Die Rückenlüge - Robin Nürnberg - E-Book

Die Rückenlüge E-Book

Robin Nürnberg

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Beschreibung

Keine Frage, Beschwerden im Bewegungsapparat gehören zu den Volksleiden unserer Gesellschaft. Ob in der Freizeit oder Arbeit, häufig hören wir Sätze wie: Schone deinen Rücken! Hebe keine schweren Gewichte! Joggen ist ungesund für die Rückenmuskulatur! Doch hättest du gedacht, dass diese Alltagsweisheiten falsch sind?

In seinem ganzheitlichen Rückenbuch räumt der erfahrene Physiotherapeut Robin Nürnberg mit genau solchen Mythen auf. Er erklärt, wie du deine Schmerzen besser verstehen lernst und was auch scheinbar unabhängige Organe wie der Darm mit Rückenbeschwerden zu tun haben können. Auch bietet er Soforthilfe bei akuten Erkrankungen und stellt nachhaltige Lösungsansätze bei anhaltenden Rückenschmerzen vor.

Praktische Übungen und fundiertes Wissen helfen, Rückenleiden zu lindern und künftigen Schmerzen vorzubeugen – ganz gleich, ob du deinen Rücken nach einer Verletzung oder Operation rehabilitieren möchtest oder deine Körperhaltung und Beweglichkeit verbessern möchtest. Dieses Handbuch bietet dir alle Werkzeuge für eine belastbare, gesunde Körperrückseite.

Du wirst erstaunt sein, wie viele Glaubenssätze zur Rückengesundheit veraltet sind und was du selbst alles für einen schmerzfreien Rücken tun kannst - ganz nach dem Motto des Autors: Deine Diagnose ist nicht dein Schicksal!

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Seitenzahl: 220

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Robin Nürnberg

Die Rückenlüge

Verabschiede dich von Alten Mythen – Werde schmerzfrei und Stark

Was schadet, was wirklich hilft!

Impressum

Alle in diesem Buch veröffentlichten Aussagen und Ratschläge wurden vom Autor und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann jedoch nicht übernommen werden, ebenso ist die Haftung des Autors bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Bezugsgrundlage bilden dabei neben der physiotherapeutischen Erfahrung des Autors unter anderem Reviews, randomisierte Kontrollstudien, systematische Reviews oder Metaanalysen. Es wurde versucht, den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Daten bestmöglich abzubilden. Das Buch Die Rückenlüge dient ausschließlich der Information und Unterhaltung. Es ersetzt keine ärztliche Untersuchung. Es wird unbedingt empfohlen, die Informationen und Empfehlungen mit einem Arzt oder einer Ärztin zu besprechen. Die beschriebenen Bewegungsprogramme und Hinweise zu Krankheitsbildern ersetzen keine ärztliche Beratung und stellen auch keine Therapie dar. Es handelt sich ausschließlich um Trainingsprogramme, welche die individuelle Belastbarkeit berücksichtigen. Auch bei lang anhaltenden oder extrem starken und akuten Schmerzen sollten die gezeigten Übungen erst nach ärztlicher Rücksprache durchgeführt werden.

Für die Inhalte der in dieser Publikation enthaltenen Links auf die Webseiten Dritter übernehmen wir keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall aufgrund der schlechten Quellenlage leider nicht möglich gewesen sein, werden wir begründete Ansprüche selbstverständlich erfüllen.

Bei der Verwendung im Unterricht ist auf dieses Buch hinzuweisen.

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG („Text und Data Mining“) zu gewinnen, ist untersagt.

echtEMF ist eine Marke der Edition Michael Fischer

1. Auflage

Originalausgabe

© 2024 Edition Michael Fischer GmbH, Donnersbergstr. 7, 86859 Igling

Covergestaltung: Alexandra Wolf, unter Verwendung eines Motivs von © Manuel Mauer

Bildnachweis: Alle Abbildungen im Innenteil © Robin Nürnberg

Alle Illustrationen über Shutterstock: S. 23/ © CLIPAREA l Custom media, © jertam2020, © AspctStyle; S. 31/ © NotionPic, © Mary Long, © Blueastro; S. 33/ © Pretty Vectors, © BNP Design Studio, © Sunbeam_ks, © Pepermpron, © Lova Mikhailova, © Tarikdiz, © Genko Mono, © Corocacus, © Nadiia Lapshynska, © Nacht28, © StockSmartStart, © Blueastro; S. 117/ © paramouse; S. 179/ © zirconicusso, © TinnaPong

Redaktion: Doreen Fröhlich

Layout und Satz: Michaela Zander

Herstellung: Anne-Katrin Brode

ISBN 978-3-7459-2090-1

www.emf-verlag.de

Über den Autor

Robin Nürnberg ist gelernter Physiotherapeut und leidenschaftlicher Rückencoach. In seiner beruflichen Laufbahn lernt er häufig Glaubenssätze und Mythen kennen, die er kritisch hinterfragt und mit fundiertem Wissen und modernen Ansätzen widerlegt. Neben seiner Tätigkeit als selbstständiger Physiotherapeut klärt er deshalb auf Instagram als @criticalphysio zur Rückengesundheit auf und zeigt einfache Übungen sowie „Bewegungssnacks“ für zwischendurch. Robin lebt und arbeitet im Raum Nürnberg.

www.robin-nuernberg.de

@criticalphysio

Inhalt

Vorwort

Über mich

Über dieses Buch

Deine Diagnose ist nichtdein Schicksal

Eine Entdeckungsreise –Die Macht des Nervensystems

Kapitel 1

Ein neues Verständnis des Bewegungsapparates

Aufbau und Funktion der Wirbelsäule – mehr als nur eine Stütze

Hohlkreuz, Buckel und Skoliose –jede Wirbelsäule ist ein Unikat

Bandscheiben –Wie belastbare Schwämme

Muskeln, Gelenke und Faszien –starke Informationsgeber

Kapitel 2 

Schmerz – komplex, aber nicht kompliziert

Nur in deinem Kopf?

Grundlagen derSchmerzphysiologie

Schmerzen als zuverlässigeMelder von Schmerzen –der Irrweg der Biomechanik

Chronische Schmerzen – Die Rollevon Genetik und Epigenetik

Wege, um den Empfindungsteilvon chronischen Schmerzenzu beeinflussen

Bewegung und ihreantientzündlichen Effekte

Sechs hilfreiche Grundsätze beiRücken- und Nackenschmerzen

Kapitel 3

Rücken­schmerzen verstehen

Akute Rückenschmerzen –Der Schnupfen desBewegungsapparates

Bandscheibenvorfall –Gefürchtet, aber seltengefährlich

Wann ein Bandscheibenvorfalloperiert werden sollte –ein Leitfaden zurEntscheidungsfindung

Falsches Heben ist gefährlich?

Nerv eingeklemmt?

Schlechte Haltung –Das populärste Erklärungs­modell für Rückenschmerze­n

Warum die „nächste Haltung“ diebeste ist – Die dynamische Zukunftder Rückengesundheit

Was die Darmgesundheitmit Bandscheibendegenerationzu tun hat

Die leise Entzündung(Low-Grade-Inflammation)

Nährstoffe und Medikamentegegen stille Entzündungen

Körperliche Aktivität

Kapitel 4

Falsche Worte schaden – Das Gesundheitsrisiko von Mythen

Der böse Bruder des PLACEBOEFFEKTS – NOCEBOEFFEKT

Krafttraining ist für Kinder undJugendliche schädlich?

Joggen führt zu Arthrose?

Stoßbelastungen beimLaufen sind schlecht für dieBandscheiben?

Das Geschäft mit derVerunsicherung – Laufschuhe,Einlagen und Laufanalysen

Kapitel 5 

Akuthilfe bei Rücken- oder Nacken­schmerzen

Warum du dir wegen DEINERRücken- oder Nackenschmerzenwahrscheinlich keine SORGENZU machen brauchst

Rote Flaggen – Warnzeichen

Rückenschmerz- und Nackenschmerzarten

Ein Leitfaden für dieÜbungsgestaltung

Übungsstufe 1:Atemübungen & Massage

Übungsstufe 2:Leichte dynamische Übungenzur Linderung von Nacken- undRückenschmerzen

Krafttraining für den Nackenund Rücken – Ein schrittweiserTrainingsplan

Übungsstufe 3:Widerstandstraining

Kapitel 6

Neue Wege in der Physiotherapie

Meine Reise der Selbstreflexion

Die Entwicklung des B.R.E.-Systems

Einklang zwischen Belastungund Erholung

Ernährung

Schlusswort – oder: deineDiagnose ist nicht dein Schicksal

Anhang: Endnoten und Quellen

An alle Menschen, die unter Schmerzen leiden. An alle Menschen, denen mit Diagnosen Angst gemacht wurde. An alle Menschen, die das Vertrauen in ihren Körper verloren haben. An alle Menschen, die sich nicht verstanden fühlen.

Vorwort

Über mich

Hast du schon einmal fest an etwas geglaubt, nur um dann von einer völlig anderen Wahrheit überrascht zu werden? Falls ja, teilst du ein Gefühl, das mich, einen erfahrenen Physiotherapeuten, auf meinem beruflichen Weg oft begleitet hat.

Thomas, einem Büroangestellten mittleren Alters, ging es ähnlich. Trotz regelmäßiger Besuche bei verschiedenen Therapeut:innen und der Einhaltung aller ‚Standardregeln‘ zur Vermeidung von Rückenschmerzen fand er keine Linderung.

Seine Geschichte war einer der Wendepunkte in meiner Karriere, die mich dazu brachte, tiefer in die Welt des Schmerzes einzutauchen.

Mein Einstieg in die Physiotherapie war nach diesem Schlüsselerlebnis getrieben von dem tiefen Verlangen, auch anderen Menschen mit Schmerzen zu helfen. Jedoch offenbarte die Praxis schnell, dass herkömmliche Methoden nur selten den gewünschten Erfolg brachten. Dies führte mich zu einer intensiven Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, die ein neues Licht auf das Phänomen Schmerz warfen – als ein komplexes, individuelles Erlebnis, das nicht nur physisch, sondern auch emotional und sensorisch ist.

In meiner Ausbildung wurde häufig übersehen, dass der menschliche Körper ein Wunderwerk der Anpassungsfähigkeit ist und dass Schmerzen, besonders Rückenschmerzen, durch eine Vielfalt individueller Faktoren beeinflusst werden. Das Festhalten an veralteten Schmerzmodellen, Glaubenssätzen und Verhaltensmythen kann sogar zusätzliches Leid verursachen und Angst vor natürlichen Bewegungen und Belastungen machen. „Sitze gerade“, „Schlafe nicht auf der Seite“, „Hebe nicht mit krummem Rücken“ – diese Warnungen sind wohlbekannt, aber nur wenige sind sich des Schadens bewusst, den sie anrichten können.

Meine Mission ist es, diese alten Mythen zu entkräften und von Rückenschmerzen betroffene Menschen darüber aufzuklären, dass unser Körper weitaus belastbarer ist, als wir gemeinhin annehmen. In diesem Buch wirst du Erkenntnisse finden, die deine bisherigen Annahmen über den Haufen werfen können. Sieh es als eine Chance, deine Gesundheit in deine eigenen Hände zu nehmen.

Für alle, die unter Schmerzen leiden oder das Vertrauen in ihren Körper verloren haben, möchte ich eine Botschaft der Hoffnung senden: Du bist nicht allein. Ich stehe an deiner Seite und möchte dich mit diesem Buch auf einem Weg begleiten, der nicht nur zu einem tieferen Verständnis deiner Schmerzen führt, sondern dir auch praktische Strategien an die Hand gibt, um sie zu überwinden.

Über dieses Buch

Vielleicht erkennst du dich selbst in der Erfahrung wieder, von einem Meer an gut gemeinten, doch oft überwältigenden Ratschlägen umgeben zu sein, wenn es um Rückenschmerzen geht. Das ist eine Herausforderung, die über den physischen Schmerz hinausgeht und tief in dein emotionales Erleben hineinreicht. Unsicherheit, Sorgen und bisweilen sogar Verzweiflung oder Panik können nicht nur deine psychische Verfassung beeinträchtigen, sondern auch biologische Auswirkungen haben, wie zum Beispiel gestörten Schlaf, anhaltende Muskelspannungen oder sogar Einflüsse auf dein Herz-Kreislauf-System.

Ein weiteres Kernproblem in der heutigen Schmerzbehandlung ist die Tendenz zu übermäßigen, manchmal unnötigen medizinischen Maßnahmen. Zum Beispiel werden Patient:innen mit alltäglichen Rückenschmerzen ohne Anzeichen schwerwiegender Ursachen oft vorschnell zu frühe und zudem kostspielige MRT-Aufnahmen verordnet, die wie Röntgenbilder auch diagnostische bildgebende Verfahren sind. Dies kann zu einer Kaskade von Über- oder Fehldiagnosen, falsch positiven Testergebnissen und übertriebenen Behandlungen führen – ein Phänomen, das man als „zu viel Medizin“ bezeichnen könnte.12 Patient:innen werden also über das Notwendige hinaus behandelt, was zu einer unverhältnismäßigen Anwendung von passiven Maßnahmen wie Akupunktur, manueller Therapie, Injektionen und Schmerzmitteln führt. All dies resultiert in einer Versorgung, die nicht den erwarteten langfristigen Nutzen bringt.

Stattdessen sollten wir nach Ansätzen suchen, die den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit betrachten und aktive Bewältigungsstrategien fördern.3

Ein verbreitetes Missverständnis ist, dass der menschliche Körper zerbrechlich ist und gewisse Bewegungen oder Haltungen generell vermieden werden sollten. Solche Ratschläge verhindern jedoch, dass Menschen ihr volles Bewegungspotenzial ausschöpfen. Die Folge: ein Teufelskreis aus Schmerz und Bewegungseinschränkung. Zudem bekommen Betroffene nicht selten durch unqualifizierte Aussagen von Gesundheitsexpert:innen Verbote in Bezug auf verschiedene körperliche Aktivitäten und werden auf Lebenszeit ins Bewegungsgefängnis gesteckt. Daraus resultieren sehr häufig neue Probleme und Einschränkungen, die zu einer unglaublichen Potenzierung des Leids führen.4

Die gute Nachricht ist: Die meisten Rückenschmerzen sind vergänglich. Sie kommen unerwartet, werden aber in vielen Fällen auch ohne Intervention wieder vergehen. Aber auch bei länger andauernden Schmerzen, die einer Therapie bedürfen, gibt es wirksame Strategien zur Schmerzbewältigung.

In diesem Buch widmen wir uns genau diesen Strategien. Wir hinterfragen etablierte Rückenlügen und alte, uns hindernde Mythen und eröffnen neue Perspektiven auf die Kraft und Widerstandsfähigkeit unseres Körpers. Durch eine Kombination aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und praxiserprobten Methoden möchte ich dir Wege aufzeigen, wie du Rückenschmerzen verstehen und effektiv bewältigen kannst. Lass uns gemeinsam den ersten Schritt in Richtung eines schmerzfreien und bewegten Lebens gehen.

Wissenschaftler:innen haben eine Palette von Faktoren identifiziert, die möglicherweise zur Entstehung von Rückenschmerzen beitragen. Diese Faktoren spannen ein weites Netz aus psychologischen, sozialen und biologischen Einflüssen. Heute wird das biopsychosoziale Modell als einer der umfassendsten Ansätze angesehen, um den vielschichtigen Charakter des Schmerzes zu adressieren. Es markiert einen signifikanten Fortschritt gegenüber früheren Annahmen, die Schmerz ausschließlich auf physische Gewebeveränderungen oder Pathologien zurückführten – eine Sichtweise, die neuere Erkenntnisse der Schmerzphysiologie zunehmend infrage stellen.56

Schmerz ist eine individuell erlebte sensorische und emotionale Erfahrung, die sich aus dem komplexen Zusammenspiel von Gehirn, Nervensystem und dem persönlichen Umfeld ergibt. Verschiedenste sensorische Informationen aus dem Körpergewebe – seien es Faszien, Muskeln, Sehnen, Bänder, Knochen oder Nerven – werden dabei berücksichtigt. Eine überraschende Erkenntnis ist jedoch, dass strukturelle Veränderungen im Körper nicht zwangsläufig Schmerzen verursachen und der Körper oft erstaunlich gut damit zurechtkommt. Dies wird durch Studien untermauert, die zeigen, dass Zustände wie Arthrose, Bandscheibenvorfälle und sogar Sehnenrisse häufig ohne Schmerzsymptome auftreten.789

Deine Diagnose ist nichtdein Schicksal

Mir als Physiotherapeut liegt es sehr am Herzen, dem unnötigen Leid durch weitverbreitete Mythen, Irrglauben und Fehlinformationen bestmöglich entgegenzuwirken. Zum Beispiel wird Menschen mit einem Bandscheibenvorfall häufig fälschlicherweise verboten, jemals wieder mehr als fünf Kilogramm zu heben. Bei Rückenschmerzen lautet die gängige, aber fehlgeleitete Empfehlung, stets aufrecht zu sitzen. Selbst natürliche Schlafpositionen werden als schädlich für den Rücken gebrandmarkt. Aus diesem Grund habe ich in den letzten fünf Jahren ein Programm entwickelt, welches dich umfassend über Rückenschmerzen und Bandscheibenvorfälle aufklärt, dich Stück für Stück an einen belastbaren Rücken heranführt und dadurch wieder mehr Vertrauen in den eigenen Körper erzeugt. Es hat bereits vielen Menschen dabei geholfen, die Belastbarkeit ihres Rückens nachhaltig zu verbessern und die Angst vor Belastung und Aktivitäten abzubauen.

Der Weg dorthin ist jedoch kein schnell zu erledigender Sprint, sondern eher ein Marathon. Es wird keine Abkürzungen und keine schnellen Lösungen für komplexe Probleme geben, auch wenn dir so etwas von diversen Gesundheitsexpert:innen vielleicht versprochen wurde. Tatsächlich handelt es sich vielmehr um einen nicht linearen Prozess mit Höhen und Tiefen. Es wird wesentlich leichter, wenn du versuchst, dich mit dieser Tatsache vertraut zu machen, und du nicht direkt bei der nächsten Verschlechterung das Handtuch wirfst. Fokussiere dich auf Monats- und Jahresbilanzen. Kontinuität ist hierbei der Schlüssel.

Eine Erfahrung, die mich bei meinen Patient:innen immer erstaunte, ist, dass wenn der Körper über einen langen Zeitraum das optimale Verhältnis zwischen Belastung und Erholung erfährt, eine ganz neue Lebensqualität entsteht und viele Symptome von allen möglichen Erkrankungen zurückgehen. Und das waren Menschen, die dachten, dass ihre Diagnosen nun ihr unveränderbares Schicksal sind. Dass sie bis zum Ende ihres Lebens mit ihren starken Beschwerden und Einschränkungen leben müssen. Keiner von ihnen ging davon aus, dass sie jemals wieder unbeschwert mit ihren Kindern spielen und toben, ihren Sport ausführen und ihren Alltag ganz normal bewältigen können.

Meine Tipps und Empfehlungen sind dabei nicht nur die Erfolgsberichte meiner Patient:innen, sondern auch Zeugnisse der menschlichen Widerstandsfähigkeit und der Kraft der Hoffnung. Und sie sind Beweise dafür, dass sich das deutsche Gesundheitssystem ändern muss, um den individuellen Bedürfnissen seiner Patient:innen gerecht zu werden.

Die Schlüssel dazu sind Verständnis, Kommunikation und personalisierte Therapieansätze. Und das Wichtigste von allem: das Bewusstsein, dass jeder Körper stark, anpassungsfähig und fähig zur Heilung ist. Deine Diagnose ist nicht dein Schicksal!

Eine Entdeckungsreise –Die Macht des Nervensystems

Hast du schon einmal versucht, im Stehen mit gestreckten Knien den Boden zu berühren? Dies ist ein einfacher Test, den bestimmt viele von uns schon mal ausprobiert haben. Lass ihn uns als Ausgangspunkt für ein faszinierendes Experiment nutzen, das ich erstmals während meiner Ausbildung durchführte. Es zeigt auf erstaunliche Weise, wie wir unsere Beweglichkeit schnell und auf ungewöhnliche Art verbessern können.

Für das Experiment benötigst du einen kleinen harten Ball, wie etwa einen Tennisball oder Faszienball. Keine Sorge, wenn du nicht genau weißt, was Faszien sind – so werden die Bindegewebsschichten bezeichnet, die die Muskeln und Organe in unserem Körper umgeben. Zuerst, probiere im Stehen und mit gestreckten Knien, den Boden mit deinen Händen zu berühren, und merke dir, wie weit du kommst. Setze dich dann auf einen Stuhl und platziere einen Fuß auf den Ball. Drücke den Fuß so stark darauf, dass du einen deutlichen Druck oder leichten Schmerz spürst. Falls du im Sitzen nicht genug Druck aufbringen kannst, bleibe stehen. Führe nun für zwei Minuten sehr kleine und langsame Rollbewegungen durch, wobei du den Druck aufrechterhältst. Konzentriere dich auf Bewegungen in Richtung Vorfuß, Ferse und kleine Kreisbewegungen. Wiederhole dies anschließend mit dem anderen Fuß.

Nachdem du beide Füße behandelt hast, versuche erneut, im Stehen so weit wie möglich mit den Händen in Richtung Boden zu kommen. Bist du diesmal weiter gekommen?

Falls ja – und das ist aus Erfahrung bei den meisten Menschen der Fall –, fragst du dich vielleicht, warum. Interessanterweise haben wir in diesem Experiment nicht einmal die Rücken- oder Oberschenkelmuskeln behandelt, die oft als Hauptverursacher für eingeschränkte Beweglichkeit angesehen werden.

Solltest du nun denken, dass du mit den Händen weiter runtergekommen bist, weil der Druck des Balls das Gewebe deiner Fußsohlen gelöst hat, dann liegt hier ein weitverbreitetes Missverständnis vor. Tatsächlich hängt die Verbesserung der Beweglichkeit in diesem Fall nicht von physischen Gewebeveränderungen ab. Es wären immense Kräfte notwendig, um selbst geringfügige strukturelle Veränderungen in den Faszien zu bewirken. Daher muss die Erklärung für die beobachtete Beweglichkeitsverbesserung woanders liegen, nämlich in der Interaktion mit unserem Nervensystem.

Das Nervensystem spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung unserer Beweglichkeit und Schmerzempfindung. Durch das Experiment hast du eine Form der Neuromodulation erlebt – das klingt kompliziert, bedeutet aber einfach, dass die Stimulation der Nervenenden in deinen Fußsohlen das Nervensystem beeinflusst und so zu einer vorübergehenden Verbesserung der Beweglichkeit führt. Du sendest deinem Körper ein neues Signal, und er reagiert darauf, indem er sich entspannter und beweglicher anfühlt.

In späteren Kapiteln dieses Buches werden wir uns ausführlich mit dem Konzept der Neuromodulation befassen. Wir erkunden die komplexen und faszinierenden Mechanismen, durch die unser Körper und insbesondere das Nervensystem auf vielfältige Reize reagiert, und wie dies unsere Beweglichkeit und unseren Schmerz beeinflusst. Doch zunächst beleuchten wir im nächsten Kapitel, wieso die Wirbelsäule viel robuster und belastbarer ist, als die meisten denken.

Kapitel 1

Ein neuesVerständnis des Bewegungsapparates

Unsere Wirbelsäule ist oft missverstanden – in ihrer Funktion, Anatomie und ihren physiologischen Prozessen. Aus dieser Fehlinterpretation entstehen falsche Empfehlungen und sogar unbegründete Bewegungsverbote. Deshalb ist es für Betroffene essenziell, die Grundlagen der Anatomie unseres Rückens zu verstehen. „Bewege dich vorsichtig!“, „Immer mit geradem Rücken heben!“, „Nichts Schweres heben!“, „Vermeide Stoßbelastungen!“: Obwohl die Wirbel­säule eine der belastbarsten Strukturen unseres Körpers ist, bekommt man nicht selten diese Aussagen zu hören. Zu Unrecht!

Hohlkreuz, Buckel und Skoliose –jede Wirbelsäule ist ein Unikat

Deine Wirbelsäule ist so individuell wie dein Fingerabdruck. Jeder Mensch hat seine eigene, einzigartige Wirbelsäulenform und -struktur, geprägt durch genetische Faktoren, Lebensstil und Bewegungsmuster. Variationen wie ein Hohlkreuz (Hyperlordose), ein Rundrücken

(Hyperkyphose) oder eine Skoliose (seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule) sind oft natürliche Merkmale unserer Anatomie. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Variationen nicht zwangsläufig problematisch sind.

Eine umfassende Studie von Swain et al. (2020) hat die weitverbreitete Annahme infrage gestellt, dass bestimmte Wirbelsäulenhaltungen automatisch zu Rückenschmerzen führen. Die Forscher:innen untersuchten die Verbindung zwischen Haltung und Rückenschmerzen und fanden heraus, dass es keinen klaren und konsistenten Zusammenhang gibt. Diese Erkenntnis ist revolutionär, da sie die traditionelle Sichtweise, dass eine „perfekte“ Haltung für die Vermeidung von Rückenschmerzen entscheidend ist, auflöst.

Die Studie lädt dazu ein, unsere Wirbelsäule weniger als Problem und mehr als einzigartiges Merkmal zu betrachten. Anstatt eine bestimmte Haltung als „falsch“ oder „schädlich“ zu betrachten, sollten wir lernen, die natürliche Form unserer Wirbelsäule zu akzeptieren und zu respektieren.

Es ist auch wichtig zu erkennen, dass die Wirbelsäule ein dynamisches System ist, das sich verschiedenen Bedingungen und Anforderungen anpassen kann. Statt starrer Regeln und Vorschriften über die „richtige“ Haltung oder Bewegung sollten wir einen flexibleren Ansatz verfolgen, der die natürliche Vielfalt der Wirbelsäulenformen und -funktionen berücksichtigt.

Ein besseres Verständnis und eine Akzeptanz der Einzigartigkeit unserer Wirbelsäule kann uns helfen, unnötige Ängste und Missverständnisse abzubauen. Indem wir lernen, unsere Wirbelsäule so zu akzeptieren, wie sie ist, und sie durch gesunde Bewegung und Haltung zu unterstützen, können wir einen wichtigen Schritt in Richtung eines schmerzfreieren und gesünderen Lebens machen.11

Aufbau und Funktion der Wirbelsäule – mehr als nur eine Stütze

Die Wirbelsäule, oft als fragil betrachtet, ist nicht nur eine tragende Säule, sondern auch ein Wunderwerk der Flexibilität. Stell sie dir wie eine Pflanze vor, die fest verwurzelt, aber flexibel genug ist, dem Wind zu trotzen. Sie ist stabil und doch beweglich, robust und anpassungsfähig. Solche Eigenschaften hat kein mechanisches Bauwerk – auch wenn der Körper von einigen Expert:innen gerne damit verglichen wird. Die Wirbelsäule besteht aus 33 Wirbeln, unterteilt in Hals-, Brust- und Lendenbereich, die durch Bandscheiben und Bänder miteinander verbunden sind. Diese Struktur ermöglicht es ihr, vielfältige Belastungen auszuhalten – von Druck- und Scherkräften bis hin zu Drehkräften.10

Bandscheiben –Wie belastbare Schwämme

Deine Bandscheiben – diese erstaunlichen Strukturen zwischen den Wirbeln deiner Wirbelsäule – sind die widerstandsfähigsten Schwämme der Welt, wesentlich mehr als bloße Stoßdämpfer. Sie sind flexibel, aber zugleich unglaublich belastbar, und spielen eine zentrale Rolle im komplexen System der Wirbelsäule. Die Bandscheiben bestehen aus einem zähen äußeren Ring, dem Anulus fibrosus, und einem weichen, gallertartigen Kern, dem Nucleus pulposus. Diese Kombination ermöglicht es den Bandscheiben, Druck gleichmäßig zu verteilen und die Wirbelsäule flexibel zu halten. Der Glaube, dass Bandscheiben bei falscher Belastung „herausfliegen“ oder „verrutschen“ können, ist ein weitverbreiteter Irrtum. In Wirklichkeit sind Bandscheiben darauf ausgelegt, Druck und Bewegung zu widerstehen und sich diesen anzupassen. Sie sind in der Lage, erhebliche Kräfte zu absorbieren und dabei ihre Form und Integrität zu bewahren.

Der größte Teil von Bandscheiben ist avaskulär, was bedeutet, dass sie keine eigene Blutversorgung haben.12 Stattdessen erhalten sie Nährstoffe und entsorgen Abfallprodukte durch Diffusionsprozesse, die durch ein gutes Verhältnis von Bewegung und Erholung gefördert werden. Deshalb ist regelmäßige körperliche Aktivität so wichtig für die Gesundheit deiner Bandscheiben. Bewegung unterstützt die Diffusion und hilft, die Bandscheiben gut genährt und funktionsfähig zu halten.

Eine weitere interessante Eigenschaft der Bandscheiben ist ihre Fähigkeit zur Adaption. Bei regelmäßiger Belastung, wie beim Heben oder bei sportlichen Aktivitäten, passen sich die Bandscheiben an, indem sie dicker und widerstandsfähiger werden.1314

Trotz ihrer Belastbarkeit sind Bandscheiben jedoch nicht unverwüstlich. Chronische Überbelastung, Mangel an Bewegung, Rauchen, entzündliche Erkrankungen und genetische Faktoren können zu Veränderungen an der Bandscheibe führen, die mit Schmerzen verbunden sind. Es ist daher wichtig, ein gesundes Gleichgewicht aus Belastung und Erholung zu finden und einen gesunden Lebensstil zu pflegen, um die Bandscheiben langfristig gesund zu erhalten.15

Beim Joggen entsteht durch Abstoß- und Landephasen eine Wechseldruckbelastung.

Ein fundiertes Verständnis dieser Prozesse ist entscheidend für deine Rückengesundheit. Dies bedeutet, dass du deinen Rücken bewegen solltest, ohne Angst vor Verletzungen durch alltägliche Belastungen zu haben. Es besteht kein Grund zur Annahme, dass diese Strukturen besonders anfällig für Verletzungen sind, noch müssen sie prinzipiell vor alltäglichen Bewegungen geschützt werden.

Muskeln, Gelenke und Faszien –starke Informationsgeber

Muskeln

Unser Rücken ist weit mehr als nur eine strukturelle Säule, die den Rest des Körpers unterstützt. Er ist ein Zusammenspiel aus Muskeln, Faszien, Bändern und Gelenken, um uns Bewegungsfreiheit, Flexibilität und Stabilität zu bieten. Die Muskulatur des Rückens ermöglicht nicht nur das Heben schwerer Lasten, sondern auch fein abgestimmte Bewegungen, die uns im Alltag oft gar nicht bewusst sind.

Du kannst dir das vorstellen wie ein Netz, das aus mehreren Schichten besteht. Während die großen, oberflächlichen Muskeln vor allem für die groben Bewegungen und die Kraftübertragung zuständig sind, erfüllen die tieferen, kleineren Muskeln eine andere, ebenso wichtige Funktion. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Muskeln hauptsächlich für die Propriozeption zuständig sind, das heißt für das Wahrnehmen der Stellung und Bewegung des eigenen Körpers im Raum. Dieses feine Gefühl für die Positionierung ist essenziell für unsere Koordination und Bewegungskontrolle.

Interessanterweise zeigen Studien, dass es nicht notwendig ist, diese tieferen Muskeln explizit zu trainieren, um eine bessere Stabilität im Rücken zu erreichen. Tatsächlich braucht es gar nicht viel Muskelaktivität, um die Wirbelsäule zu stabilisieren. So bedarf es gerade mal drei Prozent der maximalen Muskelaktivierung, um die Wirbelsäule zu stabilisieren, wenn 32 Kilo auf ihr lasten.16 Der Grund dafür ist, dass die Wirbelsäule auch ohne umgebende Muskulatur schon eine inhärent stabile Struktur ist. Es reicht also aus, die größeren Muskel­gruppen zu trainieren, um sowohl Stabilität als auch Flexibilität zu gewährleisten.

Gelenke

Gelenke in deinem Körper ermöglichen dir eine Vielzahl von Bewegungen, wie das Gehen, das Greifen von Gegenständen oder das Nicken mit dem Kopf. Stell dir ein Gelenk wie ein Scharnier vor, das den Bewegungsraum zwischen zwei Knochen ermöglicht. Diese Knochen sind nicht direkt miteinander verbunden, sondern werden durch Bänder, die wie starke Seile wirken, an Ort und Stelle gehalten. Diese Bänder sorgen für die nötige Stabilität und unterstützen das Gelenk dabei, seine Funktion richtig auszuüben. An den Berührungspunkten der Knochen befindet sich eine Schicht aus Knorpel, die für eine glatte Oberfläche sorgt und die Bewegungen erleichtert. Zusätzlich gibt es in den Gelenken eine Art Schmierflüssigkeit, die wie Öl in einem Motor wirkt. Diese Flüssigkeit sorgt für reibungslose Bewegungen im Gelenk.

Die Muskeln, die an den Gelenken ansetzen, ermöglichen durch ihre Kontraktion und Entspannung das Bewegen deiner Arme und Beine und deines Rückens. Deine Gelenke sind zudem mit Sensoren ausgestattet, die ständig Informationen über die Position deines Körpers an dein Gehirn senden, was dir hilft, dich zu koordinieren und das Gleichgewicht zu halten. Gelenke sind entscheidend für fast jede Bewegung, die du machst – sie ermöglichen dir das Laufen, Springen, Schreiben und Winken.

Die Ernährung deiner Gelenke funktioniert ähnlich wie ein Schwamm, der sich vollsaugt und wieder ausgepresst wird. In deinen Gelenken gibt es eine spezielle Flüssigkeit, oft als Gelenkflüssigkeit bezeichnet, die sehr wichtig ist, um deine Gelenke geschmeidig zu halten.

Der Knorpel in deinen Gelenken – das weiche Material, das die Enden deiner Knochen bedeckt – hat keine eigene Blutversorgung. Daher ist er auf die Gelenkflüssigkeit angewiesen, um Nährstoffe zu bekommen. Wenn du dich bewegst und Druck auf deine Gelenke ausübst, wird die Gelenkflüssigkeit in den Knorpel gepresst. Lässt der Druck nach, gibt der Knorpel die Flüssigkeit wieder frei. Dieser Wechsel von Belastung und Entlastung hilft, den Knorpel mit lebenswichtigen Nährstoffen zu versorgen. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen regelmäßiger Belastung durch Bewegung und Sport sowie Erholung ist wichtig, um die Gesundheit deiner Gelenke zu unterstützen.

Faszien

Faszien, die in der medizinischen Forschung lange übersehen wurden, haben in jüngster Zeit erhebliche Anerkennung erfahren. Dieses weitläufige bindegewebige Netzwerk, das sich durch unseren gesamten Körper zieht und wie eine Zwiebel aus mehreren Schichten besteht, spielt eine entscheidende Rolle in einer Vielzahl von Funktionen, die sowohl anatomisch als auch neurophysiologisch sind. Anatomisch gesehen bieten Faszien Struktur und Form für unseren Körper. Allerdings umgeben und verbinden sie nicht nur Muskeln, Organe und Knochen miteinander, sondern sorgen auch für deren glatte und effiziente Bewegung. Diese Gleitfähigkeit reduziert Reibung und erleichtert die Bewegung. Faszien sind Hüllschichten für Muskeln und teilweise auch Ansatzstellen für Bindegewebsstrukturen von Muskeln. Damit sind sie essenziell für die Übertragung von Muskelkraft auf andere Körperteile, wodurch koordinierte Bewegungen erst möglich werden. Neurophysiologisch gesehen sind Faszien ein komplexes Sinnesorgan. Sie sind mit einer Vielzahl von propriozeptiven Rezeptoren bestückt, insbesondere Mechanorezeptoren. Das bedeutet, dass sie uns helfen, die Position unseres Körpers im Raum zu erkennen und anzupassen.

Die verklebten Faszien

Nicht wenige Menschen denken, dass Faszien manchmal verkleben können, was Schmerzen oder eingeschränkte Beweglichkeit verursacht. Aber wenn man sich wissenschaftliche Daten anschaut, wie zum Beispiel in der Datenbank PubMed, findet man kaum Beweise für solche Verklebungen bei Faszien, es sei denn, sie stehen im Zusammenhang mit Operationen oder bestimmten Krankheiten. Es sieht so aus, als ob viele dieser Aussagen über Faszienverklebungen eher auf persönlichen Meinungen und Erfahrungen basieren als auf echten wissenschaftlichen Fakten.

Wie erklärt man sich dann, dass Menschen sich nach bestimmten Therapien, die diese Verklebungen behandeln sollen, oft besser fühlen? Die Antwort könnte in etwas liegen, das man Neuromodulation nennt. Das bedeutet, dass manchmal, wenn auf eine bestimmte Stelle Druck ausgeübt wird, dies den Schmerz überlagern und verringern kann. Selbst bekannte Forscher im Bereich der Faszien, wie Robert Schleip, haben mittlerweile erkannt, dass Faszien durch Dehnungen oder Hilfsmittel wie Faszienrollen nicht so einfach strukturell verändert werden können. In einer Studie fand er heraus, dass man mehr als 400 Kilo Druck brauchen würde, um die Faszie am Fuß nur um ein Prozent zu verändern.17 Eine gute, wissenschaftlich fundierte Behandlung von Muskelschmerzen sollte auf vielen verschiedenen Aspekten basieren, nicht nur auf dem Gedanken, Verklebungen zu lösen. Wie komplex Schmerz tatsächlich ist, wird im nächsten Kapitel genauer erklärt.

Kapitel 2 

Schmerz – komplex, aber nicht kompliziert

Nur in deinem Kopf?

Wenn dir schon einmal gesagt wurde „Wir können auf Ihrem MRT nichts Auffälliges erkennen. Der Schmerz ist nur in Ihrem Kopf“, dann bist du einem verbreiteten Missverständnis über Schmerz begegnet. Solche Aussagen zeigen, dass manche Menschen die wahre Natur von Schmerzen nicht verstehen.

Nichts anderes ist es, wenn jemand dir sagen würde, dass du dir nur einbildest, etwas Saures zu schmecken, wenn du gerade in eine Zitrone beißt. Das wäre doch absurd, oder? Gemäß der Definition der International Association For Study Of Pain (IASP) ist Schmerz „eine unangenehme sensorische und emotionale Erfahrung, die mit tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschäden verbunden ist oder dieser ähnelt“.18