Die Besteigung des Mont Ventoux - Francesco Petrarca - E-Book

Die Besteigung des Mont Ventoux E-Book

Francesco Petrarca

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Beschreibung

Petrarcas Besteigung des Mont Ventoux, die Schilderung seiner Wanderung auf den Berg am 26. April 1336, gilt mit Recht als einer der wichtigsten Texte der Renaissance. Mit ihm beginnt ein neues Natur- und Weltbewusstsein, er ist sozusagen das Scharnier zwischen Mittelalter und Neuzeit. Ergänzt wird der kurze Text in dieser Ausgabe um die entsprechenden Teile aus Jacob Burckhardts "Kultur der Renaissance in Italien".

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Seitenzahl: 51

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Francesco Petrarca

Die Besteigung des Mont Ventoux

Aus dem Lateinischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Kurt Steinmann

Reclam

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2014

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-960498-5

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019099-9

www.reclam.de

Inhalt

Die Besteigung des Mont Ventoux

Anhang

Auszug aus Jacob Burckhardt »Die Kultur der Renaissance in Italien«

Zu dieser Ausgabe

Nachwort

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

Die Besteigung des Mont Ventoux

An Francesco Dionigi von Borgo San Sepolcro1

Den höchsten Berg dieser Gegend, den man nicht zu Unrecht Ventosus, »den Windigen«, nennt, habe ich am heutigen Tag bestiegen, allein vom Drang beseelt, diesen außergewöhnlich hohen Ort zu sehen. Viele Jahre lang hatte mir diese Besteigung im Sinn gelegen; seit meiner Kindheit habe ich mich nämlich, wie du weißt, in der hiesigen Gegend aufgehalten, wie eben das Schicksal mit dem Leben der Menschen sein wechselvolles Spiel treibt. Dieser Berg aber, der von allen Seiten weithin sichtbar ist, steht mir fast immer vor Augen.

Es ergriff mich nun das ungestüme Verlangen, endlich einmal auszuführen, was ich täglich hatte ausführen wollen, besonders nachdem mir am Vortag, als ich die römische Geschichte bei Livius2 nachlas, zufällig jene Stelle begegnet war, wo Philipp, der König von Makedonien – derselbe, der mit dem römischen Volk Krieg geführt hat – den Haemus, einen Berg in Thessalien, bestieg. Er hatte nämlich dem Gerücht Glauben geschenkt, man könne von seinem Gipfel aus zwei Meere sehen, das Adriatische und das Schwarze Meer. Ob zu Recht oder zu Unrecht, habe ich nicht genügend in Erfahrung bringen können, weil die Sache dadurch unsicher wird, dass der Berg von unserer Welt weit entfernt ist und die Schriftsteller darüber verschiedener Meinung sind. Um deswegen nicht alle nachzuschlagen: der Kosmograph Pomponius Mela3 berichtet ohne Bedenken, dass es so sei, Titus Livius hält das Gerücht für falsch; wäre es für mich so leicht möglich, jenen Berg zu erkunden, wie es bei diesem hier der Fall war, ich würde die Frage nicht lange unentschieden lassen.

Um übrigens nun jenen fernen Berg außer Betracht zu lassen und zu diesem zu kommen: mir schien für einen jungen Mann, der nichts zu tun hat mit der Leitung des Staates, entschuldbar zu sein, was man bei einem greisen König nicht rügt. Als ich aber nach einem Begleiter Ausschau hielt, da schien mir, so eigenartig es klingt, kaum einer der Freunde in jeder Beziehung geeignet: so selten ist, selbst unter lieben Freunden, jener vollkommene Einklang aller Wünsche und Charakterzüge. Der eine war mir zu bedächtig, der andere zu aufgeweckt, der zu langsam, jener zu rasch, der zu schwermütig, jener zu fröhlich, der schließlich einfältiger und jener gescheiter, als mir lieb war. Beim einen schreckte mich seine Schweigsamkeit, beim andern sein Vorwitz, beim einen seine Fülle und Fettleibigkeit, beim andern seine Hagerkeit und Kraftlosigkeit; gegen den einen sprach seine kühle Teilnahmslosigkeit, gegen einen andern sein zu feuriger Eifer. Diese Schwächen, so belastend sie sind, erträgt man zu Hause – alles nämlich erträgt die Liebe4 und keiner Mühsal entzieht sich die Freundschaft –; aber dies alles wird unterwegs nur noch belastender. So wog mein empfindsames Gemüt, das auf ein achtbares Vergnügen aus war, umsichtig alle Einzelheiten gegeneinander ab, ohne dadurch eines der Freundschaftsbande irgendwie zu verletzen, und im stillen verdammte es alles, was seiner Voraussicht nach dem geplanten Unternehmen lästig werden konnte. Was glaubst du wohl? Schließlich wende ich mich um Unterstützung an den mir Nächststehenden und eröffne meinem einzigen Bruder5, der jünger ist und den du recht gut kennst, mein Vorhaben. Keine frohere Botschaft hätte er hören können, und er dankte mir freudig, dass er bei mir gleichzeitig die Stelle eines Freundes und eines Bruders einnähme.

Am festgesetzten Tag brachen wir von zu Hause auf und kamen gegen Abend nach Malaucène; dieser Ort liegt am Fuße des Berges, gegen Norden. Dort verweilten wir einen Tag und bestiegen heute endlich, jeder mit einem Diener, den Berg, nicht ohne große Schwierigkeit: er ist nämlich eine schroffe und beinahe unzugängliche Felsmasse; doch trefflich hat der Dichter gesagt:

Rastlose Müh besiegt alles.6

Ein langer Tag, liebkosende Luft, Spannkraft der Seelen, Stärke und Behendigkeit der Körper und was dergleichen mehr ist, standen uns Wanderern hilfreich zur Seite; einzig die Beschaffenheit des Ortes bot uns Widerstand. Einen uralten Hirten trafen wir an den Hängen des Berges, der uns wortreich von der Besteigung abzuhalten suchte, indem er sagte, er habe vor fünfzig Jahren mit demselben Ungestüm jugendlichen Feuers den höchsten Gipfel erstiegen, habe aber nichts von dort zurückgebracht außer Reue und Mühsal und einen von Felszacken und Dornsträuchern zerfetzten Leib und Mantel, und weder jemals vor jener Zeit noch nachher habe man bei ihnen davon gehört, dass irgendwer ähnliches gewagt habe. Während jener dies uns zurief, wuchs uns, ungläubig wie eben jugendliche Herzen Warnern gegenüber sind, am Verbot das Verlangen. Daher schritt der Greis, als er die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen bemerkte, ein wenig vorwärts zwischen den Felsen und wies uns mit dem Finger einen steilen Bergpfad, indem er viele Ermahnungen aussprach und vieles in unserem Rücken wiederholte, als wir schon weggegangen waren.

Wir lassen bei ihm alles zurück, was irgend an Kleidern oder sonst einem Gegenstand hinderlich7