Die Ghaselen - August von Platen - E-Book

Die Ghaselen E-Book

August von Platen

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Beschreibung

Anfang des 19. Jhdts. erlebte der Orientalismus in der deutschen Literatur eine kurze, aber üppige Blütezeit. Während Goethe im West-östlichen Divan lediglich die Themen orientalischer Dichtung aufgriff und Rückert die Verse des Hafis nachdichtete, wollte Platen die komplexe Gedichtform des persisch-arabischen Ghasels der deutschen Literatur einverleiben. Damit geriet er zwischen die Fronten des romantisierenden Orientalismus und der erstarkenden Nationalliteratur. Aus heutiger Sicht erscheint die orientalische Bildervielfalt des Ghasels nicht mehr als "undeutsche" Oberflächlichkeit, sondern als kraftvolle Alternative zum deutschen Ideal der geschlossenen lyrischen Szene, die es verdient, endlich unvoreingenommen betrachtet zu werden. Ihre Besonderheiten analysiert Ramin Shaghaghi in seinem Nachwort. Dieser Band enthält den kompletten Text der drei Buchausgaben aus den Jahren 1821 und 1823 und ermöglicht so, Platens "Ghaselen-Projekt" mit allen Höhen und Tiefen nachzuvollziehen.

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AUGUST VON PLATEN

DIE GHASELEN

Die Ghaselen der ersten und zweiten Sammlung (1821), die Neuen Ghaselen(1823) und die Ghaselen aus Neapel (1832) in der Fassung der Erstausgaben

Mit einem Nachwort von Ramin Shaghaghi und einem Anhang zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte

Männerschwarm Verlag Hamburg 2014

GHASELEN

1821

In die Süße meines Liedes sei die Feder eingetaucht,           Ambra streue dieses Buch, von meiner Liebe Duft behaucht.

Nur ad-Din Abdur Rahman Dschami (1414-1492) dt. von Ramin Shaghaghi

Der Verfasser dieser wenigen Blätter gibt seine ersten Mittheilungen in einer Form, die zugleich schwierig und fremdartig erscheinen mag, am liebsten aber durch die nachfolgenden Gedichte selbst verstanden seyn will.

Diese Form, die hier nicht bloß äusserlich ergriffen wurde, ist das ursprüngliche Eigenthum vorderasiatischer Völker. Der Dichter umfaßte sie um so mehr mit Liebe, da sein jetziges Studium vorzüglich der schönen Kunst des Morgenlands angehört.

Erlangen den 1sten März 1821

Ghaselen

Du, der nie gewagt zu fliegen

Nach dem Orient, wie wir,

Laß dieß Büchlein, laß es liegen,

Denn Geheimniß ist es dir.

1.

Der sich schaffend hat erwiesen siebenmal,

Wohnt in sieben Paradiesen siebenmal;

Adler, siebenmal umkreise du den Fels,

Krümme, Bach, dich durch die Wiesen siebenmal;

Feuer schürt am Stamm der Ceder, und sein Duft

Wind’ als Rauch sich um den Riesen siebenmal;

Schenke, nimm die beiden Becher, beide nimm,

Fülle jenen mir und diesen siebenmal;

Siebenfach ist deine Locke schön getheilt,

Deine Locke sey gepriesen siebenmal!

2.

Entspringen ließest du dem Ey die Welt,

Dein reiner Wunderspiegel sey die Welt;

Es schaut nach dir, wiewol dich Keiner schaut,

Voll liebesüßer Schwärmerey die Welt;

Du athmest Leben, und du athmest aus

Mit jedem Athemzuge frey die Welt;

Du siehst dich selbst, und dir am Auge geht

In jedem Augenblick vorbey die Welt;

Der einzig Eine bist du, doch du lenkst

Als eine mystischgroße Drey die Welt.

3.

Düfte sprüht die junge Sprosse fernehin,

Und die Sonne wirft Geschosse fernehin;

Spiegelruhig glänzt die Welle, sieh, der Fisch

Segelt mit bewegter Flosse fernehin;

Sieh, die Ros’ erröthet, weil ihr schickt ein Lied

Nachtigall, ihr Buhlgenosse, fernehin;

Dort am Hügel sieh den Jüngling, wie er blickt

Nach der Liebsten Marmorschlosse fernehin;

Laß uns eilen, sey es mit dem Pilgerstab,

Oder auf dem stolzen Rosse fernehin!

4.

Wol mir, sie heilte, die liebe Hand mich,

Die mit balsamischem Blatte verband mich!

Als mich in Flammen umdroht die Verzweiflung,

Deckte des Glaubens asbesten Gewand mich;

Irrend durchstrich ich das waldige Dickicht,

Aber die zärtliche Nachtigall fand mich;

Sterbend im Ocean schwamm ich, der Delphin

Segelte ruhig an’s blumige Land mich;

Nieder vom Berge fast fiel ich zum Abgrund,

Aber die Rebe des Berges umwand mich.

5.

Die Knospe sprach: Die siehst, ich bin im Keim erst,

Was spät die Welt entzückt, es ist geheim erst,

Der Vogler sprach: Dir singt die Nachtigall einst,

Laß auf die Ruthe streichen mich den Leim erst,

Die Biene sprach: Dir wird mein Honigantheil,

Doch aus dem Krokus nipp’ ich süßen Seim erst;

Ihr seht mich wandeln ohne Kranz im Haupthaar,

Laßt nur die Welt erfahren meinen Reim erst!

6.

Du bist der wahre Weise mir,

Dein Auge lispelt’s leise mir;

Du bist ein Gastfreund ohne Hehl

Auf dieser langen Reise mir;

Dein Leben wird, daß Liebe noch

Lebendig, zum Beweise mir;

Du bringst der Liebe Moschusduft,

Der Wahrheit reine Speise mir:

Es wird so licht, es wird so warm

In deinem lieben Kreise mir:

Du bist die Perle, deren Werth

Hoch über jedem Preise mir.

7.

Dem morgenländ’schen Dichter brennt das Herz,

Es glüht auch uns im Occident das Herz;

Wir schleudern kühn des Zweifels Schwerd von uns,

Und in der Liebe Speere rennt das Herz;

Es füllen ewig Bilder uns, so viel

Als Sterne sind am Firmament, das Herz;

Sieh nur der Rosenblätter Labyrinth,

In seinen Gängen, wer erkennt das Herz?

Auf Wolgerüchen laßt das Herz verglühn,

Es ist ein Phönix, was ihr nennt das Herz.

8.

Dürft’ ich doch auf alle Pfade folgen dir!

Als ein Sclave deiner Gnade folgen dir!

Dürft’ ich von mir werfen jeder Fessel Druck,

Ueber Land und Meer gerade folgen dir!

Dürft’ ich, wenn dich stolz die schönen Rosse ziehn,

Gleichen deinem Wagenrade, folgen dir!

Dürft’ ich, wann dich stolz die schöne Gondel trägt,

Gleich dem Fisch im Wogenbade folgen dir!

Mit den Blicken folgt die Pappel dir am Weg,

Und die Tulpen am Gestade folgen dir!

9.

Mein Herz ist zerrissen, du liebst mich nicht!

Du ließest mich’s wissen, du liebst mich nicht!

Wiewol ich dir flehend und werbend erschien,

Und liebebeflissen, du liebst mich nicht!

Du hast es gesprochen, mit Worten gesagt,

Mit allzugewissen, du liebst mich nicht!

So soll ich die Sterne, so soll ich den Mond,

Die Sonne vermissen? du liebst mich nicht!

Was blüht mir die Rose? was blüht der Jasmin?

Was blühn die Narzissen? du liebst mich nicht!

10.

Es tagt, es wirft auf’s Meer den Streif die Sonne;

Aufflatternd sucht der junge Greif die Sonne;

Auch du blick auf und singe Morgenhymnen,

Als aller Wesen Bild begreif die Sonne;

Die Sonne sey dir jede volle Rose,

Und jede Pfirsich, rund und reif, die Sonne;

Du siehst den Pfau, der durch den Garten schreitet,

Und dir enthüllt sein schöner Schweif die Sonne;

Und schmückt den Schah die Krone mit Demanten,

Bedeutet ihm der goldne Reif die Sonne.

11.

Ihr betrübt mich, jene haßt mich, o wie sehr!

O wie sehr drückt diese Last mich, o wie sehr!

Durch den Laubhain, durch die Kornflur schweif’ ich nun,

Liebe treibt nun ohne Rast mich, o wie sehr!

Zwar es lacht mir Sonn’ und Frühling Wonne zu,

Und mit Duft labt jeder Ast mich, o wie sehr!

Doch der Duft selbst ist der Sehnsucht Bote nur,

Tiefe Sehnsucht, ach! erfaßt mich, o wie sehr!

12.

Die Löwin ziert des Löwen Mähne nicht;

Buntfarbig sonnt sich die Phaläne nicht;

Der Schwan durchfurcht mit stolzem Hals den See,

Doch hoch im Aether hausen Schwäne nicht;

Die Rieselquelle murmelt angenehm,

Doch Schiffe trägt sie nicht, und Kähne nicht;

An Dauer weicht die Rose dem Rubin,

Doch schmückt ihn Thau mit süßer Thräne nicht;

Was willst du mehr, als was du bist, zu seyn;

Ein andres je zu werden, wähne nicht!

13.

Komm und brich des jungen Jahres Hyacinthen;

Laß mich locken deines Haares Hyacinthen;

Auf ein süß Geheimnis deuten, auf ein stilles,

Und allein uns Beyden klares, Hyacinthen;

Nicht allein im Morgenlande, allenthalben

Blühn des frohen Liebespaares Hyacinthen;

Brach doch auch der Muselman im Abendlande

Am Xenil und Manzanares Hyacinthen.

14.

Ganz in Unschuld, Lieb’ und Güte glühte die Wange dir;

Gleich der Purpurnelkenblüte glühte die Wange dir;

Als du mir den Wein kredenzet, welcher im Glase mir

Funkelnd, wie dein Auge, sprühte, glühte die Wange dir;

Als den schönen Blick du niederschlugst, den bescheidenen,

Daß er meinen Blick verhüte, glühte die Wange dir;

Da du sangst die frühsten Lieder, die ich dir sendete,

Fühlend ganz, wie sehr ich glühte, glühte die Wange dir.

15.

Mir vor allen schön erschien die Tulpe;

Meine Seele nahm dahin die Tulpe;

Ueberbeut den Saffir doch an Farbe,

Doch an Farbe den Rubin die Tulpe!

Eher pflück’ ich, wenn auch nie sie duftet,

Als Jasmin und Rosmarin, die Tulpe;

Lieblicher, als alle Sterne, leuchtet

Unter’m Sternenbaldachin die Tulpe;

Gerne wandl’ ich, wenn der Mond am Himmel,

Denn es fesselt mich und ihn die Tulpe;

Schenke! Tulpen sind wie Kelche Weines,

Gib den Freunden, gib sie hin, die Tulpe.

16.

Sieh die Wolke, die mit Blitz und Knall spielt;

Sieh den Mond, mit dem der Himmel Ball spielt;

Sieh den Fels, der bis an’s Firmament reicht,

Wie er liebend mit dem Widerhall spielt;

Sieh den Strom, der rauschend sich am Fels bricht,

Wann er mit der vollen Woge Schwall spielt;

Sieh den Schmetterling, der längs des Stroms fleucht,

Und mit Hyacinthen überall spielt;

Spiele du nur mit, und sey ein Kind nur,

Schöne Spiele sind es, die das All spielt.

17.

Dir, edler Jüngling, bring’ ich heut ein Lied,

Dir, schöner Freund, sey stets erneut ein Lied;

Du bist mir Schah des Morgenlands, und ich

Der Sänger Barbud, der dir beut ein Lied;

Ein Paradiesesvogel bin ich dir,

Der eine Feder auf dich streut, ein Lied;

Ein Lied hat Flügel zwar, doch komm zurück,

Denn gar so fern zu fliegen scheut ein Lied;

Frommt’s, wenn im Traum ein Dichter dichtete,

Wenn ihn des Morgens nicht erfreut ein Lied?

18.

Wenn du sammelst goldne Trauben ein,

Hüllen Reben dich in Lauben ein;

Wenn am Hügel dich umfängt der Schlaf,

Girren dich verliebte Tauben ein;

Wenn du liebst, so stellen Engel sich,

Die der Sorge dich berauben, ein;

Da die Weisheit mühevoll du fandst,

Büßtest doch du nicht den Glauben ein.

19.

Wer zog den Nerv im Weltgehirne? du.

Und hält das All an diesem Zwirne? du.

Wer gab dem Neger das geflachte Haupt,

Und wölbte Platons hohe Stirne? du.

Wer schuf die Tulpe, wie das Haidekraut,

Die Pommeranze, wie die Birne? du.

Wer hat das Thal mit Rosen roth bedeckt,

Und wer mit Eis die blauen Firne? du.

Du bist es, der, wie eine Perlenschnur,

Zusammenreihte die Gestirne, du!

20.

Der Strom, der neben mir verrauschte, wo ist er nun?

Der Vogel, dessen Lied ich lauschte, wo ist er nun?

Wo ist die Rose, die die Freundin am Herzen trug,

Und jener Kuß, der mich berauschte, wo ist er nun?

Und jener Mensch, der ich gewesen, und den ich längst

Mit einem andern Ich vertauschte, wo ist er nun?

21.

Dir gehorcht’ ich, will’gen Ohres, ehedem,

Gleichwie Asien dem Kores ehedem;

Was dem schwerverschlossnen Busen Zunge leiht,

Deine Liebe rief hervor es ehedem;

Diese Gärten, nun entblättert, nun entblumt,

Freuten sich des Tulpenflores ehedem;

Und das Wasser, das im Becken schlammig fließt,

Eine Säule sprang daraus empor es ehedem;

Und die Luft, die Schnee verstöbert, schwellte süß

Jeden Gang des Flötenrohres ehedem;

Deine Schönheit und das eigne schöne Glück

Sang ich – weh mir, ich verlor es! – ehedem.

22.

Nach lieblicher’m Geschicke sehn’ ich mich;

Wie nach dem Stab die Wicke sehn’ ich mich;

Nach deines Mundes Duft, nach deines Haars

Geringel am Genicke sehn’ ich mich;

Ich sehne mich, daß poche mir dein Herz,

Daß mich dein Arm umstricke, sehn’ ich mich;

Du gehst, o Schönheit, mich so stolz vorbey,

Nach einem zweyten Blicke sehn’ ich mich.

23.

Schatten wirft die laubige Platane mir,

Süßern Schatten wirft des Siegers Fahne mir;

Minder froh betret’ ich glatten Weg, als den,

Den ich durch die Waldgebüsche bahne mir;

Nicht die Fahrt im Schiff’, ich wünschte jene Fahrt

Auf dem Halbmond stehend, wie im Kahne, mir;

Leicht zu tragen scheint des Winters Flockenschnee,

Weil ich Blütenschnee des Lenzes ahne, mir;

Nicht im Garten, rief ich, als du badetest,

Nur im Wasser blüht die Tulipane mir!

24.

O weh dir, der die Welt verachtet, allein zu seyn,

Und dessen ganze Seele schmachtet, allein zu seyn!

Ein Unerschöpfter schuf der Schöpfer Geschöpfe rings,

Und nicht ein einzig Wesen trachtet, allein zu seyn;

Allein zu seyn verschmäht die Tulpe des Tulpenbeets,

Es scheut der Stern sich, wenn es nachtet, allein zu seyn;

Verlaß den Stolz, der deine Seele so tief bethört,

Und der es für erhaben achtet, allein zu seyn;

Sie nennen dich, wie Jussuf weise, wie Jussuf schön,

Wer wünschte, der dich je betrachtet, allein zu seyn?

25.

Du grollst dem Schah, weil du gebunden bist,

Und von dir selber überwunden bist?

Verklage nicht das fromme Schwerd der Zeit,

Dein Dolch ist schuld, dass du voll Wunden bist;

Bezeug’ uns erst, daß nichts in dir dich hemmt,

Daß du ein Freund von allen Stunden bist!

Sprich erst zur Rose, wenn sie welk erstirbt:

Was kümmert’s mich, daß du verschwunden bist?

Dann, Bruder, glauben wir, wie sehr auch du

Von uns, den Freyen, den Gesunden, bist.

26.

Es sprudelt Wasser aus dem Stein empor;

Der Wallfisch sprüzt es nicht so rein empor;

Die Lilje Persiens ist ein schlanker Baum,

So blüht sie nicht am deutschen Rhein empor;

Die feinsten Perlen, deine Thränen sind’s,

Kein Taucher fischt sie dir so fein empor;

Du mußt die Nelke binden an den Stab,

Es rankt der Eppich sich allein empor;

Den Trunk der Quelle führst du still zum Mund,

Doch hebst du hoch den Becher Wein empor!

27.

Nah dich, ungeweihte Wespe, diesem Blumenheerde nie;

Du besuchst den Tempelgarten ohne viel Gefährde nie!

Alle sind wir wol bewaffnet, wol gerüstet, wol bewehrt,

Sahst du meines Blumenheeres kriegrische Geberde nie?

Traun, der Rose Dornengeissel wirst du nie gesund entgehn,

Auch der Lilie geweihtem, breitem, blankem Schwerde nie!

Sonnenblumen tragen Keulen, Hyacinthen sind behelmt,

Nah dich, ungeweihte Wespe, dieser frommen Erde nie!

28.

Ja, deine Liebe flammt in meinem Busen,

Du hast sie nicht verdammt in meinem Busen,

Und weichlich ruhn, zum Lobe dir, Gesänge,

Wie Kronen auf dem Sammt, in meinem Busen;

Der Dichtung Lanzen fass’ ich miteinander,

Und berge sie gesammt in meinem Busen;

Ich trage gläubig eine Priesterbinde,

Verwalte Priesters Amt in meinem Busen;

Und, wie ein Flämmchen, flackert eine Rose,

Die noch aus Eden stammt, in meinem Busen.

29.

An der Lilje schönen Kelchen, und am Agley, pranget er,

Hangt der kleinen Biene Rüssel, nicht am Schierling hanget er,

Nicht auf Serkesch Melodien horcht der Weltregent, der Schah,

Doch es horchte, wenn ihr Barbuds Melodien sanget, er;

Wenn du vor den Liebekranken Hafis und Firdussi legst,

Den Firdussi läßt er liegen, nach dem Hafis langet er;

Mond und Sonne, diese wärmet, unter jenem frieren wir:

Nicht nach Lob verlangt der Dichter, doch nach Ruhm verlanget er.

30.

Auf, und nicht länger dich verhehle dem Vaterland!

Entgegenschwillt ja deine Seele dem Vaterland!

Der Perserkaufmann, was er sammelt, er bringt’s zurück

Auf schwerbeladenem Kameele dem Vaterland;

Die Nachtigall, die Parsi singet, gewannst du lieb,

Sie sing ja mit verwandter Kehle dem Vaterland;

Schneeglöckchen gehn, erscheinen Blumen, den Blumen vor:

Verkünde mich indeß, Ghasele, dem Vaterland!

Hat euch des Dichters Lied erfreut,

Zu Wol und Wehe süß geweckt,

Verzeiht ihm, daß die Stirn ihm heut

Der Turban, statt des Hutes, deckt.

An Göthe

Dein Name steh zu jeder Frist

Statt eines heiligen Symboles

Auf allem, was mein eigen ist,

Weil du mir Stern des Dichterpoles,

Weil du mir Schacht des Lebens bist.

Der Orient sey neubewegt,

Soll nicht, nach dir, die Welt vernüchtern;

Du selbst, du hast’s in uns erregt:

So nimm hier, was ein Jüngling schüchtern

In eines Greisen Hände legt.

GHASELEN – ZWEITE SAMMLUNG

IN: LYRISCHE BLÄTTER1821

Dem Dichter Friedrich Rückert zugeeignet

LITERATURVERZEICHNIS:

Bobzin, Hartmut: «Der Orient sey neu bewegt… Platens Studium des Persischen und seine Ghaselen-Dichtung», in: ‹Was er wünscht, das istihm nie geworden›. August Graf von Platen, 1796-1835. Eine Ausstellungim 200. Geburtsjahr des Dichters, Katalog hrsg. von Gunnar Och, Erlangen 1996, S. 89-119

Bobzin, Hartmut: «Platen und Rückert im Gespräch über Hafis», in: AugustGraf von Platen. Leben, Werk, Wirkung, hrsg. von Bobzin, Hartmut & Gunnar Och, Paderborn 1998, S. 103-121.

Bürgel, J.C.: «Platen und Hafis», in: August Graf von Platen. Leben, Werk,Wirkung, hrsg. von Bobzin, Hartmut & Gunnar Och, Paderborn 1998, S. 86-102.

Detering, Heinrich: «‹Ein Ketzer der Liebe›: Platens Ghaselen 1821», in ders.: Das Offenbare Geheimnis. Zur literarischen Produktivität eines Tabusvon Winckelmann bis zu Thomas Mann, Göttingen 1994.

Goethe, Johann Wolfgang von: Weimarer Ausgaben: Goethes Werke. Herausgegeben im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. Reprint, München 1987.

Ḥāfeẓ, Šams al-Dīn Moḥammad: Divān-e Ġazaliyyāt-e Ḥāfeẓ, Moḥammad Qazvīnī and Qāsem Ġanī, Teheran 1320 Š./1941 [Edition der Ghaselensammlung von Hafis].

Ḥāfeẓ, Šams al-Dīn Moḥammad: Dīvān-e Ġazaliyyāt-e Ḥāfeẓ, hrsg. und kommentiert von Ḫalīl Ḫaṭīb Rahbar, Teheran 1363 Š/1984 [kommentierte Ausgabe der Ghaselen von Hafis].

Keppel, Christopher & Joachim Bartholomae: ‹Schlaffe Ghaselen› und‹Knoblauchsgeruch›. Platen, Immermann und Heine streiten über freche Juden,warme Brüder und wahre Poesie, Hamburg 2012.

Moḥammadī, Hāšem: «Ḫvodšīftegī-ye Šāˁerān-e Pārsī tā Qarn-e haštom-e Heğrī», Nāme-ye Pārsī, Šomāre-ye 53, Tābestān 1389, S. 78-95 [Narzissmus unter den persischen Dichtern ab 12.-14. Jh.].

Nīkdār Aṣl, Moḥammad Ḥoseyn: «Barresī-ye Gūnehā-ye Faḫr dar Dīvān-e Ḥāfeẓ», Būstān-e Adab, Doure-ye dovvom, Šomāre-ye 3, Pāyīz 1389 Š/2010, S. 223-248 [Untersuchung der Arten von Prahlerei im Diwan von Hafis].

Polaschegg, Andrea: «Unwesentliche Formen? Die Ghasel-Dichtungen August von Platens und Friedrich Rückerts: Orientalisierende Lyrik und hermeneutische Poetik», in: Lyrik im 19. Jahrhundert. Gattungspoetikals Reflexionsmedien der Kultur, hrsg. von Martus, Steffen, Stephan Scherer, Claudia Stockinger, Bern 2005, S. 271-285.

Radjaie, Ali: «Hafis und das polyfunktionale Wort», in: Spektrum Iran,10, 1997, Bonn.

Rypka, Jan: Iranische Literaturgeschichte, Leipzig 1959.

Šamīsā, Sīrūs: Šāhed-bāzī dar Adabiyyāt-e Fārsī, Teheran 1381 Š/2002 [Homoerotik in der persischen Literatur].

Tschernig, Hubert: Das Ghasel in der deutschen Dichtung und das Ghasel beiPlaten, Leipzig 1907.

IMPRESSUM

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet die Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte

bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.ddb.de abrufbar.

August von Platen

Die Ghaselen

Mit einem Nachwort von Ramin Shaghaghi und

einem Anhang zur Rezeptionsgeschichte

© Männerschwarm Verlag, Hamburg 2014

Umschlaggestaltung: Carsten Kudlik, Bremen,

unter Verwendung eines Gemäldes von Moritz Rugendas

1. Auflage 2014

ISBN der Print-Ausgabe: 978-3-86300-165-0

ISBN der Ebook-Ausgabe: 978-3-86300-176-6

Männerschwarm Verlag

Lange Reihe 102 – 20099 Hamburg

www.maennerschwarm.de

EBOOKS BEI MÄNNERSCHWARM

www.maennerschwarm.de/ebooks

INHALT

Ghaselen

Ghaselen ...

1.

2.

3.

4.

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6.

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11.

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18.

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24.

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26.

27.

28.

29.

30.

An Göthe

Ghaselen – Zweite Sammlung

Entremos más adentro en la espesura!

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

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24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

Neue Ghaselen

Prolog

Ghaselen ...

1.

2.

3.

4.

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6.

7.

8.

9.

10.

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45.

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48.

49.

50.

Epilog

Kaßide

Ghaselen aus Neapel

1.

2.

3.

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5.

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7.

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9.

10.

11.

12.

13.

14.

Anhang

Zu dieser Ausgabe

Die Ghaselen in zeitgenössischen Rezensionen

Die Ghasele bei Hafis und bei Platen

Nachwort von Ramin Shaghaghi

Impressum

Ebooks bei Männerschwarm