Die Toten haben's gut - Gunnar Staalesen - E-Book

Die Toten haben's gut E-Book

Gunnar Staalesen

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Beschreibung

Dieser Titel gehört zu einer Romanreihe, auf der die bekannte Krimifernsehserie ›Der Wolf‹ um den Privatdetektiv Varg Veum basiert. Die Erstausstrahlung der beiden Staffeln erfolgte in Deutschland 2008 bei Das Erste und 2013/2014 beim ZDF. ›Mein Name ist Veum. Varg. Veum. Ich bin Privatdetektiv, und ich löse deine Probleme, von den einfachsten, wie deinen entlaufenen Hund zu finden, bis zu den kompliziertesten, wie dir den Sinn des Lebens zu erklären. Dass du mein Honorar bezahlst, ist alles, was ich erwarte. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt?‹ Varg Veum, der Philip Marlowe des hohen Nordens, betreibt ein Ein-Mann-Detektivbüro in der norwegischen Stadt Bergen. Der örtlichen Polizei ist er ein Dorn im Auge, denn überall, wo er auftaucht, gibt es eine Leiche – und immer ist der Detektiv einen Schritt voraus. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 363

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Gunnar Staalesen

Die Toten haben’s gut

Kriminalgeschichten

Aus dem Norwegischen von Kerstin Hartmann

FISCHER E-Books

Inhalt

Der Name ist Veum. [...]Tod und Zahnschmerzen12345Das Unvollendete12345Kilroys Virus12345Vom Himmel hochDer letzte Bøschen12345678910Panther sucht Partner123456789101112Letzte Reise1234567Die Toten haben’s gut12345678910111213

Der Name ist Veum. Varg Veum. Ich bin Privatdetektiv, und ich löse deine Probleme, von den einfachsten, wie deinen entlaufenen Hund zu finden, bis zu den kompliziertesten, wie dir den Sinn des Lebens zu erklären.

Dass du mein Honorar bezahlst, ist alles, was ich erwarte.

Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt?

Tod und Zahnschmerzen

1

Eines Tages im Oktober hörte ich plötzlich wieder das Geräusch des Zahnarztbohrers aus der Praxis nebenan.

Zuerst war es nur wie ein Echo in meinem Hinterkopf, eine Erinnerung an eine der Geräuschkulissen, an die ich mich im Laufe der Jahre gewöhnt hatte und die mir kaum noch auffielen. Doch dann begann ich mich zu wundern. Der Zahnarzt war doch ausgezogen – vor mehreren Monaten schon.

Sein Name war Asle Breim. Er gehörte zum dunkelhaarigen Typ mit Bart und sah aus wie der Programmleiter einer Quizsendung auf TV-Norge, allerdings mit einem so ausgeprägten Nordfjorddialekt, dass er sich im Kabelfernsehen kaum sonderlich gut gemacht hätte. Vielleicht wollte er wieder in heimatlichere Gefilde, vielleicht war da draußen auch sein Kundenpotential größer – auf jeden Fall hatte er vor ein paar Monaten Zangen und Bohrer eingepackt und war in ein Einkaufszentrum in Åsane umgezogen, und ich hatte in der Zeitung gelesen, dass er mit erweiterten Öffnungszeiten und freien Kapazitäten warb.

Ich hatte seine Helferinnen mehr vermisst als ihn. Eine Zeit lang wechselte er sie ebenso häufig wie andere ihr Bettzeug. Ich hatte mich oft gefragt, warum, denn die wenigsten von ihnen waren nach meinem Geschmack austauschbar. Zuerst dachte ich, dass er eine Art heimlicher Chauvinist war, der sofort, wenn sie bei ihm anfingen, versuchte, ihnen unter den Kittel zu kommen. Eine Weile fürchtete ich, er würde sie regelrecht verzehren, und ich hätte eine Art moderner Ausgabe von Sweeney Todd als Büronachbarn. Schließlich beschloss ich, dass er sie wahrscheinlich ganz einfach zu hart rannahm und zu der Sorte Arbeitgeber gehörte, wo man kam, sah und ging, lange bevor die Probezeit vorbei war.

Es hatte mir eigentlich auch nichts ausgemacht, dass die Auswahl bei ihm so häufig wechselte. Einige Jahre meines Lebens waren sie zusammen mit den fest angestellten Verkäuferinnen im Weinmonopol in Dreggen meine einzigen weiblichen Bekanntschaften. Ich hatte eine Art Routine darin entwickelt, sie auf einen schnellen Aquavit in mein Büro einzuladen, um sich nach Büroschluss die Aussicht anzusehen. Aber nur eine einzige hatte die Einladung jemals angenommen. Ich wusste es noch so genau, als sei es gestern gewesen. Der Himmel trug Grau, sie Türkis, und sie errötete wie ein Sonnenuntergang. Allerdings mochte sie keinen Aquavit, und die Aussicht war dieselbe wie nebenan. Als sie gegangen war, konnte ich nur mit mir selbst anstoßen: He’s looking at you, kid. Von allen Büros der Welt solltest du gerade in meinem vorbei kommen …

Wieder nebenan das Geräusch des Zahnarztbohrers zu hören, war wie nach Hause zu kommen. Das Geräusch war schwach, denn das Wartezimmer lag wie eine Pufferzone zwischen uns, aber trotzdem laut genug, dass es in meinen alten Plomben zog, wie eine Erinnerung an unbezahlte Rechnungen.

Am nächsten Morgen stieß ich auf eine Frau, die gerade die Nachbartür aufschließen wollte. Ich rasselte mit dem Schlüsselbund und nickte ihr zu.

Sie grüßte zaghaft zurück.

Ich ging ein paar Schritte auf sie zu. «Guten Morgen! Wenn wir in Zukunft Nachbarn sein sollten, dann können wir uns vielleicht genauso gut vorstellen.»

Sie zögerte ein wenig. Dann lächelte sie und kam mir ungefähr auf halbem Wege entgegen. «Ja, Sie …»

«Varg Veum.» Ich streckte meine Hand aus. «Privatdetektiv.»

«Ja, ich habe das Schild gesehen.» Sie gab mir eine schmale, weiche Hand mit langen, glatt lackierten Nägeln. «Live … Dyrdal», sagte sie mit einer winzigen Pause in der Mitte, als sei sie sich nicht ganz sicher, welchen Nachnamen sie an diesem Tag trüge.

Ich konstatierte schnell und routinemäßig, dass sie keinen Ehering trug. Ihr Alter war schwer zu erraten. Sie war eine dieser verlebten Schönheiten mit knackigen Körpern, die ihr Geld lieber für Fitnesscenter ausgeben als für Gesichtslifting. Ich spürte mit einem Ziehen im Unterleib, dass sie genau die richtige Landschaft für mich war: gerade hügelig genug, aber ohne allzu lange Steigungen. Ihre Augen waren blaugrün und diskret schwarz umrandet. Ihr dunkelbraunes Haar war modisch viereckig geschnitten, mit nacktem Nacken und fransigem Pony. Die Tränensäcke unter ihren Augen und die Falten im Mundwinkel verrieten, dass sie nicht einmal im Oktober eine Sommernacht verschlief.

Nach ein paar Sekunden machte sie ihre Hand vorsichtig frei und sah mich mit einem schiefen Lächeln an. «Ich sollte wohl rübergehen, bevor der Chef kommt.»

«Wie heißt er diesmal?»

«Pe … Per Austbø», sagte sie. «Er hatte seine Praxis früher – am Danmarksplass.»

Ich hatte mich schon an ihre Pausen gewöhnt und passte mich automatisch an. «Wenn Sie mal irgendwie – Unterstützung brauchen, dann finden Sie mich – hier. Ich habe einen wohl temperierten Aquavit in der Schreibtischschublade.»

«Oh ja?» Sie lachte.

«Aber das muss dann wohl – nach Büroschluss sein?»

«Wie lange – sitzen Sie denn hier?»

«So lange Sie wollen», sagte ich mit einem erneuten leichten Ziehen im Bauch.

Dann war sie verschwunden.

Ich schloss mein Büro auf, schaltete das Licht ein, stellte die Kaffeemaschine an, setzte mich, schlug die Zeitung auf und lauschte, teilweise unbewusst, ob nebenan der Zahnarztbohrer wieder einsetzte.

Auf einem solchen Flur hatten wir einander ziemlich gut unter Kontrolle. Dröhnende Blasmusik, knallende Champagnerkorken und lautstarkte Orgasmen verboten sich von selbst. Ich hatte gerade begonnen, an einem umfangreichen Autoversicherungsfall zu arbeiten. Ein halbes Jahr später, als man die gesuchten Autos schließlich aus einem See auf Askøy herausfischte, erschienen dazu umfangreiche Zeitungsartikel. Den größten Teil des Tages saß ich am Telefon, aber ich achtete trotzdem recht genau auf die Geräusche um mich herum. Ungefähr eine Viertelstunde nach meiner Begegnung mit der Zahnarzthelferin hatte ich Schritte gehört und angenommen, dass es der Zahnarzt war. Etwas später wurde der Bohrer eingeschaltet. Gegen zwölf Uhr verstummte er. Mittagspause, dachte ich und telefonierte weiter. Und ganz richtig: zirka eine halbe Stunde später war er wieder in Aktion.

Ich weiß nicht, wann ich anfing, mich zu wundern.

Gegen ein Uhr hörte ich, wie ein Patient kam. Die Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Kurz darauf hörte ich, dass sie sich drüben unterhielten, etwas lauter als normal, aber nicht so laut, dass ich die Worte verstehen konnte. Aber genau in dem Moment erreichte ich endlich einen Autobesitzer in Sotra, dem vor drei Wochen sein Wagen gestohlen worden war, den man nicht wieder gefunden hatte. Woran der Besitzer auch nicht sehr interessiert zu sein schien. Als das Telefonat beendet war, machte der Bohrer eine Pause. Durch die Wand hörte ich einen leichten Aufprall, als würde jemand hinfallen, und ich erinnere mich genau daran, was ich dachte: War da etwa jemand so nervös geworden, dass er in Ohnmacht fiel?

Dann, nach einer Weile, setzte der Bohrer wieder ein. Gleich darauf hörte ich wieder eine Tür zuschlagen und dann schnelle Schritte in Richtung Treppenhaus und Fahrstuhl. Wenn ich mich nicht irrte, dann gehörten sie zwei Menschen, und einer davon war definitiv eine Frau.

Der Bohrer bohrte und bohrte und bohrte.

Vielleicht war es die Regelmäßigkeit des Geräusches, die mich schließlich dazu brachte, nachzusehen. Dieser Zahnarzt war ja die reinste Bohrmaschine, wenn sie nicht als Paar arbeiteten, er und die Helferin. Von einem Schlund zum anderen.

Ich trat auf den Flur. Wenn nebenan alles war, wie es sein sollte, dann sollte ich lieber den großen Sprung wagen und einen Termin für meine Backenzähne machen.

Der Name auf der Glasscheibe war so frisch, dass er noch nach Farbe roch: Zahnarzt Per Austbø, Mitglied der NZV.

Ich drückte die Klinke herunter und gegen die Tür.

Sie war abgeschlossen.

Aber vom Raum nebenan hörte ich noch immer den Bohrer.

Ich klopfte hart an die Tür und wartete eine Weile, bevor ich erneut dagegen drückte.

Keine Reaktion.

Ich ging zur Nachbartür. Dort konnte ich den Bohrer dahinter noch deutlicher hören.

Ich betrachtete die Tür. Sie war ganz sicher auch abgeschlossen.

Ich versuchte es vorsichtig. Richtig. Sie rührte sich keinen Millimeter, als sei sie nicht mehr geöffnet worden, seit sie zuletzt den Flur gestrichen hatten, und das war bald zehn Jahre her.

Plötzlich verstummte der Bohrer. Hatten sie gehört, dass jemand an der Tür war?

Ich klopfte noch einmal, aber noch immer kam von drinnen keine Reaktion.

Ein leises Geräusch drang an mein Ohr. Ich legte es an die Tür und versuchte, das Geräusch zu deuten.

Es klang wie das Anmischen von Amalgam direkt vor der Plombierung.

Einen Augenblick atmete ich erleichtert auf. Dann war sie dort drinnen und assistierte ihm, und vielleicht warteten weitere Patienten, und deshalb war sicher die Tür zum Wartezimmer abgeschlossen.

Aber? Ich sah auf die Uhr. Keine weiteren Patienten um zehn vor zwei?

Tja, vielleicht unterrichtete der Zahnarzt am zahnmedizinischen Institut, oder er musste selbst zum Zahnarzt?

Das Geräusch hielt immer noch an, und …

Wenn es vom Amalgam-Mischen kam, dann hatten sie gerade eine Bulldogge auf dem Stuhl.

Nein! Jetzt erkannte ich das Geräusch. Es war … das Geräusch einer Kassette, die zurückgespult wurde!

Ich blieb stehen und lauschte. Plötzlich brach das Geräusch ab, es ertönte ein winziges Klicken, und wenige Sekunden später setzte der Bohrer wieder ein.

Ich klopfte aus reinem Reflex an die Tür. Entlarvt!

Aber warum, um Himmels willen?

Ich ging wieder zur Wartezimmertür und untersuchte das Schloss. Es war ein ganz gewöhnliches Sicherheitsschloss. Wenn ich in mein Büro ginge und meinen Beautycase holte, würde es mich weniger als ein paar Minuten kosten, es gegen seinen Willen zu öffnen.

Andererseits …

Ich kannte ein paar Leute an der Ecke Domkirkegaten und Allehelgensgate, die von einer solchen Aktion nicht so begeistert wären. Es war sicher das Beste, stattdessen dort anzurufen, für alle Fälle. Selbst wenn sie mir wohl auch diesmal kaum eine Verdienstmedaille überreichen würden.

2

Eine Reihe männlicher Kollegen waren an ihr vorbeigezogen und Kommissare geworden, aber Eva Jensen war Polizeiobermeisterin geblieben. Vielleicht war es ein Zeichen dafür, wie ernst man mein Anliegen nahm, dass man mich zu ihr durchstellte.

«Jensen», sagte sie ohne eine Spur von Erwartung in der Stimme. So weit ich wusste, war sie noch immer unverheiratet, und nach fast zwanzig Jahren beim Staat erwartete sie schon lange nicht mehr, dass sich der Traumprinz bei ihr melden würde, jedenfalls nicht am Telefon.

«Veum», sagte ich.

Sie seufzte. «Okay, hallo … Was kann ich für dich tun?»

Ich erklärte ihr die Situation, kürzer als ein Patentamtangestellter, aber mit weitaus weniger Autorität in der Stimme.

«Okay, Veum. Ich werde sehen, ob ich einen Streifenwagen rüberschicken kann, aber es ist gerade Stoßzeit, kann also eine Weile dauern.»

«Und sonst geht’s dir gut?»

«Sonst geht’s mir gut. Vielen Dank für dein Interesse. Schönen Tag noch, Veum.»

Sie legte auf. Ich war ganz einfach Luft für sie. Dem Tonfall nach zu urteilen, hätte sie seit Jahren Abteilungsleiterin sein sollen.

 

Eine halbe Stunde später kamen sie – zwei freundliche junge Leute in Overall und Schirmmütze, mit Handys am Gürtel und einem Schlüsselbund, das einem Securitas-Wachmann zur Ehre gereicht hätte. Sie hatten einen Smiling-Kurs absolviert und waren schneller vom Neanderthaler zum Mitmenschen geworden, als Ellingsen und Bøe es sich jemals würden vorstellen können. Wäre die Uniform nicht gewesen, hätte ich vermutet, es mit zwei frisch ausgebildeten Katecheten der Kreuzkirche zu tun zu haben, die einem verirrten Gemeindemitglied Trost und Rat spenden wollten.

«Bolstad», stellte sich der eine vor. Er hatte einen rotbraunen Schnauzbart und helles Haar.

«Und Ristesund hier», sagte der andere. Hier war der Schnauzbart schwarz, während das dunkle Haar schon einen grauen Schimmer

Beide kamen offensichtlich aus dem Vestlandet, stellte ich fest und zeigte ihnen den Weg. «Es ist das Büro hier nebenan.»

Sie wiederholten, was ich vor einer knappen Stunde getan hatte, als sei es eine Art einstudiertes Ritual: Sie klopften an, versuchten es an beiden Türen und lauschten auf das Geräusch des Bohrers.

Ristesund holte seinen Schlüsselbund hervor und suchte nach dem passenden Kandidaten, während Bolstad den Blick den Flur entlang von Tür zu Tür wandern ließ, als warte er darauf, dass jemand seinen Kopf herausstreckte, um zu sehen, was da vor sich ging.

Mit einem Klicken sprang das Schloss auf. Ristesund zögerte einen Moment, dann drückte er die Klinke hinunter und öffnete die Tür. Wir blieben direkt hinter der Tür stehen, wie drei überraschte Gäste vor einer zerbrochenen Vase aus der Ming-Dynastie.

Von Wartezimmer kaum eine Spur. An der Wand sah man weiße Felder von den Bildern, die der vorige Zahnarzt dort aufgehängt hatte, und die Stühle wirkten, als hätte man sie an einem Regentag vom Sperrmüll geholt. Andere Möbel gab es nicht, nicht einmal eine Wochenzeitschrift aus den 70er Jahren, wie bei mir drüben.

Die Luft war kalt und abgestanden.

Mitten im Raum lag ein unzufriedener Patient. Seine Beine verrieten, dass er auf dem Bauch lag. Jemand hatte ihm einen weißen Zahnarztkittel über Kopf und Oberkörper gelegt, wohl damit niemand sah, dass er sich gestoßen hatte. Aber ohne Erfolg. Das Blut war längst durchgesickert und hatte den weißen Kittel rot gefärbt.

«Teufel noch mal», stieß Bolstad hervor.

«Eine ungewöhnlich missglückte Wurzelfüllung», murmelte ich.

Ristesund sah mich verständnislos an. «Was?»

Bolstad beugte sich vorsichtig vor und hob den Kittel an. Der Mann, der darunter zum Vorschein kam, hatte dünnes, blondes Haar über einem blutigen Scheitel, und die nächsten, die sich jetzt für seine Zähne interessieren würden, waren die Kollegen von der Pathologie.

Bolstad suchte nach seinem Handgelenk und tastete vergeblich nach dem Puls. Stumm schüttelte er den Kopf. Dann richtete er sich mit steifem Rücken wieder auf und sagte: «Das ist ein Fall für die Experten.» Er sah mich an, als erwartete er meinen Widerspruch, aber ich nickte zustimmend.

Ristesund hatte schon das Handy parat. «Hallo? Zentrale?»

Ich warf einen Blick durch die halb offene Tür zum eigentlichen Behandlungszimmer. Auf einem Stuhl mitten im Raum stand ein Kassettenrekorder. Die rote Batterielampe leuchtete und aus beiden Lautsprechern dröhnte der Zahnarztbohrer. Sonst war der Raum leer. Nicht einmal ein Amalgamfleck war zu sehen.

Bolstad nickte zum Flur hin. «Ich glaube, wir sollten draußen warten.»

Auch diesmal fand ich keinen Grund zu widersprechen. Außerdem war ich weit weg. In Gedanken versuchte ich, mich so klar wie möglich an das Gespräch zu erinnern, das ich mit der Frau geführt hatte, von der ich gedacht hatte, sie sei die neue Zahnarzthelferin.

Ich ging zur Tür zu meinem Büro und sagte: «Wenn Sie hier drinnen warten wollen, können Sie das gerne tun.»

Die beiden uniformierten Katecheten schüttelten ernst die Köpfe und sagten mit milden Stimmen: «Nein, wir sollten sicher hier draußen Wache halten …»

«… falls jemand …»

«… versucht, abzuhauen?», schlug ich vor.

«Kommt, wollte ich sagen.»

Ich nickte, öffnete die Tür zu meinem eigenen Wartezimmer und sagte: «Wenn noch etwas sein sollte, finden Sie mich hier.»

Sie nickten und ich ging hinein.

 

Als erstes schlug ich das Telefonbuch auf.

Zwei Namen. Aber ich hatte bei keinem von beiden Glück.

Es gab keinen Zahnarzt Per Austbø, weder am Danmarksplass noch sonst irgendwo. Es gab auch keine Live Dyrdal. Wenn sie nicht unter dem früheren Besitzer aufgeführt stand.

Nachdem ich ein wenig nachgedacht hatte, rief ich den Hausbesitzer an, eine Investitionsfirma mit Hauptfiliale im Fyllingsdalen. Dort hatte man ein reserviertes Verhältnis zu mir. Ihnen gefiel die Klausel nicht, auf der der letzte Besitzer beim Verkauf bestanden hatte, und die garantierte, dass ich mein Büro als fester Mieter behalten durfte «so lange ich wollte», als Dank für die unschätzbaren Dienste, die ich ihm erwiesen hatte, oder richtiger seinen Enkelkindern, während meiner Zeit im Außendienst des Jugendamtes.

Sie klangen nicht unbedingt weniger reserviert, als sie erfuhren, weshalb ich anrief. «Die Zahnarztpraxis?», sagte eine jugendliche Männerstimme von der Sorte, die immer Fliege und Hosenträger ankündigte. «Die steht doch immer noch leer.»

«Aber … War jemand da und hat sie sich angesehen?»

«Bestimmt nicht.»

«Und die Schlüssel? Haben Sie die?»

«Selbstverständlich.» Ich hörte, wie eine Schublade herausgezogen wurde. «Ich hab sie hier, in meinem Büro.»

«Und dort liegen sie sicher?»

«Was glauben Sie? Sollten wir Sie engagieren, um auf sie aufzupassen, oder was? Sind Sie hinter einem Auftrag her?»

«Nein, nein, ich frag ja nur.»

«Aha. Gibt’s sonst noch was?»

«Nein – danke.»

Ich legte den Hörer vorsichtig auf, als hätte ich Angst, dass er nach mir schnappt.

Kurz darauf hörte ich draußen im Flur das wilde Heer eintreffen. Ich trat aus der Tür, um mich zu zeigen – und um zu sehen, wer die Untersuchungen leiten würde.

Kriminalkommissar Jakob E. Hamre schaute mich missbilligend an. «Du konntest keine Ruhe geben, bevor du sie im Nachbarbüro hattest, was, Veum?», sagte er mit seiner dunklen Stimme, als stünde er in der hinteren Reihe eines gemischten Chores nach stundenlangen Proben für die Matthäuspassion.

«Tut mir Leid, Hamre, aber das hier gibt wohl Überstunden, was?»

«Ich fürchte, ja, Veum.»

Er ging gemeinsam mit den anderen Neuankömmlingen in die leere Zahnarztpraxis – einem Polizisten, dessen Namen ich nicht kannte, und einem, der Karstensen hieß und dessen Spezialgebiet Tatortbesichtigungen waren.

Ich folgte ihnen und blieb in der Tür stehen.

Nachdem sie sich die Leiche angesehen hatten, wandte Hamre sich an mich, als habe er nichts anderes erwartet, als dass ich ihnen folgte.

«Jemand Bekanntes, Veum?»

«Völlig unbekannt.»

Er sah sich um. «Wer mietet das hier eigentlich?»

«Keiner, offenbar.» Ich erklärte ihm meine Version dessen, was ich beobachtet hatte.

Als ich zu meinem Anruf beim Hauseigentümer kam, seufzte er schwer, sparte sich aber die Kommentare, und als ich fertig war, sah er durch die halb offene Tür ins Nebenzimmer. Die Kassette spulte gerade zurück, aber die Batterie gab langsam ihren Geist auf; es würde nicht mehr lange dauern, dann wäre auch sie tot.

«Merkwürdiges Arrangement», murmelte er. «Wie lange waren sie hier drin?»

Ich zögerte, während ich nachdachte. «Nicht mehr als ein paar Tage, glaube ich. Das erste Mal, dass ich das Geräusch des, äh, Bohrers gehört habe, war gestern.»

«Und diese Frau – kannst du eine Beschreibung von ihr geben?»

«Das kann ich.»

Er nickte dem neuen Polizisten zu, der in Zivil war, dunkelblond und ohne jeden Bartwuchs über der Oberlippe. «Paulsen, geh mit Veum rein und schreib auf, was er zu sagen hat.»

Paulsen ging mit rein. Er sah sich erstaunt um, als würde er sich fragen, ob es denn einen Sinn habe, auf diese Branche zu setzen, aber offenbar kam er schnell auf andere Gedanken.

Dann stellte er einen kleinen Kassettenrekorder auf meinen Schreibtisch, drückte auf Aufnahme und bat mich, die Frau, mit der ich gesprochen hatte, so gut es ging mit eigenen Worten zu beschreiben. Ich hätte ihn natürlich fragen können, ob er bereit sei, mir welche zu leihen, falls mir die eigenen ausgingen, aber ich dachte, es sei das Beste, die gute Atmosphäre, die Bolstad und Ristesund hinterlassen hatten, nicht zu verspielen und ließ es sein.

Ich schloss die Augen halb und beschwor im Geiste ein Bild von Live Dyrdal herauf. Dann beschrieb ich sie, so gut ich konnte; so gut, dass ich plötzlich das Erstaunen in meinem Unterleib zurückkehren spürte, obwohl ich zugeben musste, dass sie ihren natürlichen Charme nur benutzt hatte, um mich hinters Licht zu führen.

Wer war sie eigentlich?

Was war der Sinn der Sache gewesen?

Und wer in aller Welt war der Tote da drinnen?

«Möchten Sie uns noch mehr erzählen?», platzte Paulsen in meine Gedanken.

«Nein, das – das war wohl alles», sagte ich.

Er nickte, drückte auf Stop, spulte ein Stück zurück, um sicher zu gehen, dass der Ton gut genug war, nickte und steckte den Rekorder wieder in die Jackentasche. Dann bedankte er sich und ließ mich allein zurück.

Hinters Licht geführt … Das gefiel mir nicht. Es war auf jeden Fall schlechte Reklame. Aber nicht nur mich … Es gab jemanden, der größeren Schaden erlitten hatte als ich. Als ich wieder auf den Flur trat, trugen sie ihn gerade hinaus. Hamre kam gleich hinterher, ein Gesicht, so düster wie ein Vertreter eines Beerdigungsinstituts.

Als er mich entdeckte, bekam er einen schmerzvollen Gesichtsausdruck, wie bei akuten Zahnschmerzen. Während die anderen weiter zum Fahrstuhl gingen, blieb er einen Augenblick vor mir stehen.

«Veum …»

«Ja?»

«Was du auch tust, was du auch vorhast … Keine weiteren Telefonate. Überlass die Untersuchungen uns. Und um Gottes willen, such uns keine weiteren Leichen!»

«Na gut. Ich werd’s versuchen», murmelte ich und ging wieder in mein Büro, ohne mit einer Miene zu verraten, wie traurig und geknickt ich war.

3

Keine weiteren Telefonate!, hatte Hamre mir befohlen. Das bedeutete aber nicht, dass er mir verbieten konnte abzunehmen, wenn jemand mich anrief.

«Veum?»

Ich erkannte ihre Stimme sofort, als sie meinen Namen sagte, und das brachte meinen Puls im Laufe von Sekunden auf Hundert.

Es war der Tag danach, und der plötzliche Todesfall war schon auf den Titelseiten beider Lokalzeitungen erschienen.

«Ja.»

«Sind Sie allein?»

«Ja, und ich weiß, wer Sie sind. Sie sollten –»

«Ja, hier ist … Aber bitte unterbrechen Sie mich nicht, bevor ich ausgeredet habe. Ich hab meine letzten Münzen eingeworfen, und die Zeit läuft.»

Ich hörte das Ticken des Zählwerkes in einer Telefonzelle und sagte schnell: «Spucken Sie’s aus, wie Ihr Chef zu sagen pflegt.»

«Er …»

«Zahnarzt Per Austbø meine ich.»

«Ja, ich …»

«Nur merkwürdig, dass er nicht im Telefonbuch steht.»

«Veum! Die Geschichte ist viel zu verwickelt, um … Aber Per … Sagt Ihnen der Name Birger Bjelland etwas?»

Ich war sofort hellwach. Natürlich sagte mir der Name Birger Bjelland etwas. Er war einer der Fürsten unter den Geldhaien der Stadt. Ich sah automatisch zur Tür, als wünschte ich, ich hätte sie abgeschlossen. Einmal hatte jener Birger Bjelland mein Büro betreten, ungebeten, und es war wirklich absolut nichts Gutes dabei herausgekommen. Ein anderes Mal, in Oslo, hatte ich belauscht, wie derselbe Bjelland jemandem anbot, sich um mich «zu kümmern, endgültig», wenn ich nach Bergen zurück kehrte. Gott sei Dank war das Angebot bis jetzt nicht angenommen worden.

«Hat er etwas damit zu tun?»

«Ja, Per … Wir schulden ihm Geld, und …»

«Per … ist das Ihr Mann oder so etwas?»

«Ja, er …»

«Und wie heißt er weiter?»

«Hjertevik. Wir … Hören Sie, Veum … Heute Abend ist ein Rennen im Travparken. Kann ich Sie dort treffen, ohne Polizei?»

«Na ja, ich …»

«Bitte …»

«Na gut! Aber wo?»

In der Leitung begann es zu piepen, als Signal dafür, dass ihre Gnadenfrist vom Televerket abgelaufen war.

«Oh, nun ist Schluss! Auf dem Parkplatz! Ich fi–»

Dann wurde die Verbindung unterbrochen.

Ich schlug wieder das Telefonbuch auf. Dieses Mal hatte ich mehr Glück. Es gab tatsächlich einen Per Hjertevik. Er hatte sogar eine Adresse, auf dem Natlandsfjellet.

Aber als ich die Nummer wählte, nahm niemand ab.

Stattdessen klopfte es an meiner Bürotür.

«Ja?», sagte ich und stand auf.

Der Mann, der eintrat, war kaum älter als Ende zwanzig. Er war dunkelhaarig und wirkte aggressiv, hatte wütende braune Augen und eine muskulöse Kinnpartie, als würde er in seiner Freizeit Eisen kauen. Sein Name war Jarle Mykland und ich kannte ihn flüchtig von früher. Er war Kriminalreporter bei der kleineren der beiden Lokalzeitungen.

Er grüßte mit dem Zeigefinger an der Stirn. «Hast du eine Minute, Veum?»

«Vielleicht sogar zwei. Worum geht’s?»

Er nickte nach Süden. «Um den plötzlichen Todesfall bei dir nebenan. Das kann deiner Aufmerksamkeit kaum entgangen sein.»

«Nein, ich habe es mitbekommen. Setz dich.»

Er ließ sich schwer auf dem Gästestuhl nieder, legte ein jeansbekleidetes Bein über die Armlehne, fischte Notizbuch und Kugelschreiber aus der braunen Lederjacke, blickte über den Schreibtisch zu mir und sagte: «Du weißt, dass die Polizei den Toten identifiziert hat?»

«Nein, ich … Das habe ich nicht …»

«Ein Kerl namens Per Hjertevik.»

Ich verspürte einen Stich. «Was sagst du da?»

«Per Hjertevik. Kennst du ihn?»

«Nein, ich glaube nicht.»

Er sah mich misstrauisch an. «Bekannt im Milieu um den Travparken. Hat mit hohem Einsatz gespielt – und verloren. Im letzten halben Jahr hat man ihn da draußen nicht mehr gesehen.»

«Ach, nein?»

«Aber ich hab ein bisschen nachgeforscht. Während der letzten drei Monate hat er auf mehreren Trabrennbahnen im Osten hoch gespielt, in Jarlsberg und Bjerke.»

«Aha.»

«Und du hast ihn also gefunden?»

«Ja, ich … Aber nur weil ich, wie du selbst gesagt hast: nebenan.»

«Soll das mit anderen Worten heißen, dass du nicht die geringste, wie soll ich sagen, professionelle Verbindung zu Hjertevik hattest?»

«Professionell? Was meinst du damit? Ich gehöre nicht zu den Stammgästen im Travparken. Ich habe seinen Namen noch nie gehört – bis jetzt.»

«Und das soll ich dir glauben?»

«Mach doch, was du willst. Ich war noch nie in der Glaubensbranche. Zweifler steht auf meiner Visitenkarte.»

«Diese Zahnarztpraxis – die stand doch leer, oder?»

«Ja, seit – vor dem Sommer.»

«Was glaubst du, hat Hjertevik damit gewollt?»

Ich zuckte mit den Schultern. «Ist es so sicher, dass er sie tatsächlich gemietet hatte?»

«Wie lange ist er drin gewesen?»

«Ich hab vorgestern zum ersten Mal was gehört.»

«Hm.» Er musterte mich misstrauisch. «Und du hast Hjertevik nie getroffen?»

«Nein, die einzige, die ich … Ich habe kurz seine Helferin kennen gelernt.»

«Und? Wie hieß sie?»

«Das hat sie nicht gesagt.»

«Nicht?»

«Nein.»

«Dir ist klar, dass sie möglicherweise in großer Gefahr ist?»

«Ja?»

«Als Zeugin eines Mordes endet sie schnell als nächstes Opfer.»

«Aber warum …»

«Ach, ich weiß auch nicht.»

In mir hörte ich das Echo von Hamres Stimme: «Und um Himmels willen, suche nicht noch mehr Leichen für uns!»

Als Jarle Mykland gegangen war, rief ich Hans Hoprekstad an, einen Typen, mit dem ich zusammen beim Militär war, und mit dem ich immer noch ab und zu ein Bier trinken ging. Hansemann war Lastwagenfahrer von Beruf und in seiner Freizeit Spieler, wenn nicht umgekehrt. Die Leidenschaft hatte ihn im Laufe der Jahre einige Lastwagen und eine Frau gekostet, aber es hatte ihm auch eine Millionenvilla in Åsane eingebracht, für die er selbst nie die Architektenzeichnungen bestellt hatte. Dort wohnte er mit seiner neuen Frau, die er, so viel ich weiß, als Bonus zum Haus dazu bekommen hatte. Ich erreichte ihn auf seinem Handy unterwegs nach Norden, irgendwo zwischen Knarvik und Mongstad.

«Varg? Wat zum Teufel gibt’s denn?»

«Ich wollte dich fragen, ob du einen Spieler draußen vom Travparken kennst, der Per Hjertevik heißt?»

«Den Per, ja klar! Aber der is nich mehr im Rennen!»

«Ja, das …»

«Ich mein, er spielt nich mehr hier inner Gegend.»

«Nein? Warum nicht?»

«Das letzte, was ich gehört hab, is, dass er auf den Trabrennbahnen im Osten hoch gespielt hat, mit frisch geliehenem Geld von da drüben.»

«Aber ich hab es so verstanden, dass er Schulden hatte …»

«Je mehr Schulden du hast, desto höher spielste, Varg!»

«Diesmal hat er jedenfalls zu hoch gespielt.»

«Der Per? Wieso?»

«Na ja … Er hat gestern gegen Mittag seinen allerletzten Kupon abgeliefert.»

«Meinste … Is er tot?»

«Er hat jedenfalls nichts mehr zu verlieren.»

«Scheiße!»

Dazu hatte ich nichts zu ergänzen.

«Aber … Warum rufste eigentlich mich an, Varg?»

«Ich musste mit jemandem reden, der das Milieu im Travparken etwas besser kennt als ich. Ist Birger Bjelland da immer noch Stammgast?»

Es knisterte ein wenig in der Leitung. «Die Verbindung wird schlechter, Varg … Bjelland, ja. Wenn du da nich rechtzeitig bezahlst …»

«Ja?»

«Dann … Punkt, Punkt, Punkt, Varg.»

«Punkt, Punkt, Pu–»

«Jetzt fahren wir innen Lindåstunnel! Muss auflegen!»

«Na gut. Lass uns ein Bier trinken gehen, wenn wir das nächste Mal …»

«Tschüss, Varg!»

«Tschüss!»

Aber die Verbindung war schon unterbrochen.

Punkt, Punkt, Punkt, hatte er gesagt. Als sei er sich nicht ganz sicher, auf welches Pferd er setzen sollte.

4

Es war ein ganz gewöhnlicher Donnerstagabend im Travparken. Der Publikumszustrom war eher dünn, auf dem Parkplatz gab es viel Platz und keine Schlangen vor den Spielluken.

Ich parkte meinen Wagen, öffnete die Tür und zeigte mich, aber nichts geschah. Ich schlenderte um das Auto herum und tat so, als würde ich die Reifen inspizieren, ohne dass jemand Kontakt zu mir aufnahm.

«… um Himmels willen, finde nicht noch mehr Leichen für uns.»

Ich setzte mich wieder ins Auto und wartete, während ich jeden Wagen beobachtete, der ankam.

Live Dyrdal saß in keinem.

Als aus dem Lautsprecher angekündigt wurde, dass auf der Bahn nun das erste Rennen startete, stieg ich aus dem Wagen und betrat das Tribünengebäude. Konnte ich sie missverstanden haben? Hatte sie gemeint, wir sollten uns drinnen treffen?

Ich ging auf die überdachte Sitztribüne hinauf und sah mich um. Dort waren nicht viele – und keine einzige Frau, so weit ich erkennen konnte.

Ich ging hinüber in den Restaurantteil.

Auch der war spärlich besetzt. Die feste Klientel saß auf ihren Plätzen, und ich nickte ein paar Polizisten und einem Journalisten zu, die ich kannte. Alle sahen aus, als seien sie in ihrer Freizeit hier.

Hier war auch eine Hand voll Frauen. Einige von ihnen verfolgten eifrig, was sich draußen auf der Bahn abspielte. Die anderen saßen mit steifem Lächeln rum und rauchten eine Mentholzigarette nach der anderen, als seien sie ein Teil der Einrichtung.

An seinem Stammplatz saß Birger Bjelland mit ein paar von denen, die er seine Bürovorsteher nannte. Wenn die Bürovorsteher waren, war ich Justizminister. Das einzige, worin sie vielleicht Examen gemacht hatten, war Gewichtheben und Drücken. Ich wusste, dass er wusste, wer ich war. Aber wir waren einander nie offiziell vorgestellt worden, und ich war mir ganz und gar nicht sicher, ob dies dafür der richtige Augenblick war.

Als ich mich seinem Tisch näherte, beugten sich einige der Kerle schwer nach vorn, bereit, sowohl Heben als auch Drücken zu demonstrieren, sobald sie das Startsignal bekämen.

Ich blieb direkt vor dem Tisch stehen. «Bjelland? – Veum. Wir sind uns noch nie richtig vorgestellt worden, offiziell.»

Er schaute mich an, mit dem kältesten Blick nördlich von Randaberg. «Worum geht’s?», fragte er in seinem angeschliffenen Stavangerdialekt.

«Sie kennen doch einen Typen namens Per Hjertevik, oder?»

«Ja, und?»

«Er schuldet Ihnen Geld, oder?»

«Sind Sie in seinem Auftrag hier, oder?»

«In dem Fall hätte ich wohl eine Vollmacht von Herrn Petrus.»

Er lehnte sich einen Deut nach vorn. «Wollen Sie damit sagen …»

«Ich erzähle Ihnen sozusagen, dass Sie, wenn Sie Geld von ihm wollen, in den Himmel kommen müssen, je nachdem, welche Auszahlungsstelle für Sie zuständig ist.»

Er straffte die Lippen, wie ein beleidigter Prediger. «Wisst ihr was darüber, Jungs?»

Seine beiden Bürovorsteher schüttelten verneinend den Kopf.

«Nein», sagte einer von ihnen.

«Ich versteh nicht ganz, wovon er redet», sagte der andere.

«Wissen Sie was über seine Frau, Bjelland?»

«Per Hjerteviks Frau? Was sollte ich von ihr wissen? Meinen Sie, ich hätte ihr eine Kondolenzkarte schicken sollen?»

«Ich meine … Sie hat sich nicht bei Ihnen gemeldet?»

«Warum sollte sie? Will sie etwa ihr Erbe mit mir teilen?»

«Und wenn …»

Er unterbrach mich brüsk: «Hör zu Veum. Wir haben schon früher unsere Klingen gekreuzt. Du weißt das und ich weiß das. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du dir keine Wiederholung dieses Erlebnisses wünschst. Wenn Per Hjertevik tot ist, geht mich das nichts an. Die läppischen Schulden, die er hinterlassen hat, kann ich ganz schnell bei seinen Gläubigern im Osten einfordern. Das ist mein einziger und letzter Kommentar zu der Sache.» Wie um zu demonstrieren, wie endgültig diese Aussage war, griff er nach einer Zeitung, schlug die Seite mit den Wettrennergebnissen auf und hob sie vor sein Gesicht, um zu lesen.

Die Blicke, die mir seine Bürovorsteher schickten, zeugten von so viel Schulden auf dem Konto, dass es mir als das Sicherste erschien, mich zurückzuziehen, damit sie nicht ihre Buchhaltung noch einmal überprüften, bevor ich einen neuen Vorstoß wagte.

Nachdem ich einen letzten Blick durch den Raum geworfen hatte, ohne jemanden zu bemerken, der an Live Dyrdal erinnerte, ging ich den gleichen Weg hinaus, den ich gekommen war.

Vor den Fenstern trotteten eine Hand voll Pferde um die Bahn herum. Bei dem Tempo hätte ein mittelmäßiger Schlittschuhläufer durchaus mithalten können. Die Stimme aus dem Lautsprecher versuchte vergeblich, das Publikum in Begeisterung zu versetzen, aber der Ansager sprach so engagiert, als habe er nur ganz zufällig von seinem Tototipp in der heutigen Tageszeitung aufgeschaut.

Ich ging zurück zum Parkplatz.

Als ich gerade meinen Wagen aufschließen wollte, glitt ein rotbrauner Nissan neben mich. Trotz der glatten, blonden Perücke erkannte ich sie schon, bevor sie die Scheibe herunter kurbelte.

«Tut mir Leid, dass ich etwas spät bin», sagte sie, als ginge es um einen zufälligen Kinobesuch.

Ich sagte nichts.

«Ich … Wollen Sie nicht einsteigen?»

Ich nickte und ging um den Wagen herum zur Beifahrerseite. Sie öffnete die Tür mit der Zentralverriegelung und ich setzte mich neben sie. Bevor sie weitersprach, parkte sie rückwärts in eine Lücke, ein, zwei Autos neben meinem.

Sie hatte Jeans an und eine rotbraune Lederjacke. An den Händen trug sie Autohandschuhe aus hellem Leder. Es roch nach schwerem Parfüm, etwas zu schwer für meinen Geschmack.

«Ich bin froh, dass Sie kommen konnten», sagte sie ernst.

«Es tut mir Leid, wegen Ihres Mannes», sagte ich.

«Aber … Wissen Sie es schon?»

«Die Polizei hat ihn identifiziert. Sie sollten sich unbedingt dort melden, je eher desto besser.»

«Ja, ich werde … Natürlich, aber … Es ist alles schief gegangen, Veum.»

«Was ist schief gegangen?»

«Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen.»

«Tun Sie das.»

«Mein Mann – Per – hat seit vielen Jahren auf Pferde gesetzt. Es begann mit einer Steuerrückzahlung. Die ersten Jahre ging es gut. Er hat viel gewonnen. Aber dann drehte sich das Ganze um, und er … Um aus der Klemme herauszukommen, musste er Geld leihen. Zuerst bei der Bank. Aber als die Rückzahlung fällig wurde und er nicht zahlen konnte, war es entweder das Haus oder … Und so gerieten wir in die Klauen dieser Kredithaie.»

«Birger Bjelland?»

Sie nickte. «Und jetzt hatte er das Messer am Hals. Per … Per konnte ihnen eine Geschichte verkaufen, dass er einen Freund hätte, der ihm Geld schuldete. Sie haben den Namen aus ihm herausgequetscht. Per Austbø, sagte er, Zahnarzt. Da sagten sie, okay, dann gehen wir zu ihm und holen uns das Geld von ihm. Per wollte das nicht, aber sie bestanden darauf. Und wenn solche Leute auf etwas bestehen …»

«Danke, ich weiß … Dann laden sie einen nicht gerade zu einem Tänzchen ein.»

«Nein. Wir … Wir gaben eine Adresse an, sagten, der Zahnarzt sei mit seiner Praxis gerade umgezogen, und dann …»

Ich hob die Hand. «He, he, he! Nun mal langsam. Wenn Sie erwarten, dass ich Ihnen dieses Märchen glaube, dann … Woher wussten Sie von dieser leer stehenden Zahnarztpraxis?»

«Ich …» Sie sah zur Seite. «Wir waren beide Patienten bei Zahnarzt Breim gewesen.»

«Aha. Und woher hatten Sie die Schlüssel zu der Praxis?»

«Per hat sie besorgt. Aber als dieser Mann kam, um das Geld zu holen …»

«Hatten Sie denn Geld beschaffen können?»

«Wir hatten etwas zusammen gekriegt. Drüben im Østlandet. Aber nicht genug.»

«Aha?»

«Per versuchte es zu erklären, aber der Mann … Die Zeit sei uns davon gelaufen, sagte er, und dann holte er – ein Schlagholz hervor …»

«Aha.»

«Er drohte uns. Per versuchte, den Angriff abzuwehren, aber … Der Mann schlug ihn auf den Kopf, hier …» Sie zeigte auf ihre linke Schläfe. «Es kam ein Laut, als wenn ein Sparschwein zerschlagen wird … Oh Gott! Es war so furchtbar … Ich weiß nicht, ob ich …»

Sie sah mich mit tränenfeuchten Augen an. Hektisch öffnete sie ihre Handtasche und holte ein Taschentuch hervor, das sie zu einem kleinen Ball zusammen drückte und an ihre Augen presste.

«Na, na», sagte ich und berührte vorsichtig ihre Schulter.

Einen Augenblick lang zögerte sie. Dann legte sie den Kopf an meinen Hals und schluchzte laut.

Ich legte die Arme um sie und strich ihr sanft über den Rücken. Der Parfümgeruch war jetzt noch stärker, als hätte sie in exotischen Extrakten gebadet. «Na, na», wiederholte ich.

Sie sah mich an. «Per, er … Er hat sich zu mir umgedreht, mich angesehen, mit Augen wie ein kleines Kind, das ausgeschimpft wird und nicht weiß, warum, und dann ist er einfach – vornüber gefallen …»

«Und dann …»

«Ich glaube …» Sie machte sich frei. Plötzlich schien sie sich zu schämen, mir so nah zu sein, und zog sich so weit wie möglich zurück, ohne aus dem Auto zu steigen. «Er … Zuerst glaube ich, war ihm gar nicht klar, was er getan hatte … Er … Er ging in die Knie, fühlte nach – dem Puls, hier …» Sie fasste sich an die Seite des Halses. «Am Ende … Er stand abrupt auf, sah sich um, als ob – als ob er überlegte, ob er irgendwo seine Fingerabdrücke hinterlassen hatte. Und dann … Er hielt das Schlagholz vor mir hoch, so, und dann: Kein Wort! Nicht ein Wort! Und dann verschwand er.»

«Und Sie …»

«Ich war – wie gelähmt. Intuitiv begriff ich, dass Per … Aber ich musste es genau wissen. Ich fühlte selbst … nach seinem Puls. Ich konnte ihn nicht ansehen, deshalb legte ich … Dann bin ich gegangen.»

«Wohin?»

«Raus. Ich war völlig durcheinander. Ich weiß kaum noch, wo ich war. Am Ende nahm ich ein Taxi nach Hause und holte den Wagen. Ich konnte nicht im Haus bleiben, hielt es nicht aus! Erst heute, heute Vormittag, kam ich irgendwie wieder in die Welt zurück. Da wurde mir klar, was … Und dann rief ich Sie an … Ich muss unter Schock herum geirrt sein!», schloss sie und sah mich fragend an, als wolle sie sehen, ob ihre Geschichte angekommen war.

Aber ich musste sie enttäuschen. Mit leiser Stimme sagte ich: «Nein. Das stimmt nicht. Da ist zu viel, was nicht stimmt.»

«Was meinen Sie?»

Ich nickte zum Ausgang der Tribünenanlage. «Birger Bjelland sitzt da drinnen. Wir können ja reingehen und ihn nach seiner Version der Geschichte fragen.»

«Glauben Sie … Vertrauen Sie einem wie ihm mehr als mir?»

«Sie vergessen, dass ich im Büro nebenan gesessen habe. Ich habe das meiste gehört. Ich habe den Mann kommen hören, die lauten Stimmen, das Geräusch von etwas, das auf den Boden fiel. Gleich danach hörte ich Schritte von zwei Personen, die gemeinsam weggingen. Also warum hat der Hund nicht gebellt, Frau Hjertevik?»

«… der Hund?»

«Na ja, um es anders auszudrücken … Warum riefen Sie nicht um Hilfe? Sie wussten, dass ich mich aller Wahrscheinlichkeit nach in meinem Büro befand. Und es waren noch andere auf dem Flur.»

«Ich … der Schock …»

«Nein, nein. Ich glaube nicht, dass einer von Birger Bjellands Männern da war. Dieses eine Mal ist er sicherlich unschuldig. Ich glaube, es war ein anderer Mann. Einer, den Sie kannten, und mit dem Sie das Ganze gemeinsam geplant hatten … Darf ich annehmen, dass Sie vielleicht einen besonderen Freund hatten?»

«Ich … Wer sollte das sein?»

«Tja, wer wohl?»

«Das … Das lasse ich mir nicht gefallen, Veum!»

«Das ist vollkommen in Ordnung. Ich habe weiter kein Interesse an der Sache. Sie haben nur angerufen und mich gebeten, hierher zu kommen. Warum? habe ich mich gefragt. Weil Sie glaubten, es würde Ihnen gelingen, mir Sand in die Augen zu streuen. Weil Sie einen neutralen Zeugen brauchten für das, was Ihrer Behauptung nach in meinen Nachbarräumen passiert ist. Okay. Ich schlage vor, dass Sie aussteigen, mit zu meinem Wagen kommen und mit mir zur Polizei fahren. Da können wir jeder eine neutrale Zeugenaussage abgeben, und dann muss die Polizei entscheiden, wer von uns beiden den Hauptgewinn bekommt.»

«Wer von uns …»

Mit einer abrupten Bewegung riss sie sich die blonde Perücke herunter und warf sie auf den Rücksitz. «Veum, ich …» Sie packte mich an den Schultern.

«Und es nützt nichts, egal, was Sie tun oder sagen. Ich bin gegen so was geimpft, schon seit vielen Jahren.»

Einen Augenblick lang starrte sie mich an. Dann sagte sie verächtlich: «Ihre Nase wächst!»

«Das ist aber auch das einzige …»

Vom Travparken her hörten wir die metallische Stimme aus dem Lautsprecher. Ein Pferd namens Golden Lightning übernahm gerade die Führung in einem Lauf, der niemals in irgendwelchen Erinnerungsbüchern stehen würde, ausgenommen vielleicht in Golden Lightnings eigenem.

Als ich den Wagen auf einem der Stellplätze parkte, die für die Polizeiwagen reserviert waren, schoss es mir plötzlich durch den Kopf: Der Schlüssel!

Aber ich sprach es nicht aus. Der Polizei gegenüber allerdings auch nicht.

5

Ich hätte natürlich zu ihm rausfahren können. Aber schließlich war ich gerade in Åsane gewesen. Außerdem hatte ich keinen Bedarf an einer persönlichen Abrechnung mit dem Herrn Zahnarzt. Stattdessen rief ich an.

Der Sprechstundenhilfe stellte ich mich als Per Hjertevik vor. «Ich rufe für meine Frau an. Sie hat nächste Woche einen Termin …»

Ihre Stimme war hell und freundlich. «Einen Moment, ich werde nachsehen …»

Ich hörte, wie sie blätterte und blätterte und versuchte derweil, sie mir vorzustellen. War sie vom Strandkaien mit ihm umgezogen, oder war sie ein weiteres neues Exemplar? Dann kam sie wieder an den Apparat. «Ich kann nicht … An welchem Tag sollte es gewesen sein?»

«Oh, das weiß sie nicht mehr. Aber … Wann war sie denn zuletzt da?»

«Zuletzt? Ich kann natürlich auf ihrer Karte nachsehen, aber was …»

«Nein, nein! Das ist nicht so wichtig. Und was ist mit meinem Termin?»

«Äh, mit Ihrem Termin?»

«Ja.»

«Aber … Das muss ein Missverständnis sein. Sie sind doch nie Patient bei uns gewesen, Herr Hjertevik.»

«Und wie lange arbeiten Sie schon dort?»

«Ich … Fast zwei Jahre …» Jetzt hatte ich sie! Die Blondine mit den kurzen Haaren.

«Könnte ich mit Breim selbst sprechen?»

«Er ist gerade beschäftigt mit …»

«Es geht um Leben und Tod!»

«Okay, okay!»

«Sagen Sie einfach, Hjertevik sei am Telefon. Per Hjertevik.»

«Ja, das habe ich mitbekommen!»

Das war ein effektives Passwort. Der Zahnarzt war binnen zwanzig Sekunden am Apparat. Aber seine Stimme war extrem reserviert. «Breim. Mit wem spreche ich?»

«Hier ist Veum. Woher wussten Sie, dass es nicht Hjertevik war?» Lange Pause.

«Sie erinnern sich an mich?»

«Ja, ich erinnere mich an Sie, Veum», sagte er in einem Ton, als wünschte er mir eine tiefe und langwierige Zahnwurzelentzündung.

«Ich komme gerade von der Polizei. Ich glaube, man erwartet Sie dort, und zwar recht bald. Und ich habe das Gefühl, dass es um Ihren Fall weitaus besser stünde, wenn Sie sich freiwillig meldeten. Alle Zahnkarten auf den Tisch legten, sozusagen.»

«Meinen Fall, Veum?» Er begann zu stottern.

«Der Schlüssel, Breim. Niemand hatte beim Vermieter einen Schlüssel ausgeliehen, und bei Ihrem Verbrauch an Helferinnen gehe ich davon aus, dass Sie eine reiche Auswahl an Ersatzschlüsseln hatten.»

«Ersatz–»

«Die vergisst man manchmal zurückzugeben, wenn das Büro wieder abgegeben wird, stimmt’s? Und wer kommt einfacher an Tonbandaufnahmen von einem Zahnarztbohrer als ein Zahnarzt?»

«Aufnahmen? Hören Sie …»

«Und diesmal reichten Ihnen die Helferinnen nicht mehr, Sie gingen auch auf Ihre Patienten los, wie ich höre.»

«Patienten? Welche Patienten? Sie können mir gar nichts beweisen, Veum!»

«Nein. Vielleicht nicht. Aber Live Hjertevik kann gestehen, jederzeit.»

«Das werde ich …»

«Verhindern? Ja ja, das können Sie versuchen. Aber machen Sie schnell, Breim. Niemand geht gern zum Zahnarzt. Nicht einmal die Polizei.»

Keiner von uns fand es nötig, das Gespräch fortzusetzen. Aber ich muss zugeben, dass er zuerst auflegte.

Ich rief schnell Hamre an und erzählte ihm, was mir «plötzlich eingefallen» war. Auch er fiel nicht dankbar vor mir auf die Knie.

Ein paar Tage später rief er trotzdem zurück, um mir zu erzählen, dass beide ein vollständiges Geständnis abgelegt hätten. Was weiter mit ihnen geschah, lag nun in den Händen der Staatsanwaltschaft.

Nachdem ich aufgelegt hatte, saß ich tatenlos da und horchte.

Tief in einem meiner Backenzähne spürte ich ein schwaches Murren. Zahnschmerzen sind wie der Tod: Sie kommen, wenn man es am wenigsten erwartet.