Die Dreitagemordgesellschaft - Colleen Cambridge - E-Book
SONDERANGEBOT

Die Dreitagemordgesellschaft E-Book

Colleen Cambridge

0,0
14,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Acht Gäste und ein Mord im Haus der Queen of Crime

Eine Schar Festtagsgäste hat sich für drei Tage in Mallowan Hall eingefunden. Das versteckt in den Hügeln von Devonshire liegende Anwesen gehört der berühmten Schriftstellerin Agatha Christie. Doch den Haushalt führt die energische Phyllida Bright, und sie ist es auch, die am ersten Morgen der Festlichkeiten in der Bibliothek einen fremden Toten findet. Sie weiß, dass Aufsehen unbedingt zu vermeiden ist und die örtliche Polizei zur Umständlichkeit neigt. Während im Garten ein Heer von Fotografen lauert, beschließt Phyllida, in die Fußstapfen ihres hochverehrten Hercule Poirot zu treten - mit ungeahnten Folgen...

»Ein grandioser Serienstart - die Leser werden mehr von der cleveren Phyllida sehen wollen« PUBLISHERS WEEKLY

»Alles, was Sie sich von einem englischen Landhauskrimi wünschen könnten - ist dieser Roman!« Island Bookstore

»Großartige überraschende Wendungen, schillernde Verdächtige und liebenswert skurrile Nebenfiguren« Broad Bay Café

»Mit Eleganz und Witz erzählt und so unterhaltsam, dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte.« Schuler Books



Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 375

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumZitatVorbemerkung der Autorin1234567891011121314151617181920212223242526272829Phyllida Brights Orangen-Salbei-Sirup

ÜBER DIESES BUCH

Acht Gäste und ein Mord im Haus der Queen of Crime Eine Schar Festtagsgäste hat sich für drei Tage in Mallowan Hall eingefunden. Das versteckt in den Hügeln von Devonshire liegende Anwesen gehört der berühmten Schriftstellerin Agatha Christie. Doch den Haushalt führt die energische Phyllida Bright, und sie ist es auch, die am ersten Morgen der Festlichkeiten in der Bibliothek einen fremden Toten findet. Sie weiß, dass Aufsehen unbedingt zu vermeiden ist und die örtliche Polizei zur Umständlichkeit neigt. Während im Garten ein Heer von Fotografen lauert, beschließt Phyllida, in die Fußstapfen ihres hochverehrten Hercule Poirot zu treten – mit ungeahnten Folgen …

»Ein grandioser Serienstart – die Leser werden mehr von der cleveren Phyllida sehen wollen« PUBLISHERS WEEKLY

»Alles, was Sie sich von einem englischen Landhauskrimi wünschen könnten – ist dieser Roman!« Island Bookstore

»Großartige überraschende Wendungen, schillernde Verdächtige und liebenswert skurrile Nebenfiguren« Broad Bay Café

»Mit Eleganz und Witz erzählt und so unterhaltsam, dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte.« Schuler Books

ÜBER DIE AUTORIN

Colleen Cambridge ist das Pseudonym einer New-York-Times-Bestsellerautorin, die mit Romanserien in unterschiedlichen Genres international erfolgreich ist. Murder at Mallowan Hall ist der Auftakt einer Kriminalromanserie mit der scharfsinnigen Amateurermittlerin Phyllida Bright als Haushälterin von Agatha Christie. Colleen Cambridge lebt mit ihrer Familie und zwei Hunden im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten.

Agatha ChristiesHaushälterin ermittelt

Kriminalroman

Übersetzung aus dem Englischen vonAngela Koonen

LÜBBE

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Titel der englischen Originalausgabe:»Murder at Mallowan Hall«

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2021 by Colleen Gleason

Published by Arrangement with Kensington Publishing Corp,

New York, NY 10018, USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Dieses Werk wurde vermittelt durch dieLiterarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de

Einband-/Umschlagmotive: © iStock/Getty Images Plus: schus | cf2 | ChrisGorgio

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-2838-6

luebbe.de

lesejury.de

Ich meine, wenn schon ein Mord im eigenen Haus passiert, sollte man auch seinen Spaß daran haben.

Agatha Christie, Die Tote in der Bibliothek

VORBEMERKUNG DER AUTORIN

Agatha Christie, ihren Mann Max Mallowan und ihren Hund Peter hat es wirklich gegeben. Mallowan Hall, dessen Umgebung und die Hausangestellten sind jedoch frei erfunden, ebenso die hier geschilderten todbringenden Ereignisse.

1

Phyllida Bright hatte während des Krieges jede Menge Leichen gesehen, und so kam es ihr gar nicht in den Sinn zu schreien, als sie den Toten auf dem Boden der Bibliothek fand.

Der unerwartete Anblick entlockte ihr aber ein leises Keuchen, weckte Befürchtungen und kurz darauf ihren Ärger. Als hätte ich heute nicht schon genug zu erledigen, dachte sie, und ihre Lazaretterfahrung machte sich sogleich bemerkbar. Sie kniete sich hin und prüfte, ob der Mann wirklich tot war.

Ja, er war tot – und außerdem blutüberströmt, weil an der Seite ein Füllfederhalter aus seinem Hals ragte. Die Flecken auf dem Teppich zu entfernen würde zwei Stunden Arbeit erfordern, und dann bräuchte er noch Zeit zum Trocknen, bevor man ihn wieder in die Bibliothek legen könnte. Und sie wollte gar nicht daran denken, wie lange es dauern würde, die Blutspritzer von den Büchern und der Tapete zu entfernen.

Trotz allem schloss Phyllida die Augen und wünschte seiner armen Seele viel Glück – dann dankte sie dem Himmel, weil sie es war, die Mr Waring gefunden hatte, und nicht Ginny, das überdrehte Zimmermädchen, das sich morgens um die Bibliothek kümmerte. Das hätte dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt.

In Gedanken änderte sie bereits die Aufgabenverteilung der Angestellten, um sie von der Bibliothek fernzuhalten und ihnen möglichst wenig Gelegenheit zu geben, über den grausigen Fund zu tratschen. Mit dem klirrenden Schlüsselbund an der Taille stand sie auf und ging zu dem Telefon auf dem Schreibtisch.

Während sie darauf wartete, dass die Telefonistin die Verbindung herstellte, schaltete sie die Schreibtischlampe ein und rückte die geschnitzte Mahagonischale zurecht, auf der der Füllfederhalter lag, wenn er gerade nicht in der Halsschlagader eines Toten steckte. Auch die kleine Vase, in der stets frische Blumen oder grüne Zweige standen, schob sie an ihren Platz zurück, zwickte ein welkes Blatt ab und steckte es in die Tasche ihres Kleides. Als ihr ein matter Streifen am Rand der glänzenden Schreibtischplatte auffiel, schnalzte sie missbilligend mit der Zunge. Die Schere und der Stoß Briefpapier lagen unberührt da, ebenso der Briefbeschwerer aus Achat.

Endlich wurde sie verbunden, und kurz darauf entwickelte sich eine eigentlich simple Aufgabe zu einer ermüdenden Angelegenheit.

»Ja, Constable. Hier liegt tatsächlich eine echte Leiche.« Zum dritten Mal schon wurde sie gebeten, das zu bestätigen, und der Grund dafür war nicht etwa das Knistern in der Leitung. »Ich bin Mrs Bright, Mrs Mallowans Haushälterin, hier in Mallowan Hall.«

»Mallowan Hall? Sie meinen das Haus der Dame, die die Detektivromane schreibt?«

Phyllida knirschte mit den Zähnen. »Ja, Constable.«

»Sie meinen, da liegt eine Leiche in der Bibliothek von Agatha Christies Haus?«

»Genau das meine ich, Constable. Und ich erwarte, dass Sie sich schnellstens darum kümmern. Mr und Mrs Mallowan haben das Haus voller Gäste.« Ob er das bei seinem wiehernden Gelächter überhaupt gehört hatte, wusste sie nicht.

»Ein herrlicher Witz ist das, Ma’am«, brachte er munter kichernd hervor. »Eine echte Leiche drüben im …«

»Constable Greensticks«, sagte sie in ihrem strengsten Ton, »das ist nicht zum Lachen. Ein Mann wurde ermordet, und ich schlage vor, Sie widmen sich der Sache unverzüglich.«

Überzeugt, dass der Constable den Ernst der Situation endlich erfasst hatte, legte sie auf, wenn auch mit der starken Vermutung, dass die Telefonistin, die sie mit der Polizei verbunden hatte, wahrscheinlich gleich selbst telefonieren würde, um die Neuigkeit zu verbreiten.

Phyllidas Blick fiel auf den armen Mr Waring – das mochte durchaus sein Name sein, aber vielleicht auch nicht. Schließlich hatte er sie am vergangenen Abend mit seiner Ankunft überrascht, denn auf der Gästeliste hatte er ganz sicher nicht gestanden. Das war nur eins der vielen Probleme, die man mit ungeladenen Gästen haben konnte.

Phyllida hätte gern eine Decke über ihn gebreitet, hielt es aber für besser, den Tatort nicht zu verändern. Mr Waring war jung, etwa Ende zwanzig, hatte hellbraunes Haar und einen hellbraunen Schnurrbart. Seine Kleidung war elegant, seine Hose von der Art, wie man sie in einem Warenhaus zu kaufen bekam, nicht maßgeschneidert, aber von guter Qualität. Er trug ein gut geschnittenes Jackett aus bestem Wollstoff, das erst seit etwa zwei Jahren unmodern war. Es war sauber und hatte, wie Phyllida zufrieden bemerkte, einen vollkommen intakten Saum. Ihrer Ansicht nach war ein hängender Saum das erste Anzeichen für Selbstvernachlässigung, dem andere bald folgten.

Phyllida schaute auf die Uhr. Es war gerade sieben. Mrs Agatha würde normalerweise frühestens in zwei Stunden aufstehen und dann erst einmal in ihr Büro gehen und eine Zeit lang schreiben, bevor sie sich zu ihrem Mann und den Gästen gesellte. Das erinnerte Phyllida daran, nächste Woche die Uhren ölen zu lassen, sobald die Hausgäste abgereist waren. Das wäre eigentlich erst in der übernächsten Woche fällig, doch ihr war aufgefallen, dass die Standuhr am Fuß der Haupttreppe ein wenig knirschte.

Dringender war es, Mr Dobble über die Situation zu informieren, und schon bei dem Gedanken wünschte Phyllida, sie könnte eine zweite Tasse starken Darjeeling trinken.

Man brauchte gewöhnlich eine Stärkung, bevor man mit dem Butler der Mallowans sprach, und ein Roggenwhisky kam um diese Zeit nicht infrage.

Da sie die Bibliothek nicht unbeaufsichtigt lassen wollte, läutete sie nach ihm. Sie musste jedoch zugeben, der Gedanke, den Butler zu rufen, anstatt wie üblich zu ihm zu gehen, brachte sie zum Schmunzeln.

Nicht, dass das für sie ungewöhnlich war. Phyllida war bei all ihren anspruchsvollen Maßstäben und ihrem strengen Pflichtbewusstsein ein durch und durch optimistischer, pragmatischer und fröhlicher Mensch. Obwohl sie meist gezwungen war, sich zurückhaltend zu benehmen – schließlich führte sie die Mehrheit des Hauspersonals und verwaltete auch das Haushaltsgeld –, war sie dafür bekannt, mit den Zimmermädchen Whist zu spielen oder ihnen bei Modefragen zu helfen, wenn sie ihren freien Tag hatten.

Einer Hausangestellten hatte sie Ratschläge wegen des vorigen Chauffeurs gegeben (ein schlechter Kandidat, da er anderen Frauen nachschaute und auch die Finger nicht bei sich behalten konnte). Und mehrere Küchenmädchen hatten sie bei einem Wurf flauschiger Kätzchen weich werden sehen.

Zwei jener kleinen Katzen hatten daraufhin den Weg in ein Körbchen in Phyllidas Wohnzimmer gefunden, zu ihrer Detektivromansammlung und den vielen anderen Büchern, und waren inzwischen ausgewachsene, seidig glänzende Katzen, die ihren alten Schlafplatz verschmähten. Allerdings halfen Stilton und Rye, die Mäuse fernzuhalten, die sich gern in der Speisekammer einnisten würden. Wenn Phyllida die Katzen hin und wieder auf dem Schoß hielt, bescherten sie ihr Augenblicke der Ruhe und Erholung. Was sie immer besonders schätzte, nachdem sie mit Mr Dobble zu tun gehabt hatte.

Phyllida hatte sich nicht im Gesindedienst hochgearbeitet, wo man mit dreizehn oder vierzehn Jahren als Küchen- oder Zimmermädchen anfing, um allmählich zur Haushälterin aufzusteigen. Das war recht ungewöhnlich. Tatsächlich hatte sie ihren Posten erst angetreten, als der Krieg schon ein paar Jahre vorbei und ihre Arbeit für die britische Armee beendet war.

Die Gründe, weshalb sie die Beschäftigung als Haushälterin in einem großen Herrenhaus angenommen hatte, waren exzellent und gingen außer ihr selbst niemanden etwas an. Auch deshalb war das Verhältnis zwischen Mr Dobble und ihr nicht besonders freundlich. Eine Frau, die diese begehrte Position erlangt hatte, ohne zuvor jahrelang Böden zu schrubben (soweit er wusste), und die für solch eine bedeutende Rolle in einem vornehmen Haus vergleichsweise jung war (obwohl gewiss nicht so jung und definitiv nicht unerfahren), schien seinen Argwohn zu erregen. Und obwohl er es darauf anlegte, ließ Phyllida sich nicht dazu herab, ihm Einzelheiten ihrer Herkunft und ihres Familienstands zu verraten oder auch nur ihr Alter zu nennen, selbst wenn sie sich gedrängt fühlte.

Doch Mr Dobbles Abneigung gegen sie, dessen war sie sich sicher, rührte auch daher, dass sie ihrem Nachnamen gerecht wurde, zum einen durch ihre Persönlichkeit, zum anderen durch ihre Haarfarbe. Denn sie war nicht nur ein heiterer Mensch, sondern hatte auch leuchtend rotblonde Haare.

Bei ihrer ersten Begegnung hatte der Butler sie von oben bis unten gemustert und vorgeschlagen, sie solle – so wörtlich – »das Feuer auf ihrem Kopf eindämmen«.

Sie hatte umgekehrt auf den Vorschlag verzichtet, er solle sich den Stock aus dem Hintern ziehen, der da offenbar hineingeraten sei. Seitdem sorgte sie dafür, dass ihre feurigen Haare glatt gekämmt, doch nicht im Mindesten eingedämmt waren, wann immer sie Mr Dobble begegnete. Zum Glück trugen Haushälterinnen keine Hauben, und so loderte ihr unbedecktes Haupt nach wie vor wie ein Leuchtfeuer.

Gerade hatte sie die Vorhänge aufgezogen, um Licht in die Bibliothek zu lassen, als die Tür aufging.

Mr Dobble trat leise ein, wie es von einem guten Diener erwartet wurde. Er war etwa fünfzig Jahre alt (auch er blieb in dieser Hinsicht vage), stets glatt rasiert und hatte einen völlig kahlen Kopf mit einer ausgeprägten Delle über dem linken Ohr (weshalb das Personal ihn, wenn er außer Hörweite war, nur »Old Dent« nannte).

An dem Butler war alles lang – Ohren, Finger, Oberkörper, die Haare seiner grauen Augenbrauen –, nur seine Beine nicht, die waren vergleichsweise kurz. Dabei war er keineswegs klein geraten, doch seine Größe ergab sich hauptsächlich durch den Oberkörper. Er hatte dunkle Augen und sehr blasse Haut, die noch dazu vollkommen glatt war. Phyllida vermutete stark, dass er sie mit einer sehr guten Gesichtscreme verwöhnte.

Wie die meisten Butler kleidete er sich genauso gut wie die Herrschaft. Da niemand von der Oberschicht für einen Bediensteten gehalten werden wollte, gab es bei der Bekleidung eines Butlers immer ein unpassendes Element, etwa eine unmoderne Krawatte, einen abgetragenen Mantel, eine schlecht geschnittene Hose. Solche geringfügigen Anachronismen halfen den Mitgliedern der Oberschicht, den Butler von ihresgleichen zu unterscheiden – allerdings war Lord Haldane deswegen bei einer Zugfahrt von einem Zimmermädchen für einen Butler gehalten worden.

Mit entschlossener, überheblicher Miene und anklagendem Blick machte Mr Dobble drei Schritte in die Bibliothek hinein und setzte zu einer zweifellos scharfen Bemerkung an.

In dem Moment jedoch sah er den Toten. Er blieb abrupt stehen, und zwar mit einem ungewollten Aufschrei, der die bissigen Worte verhinderte.

»Wie Sie sehen, Mr Dobble, gibt es hier einen Vorfall.«

»Ich werde sofort die Polizei verständigen.« Er hatte sich schnell gefasst. Phyllida war entzückt, weil er im ersten Moment wesentlich erschrockener reagiert hatte als sie.

Sie verkniff sich ein befriedigtes Lächeln. »Ich habe bereits mit Constable Greensticks gesprochen. Ich nehme an, er wird in Kürze eintreffen, vermutlich mit dem Bereitschaft habenden Arzt. Daher bleibt nur wenig Zeit, das Personal vorzubereiten und Mr Max und Mrs Agatha zu informieren.« Wie es sich gehörte, wartete sie diskret, bis der Butler die Kontrolle über die Situation an sich zog.

»Ich werde Mr Max informieren«, sagte er. »Und die Diener natürlich. Sie kümmern sich um Ihre Mädchen, Mrs Bright. Ich hoffe doch, Sie werden ihre schrille Erregung zügeln können. Wie Sie wissen, haben wir Gäste.«

Sie bedachte ihn mit einem kühlen Lächeln. »Ich werde mich bemühen, die Theatralik der Mädchen auf einen dumpfen Aufschrei zu begrenzen.«

Er wandte seinen Blick der Leiche zu und stutzte. »Grundgütiger. Ein Füllfederhalter?«

»In der Tat.« Phyllida trat näher heran. »Ziemlich erschreckend.«

»Das ist wohl der Journalist, nicht wahr? Der Mrs Agatha interviewen wollte. Mr Waring.«

»Soweit ich weiß, ja.« Nicht sie hatte die Gäste an der Tür empfangen, sondern Mr Dobble, aber sie hatte sich von jedem einen ersten Eindruck verschaffen können. Dafür hatte sie gesorgt, denn schließlich waren es ihre Hausmädchen, die sich um die Zimmer und die allgemeinen Bedürfnisse der Gäste kümmern würden.

Wenn sich in der düsteren Situation ein Lichtblick erkennen ließ, dann der, dass es für Mr und Mrs Mallowan weniger erschütternd war, weil sie den Toten nicht gekannt hatten. Aber trotzdem, sein Mörder hatte ihn gekannt.

Mr Dobble brummte nachdenklich. »Gegen die Flecken Karbol, würde ich meinen.«

»Vorher jedoch in Salzwasser einweichen.«

»Und die Tapete?«

»Milch und kochendes Wasser natürlich. Zum Abschluss Lavendelpolitur.«

»Ich lasse Stanley und Freddie den Teppich hinaustragen, sobald die Leiche … äh, so bald wie möglich.«

»Dafür wäre ich dankbar, Mr Dobble.« Und Ginny auch, dachte sie trocken, denn Stanley war der Schwarm des weiblichen Personals.

Sie schauten beide auf die Leiche, und offenbar war keiner von ihnen bereit, aktiv zu werden.

Im Haus einer Schriftstellerin, die erfolgreiche Detektivromane schrieb, waren Leichen ein konstanter Quell der Erörterung, einschließlich der Feinheiten bestimmter Mordmethoden. Vergiften und Erstechen (aber ohne so viel Blut) waren Mrs Agathas bevorzugte Arten, gelegentlich auch Strangulieren. Jeder im Herrenhaus war daran gewöhnt. Doch nun zu erleben, dass in ihrem Haus tatsächlich ein Mord stattgefunden hatte … nun eine echte Leiche auf dem Boden liegen zu sehen, der jemand ein Schreibgerät in die Halsschlagader gestochen hatte …

Nach den Blutflecken auf dem Teppich zu urteilen, war Mr Waring nicht sofort tot gewesen, sondern stark blutend und auf Rettung hoffend über den Boden gekrochen. Wenn sie sich die letzten Augenblicke des Mannes vorstellte, schauderte Phyllida. Der Mord musste während der Nacht passiert sein, sonst hätte doch jemand etwas gehört.

»Wer konnte etwas Derartiges tun?« Mr Dobble klang zutiefst entsetzt, und sein steifes Benehmen ließ für den Moment nach.

»Ich kann mir niemanden vorstellen«, antwortete sie genauso bewegt. »Aber es muss jemand aus dem Haus gewesen sein.«

Dem Butler stockte der Atem. Dann murmelte er einen Ausdruck, den Phyllida seit ihrer Zeit bei den Streitkräften nicht mehr gehört hatte. Sie war jedoch geneigt, seinem Empfinden zuzustimmen.

Alle Gedanken daran, Flecken zu entfernen, Uhren zu ölen und Personal zu instruieren – Pflichten, die sie eben noch als Schutzschild gegen die Wirklichkeit benutzt hatte –, verflüchtigten sich, als ihr etwas ganz empfindlich bewusst wurde.

In dem schönen, ruhigen Mallowan Hall hielt sich ein Mörder auf.

2

Mallowan Hall war ein bescheidenes Herrenhaus mit fünfzehn Gästezimmern, zwei Arbeitszimmern für die Herrschaften und einer Reihe von Wohnzimmern und Salons. Es stand in den dicht bewaldeten Hügeln von Devonshire, unweit von Cornwall. Um die Jahrhundertwende erbaut, war es für einen Landsitz überraschend modern ausgestattet, mit fließendem Wasser und eingebauten Toiletten, elektrischem Licht in der Küche, im Erdgeschoss und in allen Schlafräumen.

Phyllida hätte eine Stelle als Haushälterin nicht angenommen, nicht einmal bei Mrs Agatha, wenn das Haus kein elektrisches Licht und fließend warmes Wasser gehabt hätte. Ständig Gaslampen zu reinigen – die stark rußten und Decken und Wände schwärzten – war eine Aufgabe, die sie in keinem Haushalt dem ihr unterstellten Personal zumuten wollte.

Gebaut aus rotem Backstein, mit sieben Schornsteinen, vier Stockwerken, Dachboden und Keller, bot es eine imposante Fassade mit zwanzig Fenstern und einer stattlichen Haustür mit großem Lünettenfenster, die sich in einen hellen, drei Stockwerke hohen Flur öffnete. Die geschwungene Auffahrt, von der ein Weg zur Garage abzweigte, war gesäumt mit sauber geschnittenen Thujahecken, Buchsbaumspiralen und großen Pflanztöpfen mit Efeu, roten Begonien und frühlingshaften rosa Gerbera.

Zum Haus gehörten Terrassen und bunte Gärten, ein kleiner Obstgarten, Reitwege und jenseits davon dichter Wald. Eine fünf Fuß hohe Mauer verlief über die sanft ansteigenden Hügel und sogar ab der Brücke über den Bach an der Nordseite des Grundstücks entlang.

Von Listleigh aus erreichte man Mallowan Hall mit dem Auto über die schmale kurvenreiche Straße in fünfzehn Minuten. Das beliebteste Haus des Dorfes war der Pub Screaming Magpie, bekannt für sein dunkles nussiges Bier und die reizbare Wirtin. Ein Postamt, eine Apotheke, eine Arztpraxis, eine Kirche, einen Teeladen und eine Gemischtwarenhandlung gab es dort ebenfalls, zudem eine Metzgerei, eine Schusterei und ein Wäschegeschäft.

Seit Phyllidas Telefonat mit Constable Greensticks war kaum eine Viertelstunde vergangen, als er in einem Wagen angebraust kam. Seine enthusiastische Fahrweise wirbelte Staub und Kies auf, und nachdem das Auto schlingernd zum Stehen gekommen war, hatte es im Kies der Auffahrt tiefe Reifenspuren hinterlassen. Phyllida überraschte es nicht, dass der Lack des Wagens an einigen Stellen zerschrammt war und die Beifahrertür eine kleine Delle hatte.

Gleich hinter ihm holperte ein zweites Auto in eher umsichtigem Fahrstil heran.

Mittlerweile hatte sich die Neuigkeit unter den Hausangestellten herumgesprochen. Phyllida hatte Ginny und Mary – die sich normalerweise im Vorderhaus um alle Salons im Erdgeschoss kümmerten und immer wieder unter einem Vorwand die Bibliothek betreten wollten – in sehr bestimmtem Ton in das Musikzimmer geschickt, das sich im anderen Flügel des Hauses befand.

Benita wurde gesehen, wie sie die Stufen an der Hausseite tünchte, nahe beim Vordereingang, obwohl sie das schon bei Tagesanbruch getan hatte und gerade eigentlich in der Küche sein sollte, um die Eier zu waschen. Und die Gärtner und Diener hatten auch dringende Gründe gefunden, sich an der Vorderseite des Hauses aufzuhalten.

Die Zofe und die drei Kammerdiener, die mit den Gästen nach Mallowan Hall gekommen waren, hatten die Neuigkeit offenbar auch erfahren, doch sie konnten keinen Grund vorschieben, um herumzuschlendern und zu lauschen. Sie beendeten gerade ihr Frühstück und mussten ungeduldig warten, bis der Klatsch sie in dem Esszimmer im Souterrain erreichte – aber das würde gewiss nicht mehr lange dauern.

Mr Max war vom Butler über die Situation unterrichtet worden und wollte seiner Frau, die gerade aufgestanden war, den Vorfall selbst mitteilen. Laut Mr Dobble würden die Mallowans noch abwarten und ihre Gäste erst später informieren, da sie nach der langen Reise länger schliefen, und Mr Max würde in Kürze mit dem Constable und anderen Befugten in seinem Arbeitszimmer sprechen. Phyllida beschloss, Mrs Agatha ihren Morgentee zu bringen, anstatt das einem Zimmermädchen zu überlassen.

Mr Dobble brachte Constable Greensticks und den anderen Herrn, der eine Arzttasche bei sich trug, in die Bibliothek. Obwohl der Butler ihr einen bezwingenden Blick zuwarf, weigerte sie sich, von der Tür wegzugehen. Denn natürlich würde die Polizei mit ihr sprechen wollen, da sie die Leiche entdeckt hatte. Und da sie für reibungslose Abläufe im Haushalt sorgen sollte, musste sie unbedingt erfahren, was vor sich ging.

Inzwischen hatte der Constable seine Belustigung offenbar bezwungen und grüßte Phyllida angemessen ernst. Er war ein kleiner, wichtigtuerischer Mann mit einem üppigen dunklen Schnurrbart, der sie trotzdem nicht im Geringsten an Hercule Poirot erinnerte.

Phyllida hielt sich für eine Expertin, was Mrs Agathas berühmteste Detektivfigur betraf, und sie war zurzeit auch deshalb unverheiratet, weil sie noch keinen Mann gefunden hatte, der den Maßstäben des belgischen Detektivs gerecht wurde. Obwohl er der Fantasie ihrer Herrin entsprungen war, hatte Phyllida für den kleinen geistreichen Herrn und seine brillanten grauen Zellen eine zärtliche Neigung entwickelt und teilte seine Vorliebe für Ordnung und methodisches Vorgehen.

Constable Greensticks mochte mit dem Detektiv einiges gemeinsam haben, er hatte jedoch mehr von einem Inspector Japp als von einem Monsieur Poirot – vor allem weil besagter Schnurrbart dringend gestutzt werden musste und die Jacke erbärmlich an Greensticks herunterhing und ihm um seine Knie schlenkerte. Zudem war sein Notizbuch knittrig und fleckig; den Bleistift hatte er sich hinters Ohr geklemmt.

Dennoch repräsentierte er die Polizei von Listleigh, und auch wenn sein Name etwas anderes suggerierte, war er weder schlank noch grün hinter den Ohren. »Ich habe Scotland Yard angerufen. Der Inspector wird gleich ankommen. In der Zwischenzeit werde ich den Tatort untersuchen, einige Informationen notieren und dem Doktor assistieren.«

Dr. Bhatt war ein Mann von vierzig Jahren mit rötlich brauner Haut und schwarzen Haaren. Sein Schnurrbart war ebenfalls üppig, glänzte ohne Pomade und war makellos gekämmt. Kein einziges Haar war zu lang, zu kurz oder tanzte aus der Reihe. Solch eine Erscheinung hätte sicherlich ein ernst gemeintes Kompliment von Monsieur Poirot erfahren, wäre er zugegen gewesen. Das einzige körperliche Merkmal, das Dr. Bhatts gutes Aussehen schmälerte, war die auffällige Hakennase.

»Mrs Bright. Mr Dobble. Ich bedauere die Umstände, die mich hergeführt haben.« Er sprach ein klares Englisch, wenn auch mit einem ganz leichten Akzent, der seine ursprüngliche Heimat erahnen ließ. Er wirkte tüchtig und zugleich ungezwungen und machte den Eindruck, als könnte er auch herausfordernden Situationen mit Ruhe und Tapferkeit begegnen.

Unter dem Klirren von Phyllidas Schlüsselbund betraten sie zu viert schweigend die Bibliothek, und der Arzt kniete sich sofort neben Mr Waring.

Phyllida konnte nicht anders: Sie rückte nah an ihn heran, um zu beobachten, was er tat, und schloss die Hand um ihre Schlüssel, damit sie nicht klirrten. Als eifrige Leserin von Detektivromanen war sie von Neugier getrieben, und als ehemalige Schwesternhelferin, die an der Front furchtbare Verletzungen versorgt hatte, wurde sie von der Hässlichkeit des Todes nicht abgeschreckt.

Dr. Bhatt schien nichts dagegen zu haben, dass sie neben ihm stand. Er agierte unbefangen und effizient, und als er kurz darauf aufstand und sie ansah, gab es zwischen ihnen einen Moment respektvoller Verbundenheit. »Tod durch einen Einstich in die Halsschlagader. Er ist verblutet und hätte wahrscheinlich nicht mehr gerettet werden können. Der Tod ist zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens eingetreten. Ich sehe keinen Grund für eine Leichenschau, da die Todesursache eindeutig ist, und bin mir meiner Schlussfolgerungen sicher.«

»Ein Füllfederhalter als Waffe«, sagte der Constable kopfschüttelnd und schnalzte mit der Zunge, während er sich Notizen machte. »Eine verdammt hässliche Art zu sterben.« Er blickte auf. »Wenn der Inspector kommt, wird er mit allen sprechen müssen. Wie viele Leute befinden sich im Haus?«

»Siebzehn Angestellte – nein, achtzehn mit dem neuen Chauffeur, der gestern angefangen hat – einschließlich dem Gärtner, unserem Faktotum, Mrs Bright und mir selbst«, sagte Mr Dobble, während Phyllida im Stillen seufzte, denn genau das hatte sie erwartet. Die Abläufe im Haus würden umso mehr gestört, wenn sie die Zimmermädchen und das Küchenpersonal von der Arbeit wegholte, damit sie mit der Polizei sprachen.

»Mr und Mrs Mallowan haben zu einer mehrtägigen Gesellschaft eingeladen. Deshalb sind acht Gäste im Haus«, fuhr Mr Dobble fort. »Mr Waring war ein neunter. Und es gibt eine Zofe und drei Kammerdiener aufseiten der Gäste. Sie befinden sich derzeit in der Gesindestube und warten darauf, gerufen zu werden.«

Constable Greensticks brummte kurz und fragte: »Waring war zu der Gesellschaft eingeladen?«

Mr Dobble wiegte den Kopf. »Er war hier, um Mrs Mallowan zu interviewen. Wie Sie wahrscheinlich wissen, ist sie Schriftstellerin und berühmt für ihre Detektivromane.«

Dr. Bhatt stutzte und riss die Augen auf. Zum ersten Mal wurde er lebhaft. »Meinen Sie etwa – nein, nein, das kann nicht wahr sein, oder? Mrs Mallowan ist Agatha Christie?«

Mr Dobble nickte betont gelangweilt, aber Phyllida wusste genau, wie stolz er auf seine Arbeitgeberin war. Er besaß selbst eine große Sammlung ihrer Romane und Geschichten.

»Bemerkenswert!« Dr. Bhatt strahlte, dann schien er sich darauf zu besinnen, dass er sich am Schauplatz eines Mordes befand, und sein Lächeln verblasste. Doch er konnte nicht widerstehen und bekannte, was bereits alle ahnten: »Ich bin ein begeisterter Leser ihrer Bücher und besonders der Geschichten von Mr Quin.«

Was immer sich daraus ergeben hätte (möglicherweise eine Diskussion über die Ursprünge der rätselhaften literarischen Figur), es kam nicht dazu. Denn jemand klopfte an die Tür, die Mr Dobble diskret hinter sich geschlossen hatte. Er ging hin und öffnete sie gerade weit genug, um einen Herrn hereinzulassen, aber nicht so weit, dass der gaffende Diener, der ihn zur Bibliothek geführt hatte, seine Neugier befriedigen konnte.

»Inspector.« Der Constable begrüßte den Neuankömmling und stellte ihn den Übrigen vor.

Detective Inspector Cork weckte auf den ersten Blick kein großes Vertrauen in seine Ermittlerfähigkeiten – zumindest nicht bei Phyllida. Er war jünger als sie, Ende dreißig vielleicht, und hatte blaue, leicht vorstehende Augen, sodass er permanent verblüfft aussah. Er trug einen hellbraunen Schnurrbart und einen Trilby in derselben Farbe, die beide jedoch nur der Konvention dienten und Pflege erforderten (welche bei dem Hut sichtlich vernachlässigt worden war, denn er musste dringend gebürstet werden).

Aber Phyllidas rasches Urteil bezüglich seiner Fähigkeiten war vor allem seinen Sommersprossen über der Nasenwurzel und auf den Wangen geschuldet. Er kam ihr schlicht zu jung und jungenhaft vor, als dass er ein guter Ermittler sein konnte.

Der Constable und der Arzt versorgten den Mann von Scotland Yard mit den Erkenntnissen, die sie inzwischen gewonnen hatten. Dann drehte sich Inspector Cork mit seinen Fischaugen zu ihr um.

»Mrs Bright, Sie haben die Leiche entdeckt. Um welche Uhrzeit war das? Ist Ihnen im Raum etwas aufgefallen?« Seine Stimme passte nicht zu seiner jungenhaften Erscheinung, denn sie war tief und rau.

»Es war kurz vor sieben. Normalerweise kümmert sich Ginny, eines der Zimmermädchen, um die Bibliothek, doch sie war noch nicht hier, und ich wollte die Fenster sofort öffnen, weil es gestern Abend gestürmt hat. Es geht nichts über die frische Morgenluft nach einem ordentlichen Sommerregen. Hier war alles wie immer, abgesehen von dem armen Mr Waring.« Und ehe der Inspector fragen konnte, sprach sie weiter. »Ich habe nichts angefasst, habe mich nur hingekniet, um nachzusehen, ob er wirklich tot ist – obwohl ich mir dessen ziemlich sicher war –, und dann habe ich Constable Greensticks angerufen.«

Sie spürte bei Mr Dobble, der hinter ihr stand, eine gewisse Unruhe. Vermutlich ärgerte er sich von Neuem, weil sie nicht als Erstes ihn, sondern die Polizei verständigt hatte.

»Die Terrassentüren wurden hier gestern Abend um welche Uhrzeit geschlossen, Mrs Bright?«

Sie schaute zu den beiden Glastüren. »Das dürfte gegen halb zehn gewesen sein. Sie wurden verriegelt wie immer. Die Mallowans und ihre Gäste spielten Bridge im Musikzimmer, als es anfing zu stürmen. Meines Wissens war niemand mehr hier, nachdem Stanley die Fenster geschlossen und die Türen verriegelt hatte. Ich habe die Vorhänge angefasst, um sie aufzuziehen und Licht hereinzulassen, wissen Sie, und ich habe auf dem Schreibtisch ein paar Dinge geradegerückt.«

Inspector Cork schrieb etwas in ein makelloses Notizbuch, dann blickte er scharf auf. »Verzeihen Sie die Frage, Mrs Bright, aber die Entdeckung der Leiche scheint Sie nicht sonderlich zu erschüttern.«

»Falls Sie wissen möchten, ob ich geschrien habe oder auf andere Weise laut wurde, lautet die Antwort nein – allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das für die Untersuchung relevant ist. Ich war Schwesternhelferin an der Front, Inspector. Ich habe schon Schlimmeres gesehen.«

Er brummte und blickte zum Schreibtisch und dann zu dem toten Mr Waring. »Und der Füllfederhalter, erkennen Sie ihn?«

»Ich … ich habe mich nicht nah genug herangebeugt, um es mit Sicherheit sagen zu können.« Sie ärgerte sich, weil sie ins Stocken geraten war. »Aber auf dem Schreibtisch fehlt der Füllfederhalter. Es könnte derselbe sein. Beide sind schwarz. Die Schere und der Briefbeschwerer liegen jedoch noch an ihrem Platz.« Sie blickte den Inspector vielsagend an und sah in seinen Augen Begreifen aufleuchten.

Warum hatte der Mörder nicht die Schere benutzt oder Waring mit dem Briefbeschwerer erschlagen? Ein Füllfederhalter schien ein unzuverlässigeres Mordwerkzeug zu sein als eine Schere oder ein Klumpen Achat.

Inspector Cork wandte sich ab und schritt zu dem Toten, um neben ihm in die Hocke zu gehen. Als er wieder hochkam, hielt er die Mordwaffe in einem Taschentuch.

Phyllida betrachtete das Schreibgerät, das blutig war und glitschig aussah. »Ja, das ist der Füllfederhalter vom Schreibtisch.«

Ihr fiel auf, dass Inspector Cork so tat, als sähe er sie nicht, während er das Taschentuch mit der Mordwaffe dem Constable reichte und sich dann etwas notierte. Hatte er ihren Mut auf die Probe stellen wollen, als er ihr das blutige Mordwerkzeug vor die Nase hielt? Hatte er sehen wollen, wie sie auf den abstoßenden Anblick reagierte?

Phyllida Bright war aus härterem Holz geschnitzt.

»Sie sagen, Mr Waring war als Journalist hier.« Der Inspector wandte sich Mr Dobble zu. »Nicht als Gast von Mr und Mrs Mallowan.«

»Ja, Sir, das ist richtig. Er kam gestern unerwartet, gerade als die übrigen Gäste eintrafen. Statt wie sonst von Samstag bis Montag geht es diesmal von Mittwoch bis Freitag, da Mrs Mallowan am Samstag in London sein muss.«

Phyllida und der Inspector horchten auf. »Unerwartet? Sie meinen, Mrs Chri… ich wollte sagen, Mrs Mallowan hat Mr Waring nicht erwartet?«

»Meines Wissens nicht, Sir, nein. Doch das ist nicht besonders ungewöhnlich, da Journalisten gern versuchen, sie zu einem Interview zu bewegen. Manchmal rufen sie vorher an, und manchmal stehen sie plötzlich vor der Tür und hoffen das Beste.«

»Also hat Mr Waring auf das Beste gehofft. Und stattdessen wurde er umgebracht.« Inspector Cork sah Mr Dobble und dann Phyllida mit kühler, skeptischer Miene an. »Sehr interessant.«

Die letzte Bemerkung klang mehr wie eine Drohung und weniger wie eine Feststellung.

3

Mit diesem unheilvollen Gedanken entschuldigte sich Phyllida und überließ es Mr Dobble, mit den beiden Herren zum Ende zu kommen. Es war halb acht durch, und Mr Max hatte seine Frau sicher schon mit der Neuigkeit geweckt. Mrs Agatha dürfte ihren Tee trinken wollen, und Phyllida wollte ihn fertig haben, bevor sie danach läutete.

Das erforderte einen Gang in die Küche, was Phyllida gut passte, denn sie musste sich vergewissern, dass Mrs Puffley und ihre Helferinnen durch die Ereignisse nicht abgelenkt waren (was natürlich der Fall war). Frühstück, Lunch, Tee und Dinner mussten zubereitet werden.

Sie schaute bei der Dienerschaft der Gäste herein, ein wenig irritiert, weil nur eine der Damen ihre Zofe mitgebracht hatte. Deshalb würde Violet – und wenn nötig auch Bess – den anderen beiden beim Ankleiden helfen müssen. Phyllidas Personal würde also nicht nur abgelenkt, sondern auch bald überlastet sein. Es wirkte sich immer störend aus, wenn Frauen zu Gesellschaften anreisten, ohne ihr eigenes Mädchen mitzubringen. Es war leichter, für mehr Essen und mehr Schlafgelegenheiten zu sorgen, als Violet und Bess zusätzliche Aufgaben aufzubürden.

Die vier fremden Dienstboten saßen an dem langen Tisch in der Gesindestube gleich neben der Küche. Die Reste des Frühstücks standen noch da, würden aber erst weggeräumt werden, nachdem man oben das Frühstück serviert hätte. Da sie zu Gast waren, hatten sie nichts zu tun, bis ihre Herrschaften nach ihnen läuteten – wahrscheinlich in ein oder zwei Stunden.

»Ist es wahr?« Fanny erhob sich halb von ihrem Platz, als sie Phyllida hereinkommen sah. Sie war blass, und ihre Augen waren größer als sonst.

»Wenn Sie damit meinen, dass heute früh ein Mann tot aufgefunden wurde, ja«, antwortete Phyllida. »Ihre Herrschaften schlafen noch«, sagte sie zu den Besuchern, »und der Inspector von Scotland Yard wird Sie alle befragen. Sie müssen hierbleiben, bis nach Ihnen verlangt wird und Sie nach oben gebracht werden.« Als Gäste kannten sie die Lage der Räumlichkeiten nicht, besonders die im Erdgeschoss, und Phyllida wollte gewiss nicht, dass sie sich verirrten und die übrige Dienerschaft von der Arbeit abhielten.

Nachdem sie die missliebige Neuigkeit ausgesprochen hatte und keinen Grund sah, auf eine Reaktion zu warten, eilte sie hinaus, um nachzusehen, was ihre eigenen Leute taten.

»Molly, bereiten Sie das Tablett für Mrs Agatha vor, ich trage es dann hinauf«, sagte sie beim Betreten der Küche. »Und denken Sie an den Keks für Peter.«

Der Raum war lang, laut und relativ kühl, da er im Souterrain lag. Ein großer Arbeitstisch voller Schnittkerben und Brandflecken nahm fast die ganze Länge ein. An einer Seite arbeiteten zwei Küchenmädchen, an der anderen Seite die Köchin. Ein großer Gasherd, zwei Backöfen und etliche Geschirrschränke standen an einer der weiß getünchten Ziegelwände. Nebenan befand sich die Spülküche und gleich um die Ecke der Eisschrank neben dem Anrichtezimmer.

Dahinter lag die Abstellkammer, wo die Bett- und Tischwäsche lagerte, weiter hinten am Korridor der Destillationsraum, wo Phyllida über die Herstellung von allerlei Haushaltsmitteln wachte wie etwa Zahnpulver, Pomaden und Lavendelsäckchen, aber auch viele Liköre, Sirups und Putzmittel, die in Mallowan Hall verwendet wurden.

Der Duft von gebratenem Speck und geröstetem Brot erinnerte sie daran, dass sie heute Morgen nur Tee zu sich genommen hatte. Und wie es schien, hatte Mrs Puffley aus getrockneten Granny-Smith-Äpfeln Apfel-Zimt-Muffins gebacken, für die Phyllida besonders schwärmte. Töpfe und Pfannen schepperten, Schüsseln trudelten, Teller klirrten, Messer klopften auf Schneidbretter. Mrs Puffleys Gesicht war gerötet, wie immer, wenn sie arbeitete.

»Ist es wahr, Mrs Bright?«, fragte die Köchin und blickte von der großen Schüssel auf, in der sie mit einem Schneebesen rührte. Sie war eine hochgewachsene, stämmige Frau, und ihr kräftiger Arm bewegte sich schnell wie ein Propeller.

»Wenn Sie davon sprechen, dass Mr Waring in der Bibliothek tot aufgefunden wurde, ja, das ist wahr.«

Hinter ihr klirrte es, dann gab es einen lauten Schlag. Phyllida drehte sich um und sah Rebecca entsetzt auf die zerbrochene Teekanne starren, während der Inhalt in die Ritzen der Holzdielen sickerte.

Rebecca jammerte bestürzt und beschämt, weil sie in Gegenwart ihrer Vorgesetzten so ungeschickt gewesen war. Sie eilte, um den Besen zu holen, als Mrs Puffley sie laut dazu aufforderte, und das Spülmädchen Benita kam angelaufen. Phyllida blieb bei alldem ruhig.

Sie bückte sich, um die größten Scherben aufzuheben. Derlei Missgeschicke waren zu erwarten, wenn im Haus ein Mord stattgefunden hatte, nicht wahr? Und man konnte nichts anderes tun, als weiterzuarbeiten.

»Na, na, Rebecca! Mrs Bright sollte sich nicht bücken müssen, um hinter deiner Tollpatschigkeit aufzuräumen!«, tadelte Mrs Puffley ungehalten, stellte ihre Schüssel hin und griff nach einer Zuckerschale. »Los, beweg dich und wisch das auf.«

»Halb so wild, Mrs Puffley«, erklärte Phyllida und warf die Scherben in den Abfalleimer. »Rebecca wird den Rest auffegen. Molly, Sie holen eine neue Teekanne für Mrs Agatha.«

»Es heißt, er wurde ermordet«, sagte die Köchin, während sie weiter in der Schüssel rührte. Vermutlich schlug sie den Eischnee für die Zitronentörtchen, die es zum Tee geben sollte. »Stimmt das?«

»So scheint es, denn ich glaube nicht, dass man sich selbst mit einem Füllfederhalter erstechen kann.« Es gab keinen Grund, das zu verschweigen, vor allem da der Inspector jeden befragen würde, und Phyllida zog es vor, dass ihr Personal die Fakten kannte, damit keine Gerüchte in die Welt gesetzt wurden, die gewöhnlich schlimmer ausfielen als die Wahrheit.

»Mit einem Füllfederhalter? Gütiger Himmel! Also, ich verstehe nicht, warum einer dafür einen Füllfederhalter nehmen sollte.« Mrs Puffley ließ den Blick über die vielen scharfen Messer in der Küche schweifen, als wollte sie hinzufügen: wenn es so viele andere Mittel gibt.

»Wo wurde er damit gestochen, Mrs Bright?«, hakte Molly nach. Sie war das oberste Küchenmädchen und schon im Haus gewesen, als Phyllida dort angefangen hatte. Sie war die Einzige, die es wagte, sie direkt anzusprechen.

»Am Hals. Wie man sich denken kann, ein grausiger Anblick. Und dabei fällt mir etwas Wichtiges ein«, sagte sie lauter, da gerade Stanley, Freddie, Ginny und Mary hereinkamen, die alle im Erdgeschoss und in den Salons arbeiteten. Die Neugierigen, dachte sie im Stillen lächelnd. Aber würde sie selbst nicht auch ins Souterrain flitzen, um Neues zu erfahren?

»Inspector Cork von Scotland Yard wird jeden einzeln befragen. Ich erwarte, dass Sie ehrlich antworten, ihm alles sagen, was Sie wissen, ohne etwas hinzuzudichten, was Sie nicht wissen, und dann sofort wieder an Ihre Arbeit gehen.« Sie schaute nacheinander jedem ins Gesicht. »Es wird nicht herumgestanden, auf Türen gestarrt und getratscht, haben Sie verstanden? Mr Max und Mrs Agatha haben Gäste, die versorgt werden müssen, und auch die werden tief bestürzt sein. Das sind wir alle.« Mit Ausnahme des Mörders, wandte eine innere Stimme ein.

Alle nickten, doch Mrs Puffley erwiderte: »Ich habe überhaupt keine Zeit, um nach oben zu gehen. Wenn der Mann mit mir sprechen will, kann er sich nach unten bemühen. Ich bleibe hier. Ich muss Lachs-Mousse herstellen, mich um die Braten kümmern und eine Kaninchensuppe für den Lunch kochen – und das Kaninchen wird sich nicht selbst entbeinen. Sie wissen, wie klein Kaninchenknochen sind. Beinahe wie Fischgräten. Und dann muss es durchs Sieb passiert werden.«

Phyllida unterdrückte einen Seufzer. Typisch Mrs Puffley, dass sie sich querstellte. Sie war eine ausgezeichnete Köchin und glaubte deshalb, sie könne sich über Konventionen hinwegsetzen. »Ich werde das Inspector Cork vorschlagen, doch wenn er darauf besteht, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als Ihr Reich vorübergehend zu verlassen. Vielleicht sollte ich die Apfel-Zimt-Muffins erwähnen, damit er sich in die Küche locken lässt. Bei mir würde das wirken. Molly, steht das Tablett bereit?«

»Ja, Ma’am.« Rasch trat sie damit vor. »Soll ich es nach oben tragen, Mrs Bright?«

Phyllida hatte Verständnis für ihre Neugier – die junge Frau saß schon den ganzen Morgen in der Küche fest und hatte vermutlich Kaninchenfleisch zerkleinert (eine furchtbar mühsame Arbeit). »Ja, das wäre hilfreich.« Während Molly mit dem leise klirrenden Tablett zur Treppe ging, wandte sich Phyllida noch einmal an die Übrigen. »Ich beabsichtige, bei den Befragungen dabei zu sein. Sie werden in der Reihenfolge der Dienstränge befragt, und Mr Dobble und ich haben eingewilligt, dass das in meinem Wohnzimmer stattfindet. Ich werde läuten, wenn es losgeht.«

Als die verschiedenen Antworten zufriedenstellend ausfielen, verließ sie die Küche und begab sich über die Hintertreppe in den dritten Stock. Die Mallowans bestanden zwar nicht sehr streng darauf, dass die Dienstboten ihren Aufgaben möglichst unsichtbar nachgingen – in manchen Haushalten mussten die Angestellte ihre Arbeit sofort unterbrechen und das Schlafzimmer leise verlassen, wenn ein Mitglied der Familie hereinkam, um sich ein Taschentuch zu holen –, aber Phyllida sorgte dafür, dass ihre Zimmermädchen so unauffällig wie möglich blieben, ohne dass die Arbeit darunter litt. Besonders wenn Gäste im Haus waren, so wie heute.

Molly wartete oben an der Hintertreppe bei der Schwingtür auf sie, ebenso Violet, die meistens Mrs Agatha bediente.

»Ist sie auf? Wohin soll ich ihr den Tee bringen?«, fragte Phyllida.

»Sie ist in ihrem Arbeitszimmer, Mrs Bright, doch erst seit einer Minute. Sie und Mr Max haben sich eine Zeit lang im Ankleidezimmer über das unterhalten, was vorgefallen ist.« Violet war sichtlich gespannt vor Neugier, und ihre breiten gebräunten Wangen waren vor Aufregung gerötet.

»Danke. Ich nehme das Tablett. Sie kümmern sich sofort um Mrs Agathas Schlafzimmer und ihre Kleidung, da Inspector Cork gleich das gesamte Personal in meinem Wohnzimmer befragen will. Und dann wird es bald Zeit sein, sich um Mrs Devine und Mrs Hartford zu kümmern, da sie keine Zofe mitgebracht haben.«

Sie ließ Molly und Violet allein, die sich hoffentlich nur sehr kurz austauschen würden, und schob sich durch die Schwingtür auf den Gang. Damit betrat sie den Teil des Hauses, in dem die privaten Räume der Mallowans lagen. Die Gästezimmer befanden sich darüber im zweiten und dritten Stock und über diesen das Dachgeschoss, wo die Dienerschaft schlief.

Mrs Agatha rief sie herein und lächelte, als sie Phyllida mit dem Tablett sah. »Was für eine angenehme Überraschung, Phyllie! Und was für schlimme Neuigkeiten man von unten hört! Du hast Mr Waring gefunden? Ich nehme an, es ist nicht ganz dasselbe, ob man im wirklichen Leben eine Leiche entdeckt oder ob man darüber schreibt.« Betrübt lächelnd beugte Mrs Agatha sich zu ihrem geliebten Foxterrier Peter hinunter, der hechelnd auf dem Boden lag, und tätschelte ihn. Er drehte sich auf den Rücken, schaute sie erwartungsvoll an und ließ die Zunge seitlich aus dem Maul hängen, worauf sie ihm gehorsam den Bauch kraulte. »Ja, ja … du bist ein braver Junge, nicht wahr?«, sagte sie.

Phyllida, die sich nichts aus Hunden machte, nicht mal aus dem sanftmütigen Peter, stellte das Tablett auf den Tisch neben den beiden Sesseln. Auf dem Schreibtisch in der anderen Zimmerhälfte, Agathas Arbeitsbereich, stand die Schreibmaschine, daneben lagen ein paar Notizbücher und Stöße von Schreibpapier. »Das habe ich ganz gewiss nicht erwartet, als ich in die Bibliothek gegangen bin, um die Fenster zu öffnen.«

»Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Eine Leiche in meiner Bibliothek! Ausgerechnet!« Agatha war von ihrem Schreibtisch aufgestanden und setzte sich in einen Sessel. Da sie kürzlich bei einer archäologischen Expedition mit ihrem Gatten erkrankt war, hatte sie über sechs Kilo Gewicht verloren. Nun wirkte sie wieder schlank und gesund und viel glücklicher als damals, als Phyllida die Stelle bei ihr angetreten hatte. Da war ihre Ehe mit Archie Christie gerade in die Brüche gegangen – eine Zeit, über die Agatha, soweit Phyllida wusste, mit niemandem sprach.

»Der Constable in Listleigh hat schallend gelacht, bevor ihm klar wurde, dass ich es ernst meinte«, erzählte Phyllida, während sie den Tee eingoss.

»Du meine Güte, ich kann es mir vorstellen.« Agatha lachte gequält. »Setz dich doch, Phyllie. Sicher hast du ein paar Augenblicke Zeit für eine Tasse Tee. Dann kannst du mir erzählen, was du weißt. Eine gewisse Krimiautorin brennt vor Neugier und ist zugleich entsetzt, weil jemand die Frechheit besessen hat, so etwas in diesem Haus zu tun.« Ihre Mundwinkel waren angespannt. »Der arme Mann! Ich habe anscheinend tief und fest geschlafen. Und Max auch.«

»Jemand anders offenbar nicht«, erwiderte Phyllida und setzte sich in den Sessel gegenüber.

Normalerweise tat eine Haushälterin das nicht, auch nicht, wenn sie dazu aufgefordert wurde – außer unter mildernden Umständen. Jedoch pflegten Phyllida und Agatha eine ungewöhnliche Beziehung. Sie hatten sich während des Krieges kennengelernt, als Agatha in der Lazarettapotheke und Phyllida als Schwesternhelferin gearbeitet hatte, bevor sie an die Front geschickt wurde. Da beide im gleichen Alter und noch ledig gewesen waren, hatten sie sich angefreundet und waren in Kontakt geblieben, bis Phyllida – aus gewissen Gründen – solch eine Anstellung angestrebt hatte. Agatha hatte sie mit Freuden eingestellt.

Sie waren einander von Anfang an auf Augenhöhe begegnet, lange bevor Agatha Miller die berühmte Agatha Christie und dann Mrs Max Mallowan wurde, und hatten ihre Freundschaft bewahrt – aber nur in der Privatsphäre dieser Räume. Für das übrige Personal und die Öffentlichkeit waren sie Hausherrin und Haushälterin.

»Ich werde nicht lange bleiben«, erklärte Phyllida und teilte den Apfel-Zimt-Muffin in zwei Hälften. »Inspector Cork, der aussieht, als trüge er erst seit Kurzem lange Hosen, will gleich die Dienerschaft befragen. Ich möchte unsere Leute dabei nicht allein lassen. Agatha … es muss jemand aus dem Haus getan haben.«

»Meine Güte … ich hatte befürchtet, dass du das sagst.« Sie hob ihre Teetasse und bedeutete ihrer Freundin, sich eine der Muffinhälften zu nehmen. Seufzend lehnte sie sich an. »Ich kann mir nicht denken, wer das getan haben soll. Max und ich kennen schließlich jeden! Das übersteigt meine Vorstellungskraft.«

»Aber du hast Mr Waring nicht gekannt.«

»Ach ja, der Journalist. Ich habe gestern kaum drei Worte mit ihm gewechselt. Es herrschte Hochbetrieb, da die Hartfords und die Budgely-Rhodes’ praktisch gleichzeitig ankamen. Man hätte meinen können, sie haben das geplant. Und dann gleich nach ihnen Tuddy Sloup und Stan Grimson. Und schließlich die Devines, wie immer eine Stunde zu spät.« Agatha schüttelte lächelnd den Kopf. »Doch man verzeiht ihnen immer, nicht wahr? Sie sind so … nun ja, ein himmlischer Anblick, mit ihrer dunklen Erscheinung und dem schönen Lächeln. Max und ich mögen sie sehr und die Hartfords auch. Und dann sind wir zum Dinner und in den Salon und so weiter, und ich habe kein Mal mit ihm gesprochen – mit Mr Waring, meine ich.

Er behauptete, er hätte sich vorher mit einem Brief angekündigt, doch ich erinnere mich nicht, einen bekommen zu haben. Und du weißt, ich bin mit meiner Korrespondenz sorgfältig, besonders wenn es um Interviews geht. Ich habe keinen Brief von der Times gesehen – daran würde ich mich erinnern.«

»Aber du hast ihn trotzdem als Übernachtungsgast aufgenommen.«

»Ja, natürlich. Was hätte ich anderes tun sollen? Ihn wegschicken, wo gerade ein Sturm aufzog? Außerdem haben wir viel Platz im Haus.« Sie sah sich um, als staunte sie selbst über die Weitläufigkeit. Dann fiel ihr Blick auf die ruhende Schreibmaschine. »Und ich musste heute Morgen ein Kapitel zu Ende schreiben. Wie du weißt, bekomme ich abends nichts getan. Das ist wirklich ärgerlich, Phyllie – für dich und für uns. Sind wir sicher, dass es Mord ist?«

Es war tatsächlich Agathas Gewohnheit, morgens mindestens ein Kapitel zu schreiben, dann noch eins am Nachmittag – oder stattdessen ein Nickerchen zu halten, und wenn sie Letzteres tat, musste sie umso mehr Seiten am Abend schaffen. Da sie jedoch Gäste hatten, geriet der Arbeitsplan durcheinander. »In Mr Warings Hals steckte ein Füllfederhalter. Ich bin sicher, er hat sich damit nicht selbst erstochen.«

»Ein Füllfederhalter … im Hals? Also, das ist … Hm. Eine interessante Art …« Agathas Blick schweifte ins Leere, während der Satz verebbte, und sie griff nach einem Notizblock, der jedoch nicht da lag, wo sie ihn vermutete. Murmelnd stand sie auf und huschte zum Schreibtisch, wo sie ein Notizbuch wegnahm, in dem Phyllida eines ihrer Kontobücher erkannte.

Ach, dahin verschwinden die.