Devilish Beauty 3: Das Lied der Verdammnis - Justine Pust - E-Book

Devilish Beauty 3: Das Lied der Verdammnis E-Book

Justine Pust

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Beschreibung

**Wenn ein Prinz der Hölle aufersteht...** Mimis ehemals ruhiges Leben als einfache Dämonin scheint endgültig vorbei zu sein. Das Ende der Welt steht kurz bevor und Baal, ihr höllisch attraktiver Chef und Liebhaber, ist zurückgekehrt. Doch nicht nur er bringt ihr Herz zum Rasen, auch der himmlisch anziehende Engel Darel geht Mimi einfach nicht mehr aus dem Kopf. Aber nur einer der beiden Männer kann ihr enthüllen, was für sie stets im Verborgenen lag: das Geheimnis um ihre Entstehung und damit um ihr Schicksal. Nun steht die Dämonin vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens. Wer ist der Richtige für sie – ein Höllenprinz oder ein Engel?   //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.//   //Alle Bände der höllisch-knisternden Reihe: -- Devilish Beauty 1: Das Flüstern der Hölle -- Devilish Beauty 2: Der Klang der Dunkelheit -- Devilish Beauty 3: Das Lied der Verdammnis -- Devilish Beauty: Sammelband der höllisch-knisternden Fantasy-Reihe Band 1-3//

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Justine Pust

Devilish Beauty 3: Das Lied der Verdammnis

**Wenn ein Prinz der Hölle aufersteht …**Mimis ehemals ruhiges Leben als einfache Dämonin scheint endgültig vorbei zu sein. Das Ende der Welt steht kurz bevor und Baal, ihr höllisch attraktiver Chef und Liebhaber, ist zurückgekehrt. Doch nicht nur er bringt ihr Herz zum Rasen, auch der himmlisch anziehende Engel Darel geht Mimi einfach nicht mehr aus dem Kopf. Aber nur einer der beiden Männer kann ihr enthüllen, was für sie stets im Verborgenen lag: das Geheimnis um ihre Entstehung und damit um ihr Schicksal. Nun steht die Dämonin vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens. Wer ist der Richtige für sie – ein Höllenprinz oder ein Engel?

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Vita

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Danksagung

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© privat

Justine Pust ist ein typisches Küstenmädchen, tanzt am liebsten zu Songs aus den 80ern und verliert sich oft in mitreißenden Geschichten. Das Schreiben hat sie schon früh für sich entdeckt und teilt ihre Lesesucht begeistert auf ihrem Blog. Wenn sich die Autorin nicht gerade in Büchern verliert, arbeitet sie ehrenamtlich in einem sozialen Verein oder führt Hunde aus. Neben den blauen Haaren sind ihre düsteren Liebesgeschichten ihr Markenzeichen.

Dieses Buch ist für dich.

Lass uns zusammen den Himmel erobern.

Prolog

Drake

Am Himmel zuckten lila Blitze und ließen die Wolken in grellem Pink aufleuchten. Regen prasselte heftig gegen die Dachfenster, als wollte er es durch das Glas ins Innere der Wohnung schaffen. Das Donnergrollen klang wie der Zorn der verstoßenen Götter, obwohl die dunklen Wolken am Himmel nur durch die Mischung aus Hitze und Wasserdampf entstanden waren. So einfach und doch so beängstigend. Als wollte der Himmel seiner Endzeitstimmung recht geben, zerschnitten neue Blitze die Gewittertürme.

Drake schluckte schwer. Er biss die Zähne zusammen und fixierte die Regentropfen an der Scheibe, während er krampfhaft versuchte nicht auf die Schmerzen zu achten.

Tessa kniete vor ihm. Die wilden Locken hatte sie in einem unordentlichen Knäuel zusammengefasst, aus dem sich immer wieder Strähnen lösten. Mit einer Hand wischte sie sich über die Stirn und verschmierte sein Blut auf ihrer dunklen Haut.

»Zur Hölle«, zischte sie atemlos und rückte von ihm ab, um ihr Werk zu betrachten. Die Wunde an seinem Bauch war nun geschlossen, doch aus den schwarzen Nähten sickerte noch immer Blut.

»Du verstehst es, einem Mann Hoffnungen zu machen, kleine Hexe.«

Ihr stechender Blick traf ihn fast so sehr wie der Schmerz, als er sich aufrichtete. Langsam, aber sicher zeigten die magischen Kräuter ihre Wirkung. Der Schmerz wurde dumpfer, undeutlicher, wie der Donner, der langsam vorbeizog.

»Ich schwöre dir, wenn du jetzt einen Song zitierst, reiße ich die Naht eigenhändig wieder auf«, zischte die Hexe und wischte sich die Finger an einem Lappen ab, bevor sie sich daran machte, seine Wunde zu verbinden. Das jungfräuliche Weiß wurde sofort fleckig und wirkte wie der verzweifelte Versuch, etwas zu retten, das nicht gerettet werden konnte.

»Keine Angst, das passiert wahrscheinlich ohnehin bald wieder«, brummte er düster.

Sie blickte zu ihm hoch, die dunklen Augen voller Emotion, die ihn mehr traf als jeder Schmerz. »Drake …«

Sie kam nicht dazu, mit einer Standpauke anzufangen, denn aus dem Fene erklang ein dumpfes Poltern. Noch ehe sie selbst reagieren konnte, war Drake wieder auf den Beinen. Trotz der Schmerzen waren seine Schritte schnell und fest. Er schob sich an ihr vorbei und stolperte mit noch offenem Hemd die Treppen hinunter. In einer Hand hielt er seine Pistole und zielte auf den Eingang.

Die Tür stand offen. Der Sturm ließ sie wackeln wie eine Hand, die zum Gruß winkte, und pfiff so laut, dass Drake es fast nicht gehört hätte. Tessa schaltet hinter ihm das Licht an. Blinzelnd suchte er den Raum ab, bis er etwas fand, das ihm jedes Blut aus dem Gesicht weichen ließ.

»Darel«, keuchte Drake.

Auf dem staubigen Boden lag eine in sich zusammengekrümmte Gestalt. Die nasse Haut schimmerte im warmen Licht und ließ das Blut noch dunkler wirken.

Der Engel stöhnte, als wäre es zu schwer, Worte zu formen.

Dort, wo einst seine Flügel gewesen waren, zogen sich lange Wunden über seinen Rücken.

»Bei allen Göttern«, hauchte Tessa. »Er ist gefallen.«

1. Kapitel

Mimi

Der Frühlingsregen trommelt heftig gegen die Fensterscheiben, während ich in die heiße Flüssigkeit puste. Der Tee sollte meine Nerven beruhigen, genauso wie die Kuscheldecke, die ich um meinen Körper geschlungen habe. Die Wirkung bleibt bisher allerdings aus. Oscar Wildes Das Gespenst von Canterville liegt aufgeschlagen auf meinem Schoß, aber meine Gedanken gehen immer wieder in andere Richtungen. Die alten vergilbten Seiten fühlen sich unter meinen Fingerspitzen rau an, während ich die Buchstaben entlangstreiche, ohne auch nur ein Wort zu lesen. Ich kann mich weder ablenken noch schaffe ich es, meine Energie auf die aktuellen Probleme meines dämonischen Daseins zu lenken.

Ich habe einen Fehler gemacht. Nun, eigentlich sind es mehrere, doch der aktuelle brennt mir am meisten auf der verkauften Seele. Schon beim bloßen Gedanken daran, mir selbst einzugestehen, was passiert ist, wird mir schlecht. Ich habe meinen besten Freund verloren, weil ich selbst zu schwach gewesen war. Ich habe mit einem Engel geschlafen. Und ich bin wohl der Dämon mit dem schlechtesten Timing der Welt, denn genau dann ist Baal wie ein Phoenix aus der Asche aufgestiegen. Oder wie ein dämonischer Prinz aus dem Meer. So oder so, meine Schuldgefühle lähmen mich so stark, dass ich kaum noch in der Lage bin, etwas anderes zu fühlen. Die unnatürliche Ruhe hält den Sturm in mir gefangen und ich habe Angst davor, was passiert, wenn er aus mir herausbricht.

Cosmos Kopf ruckt plötzlich hoch. Der höllische Dackel stellt angespannt seine Rute auf und schlägt an, als habe er ein Reh gesehen. Die Himmelshündin hingegen öffnet nur träge ein Auge und überlässt es ihrem Kollegen, an die Tür zu laufen, noch ehe die Klingel ertönt. Er bellt dreimal, bevor ich ihn streng anblicke und er verstummt.

Eilig springe ich von meinem Lesesessel auf und stelle den Tee ab, ehe ich eine erneute Sauerei veranstalte und meinen Boden damit flute. Cosmo hat sich artig neben die Tür gesetzt und sieht erwartungsvoll zu mir auf. Innerlich wappne ich mich für die nächsten Minuten, als ich den Griff umfasse, öffne und beschämt hauche: »Danke, dass du gekommen bist.«

Meine Worte sind ehrlich, aber auch voller Angst. Den dunklen Augen meiner besten Freundin entgeht nichts. Obwohl die Hexe technisch gesehen tot ist, spüre ich ihre Magie. Sie schüttelt ihre nassen Locken und binnen eines Wimpernschlags sind sie wieder trocken. Mit einem mürrischen Gesichtsausdruck, den ich zu lieben gelernt habe, legt sie den schwarzen Regenmantel ab und drückt ihn mir in die Hand. Cosmo sitzt noch immer brav auf seinem Platz und scheint nicht so recht zu wissen, ob er sie begrüßen darf.

»Ich hatte nicht gerade eine Wahl zu kommen oder es bleiben zu lassen«, zischt Tessa.

»Doch, die hattest du.«

»Bei allen Kreisen der Hölle, Mimi. Was hast du jetzt wieder angestellt?«

Ich beiße mir auf die Lippe und lasse Tessa in meine Wohnung. Was hast du jetzt wieder angestellt? Eine ziemliche Untertreibung. Mein Leben ist purer Treibsand, alles zerrinnt zwischen meinen Fingern, geht kaputt und verrostet wie der Boden von Lucs altem Bus. Ich wünschte, ich könnte mich einfach zu dem alten Wagen in die Garage gesellen und warten, bis jemand mir den Gnadenstoß gibt. Aber so einfach ist es nicht. Ich habe mich in diesen Abgrund gestoßen, ich selbst. Es war meine eigene Entscheidung.

Mein Körper fühlt sich an, als hätte er seit Jahren nichts anderes getan, als zu warten. Jedes Gelenk ist steif, jede Bewegung schwer, als würde sie mich unfassbare Energie kosten – und jeder einzelne Herzschlag ist ein Kampf. Die dunklen Augen der Hexe mustern mich durchdringend, während sie den sichelförmigen Mond an der Halskette in die richtige Position schiebt. Das schwarze Samtband verdeckt die Naht ihrer ehemals aufgeschlitzten Kehle perfekt. Fast könnte ich mir einreden, vor mir würde keine untote Hexe stehen.

Ich habe noch immer nichts gesagt, doch das ist auch nicht nötig. Mir wird klar, dass Tessa das erste Mal in meiner Wohnung ist. Vielleicht hätte ich vorher zumindest ein paar von Luzifers Kartons zur Seite räumen sollen, doch wenn ich ehrlich bin, hätte mir auch dafür jede Kraft gefehlt.

»Hast du es ihm schon erzählt?«

Die Frage lässt meinen Kopf auf Knopfdruck nach oben schnellen, auch wenn ich ihren Blick kaum ertragen kann. Augenblicklich brennen meinen Wangen vor Scham und Abscheu vor mir selbst. »Was?«

»Stell dich nicht dumm, Dämon der Weisheit. Es ist wohl kaum ein Zufall, dass mir ein Engel quasi in den Schoß gefallen ist«, zischt die Hexe und tritt näher an mich heran. Vielleicht sollte ich Angst vor ihrer dunklen Aura haben, doch alles, was ich fühlen kann, ist Scham. Langsam schüttle ich den Kopf. Tessa seufzt tief und verzieht genervt das Gesicht, als hätte sie gerade den Nachfolger von Fifty Shades of Grey gelesen. »Immer wenn ich denke, du kannst dich nicht in eine noch schlimmere Lage bringen, toppst du es.«

»Danke, ich fühle mich auch ohne Vorwürfe schrecklich.«

»Das solltest du auch.«

»Ich weiß.«

»Er ist gefallen, Mimi.«

»Ich weiß.«

»Hast du eine Ahnung, was das für ihn bedeutet?«

Ich presse meine Lippen fest zusammen. Jede Antwort würde es nur noch schlimmer machen. Ein gefallener Engel, der nicht einmal in die Hölle gehört. Nein, ich habe keine Ahnung, was es bedeutet. Für ihn bedeutet. Wollte er je ein Engel sein? War er wirklich Teil des Himmels? Ein Sohn Gottes?

Die Fragen wirbeln in meinem Kopf wie ein Schwarm Bienen, der seine Königin verloren hat. Ich habe Darel zu einem Ausgestoßenen gemacht, nur wegen einer Nacht. Ständig wird mir vorgeworfen, ich sei ein netter Dämon. Doch alles an mir ist selbstsüchtig und verseucht von Eigennutz. Und mein Selbstmitleid ist fast so ätzend, wie Justin Bieber auf Dauerschleife zu hören.

Wir schweigen einen Moment, dann wirft Tessa die Hände in die Luft und sieht sich in dem Chaos meiner Wohnung um. Unter anderen Umständen hätte sie wahrscheinlich etwas von dem dreckigen Geschirr oder den blutigen Handtüchern auf dem Boden erwähnt, doch sie nimmt alles schweigend zur Kenntnis. Wie von allein finden ihre Füße den Weg in mein Schlafzimmer.

Das würgende Geräusch erklingt, sobald sie die Tür geöffnet hat.

»Guten Morgen, Prinz der Hölle«, sagt sie trocken und verschränkt die Arme vor der Brust. Baal hängt halb aus meinem Bett heraus, während er einen Eimer umklammert hält und immer wieder Blut erbricht. Seine Bernsteinaugen glimmen kurz auf, als er die Hexe sieht. Mit einer Hand wischt er sich das Blut aus dem Mundwinkel, bevor er sich auf die Kissen zurückfallen lässt.

»Wunderbar … die nutzlose Hexe.«

»Sei still, sonst sorge ich dafür, dass du auch noch den Rest deiner Macht auskotzt.«

Baals Gesicht ist gerötet, Schweiß perlt ihm von der Stirn und verfängt sich in den goldenen Barthaaren. Dennoch schafft er es zu grinsen.

»Nur zu, einer bösen Hexe zeige ich gern ihre Grenzen auf.«

»Was habt ihr Männer nur immer mit dieser maßlosen Selbstüberschätzung?«

»Dafür wurden wir geboren.«

»Soll ich dir nun helfen, oder möchtest du lieber dein Ego schonen?«

Baal schweigt.

Ebenso wie ich. An den Rahmen der Tür gelehnt betrachte ich die beiden, als würde ich nur eine Serie auf Netflix schauen. Die Erleichterung, Baal zu sehen, ist einer schrecklichen Gewissheit gewichen: Ich werde ihn wieder verlieren. Und ich kann niemand anderem die Schuld dafür geben als mir selbst.

2. Kapitel

Drake

»Jetzt halt schon still«, brummte der Jäger und versuchte die Salbe auf die Wunden des Engels aufzutragen.

»Sind das … Schmerzen?«, presste Darel hervor und zuckte abermals zusammen.

Der Regen hatte endlich aufgehört und Sonnenstrahlen tanzten über den alten Holzfußboden. Dutzende Blumen in den verschieden großen Übertöpfen reckten ihre Köpfe zum Fenster, als könnten auch sie den Frühling kaum erwarten.

»Glaub mir, das ist nichts im Vergleich zu dem, was Tessa mit uns anstellt, wenn ich nicht tue, was sie sagt«, schnaubte Drake und verengte die Augen, sodass die Falten rundherum tiefer wirkten.

Der Engel erwiderte seinen Blick, schwieg jedoch, als hätte er die unausgesprochenen Fragen nicht gehört.

Sachte beschmierte Drake die geschwollene und gerötete Haut. Seine finstere Miene verzog sich noch mehr, als er nach den richtigen Worten suchte. Ein gefallener Engel mit ausgerissenen Flügeln. Und er hatte gedacht, die unheilbare Wunde einer heiligen Waffe sei ein Problem. Wie auf ein Kommando begann die Naht wieder zu pochen und er spürte, wie der Schmerz an sein Bewusstsein klopfte.

»Willst du mir erzählen, was passiert ist«, setzte er an und schraubte die Tube mit der Salbe zu, bevor er sich die Hände wusch und sich ein paar Schmerztabletten aus der Packung angelte. Medizin war gegen Magie nicht gänzlich wirkungslos, aber er wusste selbst, dass ihm die Tabletten nur ein paar Minuten einbrachten, in denen er noch stehen konnte.

Kauend ließ er seinen Blick schweifen. In der Küche herrschte ein einziges Chaos. Das dreckige Geschirr stapelte sich auf dem Esstisch, die in der Spüle liegenden blutigen Handtücher warteten darauf, gewaschen zu werden. Tessas Kräuter und Tinkturen standen in einem bunten Durcheinander überall da, wo gerade Platz war. Drake hätte versucht, etwas Ordnung in das Chaos zu bringen, doch er wusste, dass Tessa ihr ganz eigenes System hatte.

»Ich bin gefallen«, antwortete Darel und der Donner in seiner Stimme war nicht mehr als ein sachter Nachhall seiner himmlischen Macht. Drake verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Spüle, während er seinen himmlischen Freund betrachtete. Dieser versuchte in ein sauberes Hemd zu schlüpfen, doch jede seiner Bewegungen zeigte deutlich den Schmerz. Seine Kiefermuskulatur war so angespannt, dass Drake Angst hatte, sie würde reißen, wenn der Engel sich nicht bald entspannte.

»Du weißt genau, dass ich nicht danach gefragt habe.«

Drake ließ die Worte einen Moment nachhallen, als glaubte er, dass der Engel die Anspielung verstanden hatte. Zwar war der Jäger nicht sonderlich scharf darauf, die schmutzigen Details zu erfahren, die zum Sturz des Geflügelten geführt hatten, doch ein paar Informationen mehr wären sicherlich hilfreich gewesen.

Darel sah ihn an. Die blauen Augen wirkten wie die eines kleinen Jungen, der dabei erwischt worden war, als er vor dem Essen in die Keksdose griff. Nur dass er nicht einen Keks gestohlen hatte, sondern etwas ganz anderes. Etwas, bei dem Drake nicht wusste, ob er belustigt oder stinkwütend sein sollte. Sein seltsamer Beschützerinstinkt gegenüber seiner Anführerin war jedoch ein ganz anderes Problem. Vielleicht hätte er in der Hölle doch eine Sitzung mit Dr. Chestmann machen sollen. Irgendwas in seinem Kopf lief nicht mehr richtig.

»Ich denke, ich sollte nicht darüber reden«, murmelte Darel leise vor sich hin und Drake schmunzelte, als er sah, wie Röte in die Wangen des himmlischen Wesens schoss.

»Für jemanden, der seit 2000 Jahren existiert, bist du ziemlich verklemmt.«

»Ich hatte viel Zeit zum Üben.«

Drake lachte auf und schüttelte den Kopf. Immerhin hatte der Ex-Engel seinen seltsamen Humor nicht verloren. Das war ein Anfang.

»Gut, mit mir musst du nicht über die Sache zwischen dir und Mimi reden«, sagte der Jäger und putzte sich die Reste der Salbe an einem alten Handtuch ab. »Aber da der Höllenprinz wieder aufgetaucht ist …«

»Ich habe keine Angst vor Baal.« Die blauen Augen verfinsterten sich dennoch.

»Dann bist du dumm«, sagte Drake leise und schüttelte den Kopf. Bisher hatte er gedacht, er sei der Quotendummkopf in dieser Allianz, doch allmählich beschlich ihn das Gefühl, dass er der Einzige war, der sich auf das eigentliche Ziel fixierte. Diese verdammte Welt musste gerettet werden und am besten fingen sie langsam an, sich zu überlegen, wie sie den Heiligen Geist entschärfen konnten.

»Er wird es nicht wagen …«, begann der Engel.

»Wir reden hier von Baal«, unterbrach Drake eindringlich. »Sei froh, dass du deine Flügel schon verloren hast. Sonst würde er dir jede Feder einzeln herausreißen und durch eine Nadel ersetzen.«

Darel wich seinem Blick aus, während er das Hemd wieder zuknöpfte und sich dann durch die strubbeligen Haare fuhr. Er wirkte so verloren und zerbrechlich wie ein Kätzchen in einem Pappkarton. »Ich habe es versaut, oder?«

»Die Sache mit Mimi oder die Rettung der Welt?«

»Beides.«

»Ich will dir keine Hoffnungen machen, das war eine Entweder-oder-Sache. Du hast dich für Mimi entschieden und ich bin mir nicht sicher, ob das klug war.«

Seine Worte schwebten einen Moment lang in der Luft wie die glitzernden Staubpartikel.

»Ich hatte keine andere Wahl.«

Drake lachte auf und schüttelte den Kopf. »Jetzt komm mir nicht so, genau darum geht es hier doch: Wir haben immer eine Wahl, und du hast dich bewusst dafür entschieden, das Falsche zu tun.«

»Und darum bin ich gefallen …«

Schwerfällig ließ Darel sich am Küchentisch nieder und vergrub das Gesicht schweigend in den Händen. Sein gebrochenes Herz schien um ihn herumzuschweben, für jeden sichtbar, nur nicht für die Frau, die es zerrissen hatte.

»Meine Kraft reicht kaum noch aus, um mich selbst zu heilen«, murmelte er leise, mehr zu sich selbst als zu dem Jäger. Drake stellte ihm ungefragt ein Bier vor die Nase, bevor er sich selbst eines aus dem Kühlschrank griff und sich neben dem Ex-Engel niederließ.

»Dann sollten wir einen Weg finden, deine Akkus wieder aufzuladen – nichts für ungut, aber ein gefallener Engel ohne Macht ist in der finalen Schlacht nicht gerade hilfreich.«

»Sagte der Unsterbliche mit der unheilbaren Wunde.«

»Touché.«

3. Kapitel

Mimi

»Bitte, sag mir, dass es nicht so übel aussieht, wie es sich anfühlt«, hauche ich und lehne mich erschöpft gegen den Tisch.

Tessa antwortet nicht sofort, sondern betrachtet einen Augenblick den dampfenden Tee. Mit einer Hand schiebt sie mir eine der Tassen zu, während die andere immer wieder mit dem Halbmond an ihrem Hals spielt.

»Es ist Baal. Er wird es überstehen.«

»Das war nicht meine Frage.«

»Er hat einen Magie-Schock erlitten, könnte man sagen«, murmelt die Hexe und verzieht dabei den Mund etwas. »Man kann noch immer die Kraft des Dreiecks spüren und sein Körper wehrt sich dagegen. Es wird etwas dauern, bis seine Magie stark genug ist, um dem Zauber zu entkommen. Und ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob er es je vollständig schaffen wird.«

»Können wir irgendetwas tun?«

Tessa zieht eine Augenbraue nach oben und greift nach meiner Hand. Die Geste ist nicht mütterlich oder voller Fürsorge, sondern eine Warnung. »Das Höllenfeuer in ihm ist noch nicht mächtig genug, um zu experimentieren. Was wir nicht tun sollten, ist, ihn aufzuregen«, sagt sie langsam.

»Ich hatte nicht vor, ihm ein himmlisches Sextape vor die Füße zu werfen«, fauche ich und ziehe meine Hand zurück. Ich würde wirklich gern wissen, wann sich mein Dasein in die Pilotfolge einer verdammten Serie verwandelt hat. Es fehlt nur noch, dass wir uns Cheerleaderkostüme anziehen und anfangen, über unsere unterdrückten Gefühle zu singen.

»Hat er etwas bemerkt?«

»Nein.«

»Wie hast du es geschafft, den Engel in deinem Bett zu verheimlichen?«, will Tessa leise, aber drängend wissen.

»Gar nicht. Darel war weg, als ich wieder ins Zimmer kam.«

»Kluger Engel.«

»Und dummer Dämon.«

Tessa nickt, ohne mich anzusehen, und lässt den Blick wieder zur verschlossenen Tür meines Schlafzimmers gleiten.

»Du musst es Baal schonend beibringen, das Höllenfeuer ist in seiner Seele im Moment nicht stärker als ein Streichholz-Flämmchen.«

»Sehr beruhigend«, meine ich und massiere mir die Schläfen. Das Höllenfeuer ist der Antrieb jedes Dämons. Ohne das Feuer in unseren Seelen werden wir schwach. Sterblich. Verwundbar. Wenn es erlischt, könnte ich Baal verlieren. Endgültig. Unwiederbringlich.

Er würde ins Nichts fallen. Kein Himmel, keine Hölle, keine Wiedergeburt. Er wäre weg. Genau wie Luc.

Meine Kehle fühlt sich an, als hätte ich seit Monaten nichts getrunken. Rau und rissig wie das schlechte Gewissen, das meine Seele in Ketten gelegt hat.

»Etwas Netteres kann ich dir leider nicht sagen«, grummelt Tessa und blickt auf die verschlossene Tür des Schlafzimmers. Ihre dunkle Präsenz wirkt in meiner hellen Küche ebenso fehl am Platz wie der leichte Duft des Sandelholzes, der bei jedem ihrer Schritte durch die Luft wirbelt.

»Ich weiß.«

»Keine Ahnung, ob ich damit falsch liege, aber ihr habt sicher schon Schlimmeres durchgestanden.«

Ihre dunklen Augen wirken etwas weicher, während sich der Hauch eines Lächelns auf ihre Lippen wagt. Ich weiß diese versöhnliche Geste zu schätzen, aber mir ist nicht danach, dieses Thema weiter aufzugreifen.

»Was ist mit dir?«, frage ich, um von mir und dem Drama, das ich selbst geschrieben habe, etwas abzulenken.

»Was soll mit mir sein?«

»Muss ich dich wirklich daran erinnern, dass du umgebracht wurdest, als Geist wiedergekehrt bist und den Körper einer Zirkelschwester besetzt?«

»Also erstens hast du ausgelassen, wie ich mich durchs Fegefeuer gekämpft habe, und zweitens war es die verfluchte Hexe, die mich getötet hat. Es ist also nicht meine Schuld, dass ich ihren Körper nehmen musste statt meines eigenen.«

Sie zuckt so lässig mit den Schultern, als hätten wir uns über den Sommerschlussverkauf unterhalten, nicht über Körperdiebstahl. Die Spitze ihres Oberteils lässt die dunkle Haut durchschimmern. Eines muss ich Tessa lassen, sie mag ein Miststück sein – aber sie ist es nie ohne Grund. Und wenn jemand Magie beherrscht, dann sie. Ich wünschte nur, sie würde selbst nicht glauben, dass dafür Dämonenblut nötig ist.

»Falls du noch mal stirbst, werde ich deinen Körper nicht verbrennen.«

»Danke sehr.«

»Aber du bist dennoch eine untote Hexe.«

Tessa rollt mit den Augen. »Was macht das für einen Unterschied? Mein Herz schlägt vielleicht nicht mehr, aber ich bin hier.«

»Sieht Drake das auch so?«

Wieder verzieht sie die vollen Lippen, als würde ihr der Tee nicht schmecken. Ich erkenne das Flackern in ihren Augen. Allerdings weiß ich nicht, ob sie wütend oder unsicher ist. Seit Baal in meine Arme gefallen ist, fühle ich mich, als hätte ich den Anschluss verloren, und ohne Luc fehlt das Bindemittel in unserer Allianz.

»Das sollte er, Drake ist einer der Gründe, warum ich diese Welt noch nicht verlassen konnte«, haucht sie und lächelt dann auf eine Art, die mein Herz zucken lässt. Ohne dass ich etwas dagegen tun kann, heben sich meine eigenen Mundwinkel.

»Wüsste ich es nicht besser, würde ich sagen, dass ihr füreinander bestimmt seid.«

Tessa legt grinsend den Kopf schief. Ihre dunklen Locken fallen ihr ins Gesicht, während sie fast schon verträumt aus dem Fenster blickt. Die Sonne hat es geschafft, sich durch die Wolken zu kämpfen.

»Viel besser als das. Wir haben uns füreinander entschieden.«

4. Kapitel

Mimi

»Warum bist du hier, Santanas?«

Mein Kopf dröhnt, während meine Frage wie üblich ignoriert wird. Seit die satanische Familie meine Wohnung zu ihrem Hauptquartier gemacht hat, ist im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle los. Ich warte nur noch darauf, dass ein paar neue Erzdämonen auftauchen oder Lamia eine Party bei mir schmeißt. Im Moment ist es jedoch nur der König der Hölle und sein verräterischer Sohn, jedenfalls wenn man den ausgeknockten Baal in meinem Schlafzimmer nicht mitzählt. Das Drama vor mir ist so laut und aufdringlich, dass ich es unmöglich ignorieren kann. Fast so schlimm, als hätte mein höllischer Dackel mal wieder die Fernbedienung verschleppt, während eine Wiederholung von Greys Anatomy läuft. Nicht dass ich diesen Schund mal freiwillig gesehen hätte. Alle Folgen zweimal. Niemals.

»Du hast kein Recht, so mit mir zu reden.«

»Ich nehme es mir, du bist immer noch mein Sohn.«

»Die zweite Wahl eines Sohnes meinst du wohl.«

»Nun, die erste Wahl liegt ja auch noch immer im Koma, in das du ihn gebracht hast«, schnaubt Luzifer. Der König der Hölle trägt ein fliederfarbenes Hemd, das seine funkelnden Augen betont. Santanas hingegen sieht aus wie der typische Geschäftsmann. Er hat die Hände in den Taschen seiner Anzughose vergraben und sieht seinen Vater an, als würde er mit einem unliebsamen Partner diskutieren. Seine fliederfarbene Krawatte bildet einen seltsamen Kontrast zu den harten Gesichtszügen. Ich habe keine Ahnung, wie er es schafft, gleichzeitig auszusehen wie ein H&M-Männermodel und der Fürst der Finsternis. Er könnte einen verdammten Regenbogen tragen und trotzdem lässt mich die Verdammnis in seinen Augen nach Luft schnappen.

Irgendwo tief in meinem Inneren bedaure ich ihn fast. Aber ich habe nicht vergessen, wie er mich und meinen Hund bedroht hat. Ersteres könnte ich vergeben, aber niemand versucht ungestraft mich von meinem Dackel zu trennen.

»Die Hölle untersteht meiner Führung!«

»Wenn die alten Dämonen einem Wurm wie dir folgen, muss ich mir eine härtere Strafe als den ewigen Schatten ausdenken«, knurrt Luzifer.

Ich bin es leid, den beiden zuzuhören. Der Kaffee in meiner Hand ist längst kalt geworden, doch ich nehme trotzdem einen kräftigen Schluck. Er schmeckt bitter. Der Zucker ist leer, doch ich vergesse immer wieder neuen zu kaufen.

»Hört auf«, sage ich leise, aber es reicht aus, damit Vater und Sohn sich zu mir umdrehen. Santanas streicht seinen Anzug glatt und hebt das Kinn, als wolle er allein damit seine Überlegenheit demonstrieren. »Das Wichtigste im Moment sollte Baal sein.«

»Man kann nicht einfach jemanden aus dem Dreieck ziehen«, schnaubt Luzifer noch immer wütend. »Hast du eine Ahnung, was alles hätte passieren können?«

»Was denn, Vater? Wovor sollte ich angesichts des Weltuntergangs noch Angst haben? Die Gelegenheit war günstig, der Himmel war abgelenkt und wegen des Portals ins Nichts war das Gleichgewicht ohnehin gestört.«

»Es reicht.« Der Hall meiner Stimme ist lauter, als ich es gewollt habe. Aber ich bin müde, unendlich müde und ruhelos. Ich ertrage es nicht, wieder dieses Pulsieren einer Energie in mir zu spüren, die ich nicht verstehen kann. Seit meinem Abstieg in die Hölle fühlt es sich an, als sei ein Knoten geplatzt. Die alte Magie meiner Seele ist wieder da, aber ich kann sie nicht kontrollieren. Sie bricht aus mir heraus, ohne dass ich es verhindern kann, und meistens in Momenten, in denen es mir gar nicht passt. Mit einer Hand massiere ich meine Schläfen, ehe ich maule: »Euer Streit hilft nicht weiter.«

»Also, ich finde ihn sehr erfrischend.«

Meine Kaffeetasse fällt scheppernd auf den Boden. Baal steht neben meinem Kühlschrank und stützt sich dagegen. Kaffee spritzt über das Holz und saugt sich in meine Socken. Ohne auf die Scherben zu achten, bewegen sich meine Füße.

»Baal«, ich trete sofort zu ihm, doch er winkt ab. Er will meine Hilfe nicht und ich werde ihn nicht beleidigen, indem ich sie ihm aufdränge. Sein verzerrtes Grinsen lässt seine Lippen zucken und seine Augen aufleuchten.

»Es tut gut, dich stehend zu sehen«, meint der Teufel und lächelt. Luzifers Ausdruck ist so weich geworden wie Butter in der Sonne. »Das eigene Kind sieht man nur ungern zu lange wehrlos.«

»Ich würde ja sagen, dass ich diese Freude erwidere, aber du erkennst jede Lüge, Vater.«

»Zu viel der Ehre, möchtest du einen Tee?«

Baal bleibt skeptisch, doch er lässt zu, dass Luzifer einen Stuhl zurechtrückt und er sich darauf niederlässt, während sein Bruder ihm eine dampfende Tasse vor die Nase stellt. Die Szene wirkt seltsam friedlich und familiär.

»Baal«, sein Name kommt mir über die Lippen, ohne dass ich es gewollt habe. Mein verkrampftes Herz klopft gegen meinen Brustkorb, als solle jemand die Tür öffnen und es rauslassen. Er grinst mich an, noch immer schwach, aber eindeutig er selbst.

»Keine Angst, Mimi. Ein paar Tage und ich strahle wieder wie der Morgenstern.«

»Zumindest deinen Hochmut hast du noch nicht verloren«, brummt sein Vater und mustert ihn streng, ehe er sich zu Santanas umdreht. »Und nun rede. Was hast du getan, um deinen Bruder zu retten?«

»Ich habe ihn nicht gerettet«, sagt Santanas, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. »Ich habe ihn verbannt.«

Blinzelnd sehe ich ihn an. Santanas hat zwar den größten Teil seines Schreckens verloren, seit ich ihn dabei beobachtet habe, wie er meine Blumen goss, aber ich bin nicht so dumm zu glauben, dass er nicht jeden von uns liebend gern loswerden würde.

»Was soll das heißen?«, frage ich.

»Mein lieber Bruder hatte eine Bedingung«, krächzt Baal und legt den Kopf in den Nacken. Seine fiebrige Haut glänzt im Licht der Sonne. »Wenn er es schafft, mich aus dem Dreieck zu ziehen, werde ich die Hölle nie mehr betreten.«

Luzifer flucht in einer Sprache, die so alt ist wie meine Seele. Noch ehe ich realisiert habe, was dieser Deal unter Brüdern bedeutet, hat er seinen Sohn am Hals gepackt.

Santanas wehrt sich nicht, während er nach Luft schnappt und seine Füße über dem Boden schweben.

»Verfluchtes Balg«, knurrt Luzifer und seine Augen glühen wie ein Inferno. »Verdammst du wahrhaftig deinen Bruder ins Exil, während die Welt am Abgrund steht?«

»Es wird Zeit für einen neuen Herrscher der Unterwelt«, japst der Erzdämon.

»Und was, außer der Schande, ist deine Qualifikation dafür?«

Der Teufel wirft seinen Sohn einmal quer durch den Raum. Für den Bruchteil einer Sekunde habe ich Angst, dass er actionfilmreif aus dem Fenster fliegt, doch er landet stattdessen auf dem Sofa und schreckt meinen Dackel auf. Cosmo blickt anklagend über den Rand der Couch, ehe er auf meinen Lesesessel wechselt, um weiterzuschlafen. Die Himmelshündin dreht sich nur auf den Rücken und schnarcht weiter.

»Dann ist der Pakt gültig?«, frage ich leise und suche Baals Blick. Ein sachtes Lächeln umspielt seine Lippen, doch er macht keine Anstalten, sich von seinem Stuhl zu erheben.

»Wenn wir ehrlich sind, war ich ohnehin ständig an der Oberfläche«, sagt er und schließt die Augen. »Wenn mein werter Bruder sich mit der nächsten Finanzkrise nach der Apokalypse auseinandersetzen will, bitte. Ich bin sicher, ich finde eine andere Beschäftigung.«

»Hinterlistiger Bastard«, schnaubt Luzifer finster. »Wäre ich nicht minimal stolz, würde ich dich im Schatten anketten.«

Santanas ist wieder auf den Beinen und streicht das zerknitterte Hemd glatt, während er zurück zu uns an die offene Küchenzeile kommt.

»Solltest du nicht froh sein, dass niemand aus unserer Familie mehr den Qualen des Teufelsdreiecks ausgesetzt ist?«, will er wissen, doch Baal beginnt zu husten, noch ehe jemand darauf antworten kann.

Seine Muskeln zittern, als könnte sein Körper die Anstrengung nicht ertragen, das eigene Blut in sich zu behalten.

»Santanas hat Jahrhunderte auf diesen Job gewartet«, brummt er, während Blut aus seinem Mund tropft. Sein Vater reicht ihm ein Geschirrhandtuch. »Er kann angesichts des Untergangs von Himmel und Hölle wohl kaum noch etwas versauen.«

»Unter mir wird die Hölle wieder strahlen wie das Feuer von Chicago 1871«, sagt der Erzdämon mit einem Unterton, der mich erzittern lässt.

»Das bezweifle ich«, knurrt Luzifer.

Ich kann es ihm nicht verdenken, doch Baals Zittern fordert mehr Aufmerksamkeit ein. Ehe seine Knie nachgeben, stütze ich ihn und bringe ihn in mein Zimmer. Der dumpfe Familienzwist im Hintergrund ist nicht mehr als ein monotones Rauschen. Baal legt sich hin, doch als ich mich umdrehe, packt er meine Hand überraschend fest.

»Geh nicht, Mimi«, haucht er heiser. »Ich brauche dich jetzt.«

Und irgendwo in meinem Inneren zerbreche ich an meiner Schuld.

5. Kapitel

Mimi

Die Sonne kitzelt in meiner Nase, während der Geruch des frisch gemähten Rasens einen wohligen Schauder über meinen Rücken jagt. Der Park liegt verlassen vor mir, doch ich habe nichts dagegen, etwas für mich allein zu sein. Mein Kopf ist überfüllt von Schuldgefühlen, die sämtliche unliebsamen Erinnerungen wieder anspülen. So viele Leben, so viele Taten, so viele gebrochene Herzen – und meines mittendrin.

Mit geschlossenen Augen stehe ich da und versuche die Flut aus bunten Bildern in die richtige Reihenfolge zu bringen.

Feuer. Wasser.

Zwei Wölfe. Einer schwarz, einer weiß.

Bernsteinaugen, in denen das Licht der Hölle funkelt.

Blaue Augen, so unendlich traurig.

Rauch.

Blut.

Aber die Bilder flattern vor meinen Augen wie ein Insekt, das sich nicht greifen lässt. Keines ist klar genug, um die Bedeutung dahinter zu verstehen. Ich wünschte mir fast, Tessa würde ihren Zauber noch einmal wiederholen und mich in eine Erinnerung schicken. Auch wenn ich Angst davor habe, dass meine Seele dieses Mal endgültig daran zerbrechen könnte. Seufzend öffne ich die Augen wieder und blicke zum blauen Himmel hinauf.

Jeder neue Atemzug fühlt sich an wie ein Kampf gegen mich selbst, den ich nicht gewinnen kann.

Cosmo gibt ein lautes Wuff von sich und sieht mich anklagend an, als hätte er diesen Gedanken gehört. Mit einem müden Lächeln lasse ich ihn von der Leine und sehe zu, wie er mit der Himmelshündin über den Rasen fegt. Die Hundedame ist nicht halb so schnell wie mein höllischer Dackel, aber jeder ihrer Schritte ist bedacht. Sie setzt ihre Pfoten so, als könnte sie die Welt mit ihnen bewegen. Der blaue Himmel und die strahlende Sonne sind etwas zu viel Frohsinn für meine düstere Stimmung.

Das Zwitschern der Vögel klingt in meinen Ohren eher wie das Lied der Verdammnis. Eine Taube sitzt zu meinen Füßen. Mit verschränkten Armen und verkniffenem Mund betrachte ich die orange-gelben Augen. Das Prickeln meiner Fingerspitzen wird stärker.

»Verschwinde«, zische ich die Taube an, während Cosmo und Cosma bereits dabei sind, zähnefletschend auf sie zuzurennen. Der Dackel liegt vorn, stolpert jedoch und überschlägt sich, während Cosma ihn überholt und schlitternd vor mir zum Stehen kommt. Die Taube flattert davon, doch das Gefühl, beobachtet zu werden, ist noch immer da.

»Es tut mir leid.«

Verwirrt drehe ich mich um. Darel steht hinter mir. Sein Gesicht ist verzogen, als hätten meine Worte ihm einen Dolch ins Herz gerammt. Ich kläre ihn nicht darüber auf, dass ich die Taube meinte und nicht ihn. Denn beides wäre mir recht. Sein Anblick ist die reinste Folter für mein rissiges Herz. Das zerknitterte Hemd ist dreckig und zeigt Spuren von Staub, Kaffee und … Ist das Blut?

Ich kann spüren, wie sich nachdenkliche Falten in meine Stirn graben, und wende den Blick von dem Engel ab. »Was tust du hier?«

»Ich wollte mit dir reden«, sagt er zögernd.

»Es gibt nichts zu reden«, zische ich härter als beabsichtigt. Mein Tonfall ist sauer wie Essig und fast so verbittert wie das pochende Organ in meiner Brust. Ich bin mir nicht sicher, wann genau der Tag kam, an dem ich meine Hoffnung verloren habe. Doch gerade jetzt fühle ich nichts anderes als eine endlose Bitterkeit, gegen die diese blauen Augen alles andere als hilfreich sind. »Es war ein Riesenfehler und wird nicht wieder vorkommen.«

All die Wut, die ich für mich selbst empfinde, scheint sich endlich entladen zu wollen. Meine Haare knistern vor elektrischer Spannung, als ich ihm den Rücken zuwende. Ich kann das Pulsieren der alten Macht in mir spüren. Das Prickeln, das sich von der Seele in meinem Körper ausbreitet. Es ist besser, wenn er geht, bevor ich mich selbst vergesse. Solidarisch, wie mein Höllenhund ist, tut er das Gleiche und zeigt dem Engel seinen Hintern. Cosma jedoch legt den Kopf schief und sieht den Engel an, als würde sie seine Lage ebenso verstehen wie meine.

»Mimi …«

Meinen eigenen Namen zu hören, erfüllt mich mit einem Ekel, den ich noch nie gespürt habe. Jahre, Jahrhunderte habe ich damit verbracht, mir einzureden, ich würde nur das Beste für die Menschheit wollen. Dass alle meine Taten einem höheren Zweck dienen, dass selbst all das Blut an meinen Händen noch etwas Gutes bewirkt. Doch stattdessen habe ich alles verraten – nur für eine Nacht. Keine Lovestory der Welt kann zusammenfassen, wie unendlich falsch ich gehandelt habe. Ich spiele mit drei Herzen und tue dabei so, als sei ich unschuldig. Ich bin nicht nur dumm, ich bin schlimmer als Bella Swan.

»Nein, nichts ›Mimi‹«, sage ich weniger scharf. Mein Herz pumpt das Blut durch meine menschlichen Venen, als stünde es kurz vor dem Verhungern. Ich kann seinen süßlichen Duft nach Frühling fast schon schmecken, das Meer in seinen Augen auf meiner Haut spüren und die Spannung zwischen uns greifen. Mit aller Macht wehre ich mich gegen die Gefühle, die in meiner Brust lauern wie ein Monster, das mich zu verschlingen droht.

»Mimi …«

»Halt den Mund«, fahre ich dazwischen, wage es aber nicht, über meine Schulter zu blicken. Vielleicht bin ich grausam, doch noch mehr Gefühle kann ich gerade nicht ertragen. Ein Blick in seine Augen … und die Welt würde wieder stehen bleiben. Ich habe keine Zeit für diesen Irrsinn aus Hormonen und verbotener Süße. Die verdammte Welt steht Kopf, ich habe keine Ahnung, was die Worte gut und böse noch bedeuten.

Aber eines weiß ich, so, wie ich es schon immer wusste: Wie auch immer das Ende aussehen wird, ich werde es mit Baal erleben. Meine Füße bewegen sich wie von selbst.

»Bleib stehen, bei Gott.«

Cosmo fängt an zu bellen und zu knurren, als wolle er dem Engel mal die Meinung sagen. Ich drehe mich halb nach hinten und will gerade zu reden anfangen, da pralle ich gegen etwas. Nein, gegen jemanden. Taumelnd mache ich einen Schritt zurück und komme gerade noch dazu zu blinzeln, ehe ich vor Schmerz keuche.

Der Schlag reißt meinen Kopf zur Seite und lässt meine Ohren klingeln. Tränen schießen mir in die Augen, doch das Gesicht des Erzengels ist trotzdem mehr als deutlich. Michael steht vor mir – und offenbar hat er keine gute Laune. Das Pochen in meiner Wange ist so stark, dass ich mich selbst daran hindern muss, nach ihr zu greifen. Diese Genugtuung werde ich ihm nicht geben, auch wenn der beißende Schmerz nicht nur meinen Körper, sondern auch mein Ego angreift.

Darel ist hinter mir, ich kann ihn spüren.

Ich lasse meinen Kiefer knacken und blicke in die kalten Augen des Engels. »Lass mich raten, deine Lieblingsstelle in der Bibel ist die, wo ich die andere Wange hinhalte?«, fauche ich und balle die Händen zu Fäusten.

»Mimi …«

Darels warnende Stimme lässt alles in meinem Körper prickeln und pochen, als habe er selbst die Hand gegen mich erhoben. Meine Haaren knistern, der Wind wird stärker und die Sonne scheint heimtückisch auf uns nieder.

»Elender Dämon«, schnaubt Michael und funkelt mich voller Zorn an. »Es wird Zeit, dass wir dich in Ketten in den Himmel schleifen.«

Ich lecke mir über die Lippen und mache einen halben Schritt auf den Erzengel zu. Meine Fingerspitzen kribbeln, als würden sie sich auf etwas vorbereiten. »Viel Glück bei dem Versuch.«

Bevor er noch etwas sagen kann, donnere ich meinen Kopf gegen seinen. Heißer Schmerz schießt mir durch den Schädel, doch Michaels Stöhnen sorgt dennoch für ein Grinsen.

Er taumelt zurück und wischt sich über die Nase.

»Wag es nie wieder, deine Hand gegen mich zu erheben, als würdest du über mir stehen.« Meine Stimme klingt seltsam. Weniger nach mir und mehr nach einer Version meiner selbst, die ich noch nicht kennengelernt habe. Aber ich bin es so unendlich leid. Dieses ganze Versteckspiel, dieses Schachern um Seelen, diesen ganzen verdammten Krieg.

»Ich bin immer wieder überrascht von deinem Hochmut«, donnert der Engel und das flammende Schwert erscheint in seiner Hand.

Meine Muskeln spannen sich an, während ich blaue Lichter um mich herum wahrnehme. Offenbar meinen es die Geflügelten ernst. Sie wollen mich in den Himmel verschleppen, damit ich die Pläne Gottes nicht länger boykottieren kann.

»Flatter davon. Ich habe keine Zeit.«

»Kommt Hochmut, kommt auch Schande, doch bei den Bescheidenen ist die Weisheit«, zitiert er die Bibel und ich lache auf, als hätte er einen Witz gemacht.

»Besser der Ausgang einer Sache als ihr Anfang, besser Langmut als Hochmut«, kontere ich und bringe meinen Körper in Kampfstellung.

Meine Hunde nehmen knurrend neben mir Haltung an. Selbst Cosma scheint das Auftauchen der Engel nicht zu passen. An ihrem Hinterteil stehen die Haare ab und ihre Ohren ragen in die Höhe.

Michael schüttelt den Kopf und öffnet die Knöpfe seiner Jeansjacke, um sich besser bewegen zu können. Kein gutes Zeichen. Ich zähle vier weitere Engel um uns herum.

»Du musst auch immer das letzte Wort haben.«

»Schluss mit Reden, du willst mich in den Himmel bringen? Dann komm her und hol mich.«

Er verschwendet keine Zeit und stürmt auf mich zu. Schneller als erwartet tauche ich unter seinem Arm hindurch und trete von hinten in seine Kniekehlen. Er stöhnt, wirbelt jedoch herum, ohne zu straucheln. Verdammte Erzengel-Superkräfte.

Sein Schlag kommt zwar nicht überraschend, aber zu schnell, um ihm auszuweichen. Meine Füße rutschen auf dem feuchten Gras weg und ich kann mich gerade noch davor bewahren, von dem leuchtenden Schwert aufgespießt zu werden.

Cosmo knurrt, springt todesmutig auf den Engel zu und beißt sich so heftig an dessen Schulter fest, dass Michael aufjault. Er schleudert meinen Dackel zur Seite.

Mein Herz bleibt einen Moment stehen, doch mein tollkühner Dackel rollt sich ab und springt wieder auf die winzigen Füße.

Das Prickeln in meinen Fingerspitzen zieht sich inzwischen über meine gesamten Arme. Meine Aura beginnt zu flackern wie ein alter Fernseher und ich kann die Macht spüren, die langsam aus meiner Seele in meinen Körper sickert.

»Spätestens jetzt werde ich dir deinen geflügelten Arsch aufreißen«, zische ich.

Michael will mich an den Haaren packen, doch ich ducke mich. Meine Faust landet in seiner Magenkuhle, während ich blitzschnell zur Seite drifte und den Schwung auf dem Rasen ausnutze, um mich gegen einen neuen Angreifer zu werfen. Der Engel landet auf dem Boden, im nächsten Augenblick verdreht Darel ihm das Genick.

Das laute Knacken lässt mich zusammenzucken.

Irgendwo in meinem Inneren wird eine Erinnerung freigesetzt. Knackende Knochen.

Stockende Tränen.

Doch ich habe keine Zeit, um danach zu greifen. Michael ist längst wieder dabei, den nächsten Angriff zu starten. Er hebt drohend das Schwert und lässt es auf mich niedersausen. Darel zieht mich nach hinten, gerade noch rechtzeitig, damit die scharfe Klinge nur ein Stück meiner Haare abtrennt.

Ich keuche.

Meine Augen glühen, während ich Darel einen kurzen Seitenblick zuwerfe. Drei weitere Engel stehen noch. Wir haben keine Waffen, keine Möglichkeit, um Hilfe zu rufen. Trotzdem muss ich grinsen.

»Musstest du ihn reizen?«, fragt Darel und sieht mich über die Schulter hinweg an, während wir Rücken an Rücken stehen und die Engel uns umkreisen.

»Hast du etwa Angst, wir könnten verlieren?«

»Du machst es mir nicht einfach, auf dich zu achten.«

»Ich dachte, das magst du so an mir.«

»Hört auf zu turteln«, schnaubt Michael und lässt sein Schwert kreisen. »Ergebt euch jetzt und ich lasse den Gefallenen am Leben … Oder gib mir den Schlüssel und ich lasse dich deine letzten Tage in Sünde leben.«

»Ich habe es deiner Miniversion von einem Heiligen Geist gesagt – und hier für dich auch gern noch einmal: Drück dich klarer aus. Was zur Hölle soll dieser Schlüssel sein?«, frage ich wütend.

»So sei es, im Himmel kann sich deine Seele nicht mehr wehren«, murmelt er und legt den Kopf schief. »Obwohl ich zugeben muss, dass ich dich noch lieber im ewigen Nichts sehen würde.«

»Hast du Angst vor uns, Erzengel?«

»Angst vor was, Mimir? Deiner Unfähigkeit?«

Das Pulsieren wird stärker. Genau wie mein Grinsen. »Wenn ich wirklich so unfähig bin, warum stehe ich dann noch?«

Ehe ich verstehe, was ich da mache, legt sich ein silberner Schutzfilm um meine Haut wie Tausende von winzigen Punkten aus Quecksilber. Ich stürme los, während Darel den drei anderen Engel ausweicht. Cosma ist an seiner Seite, wirft sich auf den Angreifer in seinem Rücken.

Michaels Schwert donnert auf mich zu. Ich sehe die Klinge in der Sonne blitzen, doch ehe sie mein Gesicht spalten kann, presse ich die Klinge zwischen meine Hände.

Michael keucht.

»Du hast deine Macht wiedergewonnen«, entfährt es ihm und Panik steigt in den blauen Augen auf wie der Mond in der Nacht.

»Noch nicht ganz«, gebe ich zurück und ohne dass ich es verhindern kann, geht eine Druckwelle von meinem Körper aus. Sie schleudert alles in einem Umkreis von drei Metern zur Seite. Das heilige Schwert fällt ins Gras. Die drei Engel verschwinden panisch, während ich mich bücke und das Schwert betrachte.

»Ziemlich lächerlich«, sage ich und schwinge es hin und her.

»Na los, Mimir«, schnaubt der Engel und rappelt sich auf die Knie, ehe er die Arme ausbreitet. »Schick mich ins ewige Nichts.«

Ich blicke zu Darel. Er sieht mitgenommen aus. Seine Haare sind verwuschelt und Blutflecken verunstalten sein Gesicht. Nicht sein Blut.

Immerhin etwas.

Unsere Blicke treffen sich, erinnern mich daran, wo wir hier sind. Das hier ist kein Schlachtfeld, sondern ein Park. Ein Ort, an dem kein Blut vergossen werden sollte, und die Engel haben versucht ihn zu entweihen.

»Ich bin nicht wie du«, sage ich und betrachte die Klinge des Schwertes. »Es macht mir keinen Spaß zu töten.«

»Mimi … «

»Tu es, Dämon!«, grölt Michael. »Tu es oder du wirst es bereuen.«

Ich lache schnaubend und hocke mich zu ihm. »Ich bin nicht wie ihr Engel. Es klebt schon genug Blut an meinen Händen.«

Ich lasse das Schwert vor ihm fallen.

Mit einer Mischung aus Panik und Unglauben blickt er zu mir auf. Seine Pupillen sind winzig, wie die Köpfe von Stecknadeln, während die Sonne hinter mir ihn blendet.

»Wage es nicht, mich noch einmal zu schlagen«, fauche ich. »Denn das nächste Mal werde ich keine Gnade mehr haben.«

Meine Hunde sind neben mir und bellen bekräftigend. Ihnen ist nichts passiert, nur etwas Schmutz hängt im Fell. Ein Glück für den Himmel, niemand vergreift sich an meinen Tieren.

»Das wirst du bereuen«, schnaubt Michael.

»Vielleicht, aber immerhin verrate ich mich nicht selbst.«

Damit lasse ich ihn stehen und gehe weiter in den Park hinein.

»Mimi, warte!«

Cosma bellt einmal, doch ich drehe mich nicht zu ihr um. Sie weiß genau, dass ich diejenige bin, von der sie Käsewürstchen bekommt. Ich muss weg von ihm. Weg von einem Engel, der das Herz eines Dämons in Schutt und Asche gelegt hat.

Und weg von der alten Macht in meiner Seele, die mich dazu bringt, noch mehr Schaden anzurichten … als endlich dieser Welt zu helfen.

6. Kapitel

Mimi

Der Wind, der durch das offene Fenster in meine Wohnung wirbelt, ist warm und feucht vom letzten Gewitter. Er bietet kaum Abkühlung, während der aufgeheizte Asphalt zu brennen scheint. Die plötzliche Hitze ist ebenso unnatürlich wie das Zittern meiner Finger. Ein Schweißtropfen gleitet quälend langsam zwischen meinen Brüsten nach unten und ich bin froh, dass ich nur ein Tanktop anhabe und so die Gefahr minimiere, Schweißflecken unter den Achseln zu tragen wie ein Abzeichen. Der Höllenbewohner vor mir macht es mir nicht gerade einfacher, mit dem plötzlichen Hitzeeinbruch zurechtzukommen.

»Seine Kraft kommt wieder, er braucht nur Zeit.«

»Immerhin hat das Kotzen aufgehört.«

»Ich kann euch hören«, knurrt Baal und wischt sich das blonde Haar aus dem Gesicht. Sein funkelnder Blick geht zwischen Luzifer und mir hin und her. »Es würde vieles erleichtern, wenn ihr mir sagen würdet, wo wir stehen.«

»Am Rand der Apokalypse«, antwortet sein Vater.

»Danke, geht es auch etwas genauer?«

»Nichts ist so hinreißend verspielt wie die brutale Wirklichkeit«, meint Luzifer und hebt seinen Tee an, als wolle er einen Trinkspruch daraus machen. Ich ziehe fragend eine Augenbraue nach oben, lasse das Ganze jedoch unkommentiert. Baals Bernsteinaugen nehmen meine gefangen. Augenblicklich beginnt mein Herz quälend schnell zu pochen, als hätte es eine Chance, der Tragödie noch zu entkommen, wenn es nur schnell genug Blut durch meine Adern pumpt.

»Du willst eine ›Was bis jetzt geschah‹-Zusammenfassung?«, frage ich und reibe mir über die Unterarme.

Der ehemalige Prinz der Hölle nickt und richtet sich in meinem Bett auf. Das weiße Shirt spannt sich über seine Brustmuskeln, während die Tätowierung sachte durch den Stoff hindurchschimmert.

»Legst du los, oder muss ich mir erst Popcorn machen?«

Einen Augenblick lang frage ich mich, ob ich es schaffe, dieses Gespräch noch weiter nach hinten zu schieben, doch sein Blick ist so erbarmungslos wie immer. »Nachdem du, du weißt schon …«

»… ich ins Dreieck gesprungen bin?«

Ich nicke. Allein die Erinnerung daran sorgt für eine Gänsehaut auf meinem erhitzten Körper. »Jesus und dein Bruder haben uns erwartet, sie haben die Seuche auferstehen lassen. Drake und ich haben es geschafft, Jesus zu töten, aber sie ist wieder auferstanden. Dein Vater hat sich um den Reiter gekümmert. Den Kopf haben wir in die Tiefkühltruhe gepackt, wo im Übrigen die restlichen Reiter noch warten.«

Ein schwaches Grinsen umspielt Baals Gesichtszüge. »Erinnere mich daran, dass ich im Fene nie wieder Eiswürfel in meinem Getränk verlange …«

Fast lächle ich, aber nur fast, denn nun kommt ein Teil, der weniger erfreulich ist. »In der Schlacht wurde Tessa getötet.«

Jetzt ruckt sein Kopf nach oben und der Ausdruck um seinen Mund wird grimmiger. »Ich wusste, sie stinkt nach Tod. Neues Parfüm, dass ich nicht lache!«

»Jemand hat ihr die Kehle durchgeschnitten.«

»Klingt nicht nach einem Anhänger von Jesus«, murmelt er nachdenklich und reibt sich über die Wangen. Die Geste ist so vertraut und gleichzeitig wirkt sie fremd auf mich.

Ich schüttle den Kopf. »Danach war es erschreckend ruhig. Wir haben den Reiter der Seuche gefoltert, um herauszufinden, wie wir Jesus töten können – und dieses Mal hatten wir Erfolg, wenn man das so nennen kann.«

Baal greift nach meiner Hand, doch ich ziehe sie zurück und verschränke die Arme vor der Brust. Meine Seele ertrinkt fast an den Schuldgefühlen in meinem Kopf.

»Zeigst du jetzt Reue, nur weil du sie getötet hast?«

Ich bin froh, dass er zwar in meinem Gesicht lesen kann, aber nicht alles versteht. Der Schlag meines Pulses wird ruhiger, als wüsste mein Herz, dass die Gefahr vorerst vorbei ist. Baal kennt mich. Doch die letzten Monate haben mich verändert. Von ihm getrennt zu sein hat mich verändert. In die Hölle zu gehen hat mich verändert. Etwas von mir wurde dort unten freigesetzt. Ich verstehe es noch nicht, aber es ist mächtiger, als ich geglaubt habe.

»Du warst nicht dabei. Jesus ist nicht böse, sondern nur eine Schachfigur – wie wir alle. Es war nicht ihr Plan, uns zu töten, und sie hatte wahnsinnige Angst vor dem, was noch kommen würde«, sage ich fest und schüttle den Kopf, sodass mein Pony verrutscht und mir in die Augen fällt.

»Der Heilige Geist.«