Die nächste Liebe, bitte! - Gábor von Vaszary - E-Book

Die nächste Liebe, bitte! E-Book

Gábor von Vaszary

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Beschreibung

Ein junger Rechtsanwalt, der als gebranntes Kind das Feuer der Liebe scheut, erklärt dem Mädchen Mia auf einer Silvesterparty, daß er Aufrichtigkeit und Treue für das Wichtigste in der Ehe halte. Diese Prinzipien bringen die beiden nicht nur in die ergötzlichsten Schwierigkeiten, sie erweisen sich auch in der Praxis als unzureichend. Nach vollzogener Heirat sinnt Mia daher auf Mittel, ihren Mann zu heftigeren Gefühlsäußerungen zu bewegen, und auf einer Reise an den sommerlichen Plattensee veranlaßt sie ihren früheren Geliebten, seine Eifersucht anzustacheln. Das löst eine Reihe kurioser Mißverständnisse und Verwicklungen aus, und erst nach einer überstürzten Rückreise in einem vorzeitlichen Automobil und nach einem gewaltigen Krach bekennen sie einander, daß sie nicht nur Eheleute, sondern auch Liebende sind. Beschwingte Weisheit und liebenswürdige Komik geben auch diesem Roman des Autors den besonderen, unverkennbaren Geschmack.

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Gábor von Vaszary

Die nächste Liebe, bitte!

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Ein junger Rechtsanwalt, der als gebranntes Kind das Feuer der Liebe scheut, erklärt dem Mädchen Mia auf einer Silvesterparty, daß er Aufrichtigkeit und Treue für das Wichtigste in der Ehe halte. Diese Prinzipien bringen die beiden nicht nur in die ergötzlichsten Schwierigkeiten, sie erweisen sich auch in der Praxis als unzureichend. Nach vollzogener Heirat sinnt Mia daher auf Mittel, ihren Mann zu heftigeren Gefühlsäußerungen zu bewegen, und auf einer Reise an den sommerlichen Plattensee veranlaßt sie ihren früheren Geliebten, seine Eifersucht anzustacheln. Das löst eine Reihe kurioser Mißverständnisse und Verwicklungen aus, und erst nach einer überstürzten Rückreise in einem vorzeitlichen Automobil und nach einem gewaltigen Krach bekennen sie einander, daß sie nicht nur Eheleute, sondern auch Liebende sind. Beschwingte Weisheit und liebenswürdige Komik geben auch diesem Buch des Autors den besonderen, unverkennbaren Geschmack.

Über Gábor von Vaszary

Gábor von Vaszary, geboren in Budapest und gestorben 1985 in Lugano/Schweiz, war ein ungarischer Schriftsteller und Drehbuchautor.

Inhaltsübersicht

1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel

1. Kapitel

Welchen Sinn hat eigentlich das Leben, fragte er sich und schaute dabei zerstreut durch das Fenster seiner Wohnung, wo die Schneeflocken ohne Unterlaß vom Himmel tanzten.

Er war ein junger Mann, sechsunddreißig Jahre alt, groß, mit breiten Schultern, gerader Haltung, dunklem Haar und einem sehr sympathischen Gesicht. Ein Mann, der den Frauen gefiel, der aber mit keiner von ihnen Glück gehabt hatte.

Ja, welchen Sinn hat das Leben, wenn der Mensch nicht einmal glücklich sein kann? An der Arbeit berauschte man sich nur und hatte obendrein damit noch Ärger. Wenn es nur hie und da einmal wäre, das ließe sich noch ertragen, aber die Tage wurden immer häufiger, da ein Ärger unmittelbar auf den anderen folgte.

Dann gibt es noch Pechserien, die Monate, ja sogar auch Jahre dauern können. Das allein genügte schon. Aber dazu kommen die Frauen, mit denen man nicht ruhig leben kann, und ohne sie noch viel weniger. Soll sich da einer nicht fragen, welchen Sinn eigentlich das Leben hat?

Péter nahm die Tageszeitung und legte sich damit auf die Couch, um nicht mehr nachdenken zu müssen.

Es war am Tage vor Silvester und Nachmittag.

Die alte Frau, die seinen Haushalt versorgte, putzte die Wohnung für die Feiertage und rumorte in der Küche. Dann war es auf einmal still.

Er schloß die Augen. Ein Arm hing auf den Teppich herunter, auf die Zeitung, die ihm aus der Hand gefallen war. Endlich schlummerte er mit tiefen rhythmischen Atemzügen ein.

Jetzt war er seine Probleme los.

Die Zentralheizung unter dem Fenster verbreitete eine angenehme Wärme und bewegte leise die Vorhänge. Nur die moderne Wanduhr tickte unaufhörlich.

Vorsichtig öffnete sich die Tür. Die alte Frau guckte ins Zimmer, lauschte eine Weile regungslos den ruhigen Atemzügen des Schlafenden und zog sich langsam wieder zurück. Eine ungeschickte Bewegung jedoch, und der junge Mann fuhr erschrocken auf.

«Was ist denn?»

«Ich wollte dem Herrn nur sagen, am Zweiten komme ich wieder.»

«Schon gut.»

«Bis dahin ist alles in Ordnung. Und ich wünsche dem gnädigen Herrn auch ein glückliches neues Jahr.»

Er stand auf und übergab ihr das Geldgeschenk, das für sie auf dem Schreibtisch vorbereitet war. Putzfrauen muß man sehr feinfühlig und generös behandeln, sonst bleiben sie aus und man bekommt nirgendwo eine andere. (Sie werden nach und nach aussterben wie einst die Dinosaurier.)

Er reichte ihr die Hand. Wie geht es der lieben Familie? Ach, gut! Na, wunderbar! Und das Fräulein Tochter ist schon verheiratet? Nein, im Frühjahr. Aber bis dahin bekommt sie ein Kind. Es wird schon klappen. In Details wollte er nicht gehen, sonst würde sie nicht aufhören.

Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, legte er sich wieder auf die Couch.

Das Schneien schien nicht mehr aufhören zu wollen. Auf den Dächern der Häuser war bereits eine dicke, weiße Decke, und vom grauen Firmament kreiselten immer noch winzige Flocken.

Dieser Tag war doch wirklich wie verhaut. Er erhob sich, ging in der Wohnung hin und her und setzte sich schließlich zu seinem Schreibtisch. Gleich drei Silvestereinladungen waren gekommen für den morgigen Tag, doch er hatte keine Lust, auch nur eine davon anzunehmen.

Wenn er seine Vergangenheit überblickte, es war nicht genügend Glück darin, um auch nur ein einziges Jahr auszufüllen, und jetzt war er, wie gesagt, sechsunddreißig.

Als kleines Kind schon verlor er die Mutter. Der Vater hatte noch einmal geheiratet, aber auch die zweite Frau war bald danach gestorben. Lange Jahre hindurch war keine fröhliche Stimmung zu Hause aufgekommen, doch besaß der Vater nach dem doppelten Schlag immerhin noch so viel Lebenskraft, angesichts seines hohen Alters keine großen Ansprüche mehr an das Leben zu stellen. Er schien zufrieden.

Auf jeden Fall war es ihm gelungen, zweimal mit einer Frau glücklich zu werden.

Es ist traurig, wenn einem alles gleichgültig ist: ob die Sonne scheint, ob der Himmel bewölkt ist, ob es schneit oder regnet. Alles egal, weil es im täglichen Einerlei nicht das Geringste ausmacht. Nur arbeiten, um sich zu betäuben und nicht zu viel an sich selbst zu denken.

Und morgen ist Silvester, wo man sich zu einer Unterhaltung bereit zu machen pflegt, obwohl im Grunde genommen niemand weiß, weshalb er sich so sehr auf ein neues Jahr freut, das ihm doch auch nicht mehr an Glück und nicht weniger an Leid bringen kann als die verflossenen.

Ein Rechtsanwalt wie er, der sich hauptsächlich mit Ehescheidungen befaßt, macht sich über das Eheglück nicht viele Illusionen. Davon abgesehen waren auch seine eigenen Erfahrungen recht betrüblich.

Er war unverheiratet. Zwar hatte er einmal eine Braut, wie es sich für einen gut erzogenen Menschen geziemt, der sein Leben nicht mit zweifelhaften Liebesabenteuern belasten will, die immer auf andere Art enden, als man glaubt, doch inzwischen hatte er sie verloren.

Vielleicht war das Mißgeschick darauf zurückzuführen, daß er sie früher hätte heiraten sollen. Man muß die Frauen schnell umgarnen.

Der Sache ging keine besondere Geschichte voran. In den letzten Wochen ihres Beisammenseins war sie immer mit Ausflüchten gekommen, wenn er sie verliebt umarmen wollte. Einmal hatte sie zu wenig Zeit, und wie sie sagte, wollte sie kein oberflächliches Liebes-Beisammensein. Das andere Mal wieder waren es Kopfweh, ein verdorbener Magen, Zahnschmerzen, oder sie berief sich auf hochgradige Nervosität. Nur wenn er ihre Ausreden zur Kenntnis genommen hatte, betrug sie sich wieder wie sonst. Sie schien erleichtert, lispelte verliebte Worte und küßte ihn sogar lange auf den Mund. So hatte es angefangen.

An jenem letzten Abend war sie ungeduldig und ruhelos, als ob sie etwas hätte sagen wollen, wozu sie nicht mehr gekommen war.

Ein paar Tage später hatte er einen Brief von ihr erhalten voll zärtlicher Worte: sie sei übermüdet und müsse in die Berge, um wieder zu Kräften zu kommen. Und dort gelangte sie tatsächlich zu neuem Elan, denn sie schrieb ihm endlich die Wahrheit, daß sie einen andern liebe, jedoch keinerlei Erklärung, wann und wie es dazu gekommen war.

Was dann mit ihm geschah, war auch nichts Besonderes.

Wie jeder enttäuschte Mann hatte er bei der erstbesten Frau, die zur Hand war, Trost gesucht. Der Einfachheit halber denkt einer immer gleich an seine Sekretärin. Er war auf dem besten Wege zur vollständigen Genesung, als die Sekretärin ihm zwischen zwei verliebten Küssen mitteilte, daß nächste Woche ihre Hochzeit stattfinde. Dabei beruhigte sie ihn aber gleich: kündigen wolle sie deshalb nicht. Das wäre gewissenlos.

«Wir werden nur vorsichtiger sein müssen, Liebster», und sie küßte und biß kokett seine Lippen.

Zuerst empfand er wohlige, schadenfrohe Genugtuung darüber, daß es einem andern Manne auch so ergehen würde wie ihm. Er kam aber rasch zur Vernunft, als ihm einfiel, daß dies für ihn als prozeßführenden Advokaten sehr unangenehme Folgen haben könnte.

So brach er die Beziehungen ab und engagierte eine neue Sekretärin (er hatte nicht allzuviel Phantasie), die von vornherein jeden Gedanken an eine Heirat ablehnte. Doch diese Frau betrog ihn ebenfalls.

Im Grunde genommen war er keine eifersüchtige Natur. Er ließ sich leicht irreführen, nahm alles wörtlich, was man ihm erzählte, und es wäre ihm nie eingefallen, jemandem nachzuspionieren.

Aber in dem Scheidungsprozeß einer jungen Frau, den er gerade führte, erschien eben jene Sekretärin als Scheidungsgrund, mit welcher der betreffende Ehemann seit Jahren ein regelrechtes Verhältnis unterhielt. Dies war aus dem Beweismaterial ohne Zweifel festzustellen.

Die Verbindung zerbrach, als er mit der Idee kokettierte, die junge Dame der Bequemlichkeit halber zur Frau zu nehmen. Diesmal konnte man wenigstens von einem glücklichen Zwischenfall reden, daß ihm das Schicksal energisch dazwischengefahren war.

Die nächste Sekretärin war eine Frau um die Fünfzig. Er glaubte nämlich, sich gegen die Sittenlosigkeit des weiblichen Geschlechts nur auf diese Art schützen zu können.

Eigentlich hatte er recht.

In jenen trübseligen Wochen erfuhr er auch, daß seine ehemalige Braut von ihrem neuen Bräutigam sitzengelassen worden war. So fühlte er sich ihr gegenüber gerächt und seine für erloschen geglaubte Liebe flammte wieder auf.

Es war sonderbar, wie nach den Wonnen vorübergehender Abenteuer die Vergangenheit zurückkam, um ihm in Stunden des Alleinseins neue Sehnsucht zu bringen. Hätte er vernünftig überlegt, hätte er erkennen müssen, daß es die Frau nicht gibt, welche in höchster Ekstase der Leidenschaft eine abgetane Liebesaffäre wieder aufwärmt wie die Reste eines Mittagessens.

Langsam und schwer fand er sich zurück.

Die Liebe kommt unbemerkt und entfernt sich ebenso. Mit einem Male ist alles vorbei, als sei gar nichts gewesen. Erinnerungen schmerzen nicht mehr. Das Herz ist des Leides müde. Stille und Frieden umfangen einen, ähnlich wie bei einem Schwerkranken, der nach langem Wachliegen endlich einschlummert und von nichts mehr weiß.

In diesem Zustand befand er sich nun.

Er schenkte sich Kognak ein, nahm aufs Geratewohl ein Buch aus dem Regal und setzte sich in den Fauteuil neben der Stehlampe, um zu lesen. Es handelte sich um die Selbstbiographie eines Arztes, der unter anderem den Standpunkt vertrat, der Erkrankung des Leibes gehe auf jeden Fall eine seelische voraus.

Er ließ das Buch sinken und runzelte die Stirn. War es möglich, daß dieser merkwürdige Seelenzustand, der bei ihm nun schon so lange anhielt, das erste Anzeichen einer entstehenden Krankheit war? Man müßte zu einem Arzt gehen. Aber er hatte ja keinerlei Beschwerden, die eine Untersuchung rechtfertigten.

Alle Überlegungen hätten zu nichts geführt, hätte nicht das Schicksal eingegriffen: das Telephon läutete, und sein Freund, ein Arzt, wollte sich in einer Rechtsfrage an ihn wenden. Diese sonderbare Gedankenverkettung machte auf ihn einen solchen Eindruck, daß er den Freund bat, ihn doch einmal aufsuchen zu dürfen. Er habe das Gefühl, etwas stimme nicht mit ihm.

Eine halbe Stunde später saß er bereits in der Ordination. Die Untersuchung ergab jedoch keinerlei Anhaltspunkte für irgendein Leiden.

«Wenn du willst, kann ich dich ja noch eingehender untersuchen, aber ich sehe keinen Grund dazu, da du ja keinerlei Beschwerden hast. Das Schlimmste ist, daß dir nichts fehlt. Verstehst du? Es dürfte dir nicht so gut gehen …»

«Was meinst du damit?»

«Wir Menschen sind nun einmal so, daß wir von allem etwas benötigen. Ein bißchen Kummer ist ebenso nützlich wie die Gewürze beim Kochen. Zu wenig Salz macht das Essen genauso ungenießbar wie zu viel. Was dir fehlt, ist ein kleiner Mißton, irgendein Kummer … Bist du denn gar nicht verliebt?»

«Nein.»

«Na, also! Das ist es, was dir fehlt! Eine Frau, die dich durcheinanderbringt.»

«Ich glaube, von den Frauen eine Lehre fürs ganze Leben erhalten zu haben.»

Der Arzt hörte nicht auf ihn und hing weiter seinen Gedanken nach.

«Ja, das ist die einzige Möglichkeit: eine Frau! Über sie kommst du am schnellsten zu einem Kummer … Von Zeit zu Zeit wirst du auch etwas glücklich sein … du wirst es dir zumindest einbilden, was schließlich aufs selbe herauskommt … Die Frauen teilen uns das Gute und das Böse höchst unsystematisch zu. Du solltest dich verlieben, damit du dich auch mit jemand anderem beschäftigen kannst, als nur immer mit dir selbst.»

Enttäuscht blickte Péter seinen Freund an und sagte kein Wort.

«Geh und such dir auf schnellstem Wege einen Kummer!»

Muß man denn Leid suchen? Er zog sich langsam an. Ratlos verließ er den Arzt und wußte nicht, was beginnen. Dabei stand auch noch ein doppelter Feiertag bevor.

Die Auslagen betrachtend, schlenderte er durch die Straßen und setzte sich schließlich in ein Café. So zog die Zeit bis zum Abend dahin. Nach dem Nachtmahl sah er sich einen amerikanischen Film an, denn es war noch zu früh, heimzugehen.

Als hätte man das Stück für ihn ausgesucht! Man zeigte eine fade Liebesgeschichte. Eine Frau betrog ihren Mann, den die Fama zuvor arg beschmutzte, wohl deshalb, damit der Fehltritt der Frau gerechtfertigt sei. So erschien beides moralisch, und das war das Unmoralische an der Geschichte.

Die erlösende Idee kam ihm am nächsten Morgen: er bearbeitete einen Scheidungsprozeß in seiner Kanzlei, um die Zeit totzuschlagen. Um halb zwei war er damit fertig und ging in ein Restaurant. Wieder zu Hause, streckte er sich auf der Couch aus und schlief bis halb fünf.

So kam es, daß er von seinem ursprünglichen Plan abwich und beschloß, den Silvesterabend doch im Freundeskreise zu verbringen. Bedächtig zog er seinen Smoking an und machte sorgfältig Toilette, um sich auch damit die Zeit zu vertreiben.

Patakis, deren Einladung zum Jahresschluß er unter den dreien gezogen hatte, wohnten in der Pasarétistraße in einer Gartenvilla. Ihre Freundschaft war entstanden, als er vor drei Jahren Herrn Patakis Scheidungsprozeß übernahm. Der Mann hatte dann wieder geheiratet. Ob er mit seiner jetzigen Frau aber glücklicher war als mit der ersten, wußte niemand. (Die Tragödien der wohlerzogenen Menschen kommen immer ganz plötzlich ans Tageslicht. Bis dahin lassen sich keinerlei Anzeichen eines entstehenden Übels feststellen.)

Er hatte die Einladung nicht genau durchgelesen, und so überraschte ihn die Aufklärung des Dienstmädchens, das auf sein Läuten öffnete:

«Die Herrschaften sind noch nicht zu Hause, bitte. Sie sind bei der alten gnädigen Frau, die heute Geburtstag hat.»

Er blieb ein wenig ratlos im Vorzimmer stehen.

«Ist denn heute nicht Silvester?»

«Doch, doch. Aber die Herrschaften werden erst um elf Uhr nach Hause kommen. Um diese Zeit haben wir auch die Gäste gebeten.»

Er zog die Einladung aus der Tasche und sah sie genauer an. Das Dienstmädchen hatte recht: sie lautete für elf Uhr abends. Was sollte er jetzt beginnen? Das Taxi hatte er weggeschickt, und an einem Tag wie heute war nicht so schnell wieder eins zu bekommen. Und wohin sollte er auch?

«Bitte doch bis zur Rückkehr der Herrschaften hierzubleiben», schlug das Mädchen vor. Ohne seine Antwort abzuwarten, half sie ihm aus dem Mantel und öffnete die Tür zum Salon.

Hier hatte man bereits alles vorbereitet. Die Möbel waren an die Wand geschoben, um für die Tanzenden Platz zu schaffen, vom Lüster hingen Papierschlangen in sämtlichen Farben, auf weißgedeckten Tischen standen riesige Platten mit kaltem Aufschnitt und appetitlichen Brötchen; geschliffene Gläser in langer Reihe und eine Unmenge Champagner-, Wein- und Kognakflaschen zeigten an, daß man hier die Geburt des neuen Jahres gebührend zu feiern beabsichtigte.

Er stand allein in der Mitte des Salons. Im offenen Kamin brannte ein lustiges Feuer. Flammenzungen leckten knatternd an den Holzscheiten, schlugen über ihnen zusammen und dehnten sich mit bläulichen Spitzen im Luftzug des Rauchfangs.

Durch das Fenster leuchtete die Schneelandschaft.

Langsam überkam ihn eine seltsame Stimmung, die zu einer lärmenden Silvesterunterhaltung gar nicht passen wollte. Am liebsten wäre es ihm gewesen, seine Gastgeber hätten ihn allein gelassen und wären überhaupt nicht heimgekommen. Er setzte sich in den hohen Lehnstuhl vor dem Kamin und starrte in die Flammen. Seine Gedanken schweiften in die Ferne, und die Zigarette in seiner Hand erlosch.

«Wünscht der Herr vielleicht etwas zu trinken?» riß ihn die Stimme des eintretenden Mädchens aus seinen Träumen.

«Ja, einen Kognak, bitte», gab er zerstreut zurück.

Er drehte am Radio. Von irgendwoher wurde Beethovens Fünfte übertragen. Am Silvesterabend? Sonderbar!

Er lehnte sich zurück und schloß die Augen.

2. Kapitel

An diesem letzten Tage des Jahres lenkte auch ein anderer Gast seine Schritte zu Patakis: ein schlankes, zauberhaftes junges Mädchen. Auch sie kam allein. Sie hatte die Stunde der Einladung nicht verfehlt, sie war absichtlich früher erschienen.

Ihr Blick war strahlend, ihr Gang selbstsicher und elastisch. Ihr Haar hatte einen natürlichen Glanz, und ihr Gesicht war auch im verräterischen Tageslicht glatt und weich. Wer die Jugend verloren hat, scheut als erstes die Sonne, die unbarmherzig die winzigsten Krähenfüße und Falten zeigt, die Müdigkeit der Augen, die matte Farbe der Haare, mit einem Wort, die Anzeichen der Vergänglichkeit.

Sie hielt dem Sonnenlicht stand. Nur in ihrem Innern gab es Krähenfüße, aber die konnte niemand sehen. Sie genoß ihre Jugend in vollen Zügen. Sich etwas zu versagen, war ihr fremd. Sie konnte mit Begeisterung sündigen. Ja, sie war jung, vierundzwanzig erst. (Die Zeit, wo ein Mädchen relativ keine große Dummheit mehr macht.)

Sie war an diesem Silvesterabend bereits in jemanden verliebt, und dies erfüllte ihr ganzes Wesen mit einem köstlichen Wonnegefühl. Das Glück leuchtete ihr aus den Augen und zauberte ein schelmisches Lächeln auf ihre Lippen.

Hier bei Patakis hatte sie nämlich ein Rendezvous mit einem jungen Mann, und sie wollten eine Zeitlang allein sein.

Immer noch schneite es.

Das junge Mädchen blieb einen Augenblick vor der Villa stehen und schloß die Augen, um die Schönheit der Winternacht und das Glück der im voraus gekosteten Küsse zu genießen. Dann durchquerte sie mit raschen, ungeduldigen Schritten den Garten und drückte auf den Klingelknopf. Das Läuten klang schrill in der verträumten Stille der Nacht.

Das Dienstmädchen begrüßte sie wie einen häufig gesehenen Gast des Hauses.

«Küß die Hand, gnädiges Fräulein!»

«Guten Abend, Erzsi … Eine himmlische Silvesternacht! …» Mit einer raschen Bewegung schüttelte sie den Schnee von ihrem Pelzmantel.

«Bitte, überlassen Sie das mir!» sagte Erzsi diensteifrig und nahm ihr den Mantel ab. «Gnädiges Fräulein sind aber sehr früh gekommen.»

«Ist noch niemand da?»

«Doch, ein Herr ist gekommen.»

Sie schaute das Dienstmädchen eine Weile nachdenklich an und fragte schließlich:

«War hier nicht einmal ein großer Spiegel?»

«Ja, wir haben ihn umgehängt», und sie führte sie hin.

Das junge Mädchen nahm Kleingeld aus ihrer Handtasche und drückte es in Erzsis Hand.

«Der Herr wartet auf mich. Ich bin früher gekommen, damit wir ungestört sind … Denken Sie aber nichts Schlechtes! …»

«Ich verstehe. Seien Sie ganz ruhig! Vor elf Uhr kommt niemand.»

«Herrlich!» Sie stellte sich vor den Spiegel, ordnete rasch ihr Haar, strich mit ihren Händen den schlanken Körper entlang, puderte ihre Nase und die Augen, fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und versteckte die Puderdose wieder in ihrem Handtäschchen. Mit einer selbstbewußten, stolzen Bewegung warf sie den Kopf zurück und schritt der Salontür zu.

An der Schwelle hielt sie einen Augenblick inne und lauschte.

Dort drinnen war ihre Liebe, dachte sie.

Die Töne der Schicksalssymphonie klangen zu ihr heraus.

Ein leises Lächeln huschte über ihre Lippen. Ja, das Schicksal kam zu ihr. Wie himmlisch war doch die Stimmung dieser Nacht!

Lautlos drückte sie die Klinke herunter, horchte ins Zimmer, trat mit vorsichtigen Schritten ein und zog leise die Tür hinter sich zu.

Der junge Mann saß noch immer mit dem Rücken zur Tür vor dem Kaminfeuer in einem Fauteuil mit hoher Lehne, die ihn ganz verdeckte.

In sich versunken grübelte er über den Sinn des Lebens nach. Nur der kräuselnde, bläuliche Rauch seiner Zigarette verriet seine Gegenwart. Sicherlich gab es noch anständige junge Mädchen, die seiner zwiespältigen und zweiflerischen Seele wieder neue Kraft und Glauben an das Leben schenken könnten. Egal, ob schön oder nicht, ob arm oder reich, wenn er sie nur endlich fände, diese 3 Eine, um die es sich lohnte, alles hinzugeben, um von ihr alles zu bekommen.

Das waren die Gedanken, die Péter beschäftigten, der laut ärztlicher Anordnung schleunigst auf die Suche nach einem Kummer gehen sollte und sich statt dessen nach Glück sehnte.

Während dieser Meditationen betrat Mia den Salon. Ein junges Mädchen, dessen Seele im Gegensatz zu der seinen selbstvergessen auf den friedlichen und ruhigen Gewässern einer glücklichen Liebe schaukelte.

Zwei Menschen trafen zusammen, die voneinander am weitesten entfernt waren.

Vorsichtig drückte sie sich gegen die halbgeöffnete Tür. Mit verschleierten Augen, den Kopf zur Seite geneigt, ein stilles, glückliches Lächeln auf den Lippen, so stand sie da und sah in Richtung des Fauteuils, dessen Lehne, wie bereits gesagt, den jungen Mann verdeckte. Nur der Zigarettenrauch verriet seine Anwesenheit.

Sie tat keinen einzigen Schritt. Sie wartete nur. Warten kann noch weit schöner sein. Sie wartete so lange, bis eine kleine Pause in der Musik ihr Zeit ließ, ein einziges Wort zu hauchen:

«Du!»

Müde vom Grübeln gab sich der junge Mann dem seltsamen, halbschlafähnlichen Gefühl hin, das nur die Musik im Menschen hervorruft. Ihm schien, als habe er einen leisen Ton vernommen, und er öffnete die Augen.

Sie hockte sich hinter den Fauteuil und klopfte mit dem Zeigefinger auf die Rückenlehne.

«Kuckuck!» sagte sie.

Überrascht hob er den Kopf, drehte sich aber nicht um. Da griff langsam ein nackter Frauenarm von rückwärts nach ihm und zerzauste sein Haar. Erschrocken guckte er über die Sessellehne, und auch das junge Mädchen richtete sich auf.

Zwei vollkommen Fremde starrten einander an.

«Oh, Verzeihung!» stotterte sie.

«Bitte!» Er war genauso perplex.

Mit einem Blick erfaßte sie die Verlegenheit des Mannes, was ihr die eigene Sicherheit wiedergab. Sie fühlte die Macht, die aus ihrer Schönheit erwuchs, und bemerkte leichthin:

«Ich sah nur den Zigarettenrauch und dachte, meine Freundin Klári sitze vor dem Kamin … Wir hatten nämlich vereinbart, uns zu treffen, bevor die anderen da sind, um etwas zu plaudern … Als ich ankam, sagte das Stubenmädchen, daß schon jemand hier sei. Ich habe nicht weiter gefragt … Daher das Mißverständnis.»

«Das macht doch nichts», erwiderte er.

Sie meinte, eine glaubhafte Erklärung gefunden zu haben, aber der unverminderten Verwirrung des Mannes war anzumerken, daß die Sache für ihn noch nicht erledigt war. Dies brachte auch sie wieder in Verlegenheit.

«Ach, wie ungeschickt!» murmelte sie, denn ihr Abendtäschchen war ihr aus der Hand geglitten.

Er bückte sich und hob es auf. Diese selbstverständliche kleine Höflichkeit half ihm, sein Gleichgewicht wiederzufinden. Sie hauchte ein leises «Danke» und lächelte.

Sekundenlang sahen sie einander wortlos an, dann sagte er halblaut:

«Wirklich sonderbar!»

«Bitte?»

«Ich hatte gerade darüber nachgedacht, wie voll Irrungen und Enttäuschungen unser Leben ist und wie schön es wäre, wenn diejenige, welche wir suchen, ganz einfach ins Zimmer träte und weiter nichts sagte als: Kuckuck! Hier bin ich! Und was ist geschehen? … Sie sind gekommen …»

«Merkwürdig», meinte das junge Mädchen, nur um etwas zu antworten, denn im Grunde genommen fand sie es gar nicht merkwürdig, eher dumm.

Diese simple Antwort hatte er nicht erwartet. Er war verstimmt. Was sie merkwürdig fand, war etwas anderes.

«Wir sprechen miteinander und kennen uns eigentlich gar nicht.»

Dies fand wiederum er nicht merkwürdig.

«Ja, hätten wir denn warten sollen, bis jemand kommt und uns bekanntmacht?»

«Sie können sich doch auch selbst vorstellen.»

«Péter Horváth», sagte er und verbeugte sich feierlich.

«Ich heiße Mária Szilasi.» Sie gab ihm die Hand. «Aber alle nennen mich einfach Mia …» Sie warf einen raschen Blick auf ihre Armbanduhr. «Ich weiß nicht, wo meine Freundin geblieben ist. Sie müßte längst hier sein …»

«Unsere Gastgeber kommen erst um elf.»

«Ich weiß … Wie spät ist es eigentlich?»

«Zwölf Minuten nach zehn.»

«Danke … Letzten Silvester habe ich Sie nicht hier gesehen», bemerkte sie.

«Nein. Ich war anderswo.»

Dann sprachen sie davon, daß es nur dann ein richtiger Silvesterabend sei, wenn auch Schnee fiele.

«Stellen Sie doch bitte das Radio ab», ließ sich Mias Stimme vernehmen. Während er sich beeilte, ihrem Wunsche nachzukommen, nahm sie in dem am weitesten von ihm entfernten Fauteuil Platz, und als er nichts sagte, brach sie das Schweigen:

«Sie sind so ernst, als ob Ihnen etwas Unangenehmes passiert wäre … Entschuldigen Sie meine Feststellung … Sie müssen darauf auch nicht antworten …» meinte sie.

«Woher! … Nur, Ihre Bemerkung berührt mich eigentümlich.»

Zuerst sagte er, daß er an einen anderen Silvesterabend gedacht habe und hergekommen sei, um zu vergessen. Mit der Zeit erwärmte er sich für sein Thema und erzählte freimütig, eine große Enttäuschung erlebt zu haben. Nach einem solchen Geschehnis sei der Mensch eben nicht zur Unterhaltung aufgelegt. Gerade vorhin sei es ihm durch den Kopf gegangen, ob er nicht lieber nach Hause gehen solle.

Mia, die noch immer nicht begriffen hatte, warum er von all dem sprach, fragte teilnahmsvoll:

«Ist Ihnen jemand gestorben?»

«Aber nein …»

Péter empfand es mit einemmal ausgesprochen dumm, daß er überhaupt angefangen hatte, davon zu reden.

«Was macht Ihnen dann Kummer? … Eine Frau?» Sie lehnte sich im Fauteuil zurück und sah ihn forschend an.

«Eine Frau», bekannte er leise und schämte sich derartig, als sei von etwas Widernatürlichem die Rede. In der Tat, in Gegenwart eines so schönen Geschöpfes scheint es einem anomal, von der Liebe zu einer anderen Frau zu sprechen.

«Sie sind nicht verheiratet?» fragte sie nach einer kleinen Pause und leckte sich dabei unwillkürlich die Lippen, als habe man ihr eine Süßigkeit angeboten.

«Ach, nein.»

«Nun, so erzählen Sie doch!»

«Nichts geschieht ohne Grund, ohne Absicht auf Erden, nichts, außer, ein Mensch wird betrogen! Häufig nehmen sich die Frauen nicht einmal die Mühe, es einem zu erzählen.»

«Zu erzählen?» staunte Mia.

«Besser gesagt, aufzuklären.» Er hielt ihrem Blick stand.

«Sie hätten es wissen wollen?»

«Nur der Ordnung halber. Der Mensch muß immer wieder an das zurückdenken, was er nicht begreift. Er grübelt darüber nach und kann es nicht vergessen.»

«Fällt es Ihnen schwer, darüber zu sprechen?»

«Nein», und wie zur Entschuldigung fügte er hinzu: «Es ist schon lange her.»

«Wie alt war sie?»

«Sechsundzwanzig.»

«Schon? … Haben Sie sie sehr geliebt?»

«Nun …»

«War sie schön?»

«O ja!»

«Schöner als ich?»

«Aber, bitte! …» protestierte er höflich.

«Hatte sie eine gute Figur?»

«Ach! …»

«War sie nicht lieb?»

«Also, wissen Sie …»

«Nach all dem begreife ich wirklich nicht, was Sie an dieser Frau so fesselte … Welche Farbe hatten ihre Augen?»

Péter blickte sie an wie einer, der nicht verstand. Welche Farbe die Augen hatten? Und wenn man ihn erschlug, er hätte es nicht sagen können. Er runzelte die Stirn, damit es ihm einfalle. Wer, zum Teufel, schaut schon danach! Höchstens der Augenarzt.

«Ich weiß es nicht», gab er geschlagen zu. «Irgendwie dunkel.»

«Das ist ja großartig!» stellte das junge Mädchen im Ton aufrichtiger Erschütterung fest. «Nein, es ist geradezu grotesk! Und Sie getrauen sich, so etwas die große Liebe zu nennen? … Sie wissen am Ende ja gar nicht, wen Sie geliebt haben!»

Er beugte sich näher zu ihr und begann aufgeregt:

«Sie war blond, schlank, ihr Vater war Hofrat, und sie erzählte so faustdicke Lügen, daß nicht einmal das Gegenteil davon stimmte. Nennen Sie das vielleicht Liebe?»

«Nun, deshalb, weil man einmal eine Enttäuschung erlebt hat …» unterbrach sie, ihn nachsichtig tröstend.

«Einmal? … Einmal, haben Sie gesagt?», und mit einem theatralisch-bitteren Auflachen brach es aus ihm heraus: «Erlauben Sie, eine andere Blonde hat mir dasselbe angetan …, das heißt, es waren insgesamt drei … Nein, die eine war braun …» Ratlos starrte er in die Luft und dachte angestrengt nach. Welche war denn bloß noch blond, zum Donnerwetter?

Mia schaute ihn verblüfft an. War so etwas überhaupt möglich? Und der wagte es, von Treue zu reden?

«Aber Sie haben doch ständig die Frauen gewechselt!»

«Ich! … Sie haben mich gewechselt … Mit mir sind jene am übelsten verfahren, die beteuerten, mich sehr zu lieben.»

«Das geschieht Ihnen recht.»

«Wieso?»

«Weil Sie gar keine Ahnung haben, was Liebe ist!»

«Das soll ich nicht wissen? … Der ärgste Kummer, die gefährlichste Krankheit! … Schlimmer als die Lungenschwindsucht. Die kann man nur einmal bekommen und wird entweder geheilt oder man stirbt daran. Aber die Liebe, die überleben wir leider immer und können ihr zu jeder Stunde, in jedem Augenblick von neuem verfallen. Dagegen hat man noch keine Therapie gefunden.»

«Es ist entsetzlich, so etwas anzuhören!»

Der junge Mann fühlte sich richtig in seinem Element. Endlich war er jemandem begegnet, dem er die ganze Bitterkeit seiner Seele ausschütten konnte. Er sprach von der Hinterlist der Frauen, von ihrer Lügenhaftigkeit, die kein anderes Ziel habe, als anständige Männer zugrunde zu richten. Er ließ sich zu Übertreibungen hinreißen und schien völlig vergessen zu haben, daß er all das einer Frau erzählte, die ihm doch unter keinen Umständen recht geben konnte.

«Ja, man hat mich schon wiederholt betrogen, aber alle haben versichert, ohne mich nicht leben zu können. Sie haben ihr Spiel mit mir getrieben und mich zugrunde gerichtet. Ich kann das verlogene: ich liebe dich! nicht mehr hören.»

«Aber ohne Liebe kann man nicht leben! … Wie wollen Sie sonst glücklich werden? … Möchten Sie denn nie heiraten?»

«So hab ich es nicht gemeint. Aber im allgemeinen sind die Menschen zuerst verliebt, dann heiraten sie. Ich halte diese Methode für schlecht. Ein verliebter Mensch ist wie ein Betrunkener. Ich möchte bei klarem heiraten.»

«Eine Vernunftehe also?»

«Nein!» wehrte er heftig ab. «Ich werde erst heiraten und mich nachträglich in meine Frau verlieben. Mit wohlüberlegtem, nüchternem Entschluß.»

«Einfach grauenhaft! … Es ist Ihnen vollkommen gleichgültig, wen Sie heiraten?»

«Ganz und gar nicht!»