Die Ehe - Christiane Florin - E-Book

Die Ehe E-Book

Christiane Florin

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Beschreibung

Die Lust am Heiraten ist groß. Obwohl fast jede zweite Ehe in Deutschland wieder geschieden wird, treten fast jedes Jahr rund 40.000 Paare vor den Altar. Christiane Florin will den Leser auf den neuesten Stand dieser Diskussion bringen. Warum ist Die Ehe für die katholische Kirche so wichtig? Warum sind Veränderungen gerade an diesem Sakrament so schwierig? Was hilft Menschen? Und was der Kirche?

Das Buch bietet plausible Antworten auf diese Fragen und bringt Licht in eine zerfahrene Debatte.



  • Die Geschichte einer heiklen Lebensform
  • Mit den neuesten Erkenntnissen der Familiensynode im Vatikan

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Seitenzahl: 207

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Über das Buch

Im November 2013 fragte Papst Franziskus die Gläubigen weltweit nach ihrer Einstellung zu Ehe, Partnerschaft und Sexualität. Spätestens seitdem ist amtlich, was ohnehin jeder wusste: Die Lehre schwebt so weit über dem Leben, dass sich Himmel und Erde kaum berühren. Katholiken leben unverheiratet zusammen, sie haben Sex vor der Ehe, sie benutzen Verhütungsmittel, jede 2. Ehe wird geschieden, doch die Lust am Heiraten ist trotzdem ungebrochen. Christiane Florin will den Leser auf den neuesten Stand dieser Diskussion bringen. Warum ist die Ehe für die katholische Kirche so wichtig? Warum sind Veränderungen gerade an diesem Sakrament so schwierig? Was hilft Menschen? Und was der Kirche? Welche Rolle spielt das Heiraten in der Gesellschaft? Das Buch bietet plausible Antworten und bringt Licht in eine zerfahrene Debatte.

Christiane Florin ist deutsche Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Von 1996 an arbeitete sie für die Wochenzeitung Rheinischer Merkur. Von 2007 bis 2010 leitete sie das Feuilleton des Rheinischen Merkur. Von Dezember 2010 bis 2015 war sie Redaktionsleiterin von »Christ und Welt«, eine Beilage der Wochenzeitung Die Zeit. Seit Januar 2016 ist sie Redakteurin beim Deutschlandfunk für den Bereich »Religion und Gesellschaft«.

Darüber hinaus ist sie Lehrbeauftragte für Politikwissenschaft an der Universität Bonn.

Christiane Florin

Die Ehe

Ein riskantes Sakrament

Kösel

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Copyright © 2016 Kösel-Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Weiss Werkstatt München

Umschlagmotiv: © plainpicture/John Weber | BildNR. p395m987552

Satz: Fotosatz Amann, Memmingen

ISBN 978-3-641-18664-7V001

www.koesel.de

Inhalt

Einleitung

Was auf dem Spiel steht

I. With God on our side oder: Wie Gott ins Spiel kam

Annäherung im Wandel – Ehe im Schnelldurchlauf

Und er sah, dass es gut war: die Ehe im Alten Testament

Selig sind die Verheirateten? Die Ehe im Neuen Testament

Der Kirchenvater entlässt seine Kinder

Himmel! Herrgott!! Sakrament!!!

Sag mir, wo die Sünder sind? Die Familiensynode

Was würde Oma dazu sagen?

II. Hoch gepokert:Unsere Ansprüche

Hurra, welches Joch! Die Ehe und das Glück

Wegen Emil seine unanständige Lust: Ehe und Erotik

Verdächtige Liederlichkeit, Faulheit, Widerspenstigkeit: Ehe und Gerechtigkeit

Du, du, nicht du allein: Die Ehe und die Treue

Schlusswort

Spiel über die Bande

Zitiertes, Gelesenes, Lesenswertes (Auswahl)

Einleitung:

Was auf dem Spiel steht

Dieses Buch ist kein Eheratgeber. Öffentliche Tipps für lebenslanges Lieben sind zwar begehrt beim Publikum, aber riskant für diejenigen, die sie geben. Das wusste schon die Kino-Legende Ingmar Bergmann. Sein Klassiker »Szenen einer Ehe« beginnt mit einem Interview. Eine Journalistin befragt das traute Paar Marianne und Johan. Kaum ist die Homestory gedruckt, liefern sich die beiden hässliche Szenen: Er zieht zu seiner jungen Geliebten, sie ist erst verletzt, dann befreit. Die beiden kommen nicht voneinander los und können doch nicht miteinander leben.

Der Film von 1973 war ein Skandal. Dabei breitet Bergmann nur aus, was viele andere Künstler in Aphorismen verknappt haben. Die Zweisamkeit verdoppelt nicht das Glück, sondern die Probleme. Wer in Zitatdatenbanken nach den berühmten drei Buchstaben sucht, findet hauptsächlich Lästerliches. »Die Ehe ist ein Versuch, zu zweit wenigstens halb so glücklich zu werden, wie man allein gewesen ist«, ätzte Oscar Wilde durchaus repräsentativ für die Gattung der Geistesgrößen. »Die Heirat ist die einzige lebenslängliche Verurteilung, bei der man auf Grund schlechter Führung begnadigt werden kann«, spottete Alfred Hitchcock. Simone de Beauvoir analysierte feministisch inkorrekt: »Die Ehe ist auch für den Mann Unterjochung. In ihr gerät er in die Falle, die die Natur ihm stellt: Weil er ein blühendes junges Mädchen geliebt hat, muss er ein Leben lang eine dicke Matrone, eine vertrocknete Alte ernähren.«

Beethovens »Fidelio«, dieses Lob der Gattenliebe, kann all die Schmähkritik nicht übertönen. Die Liebe hat in Kunst, Musik und Literatur einen guten Ruf. Die Ehe eher nicht. Kitschfilme schließen mit dem Kuss vor dem Traualtar und lassen sich vorsorglich nicht auf den Happy-End-gefährdenden Alltag zwischen Aufwachgesicht und Zahnpastatubezuschrauben ein.

Ich höre die Leserinnen und Leser schon seufzen: Mein Gott, kann man ein Buch über die Ehe nicht positiver beginnen? Immerhin gibt es Paare, die ein Leben lang zusammenbleiben, viele sogar freiwillig, aus Liebe. Und immerhin ist die Ehe ein einzigartiges Erfolgsmodell: Das Leitbild der Monogamie, der Verbindlichkeit, der lebenslangen Treue hat das Zusammenleben von Menschen in den vergangenen 2000 Jahren tief greifend verändert. Es war eine Revolution durch Stabilität.

Aktuelle Ehe-Bestandsaufnahmen in Deutschland schwanken zwischen »immer noch« und »nicht mehr«. Immer noch ist die Ehe hier die am weitesten verbreitete Form des Zusammenlebens von Mann und Frau, gut 18 Millionen Ehen gibt es in Deutschland. Die Mehrheit der Kinder wächst bei den leiblichen Eltern auf, und die sind meist miteinander verheiratet.

Mit Statistiken und Umfrageergebnissen lässt sich aber genauso gut belegen, dass die Ehe nicht mehr die allein akzeptierte Form des Zusammenlebens ist. Sie ist weder Bedingung für einen Mietvertrag noch fürs Kinderkriegen und schon gar nicht für Sex. Die Zahl der katholischen Trauungen hat sich seit dem Ende der 1980er-Jahre mehr als halbiert, von gut 110000 auf 44158 im Jahre 2014.

Die Ehe war die Norm, heute ist sie ein Leitbild unter mehreren. Allerdings ein gefragtes: Eine knappe Mehrheit der jungen Deutschen hält laut neuester Shell Jugendstudie Heiraten für »in«. Das heißt nicht unbedingt, dass eine Hochzeit für einen selbst infrage kommt. Aber fast jeder stellt sich mindestens einmal im Leben die Frage nach ernsthafter Bindung. Kaum eine Zwanzigjährige sagt: »Ich träume davon, mit Mitte 30 eine Ein-Eltern-Familie zu haben.« Die Wahrscheinlichkeit, mit 35 tatsächlich alleinerziehend zu sein, liegt deutlich höher als vor 20 Jahren. Am Traum ändert diese Realität jedoch nichts. Zweisamkeit ist heilig. Heiliges und Heikles gehen fließend ineinander über.

Niemand würde in einen Zug steigen, wenn laut Statistik 30, 40, 50 Prozent dieses Modells aus der Kurve fliegen. Bei der Ehe ist das anders. Die Scheidungszahlen sind bekannt, und doch hofft jeder: Bei uns wird es schon gut gehen, wir machen es besser als die anderen. Eine Ehe wird nicht mehr aus Konvention geschlossen, auch nicht nur aus Liebe, sondern aus Lust am Liebes-Risiko. Zu schaffen, woran andere scheitern, darin liegt ein Reiz. »Die Liebe wird zugleich wichtiger und schwieriger denn je«, schrieben das Soziologenpaar Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim 1990 in ihrem weitsichtigen Buch über »Das ganz normale Chaos der Liebe«.

Aktuelle Hochglanzmagazine zeugen von dem Ehrgeiz, eine Ehe wie eine Risikosportart mit Erfrischungstipps und Trainingseinheiten anzugehen: Da ist das Supermodel, das jedes Jahr das Hochzeitsversprechen an einem feinsandigen Strand erneuert; da ist die Schauspielerin, die vom ewigen Zauber der magischen blauen Augen ihres Ehemannes und Managers schwärmt; da ist der Deutschrocker, der schwört, niemals ohne seine Frau auch nur eine einzige Stunde zu verbringen. Irgendwann lassen die durchtrainierten Stars kleinlaut eine Presseerklärung über ihren Anwalt verschicken mit dem Wort, das in diesen Fällen immer fällt: auseinandergelebt.

Wer öffentlich damit protzt, wie reißfest der eigene Bund fürs Leben ist, riskiert eine baldige Scheidung. Dieser Zusammenhang lässt sich zwar eher aus bunten Blättern ableiten als aus den Datensätzen des Statistischen Bundesamtes. Die Korrelation kommt mir dennoch plausibel vor. Ich jedenfalls misstraue jedem Paar, das die »Geheimnisse seiner glücklichen Beziehung« ausbreitet. Eine Ehe taugt nicht zu Demonstrationszwecken, auch wenn sie als Leistungsschau des Glaubens oder der Beziehungsarbeit inszeniert wird. Was sie war, was sie ist, was sie sein soll – davon handelt dieses Buch.

Ich bin verheiratet und möchte es bleiben. Schon deshalb verzichte ich auf Verführungsvorschriften und Kommunikationsanleitungen. Das überlasse ich den Experten. Als Verheiratete bin ich noch lange kein Eheprofi, eher Ehekonsumentin. Profis, das sind immer die anderen: die Therapeuten, die Soziologen, die Juristen und, da in diesem Buch vom Sakrament die Rede ist, die ausdrücklich Unverheirateten: Päpste, Priester und Theologen im Kardinalsrang. Ich bin nur Journalistin, Beobachterin und, falls es diese Berufsbezeichnung gibt, Beschreiberin. Ich werde beschreiben, wie die Ehe in die Welt kam, wie sie sich verändert hat und wie »wir« uns verändert haben.

Dieses Buch nimmt sich – der Untertitel verpflichtet – besonders intensiv die kirchlich geschlossene Ehe vor. Die meisten Bücher dazu beschreiben wenig und behaupten viel. Ich habe theologische Werke neueren Datums über Ehe und Familie gewälzt, in denen mir auf keiner der 500 Seiten ein einziger Mensch begegnet, den ich auch im wirklichen Leben hätte treffen können. Stattdessen kommen ausgiebig Päpste, Kirchen- und Konzilsväter zu Wort. Wenn es lebensnah werden soll, werden Romanfiguren herbeizitiert. Das wird in diesem Buch etwas anders sein. An lehramtlichen Dokumenten führt kein Weg vorbei, an belletristischen Eheschicksalen ebenso wenig, aber ich werde auch Menschen aus meinem Leben mitreden lassen.

Professionell beschäftige ich mich seit gut fünf Jahren mit der katholischen Kirche. Vieles habe ich in dieser Zeit über die Institution lernen müssen. Vieles war mir neu, obwohl ich der Kirche seit meiner Taufe vor 48 Jahren angehöre. Befeuert von der Diskussion über die Familiensynode habe ich einiges über die Ehe dazugelernt. Auch da war mir vieles neu, obwohl ich seit 18 Jahren verheiratet bin. Ich staunte zum Beispiel über einen Satz des Präfekten der Glaubenskongregation Gerhard Ludwig Müller: »Die unauflösliche Ehe entzieht die Ehegatten dem Mutwillen und der Tyrannei der Gefühle und der Stimmungen.«

Sakramentalität, sagt der Kardinal sinngemäß, ist etwas anderes als Sentimentalität. Standesamt plus Gottes Segen – das macht noch keine katholische Ehe aus. Den meisten der 44000 Paare, die mit Tränen in den Augen ihr Ja-Wort vor einem Altar sprechen, dürfte die Absage an die »Tyrannei der Gefühle« fremd sein. Auch ich wusste damals nicht, dass ich die großen Männer der Kirchengeschichte, von Paulus über Augustinus bis Gerhard Ludwig, gleich miteheliche.

Ein Bekannter hat vor Kurzem kirchlich geheiratet. Die Location für die Party war bestellt, das Essen ausgesucht, dann stand das Traugespräch an. »Ich bezweifle, dass ich das alles versprechen kann«, sagte er. »Was heißt alles?«, fragte ich zurück. Er antwortete: »Zum Beispiel dass ich die Kinder im christlichen Glauben erziehe.« Er stimme nicht mit allem überein, was die Kirche lehre und als »christlichen Glauben« etikettiere. Ich sei doch auch oft kritisch mit den Päpsten und der katholischen Sexualmoral, wie hätte ich das denn bei meiner Hochzeit versprechen können, wollte er wissen.

Ja, warum konnte ich am 3. Oktober 1998 in der Pfarrkirche Sankt Laurentius in Niederkassel-Mondorf als gefühlt kritische Katholikin Ja sagen? Jung und naiv war ich mit 30 bestimmt nicht mehr, erpicht auf ein Dasein als Gattin und Mutter noch weniger.

Ich konnte es, weil in diesem Moment nach reiflicher Überlegung und aus freiem Entschluss all die Ausführungsbestimmungen und Geschlechtsverkehrsregelungen unwichtig werden. Sie erscheinen angesichts des großen Versprechens einem geliebten Menschen gegenüber als Kleingedrucktes und Kleinliches. »Ich will dich lieben, achten und ehren und dir die Treue halten alle Tage meines Lebens« – mehr geht nicht. Kein Wort über die Pille, kein Wort über Jungfräulichkeit, keine Silbe über ewiges Glück. Auf Liebe kommt es an, auf Respekt, auf menschlichen Willen und göttlichen Beistand.

Wer nach katholischem Ritus heiratet, leistet keinen Eid auf die Glaubenskongregation, sondern schließt einen Bund vor und mit Gott. Für mich heißt Sakrament, Gottvertrauen mit Gestaltungswillen und Realitätssinn mit Romantik zu verbinden. In die Worte ist eingespeist, dass nicht alles so schön bleiben wird wie am Tag der Hochzeit. Ich will dich lieben, wie du warst, wie du bist, wie du sein wirst. Ich ahne, dass du dich verändern wirst, ich ahne, dass ich mich verändern werde. Und ich hoffe, wir halten dem stand. So lautet das Versprechen in meiner Übersetzung. Verglichen mit dieser vorauseilenden Lebensklugheit wirkt das Dauer-sexy-happiness-Grinsen televisionärer Wedding-Planner dümmlich.

Apropos Planung: Mindestens so schwierig wie die Auswahl der Lieder und Gebete für den Gottesdienst ist die Tischordnung für die Feier danach. Wer kann neben wem unfallfrei sitzen? Wer liegt mit wem im Clinch? Wer war mal mit wem zusammen, möchte aber bestimmt nicht neben dem Ex platziert werden?

Ich war bis Ende 2015 Redaktionsleiterin der ZEIT-Beilage Christ & Welt. Darin erschien über mehrere Jahre eine Ratgeberkolumne. Rund 80 Prozent der Fragen an unsere Kolumnistin hatten mit Familie und Partnerschaft zu tun. Mich hat erstaunt, was sich in den vier Wänden unserer christlich grundierten Leserschaft abspielt. Lange hatte ich geglaubt, allein zu sein mit den Katastrophen und Bitterkeiten im eigenen Nahbereich. Aber dann erzählten gut katholische Abonnenten in seitenlangen Briefen aus ihrer Familie: Da reden Ehegatten seit Jahrzehnten kein Wort mehr miteinander und wollen von der Ratgeberin wissen, ob das besser ist als Streiten; da hat ein Sohn Krach mit dem Vater und fragt, ob er trotzdem zur Hochzeit der Schwester fahren soll. Da gehen 82-Jährige fremd und 28-Jährige leiden darunter, dass der Freund keine kirchliche Hochzeit will.

Familie ist eine merkwürdige Mischung aus Bindung und Fragilität, ein Schutzraum mit hohem Verletzungsrisiko. Wer Tischordnungen schreibt und Ratgeberkolumnen liest, spürt, wie weise die Zeile des Eheversprechens von den guten und den schlechten Tagen, vom Achten und Ehren ist. Verachtung liegt ganz nahe.

Die Weisheit, die aus der Trauliturgie spricht, merkt man der katholischen Kirche kaum an. Ausgerechnet die Zweisamkeit entzweit. Bei diesem Thema werden die Gräben zwischen den kirchenpolitischen Lagern besonders sichtbar. Gerade an der Unauflöslichkeit der Ehe scheiden sich die Geister. Sowohl für Konservative als auch für Liberale erweist sich an diesem Punkt, wie reformbereit die Kirche ist. Veränderung bedeutet für das eine Lager Verfall, für das andere Verheißung. Deshalb bekam bei der Abschlusserklärung der Familiensynode im Oktober 2015 der Passus zu den wiederverheiratete Geschiedenen die knappste Mehrheit.

Es mangelt nicht an Meinungen in diesem Konflikt. Es mangelt erst recht nicht an Resolutionen und Dokumenten. Auf jede katholische Eheschließung kommen in Deutschland mindestens zwei Positionspapiere zur Ehe.

Woran es in der Kirche mangelt, ist die wache, ehrliche Beschreibung dessen, was war und was ist. Im Herbst 2013 wollte Papst Franziskus von den Gläubigen wissen, wie sie leben und lieben und welche Rolle die kirchliche Lehre dabei spielt. Das Ergebnis der Umfrage überrascht nicht. Dass aber ein Papst die Wirklichkeit in den Vatikan lässt, dass er nach dem Sein fragt und nicht nur das Sollen lehrt, ist neu. Seitdem hat sich die Beweislast umgekehrt: Die Lehre steht unter Druck. Rechtfertigen müssen sich angesichts der Ergebnisse diejenigen, die alles so lassen wollen, wie es ist.

Eine Ehe kann ein großes, tiefes Glück sein. Ausgerechnet die scharfzüngige Chansonette Hildegard Knef bekannte einmal in einem Interview: »Ich bin glücklich, wenn ich mit einem Menschen ein wunderbares Gespräch führe, mit Freunden zusammensitze, einen Mann habe, der mich liebt und den ich liebe. Und die Schönheit einer Ehe, die Schönheit einer Verbindung zwischen zwei Menschen ist das Glück.«

Schöner als die Diva hätte es kein Kardinal sagen können. Allerdings hatte die Knef zwei Scheidungen hinter sich. Sie wusste, dass die Ehe zutiefst unglücklich machen kann. Mag sein, dass unverheiratete Paare anfälliger für die »Tyrannei der Gefühle« sind, für die dauernde Frage: »Fühlt sich das mit uns noch gut an?« Es gibt jedoch in vielen Ehen eine Tyrannei der Gefühlskälte, die Dogmatiker gern übersehen.

In diesen banalen Feststellungen liegt der gesamte Zündstoff der innerkirchlichen Diskussion: Wenn die Ehe ein Sakrament, also ein von Gott gestifteter Bund ist, kann sie dann überhaupt scheitern? Wenn sie heilig ist, kann sie an etwas so Profanem wie Alltag und Gewohnheit zerbrechen? Wenn ihr ein freier Entschluss zugrunde liegt, warum sind die Partner dann nicht so frei, sich neu zu binden, wenn sie einander nicht mehr lieben, wenn einer den anderen betrogen hat oder sich um das Lebensglück betrogen fühlt? Kann es sein, dass Brautpaare zwar Glück wollen, für den Katholizismus jedoch Gottgefälligkeit die viel wichtigere Kategorie ist?

Viele Bücher zum Thema Ehe tragen das Wort »Auslaufmodell« im Titel. Manchmal schwingt da ein Seufzer mit, manchmal Erleichterung. Doch die Frage: Ist die Ehe am Ende?, ist falsch gestellt. Die Ehe hat sich im Laufe der Geschichte, auch der Kirchengeschichte, eher als Modellierobjekt denn als starres Modell erwiesen. Sie hat sich zumindest in Europa vom ökonomischen Zweckverband zur Vielzweck-Gemeinschaft gewandelt. Einer der modernen Zwecke ist Gefühlsgewinn. Die Liebe kann auf die Ehe verzichten, aber die Ehe auf die Liebe nicht.

In den 1950er- und frühen 1960er-Jahren, dem sogenannten goldenen Jahrzehnt der Ehe, war dies keineswegs selbstverständlich. Ob nur die Zahlen glänzend waren oder auch die Augen der Beteiligten, darüber sagt die Statistik nichts. Die Versuchung ist gerade in der Kirche groß, die Vergangenheit zu verklären und die Jahrzehnte nach der sexuellen Revolution als Verfallsgeschichte zu erzählen. Doch es war mitnichten »alles« besser, als mehr Ehen geschlossen und weniger geschieden wurden. Die hohen Verheiratetenquoten dieses Jahrzehnts waren eher die Ausnahme als die Regel, stellt die evangelische Theologin Isolde Karle in ihrer Ehegeschichte unsentimental fest. Sie taugen nicht als ewige Bezugsgröße.

386000 Eheschließungen gab es 2014, 1960 waren es 521445. Die aktuelle Statistik der Ehe fällt nicht goldgerahmt aus, das Ja-Wort selbst schimmert jedoch güldener denn je. Fernsehsender lassen Bräute miteinander um die stimmigste, krachendste oder rührendste Feier konkurrieren. Die Hochzeit ist ein Frauentraum wie in den Fünfzigern, nur dass nun im Rückenausschnitt der Braut oft Tattoos aufblitzen. »Für das Kleid bekommt Nadine von mir vier von fünf Herzchen«, sagen angehende Ehefrauen über die Konkurrentinnen. Auch die Kirche hat ihren Platz: »Der Pfarrer bekommt von mir nur ein Herzchen, der hat so genuschelt.«

Die Ehe gehört wie eh und je zur Pop-Kultur. Sie hat die intellektuellen Demontagearbeiten der 1960er- und 1970er-Jahre gewandelt überstanden. Damals galt sie freundlich betrachtet als Inbegriff der Spießigkeit, linksdrehende Ideologen diffamierten sie als Keimzelle des Faschismus. Spätestens mit der heiratsfreudigen Regierungsspitze Schröder/Fischer 1998 war die geistig-moralische Wende des linksalternativen Milieus zur neuen Bürgerlichkeit inklusive Trauschein vollzogen. Dieser Einstellungswandel hat zwar nicht zu mehr Trauungen geführt. Aber wer sich traut, traut der Ehe zu, dass sie mit der Emanzipation vereinbar ist.