jakob, einer plötzlichen Eingebung nachgehend.

»Blödsinn!« Lauras Stimme klingt gereizt.

»Aber …«, will Jakob nachhaken.

Doch Laura funkelt ihn nur böse an. »Und sprechen will ich darüber auch nicht«, erklärt sie. Dann verschränkt sie die Arme vor der Brust und starrt aus dem Fenster. Jakob ist sich nun sicher, dass hinter der ganzen Geschichte mehr steckt. Doch er traut sich nicht, weiter zu fragen.

Mittlerweile hat der Bus Lauras und Jakobs Stadtteil mit seinen modernen Häuschen hinter sich gelassen. Jetzt geht es durch das ehemalige Stadttor vorbei an Fachwerkhäusern, durch immer enger werdende verwinkelte Gassen zum historischen Marktplatz.

»Wie wäre es denn, wenn du etwas für deinen Auftritt bastelst?«, nimmt Jakob das Gespräch nach einer Weile wieder auf.

»Etwas basteln?« Laura hat immer noch schlechte Laune. Empört schaut sie Jakob an. »Das ist nicht dasselbe wie ein Pony. Das weißt du aber schon, oder?«

Jakob zuckt resigniert mit den Schultern. Da wird Laura plötzlich wieder sanft, ganz so, wie er sie kennt. »Tut mir leid«, sagt sie. »Ich hätte doch nur so gerne einen tollen Auftritt.«

Jakob winkt ab und legt seiner Schwester tröstend den Arm um die Schulter. »Ich habe mir überlegt, dass du vielleicht Weihnachtssterne basteln könntest. Die verteilst du dann an alle Besucher. Das hat bestimmt noch kein Weihnachtsengel vor dir gemacht«, erklärt er.

Laura überlegt einen Moment, dann stiehlt sich zaghaft ein Lächeln auf ihr Gesicht. »Das ist gar keine so schlechte Idee!«

Mittlerweile hat der Bus sein Ziel erreicht, die Geschwister sind am Marktplatz angekommen, dem mit Abstand schönsten Ort in Rhodenberg. Direkt am Platz liegt das Rathaus, daneben befinden sich zahlreiche gemütliche Straßencafés und kleine Geschäfte. Gegenüber steht das Stadttheater, ein Stück daneben die Kirche und das Pfarrhaus, sehr viel weiter hinten Jakobs und Lauras Schule. Auf der Mitte des Platzes thront eine riesenhafte Bronzefigur. Sie zeigt den Ritter Edmund von Rhodenberg, dessen einst mächtige Burg auf dem Gipfel des nahen Berges heute nur noch eine Ruine ist.

Um das Denkmal herum haben Händler zum ersten Advent Buden mit Pfefferkuchen, Glühwein und kandierten Äpfeln aufgebaut. Es brennen Laternen und Lichterketten, von überall her duftet es nach Zuckrigem, nach Gewürzen und Tannennadeln.

Gerade als die Geschwister überlegen, ob sie noch einen kleinen Abstecher über den Markt machen wollen, hören sie jemanden vor sich hinschimpfen. »Fürchterlich, fürchterlich. Es ist einfach alles nur fürchterlich.«

Es ist Frau Knukel, eine alte Dame mit Hund, die jeder in der Stadt kennt. Denn Frau Knukel läuft jeden Tag murrend und meckernd durch die Straßen. Die Kinder in Jakobs Klasse behaupten, dass Frau Knukel keine Menschenseele leiden kann.

Heute scheint sie besonders schlechte Laune zu haben. »Jemine, jemine. Mensch, Mensch, Mensch!«, zetert sie halblaut, während sie an Jakob und Laura vorbeischleicht. An der Leine schleift sie ihre Pudeldame »Lady« hinter sich her, die noch langsamer und schlechter zu Fuß ist als Frau Knukel. Denn auch Lady ist alt, ihr schwarzes Fell ist stumpf, grau und staubig.

Das hat noch gefehlt, denkt Jakob. Energisch schiebt er Laura Richtung Pfarrhaus. Die alte Frau ist ihm unheimlich.

Zum Glück brauchen sie nicht lange zu klopfen. Pfarrer Klingelmann hat schon auf die Kinder gewartet und bittet sie in sein Arbeitszimmer. Das Büro des Pfarrers ist vollgestopft mit Büchern und Dokumenten, sein Schreibtisch quillt über von Papier. Auch auf den Sesseln, die eigentlich für Besucher bestimmt sind, liegen Zeitschriften, Aktenordner und Kartons. Pfarrer Klingelmann bringt Kekse und Tee, dann setzt er sich auf eine kleine freie Ecke seines Schreibtisches. Von hier betrachtet er Laura mit ernstem Gesichtsausdruck. »Schön, dass du vorbeikommen konntest, Laura«, sagt er. »Du weißt, dass dir eine sehr wichtige Aufgabe bevorsteht?«

Laura nickt. Sie wirkt nicht im Geringsten aufgeregt.

Wenn in den winterdunklen Tagen

uns die schlimmsten Nöte plagen.

Wenn wir allein sind und verfroren

Und alle Hoffnung scheint verloren,

Kommt auf unsren Hilfeschrei

Ein Engel aus dem Nichts herbei.

Und um hier davon zu künden,

Will ich den Lichterkranz entzünden.

trägt Pfarrer Klingelmann im weihevollen Ton vor. »Wie du sicher weißt, ist dies das Gedicht, was du aufsagen wirst. Lerne es bitte auswendig«, sagt er. Dann kramt er in einer Schublade und zieht einen Zettel hervor. »Hier steht erstmal alles drauf, was du wissen musst. Im Augenblick habe ich nur wenig Zeit. Es ist ja schließlich Sonntag. Aber in gut zwei Wochen treffen wir uns wieder. Dann gehen wir alles durch und feilen an deinem Vortrag. In Ordnung?«

Laura nickt und steckt den Zettel in ihre Tasche.

»Und nun zeige ich euch noch die eigentliche Hauptdarstellerin des Traditionsadvents«, erklärt Pfarrer Klingelmann gut gelaunt.

Als der Pfarrer aus dem Raum eilt, wirft Laura Jakob einen fragenden Blick zu. »Ich dachte, ich wäre die Hauptdarstellerin?«, flüstert sie. Aber Jakob weiß auch nicht, was der Pfarrer meint, und zuckt nur mit den Schultern. Keine Minute später kommt Pfarrer Klingelmann mit einer Holztruhe in den Armen zurück ins Büro. Mit größter Vorsicht hebt er die schwere Kiste auf seinen vollen Schreibtisch. »Hier bitte«, sagt er und öffnet den Deckel. Neugierig spähen Laura und Jakob hinein. Die Truhe ist ganz und gar mit Holzwolle ausgelegt, in ihrer Mitte liegt eine etwa kniehohe geschnitzte Figur. Es ist ein Engel.

»Dieser fünfhundert Jahre alte Weihnachtsengel ist das A und O unseres Rhodenberger Traditionsadvents«, sagt Pfarrer Klingelmann stolz. »Und ohne diesen Engel würde es diese Stadt wohl nicht mehr geben.«

Was hat es mit dem Weihnachtsengel auf sich?

Noch am Abend hatte Jakob versucht herauszufinden, was es mit der Figur des Rhodenberger Weihnachtsengels auf sich hat. Doch weder Mama noch Papa wussten eine Antwort. Deshalb fragt er in der ersten Schulstunde seine Geschichtslehrerin Frau Krause.

»Der Weihnachtsengel ist unser prominentester Mitbürger«, erklärt sie bereitwillig. Denn Frau Krause ist immer erfreut, wenn Schüler Fragen stellen. Während Frau Krause in Großbuchstaben »DER RHODENBERGER WEIHNACHTSENGEL« an die Tafel schreibt, flüstert es vom Nebentisch: »Deine Schwester ist also dieses Jahr der Weihnachtsengel. So, so!«

Jakob wirft einen kurzen Blick auf den Flüsterer. Es ist Ronnie, die Betriebsscherzkeksnudel, wie ihn Frau Krause nennt. Aber Klassenclown wäre auch eine treffende Bezeichnung, findet Jakob. Denn wenn irgendwo Zahnpasta auf einer Türklinke verschmiert ist, die Mädchen- und Jungenschilder an der Toilette vertauscht sind oder der Papierkorb am Boden festgeklebt wurde, kann Ronnie nicht weit sein. Am Anfang fand Jakob Ronnies Scherze sogar lustig. Aber seit der Episode mit dem nassen Schwamm auf seinem Stuhl, ist er auf Ronnie nicht mehr gut zu sprechen.

Jetzt lehnt sich Ronnie weit zu Jakob herüber, damit ihn dieser auch genau versteht.

»Hoffen wir mal, dass der Weihnachtsengel dieses Jahr keine Bruchlandung hinlegt«, flüstert er bedeutungsvoll.

In diesem Moment dreht sich Frau Krause zurück zur Klasse.

»Ah, Ronald«, sagt sie, als sie Ronnie erblickt. »Kannst du uns vielleicht etwas zum Weihnachtsengel sagen?«

»Ja, allerdings.« Ronnie kratzt sich am Kopf, um Zeit zu gewinnen. »Der Rhodenberger Weihnachtsengel ist ein Engel, der, wie soll ich sagen, also den hat dieser Dings, damals der Kerl, der von Rhodenberg …«, rät er weiter.