Die Vernunftehe - Georgette Heyer - E-Book
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Die Vernunftehe E-Book

Georgette Heyer

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Beschreibung

England, 1776. Lord Rule glaubt nicht an die Liebe. Der reiche Lebemann möchte lieber eine moderne Vernunftehe führen. Seine Wahl fällt auf Elizabeth, eine der drei Winwood-Schwestern, deren Familie sehr angesehen, aber verarmt ist. Obwohl die Winwoods das Geld bitter nötig haben, spielt die auserwählte Elizabeth das Spiel nicht mit, denn sie hat sich längst in einen mittellosen Leutnant verliebt. Um das Liebesglück der Schwester zu retten, schlägt die jüngste Schwester Horatia dem Lord ein Geschäft vor: Er kann sie heiraten - dafür verspricht sie ihm, sich nicht in seine Angelegenheiten einzumischen. Aber so einfach kann die Vernunft nicht über die Liebe siegen ...

"Die Vernunftehe" (im Original: "The Convenient Marriage") ist eine amüsante Ehekomödie der Regency-Expertin Georgette Heyer. Jetzt als eBook bei beHEARTBEAT. Herzklopfen garantiert.

"Georgette Heyer besitzt die Gabe, historische Romanzen zu schreiben, leicht wie ein Soufflé, glitzernd wie ein Diamant und heiter wie der sprichwörtliche Maimorgen." The Bookman



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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Kapitel XIII

Kapitel XIV

Kapitel XV

Kapitel XVI

Kapitel XVII

Kapitel XVIII

Kapitel XIX

Kapitel XX

Kapitel XXI

Kapitel XXII

Über dieses Buch

England, 1776. Lord Rule glaubt nicht an die Liebe. Der reiche Lebemann möchte lieber eine moderne Vernunftehe führen. Seine Wahl fällt auf Elizabeth, eine der drei Winwood-Schwestern, deren Familie sehr angesehen, aber verarmt ist. Obwohl die Winwoods das Geld bitter nötig haben, spielt die auserwählte Elizabeth das Spiel nicht mit, denn sie hat sich längst in einen mittellosen Leutnant verliebt. Um das Liebesglück der Schwester zu retten, schlägt die jüngste Schwester Horatia dem Lord ein Geschäft vor: Er kann sie heiraten – dafür verspricht sie ihm, sich nicht in seine Angelegenheiten einzumischen. Aber so einfach kann die Vernunft nicht über die Liebe siegen …

Über die Autorin

Georgette Heyer, geboren am 16. August 1902, schrieb mit siebzehn Jahren ihren ersten Roman, der zwei Jahre später veröffentlicht wurde. Seit dieser Zeit hat sie eine lange Reihe charmant unterhaltender Bücher verfasst, die weit über die Grenzen Englands hinaus Widerhall fanden. Sie starb am 5. Juli 1974 in London.

Georgette Heyer

Die Vernunftehe

Aus dem Englischen von Stefanie Neumann

beHEARTBEAT

Digitale Neuausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Copyright © Georgette Heyer, 1934

Die Originalausgabe THE CONVENIENT MARRIAGE erschien 1934 bei William Heinemann.

Copyright der deutschen Erstausgabe:

© Paul Zsolnay Verlag GmbH, Hamburg/Wien, 1955.

Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer

Covergestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de unter Verwendung von Motiven © Richard Jenkins

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-7329-5

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Kapitel I

Da Lady Winwood nicht zu sprechen war, fragte die morgendliche Besucherin nach Miss Winwood oder nach irgendeiner der jungen Damen. In Anbetracht des Gerüchtes, das ihr zu Ohren gekommen war, wäre es wirklich höchst ärgerlich, wenn sich alle Winwood-Damen verleugnen lassen wollten. Aber der Portier hielt die Türe weit auf und meldete, dass Miss Winwood zu Hause sei.

Mrs. Maulfrey wies den Kutscher ihres äußerst eleganten Stadtwagens an, auf sie zu warten, trat in das halbdunkle Vestibül und sagte temperamentvoll: »Wo ist Miss Winwood? Sie können sich die Mühe sparen, mich anzumelden.«

Der Portier verwies sie auf den kleinen Salon, in dem sich alle drei jungen Damen aufhielten. Mrs. Maulfrey nickte und ging mit klappernden hohen Absätzen durch die Halle. Als sie die Treppe hinaufstieg, streifte ihr über sehr große paniers à coudes gebreiteter Reifrock rechts und links das Geländer. Sie fand – nicht zum ersten Mal –, dass das Stiegenhaus zu eng und der Teppich ausgesprochen schäbig waren. Sie selbst würde sich einer so altmodischen Einrichtung schämen. Allerdings war sie zugegebenermaßen keine Winwood of Winwood, obwohl sie sich eindeutig zur Verwandtschaft zählen konnte.

Der kleine Salon, wie der Portier ein hinteres Wohnzimmer nannte, das den jungen Damen zur Benutzung überlassen wurde, lag im ersten Stock und war Mrs. Maulfrey wohlbekannt. Sie klopfte leicht mit der behandschuhten Hand an die Türe und trat sogleich ein.

Die drei Damen waren in der Sitzgruppe versammelt und boten ein anmutiges Bild. Auf einem verblassten gelben Sofa saßen Miss Winwood und Miss Charlotte und hielten einander um die Taille. Sie sahen sich ziemlich ähnlich, doch galt Miss Winwood als die Schönere. Diese hatte mit dem Profil zur Türe gesessen; als Mrs. Maulfrey hereinrauschte, drehte sie sich um und zeigte dem Gast ein paar hinreißend blaue Augen und einen süßen, geschwungenen Mund, der jetzt ein überraschtes »Oh« formte. Üppiges, gewelltes, ohne Puder frisiertes Blondhaar, durch das ein blaues Band lief, umrahmte ihr Gesicht und fiel in mehreren, zierlich geordneten Locken auf ihre Schultern.

Neben der Familienschönheit präsentierte sich Miss Charlotte etwas weniger vorteilhaft, aber auch sie war eine echte Winwood, mit der berühmten geraden Nase und den gleichen blauen Augen. Ihre Locken, die nicht ganz so blond waren wie die ihrer Schwester, verdankten ihr Entstehen der Brennschere, das Blau ihrer Augen war blasser, und ihr Teint hatte einen leichten Stich ins Gelbliche; doch konnte auch sie als eine sehr hübsche junge Dame bezeichnet werden.

Miss Horatia, die Jüngste, hatte keinen der Familienzüge außer der Nase. Ihr Haar war dunkel, die Augen tiefgrau und die beinahe schwarzen und sehr dichten Augenbrauen liefen ganz gerade und gaben ihr einen ernsten, fast mürrischen Ausdruck; und man konnte diese Brauen noch so sorgfältig behandeln, es war keine Kurve hineinzubringen. Horatia war um einen halben Kopf kleiner als ihre Schwestern und musste mit ihren siebzehn Jahren leider einsehen, dass sie wohl kaum mehr wachsen würde.

Als Mrs. Maulfrey eintrat, saß sie auf einem niedrigen Schemel vor dem Sofa, stützte das Kinn auf die Hände und schien finster vor sich hin zu blicken.

Die drei Mädchen trugen Morgenkleider aus Musselin über kleinen Reifen und Seidengaze-Schleifen um die Taille. Verbauert, dachte Mrs. Maulfrey, während sie mit Genugtuung an ihrem fransengeschmückten Seidenmantel zupfte.

»Meine Teuren!«, rief sie aus. »Ich musste sofort zu euch, als ich die Nachricht erfuhr! Sagt mir: Ist es wahr? Hat Rule um Lizzie angehalten?«

Miss Winwood, die sich anmutig erhoben hatte, um ihre Kusine zu begrüßen, wurde blass und ließ den Kopf hängen: »Ach ja, Theresa«, sagte sie schwach. »Es ist wahr.«

Mrs. Maulfrey bekam vor Ehrfurcht runde Augen. »Oh, Lizzie«, hauchte sie. »Rule! Eine Komtesse! Zwanzigtausend Jahreseinkommen, so höre ich, und wer weiß – vielleicht noch mehr!«

Miss Charlotte bot ihr einen Stuhl an und bemerkte mit leichtem Vorwurf im Ton: »Wir betrachten Lord Rule gewiss als einen sehr wünschenswerten Bewerber. Allerdings«, fügte sie hinzu, während sie nach Miss Winwoods Hand fasste und sie liebevoll drückte, »allerdings kann niemand, und wäre er noch so vornehm, unserer teuren Lizzie würdig sein.«

»Ach Gott, Charlotte«, sagte Mrs. Maulfrey schroff, »Rule ist das Beste, was der Heiratsmarkt momentan zu bieten hat. Ein erstaunlicher Glücksfall! Wenn ich auch sagen muss, Lizzie – du verdienst ihn. Ja, wirklich, und ich freue mich herzlich für dich. Denk doch nur an den Kontrakt!«

»Diese Art von Abwägung ist absolut unpassend, Theresa«, sagte Miss Charlotte. »Gewiss wird Mama diese Dinge mit Lord Rule besprechen, aber von Lizzie wird niemand verlangen, dass sie sich mit so trivialen Dingen wie der Höhe von Lord Rules Vermögen befasst!«

Die jüngste Miss Winwood, die bis jetzt unbeweglich mit auf die Hände gestütztem Kinn dagesessen hatte, hob plötzlich den Kopf und sagte mit ihrer tiefen Stimme, die im Stottern ein wenig zitterte, nur ein vernichtendes Wort: »Qu-quatsch!«

Miss Charlotte war es sichtlich peinlich. Miss Winwood lächelte müde. »Ich fürchte, Horry hat Recht. Aber es ist nun eben mein Schicksal.« Sie ließ sich auf das Sofa zurückfallen und starrte zum Fenster hinaus.

Jetzt bemerkte Mrs. Maulfrey, dass ihre blauen Augen tränenüberflutet waren. »Aber, Lizzie! Du tust ja, als hättest du nicht einen fabulösen Antrag, sondern betrübliche Nachrichten bekommen!«

»Theresa!«, mahnte Miss Charlotte und legte schützend den Arm um ihre Schwester. »Was soll das? Solltest du wirklich Mr. Heron vergessen haben?«

Mrs. Maulfrey hatte Mr. Heron allerdings vergessen. Einen Augenblick hielt sie inne. »Nun ja, gewiss ... Mr. Heron. Sehr bedauerlich – aber denk doch nur: Rule! Sicherlich ist der arme Mr. Heron eine sehr schätzenswerte Persönlichkeit, aber doch nur ein Leutnant, meine teure Lizzie! Und überdies wird er wahrscheinlich bald wieder nach Amerika in den abscheulichen Krieg ziehen müssen. Nicht auszudenken, meine Gute!«

»Nein«, sagte Elisabeth mit erstickter Stimme, »es ist nicht auszudenken!«

Horatias dunkler Blick lag bedeutsam auf ihrer zweiten Schwester. »Ich glaube, es wäre eine gute Idee, wenn Charlotte Rule bekäme«, war ihr Urteil.

»Horry!«, keuchte Charlotte.

»Ach Gott, mein Kind, was sprichst du nur für Unsinn«, sagte Mrs. Maulfrey nachsichtig. »Rule will doch Elisabeth haben!«

Horatia schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nur eben eine Winwood«, antwortete sie in ihrer eigenwilligen Art. »Das war alles schon vor Jahren abgemacht. Ich g-glaube nicht, dass er L-lizzie mehr als ein halbes Dutzend Mal gesehen hat. Das muss gar nichts bedeuten.«

Miss Charlotte ließ die Hand ihrer Schwester los und sagte bebend: »Um nichts, nichts in der Welt würde ich Lord Rule heiraten! Die bloße Vorstellung einer Ehe widerstrebt mir. Ich habe längst beschlossen, Mamas Stütze zu bleiben.« Sie atmete auf. »Und sollte ich jemals meine Meinung ändern wollen, dann kannst du überzeugt sein, meine liebe Horry, dass es dazu eines ganz anderen Mannes bedürfte als Lord Rule.«

Mrs. Maulfrey deutete diese Aussage auf ihre eigene Art. »Was mich betrifft, so gefallen mir Wüstlinge«, bemerkte sie. »Und außerdem sieht er noch gut aus!«

»Ich finde«, beharrte Horatia, »M-mama hätte wirklich Charlotte vorschlagen können.«

Elisabeth wandte sich an sie. »Du verstehst das nicht, Horry. So etwas hätte Mama nie getan!«

»Zwingt dich denn meine Tante dazu?«, fragte Mrs. Maulfrey, der diese Vorstellung Freude zu machen schien.

»Oh nein«, erwiderte Elisabeth ernsthaft. »Du kennst doch Mamas Güte. Sie ist ganz Rücksicht und Verständnis. Nur das Pflichtbewusstsein gegenüber unserer Familie drängt mich zu diesem unglückseligen Entschluss.«

»Hy-hypotheken«, sagte Horatia mit einem Sphinxgesicht.

»Pelham, nehme ich an?«, sagte Mrs. Maulfrey.

»Ja, natürlich«, antwortete Charlotte nicht ohne Verbitterung. »Es ist alles seine Schuld. Wir stehen vor dem Ruin.«

»Armer Pelham!«, sagte Elisabeth und widmete dem abwesenden Bruder einen Seufzer. »Er ist leider recht verschwenderisch.«

»Hauptsächlich Spielschulden, nicht wahr?«, meinte Mrs. Maulfrey. »Die Tante schien zu fürchten, dass sogar eure Mitgift ...« Sie brach taktvoll ab.

Elisabeth errötete, aber Horatia griff ein. »P-pel kann nichts dafür. Es liegt im Blut. Eine von uns m-muss eben Rule heiraten. Lizzie ist die älteste und hübscheste, aber Charlotte w-würde auch genügen. Lizzie ist doch mit Edward Heron verlobt.«

»Nicht verlobt, Horry«, sagte Elisabeth leise. »Wir hatten nur eben gehofft, wenn er erst Captain wäre, würde die Mama vielleicht einwilligen.«

»Aber sogar dann, meine Liebe«, mahnte die vernünftige Mrs. Maulfrey, »was, frage ich dich, ist ein Captain der Linientruppen,verglichen mit dem Grafen Rule? Auch höre ich, dass der junge Mann über höchst bescheidene Mittel verfügt; wer soll denn da, ich bitte dich, die Beförderung bezahlen?«

Horatia ließ sich nicht so leicht unterkriegen. »Edward s-sagte mir, wenn er das Glück hätte, nochmals im Gefecht zu stehen, dann gäbe es vielleicht eine Ho-hoffnung.«

Miss Winwood durchfuhr ein leichter Schauer, und sie legte die Hand an ihre Wange: »Ach bitte, Horry ...«

»Es hat keinen Sinn«, erklärte Mrs. Maulfrey. »Du sollst mich nicht für gefühllos halten, Lizzie, aber wie willst du denn mit dem Gehalt des jungen Mannes auskommen? Furchtbar traurig, gewiss – aber jetzt denk doch an die Stellung, die du einnehmen, den Schmuck, den du besitzen wirst!«

Die Aussicht schien Miss Winwood zu widerstreben, aber sie sagte nichts mehr. Horatia war es, die den Gefühlen der drei Schwestern Ausdruck verlieh: »Unfein!«, sagte sie. »Das bist du wirklich, weißt du, Theresa.«

Mrs. Maulfrey errötete und brachte umständlich die Falten ihres Rockes in Ordnung. »Nun ja, ich weiß, dass das alles für Lizzie keine Bedeutung hat, aber ihr könnt doch nicht leugnen, dass es eine glanzvolle Partie ist. Was sagt die Tante dazu?«

»Sie ist höchst dankbar«, antwortete Charlotte, »wie wir es alle sein müssen, natürlich, wenn wir bedenken, in welche Lage uns Pelham gebracht hat.«

»Wo ist er denn?«, fragte Mrs. Maulfrey.

»Wir wissen es nicht genau«, antwortete Elisabeth. »Jetzt vielleicht in Rom. Pel ist kein sehr eifriger Briefschreiber. Aber wir werden gewiss sehr bald von ihm hören.«

»Nun ja, er muss doch wohl zu deiner Hochzeit kommen ... Ach, sag mir doch, Lizzie: Hat dir Rule schon seine Aufwartung gemacht? Ich wusste natürlich, dass es gewisse Arrangements gegeben hatte. Aber er war so ...« Offenbar hielt sie es für besser, das Weitere für sich zu behalten. »Nun, es hat ja nichts zu sagen, jedenfalls wird er ein reizender Gatte sein. Hast du ihm schon geantwortet?«

»Noch nicht«, sagte Lizzie fast unhörbar. »Ich ... ich hatte ja auch keine Ahnung. Ich bin ihm natürlich schon begegnet. Er tanzte zweimal mit mir beim Almack-Ball, als Pelham kürzlich in London war. Damals war er sehr liebenswürdig, aber dass er um meine Hand anhalten würde, hätte ich mir nie träumen lassen. Gestern besuchte er die Mama und erbat sich ihre Erlaubnis, um mich zu werben. Aber du musst wissen, dass noch nichts verlautbart wurde.«

»Alles tadellos korrekt!«, lobte Mrs. Maulfrey. »Und denk doch nur, was es bedeutet, von Rule umworben zu werden! Jedes Mädchen in der Stadt wird dich beneiden.«

Horatia musterte ihre Kusine neugierig. »Ist es denn so etwas Besonderes, von Rule umworben zu werden? – Er ist doch schon so alt!«

»Alt? Rule? Was fällt dir ein?«, protestierte Mrs. Maulfrey. »Höchstens fünfunddreißig, darauf wette ich meinen guten Ruf. Und dieser Gang, diese Haltung! Das Lächeln!«

»Ich nenne das alt«, sagte Horatia unbeeindruckt. »Edward ist erst z-zweiundzwanzig.«

Danach gab es nicht mehr viel zu sagen. Mrs. Maulfrey hatte nun alle anstehenden Neuigkeiten gehört und traf Anstalten, sich zu empfehlen. Elisabeth tat ihr zwar leid, aber sie konnte sie beim besten Willen nicht verstehen. Hoffentlich würde Captain Heron möglichst bald zu seinem Regiment zurückberufen. Just in diesem Augenblick betrat eine magere Frau unbestimmbaren Alters den Salon und flüsterte Elisabeth mit leicht erregter Stimme zu, dass Mr. Heron in der Halle sei und um eine Unterredung bitte. Mrs. Maulfrey runzelte unwillig die Stirn.

Elisabeth wurde rot und wieder blass, aber sie erhob sich vom Sofa und sagte ruhig: »Danke, Laney.«

Miss Laney, bei der es sich um die Gouvernante der drei jungen Winwoods handelte, schien Mrs. Maulfreys Missbilligung zu teilen: »Liebste Miss Winwood, ist das auch sicher recht? Hätte Ihre Frau Mama nichts dagegen?«

Elisabeth erwiderte in ihrer würdig sanften Art: »Meine liebe Laney, Mama hat mir erlaubt, Mr. Heron die ... die bevorstehende Veränderung in meinem Stand bekannt zu geben ... Theresa, ich bin überzeugt, du wirst von Lord Rules gütigem Angebot nicht sprechen, bis ... bis es offiziell angekündigt wird.«

Charlotte seufzte, als sich die Türe leise hinter ihrer Schwester schloss. »Wie demütigend sind doch, erwägt man es richtig, die Prüfungen, denen wir Frauen uns unterwerfen müssen!«

»Edward muss sich auch unterwerfen«, bemerkte Horatia mit ihrem gesunden Menschenverstand. Ihre scharfsichtigen Augen ruhten auf ihrer Kusine. »Theresa, wenn du über unsere Dinge k-klatschst, wirst du es bereuen ... Etwas muss ge-geschehen.«

»Was soll schon geschehen? Unsere süße Lizzie wird als williges Opfer zum Altar schreiten«, sagte Charlotte mit hohler Stimme.

»Prüfungen! Opfer!«, rief Mrs. Maulfrey. »Mein Gott, wer euch zuhört, müsste Rule für einen Menschenfresser halten! Wahrlich, Charlotte, du erzürnst mich! Ein Haus am Grosvenor Square, und der Besitz in Meering, der ganz wunderbar sein soll, ein Park, sieben Meilen weit und mit drei Toren.«

»Es wird eine vornehme Stellung sein«, sagte Miss Laney in ihrem leicht keuchenden Ton. »Wer könnte sich aber auch besser dafür eignen als unsere liebe Miss Winwood? Man fühlte immer schon, dass sie zu etwas Höherem bestimmt war.«

»Ach was!«, rief Horatia verächtlich und schnippte mit den Fingern. »So viel gebe ich auf Rules hohen R-rang!«

»Miss Horatia, ich bitte, keine uneleganten Gesten!«

Charlotte unterstützte die Schwester: »Du sollst nicht mit den Fingern schnippen, Horatia, aber sonst hast du ganz recht. Lord Rule macht keine üble Partie, wenn er eine Winwood zur Frau bekommt.«

Inzwischen hatte sich Miss Winwood, nachdem sie erst einen Augenblick im Treppenhaus versucht hatte, ihre Erregung niederzukämpfen, in das im Erdgeschoss gelegene Bibliothekszimmer begeben. Hier erwartete sie ein junger Mann, der noch aufgeregter war als sie.

Mr. Edward Heron vom derzeit in Amerika kämpfenden zehnten Infanterie-Regiment, befand sich momentan in England auf Rekrutierungsdienst. Er war in der Schlacht bei Bunker’s Hill verwundet und bald darauf nach Hause geschickt worden, denn seine Verletzung erwies sich als schwer genug, um ihn – zumindest eine Zeitlang – für den Felddienst untauglich zu machen. Nach seiner Genesung wurde er zu seinem Leidwesen dem Inlandsdienst zugeteilt.

Seine Freundschaft mit Miss Winwood bestand, seit er denken konnte, denn als der jüngere Sohn eines Landjunkers, dessen Besitz an den Viscount Winwoods angrenzte, kannte er die drei jungen Winwoods beinahe seit ihrer Geburtsstunde. Er stammte aus einer ausgezeichneten, wenn auch verarmten Familie, und wäre er vermögend gewesen, so hätte er vielleicht als ein nicht brillanter, aber doch annehmbarer Bewerber für Elisabeth angesehen werden können.

Als Miss Winwood in den Bibliotheksraum eintrat, erhob er sich von seinem Sitz beim Fenster und kam ihr mit besorgtem und fragendem Ausdruck entgegen. Er war eine durchaus angenehme Erscheinung, und seine scharlachrote Uniform stand ihm gut. Er war hochgewachsen, hatte breite Schultern und ein gerades, offenes Gesicht, das momentan allerdings eher blass war. Den linken Arm hielt er noch etwas steif.

Ein rascher Blick auf Miss Winwood verriet ihm, dass die Sorge, die ihr kurzes Schreiben bei ihm ausgelöst hatte, nicht unbegründet war. Er fasste ihre Hände und hielt sie fest. »Was ist geschehen?«, fragte er eindringlich. »Ach, Elisabeth, etwas Schlimmes?«

Ihre Lippen bebten. Sie zog ihre Hände weg und suchte an einer Stuhllehne Halt. »Oh, Edward«, flüsterte sie, »das Allerschlimmste!«

Er wurde noch blasser. »Dein Brief hat mich beunruhigt. Was ist denn geschehen, um Gottes willen?«

Miss Winwood presste ihr Taschentuch an die Lippen.

»Genau hier stand gestern Lord Rule mit der Mama.« Sie hob flehend den Blick zu ihm auf: »Edward, es ist alles zu Ende. Lord Rule hat um meine Hand angehalten.«

Eine lähmende Stille fiel in das halbdunkle Zimmer. Miss Winwood stand mit geneigtem Kopf und leicht auf die Stuhllehne gestützt vor Mr. Heron.

Er rührte sich nicht, aber jetzt sagte er mit rauer Stimme: »Und du hast ...« Aber es war eigentlich gar keine Frage, denn er wusste die Antwort bereits.

»Was hätte ich tun sollen?«, erwiderte sie verzweifelt. »Du weißt ja, wie es mit uns steht.«

Er wich einen Schritt zurück und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. »Rule!«, sagte er. »Ist er sehr reich?«

»Ja«, antwortete sie trostlos, »sehr reich.«

Kummer, Zorn und Leidenschaft schnürten ihm die Kehle zu und verschlossen seine Lippen. Er war wie betäubt. Und alles, was er sagen konnte, war: »Ich verstehe.«

Als er sah, dass Elisabeth lautlos weinte, ging er auf sie zu und zog sie zu sich auf den Diwan. »Ach, Liebste, weine nicht!«, sagte er – und dabei zitterte seine Stimme. »Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Wir können ... wir müssen uns etwas ausdenken.« Aber er sprach ohne Überzeugung, denn er wusste selbst, dass er niemals gegen Rules Reichtum ankommen könnte. Er umschlang das Mädchen und drückte seine Wange an ihr Haar; ihre Tränen fielen auf seinen heiter roten Rock.

Nach einer Weile befreite sie sich vorsichtig aus seiner Umarmung. »Nun mache ich auch dich noch unglücklich«, sagte sie.

Er fiel neben ihr auf die Knie und verbarg sein Gesicht in ihren Händen. Sie versuchte nicht, sie ihm zu entziehen. »Mama ist so gut zu mir gewesen! Sie erlaubte mir, es dir zu sagen. Das ist also jetzt unser Abschied, Edward. Es muss sein. Mir fehlt die Kraft, dich noch einmal zu sehen, aber du wirst auf immer und ewig in meinem Herzen wohnen.«

»Ich kann nicht von dir lassen!«, sagte er verzweifelt. »Unsere ganze Hoffnung, all unsere Pläne – ach! Elisabeth, Elisabeth!«

Sie schwieg. Er hob sein gerötetes, verstörtes Gesicht. »Was kann ich nur tun? Gibt es keine Rettung?«

Ihre Hand lag kraftlos auf dem Diwan. »Glaubst du, ich hätte nicht selbst versucht, mir etwas auszudenken?«, fragte sie traurig. »Aber hatten wir nicht immer schon geahnt, dass es nur ein schöner Traum war, der sich nicht verwirklichen lässt?«

Er erhob sich und setzte sich neben sie; sein Blick lag auf seinen glänzenden Stiefeln. »Alles wegen deines Bruders«, sagte er. »Wegen seiner Schulden.«

Sie nickte. »Ja, Mama hat mir vieles gesagt, was ich noch nicht wusste. Es ist schlimmer, als ich dachte. Alles ist verpfändet, und da sind noch Charlotte und Horatia, die versorgt werden müssen. Pelham hat in Paris fünftausend Guineen auf einen Sitz verloren.«

»Gewinnt er denn niemals?«, fragte Mr. Heron verzweifelt.

»Ich weiß nicht. Er sagt, er habe immer Unglück.«

Er blickte auf. »Ich möchte dich nicht verletzen, Elisabeth, aber dass du das Opfer sein sollst, weil Pelham selbstsüchtig und kopflos ...«

»Sei still, Edward, du kennst ja die verhängnisvolle Neigung der Winwoods. Er kann nichts dafür. Auch unser Vater ... Als Pelham das Erbe antrat, war kaum noch etwas vorhanden. Die Mama hat mir das alles erklärt. Sie kränkt sich so sehr für mich, Edward. Aber sie findet – und wie könnte ich mich dem verschließen –, dass es meine Pflicht der Familie gegenüber ist, Lord Rules Antrag anzunehmen.«

»Rule!«, sagte er bitter. »Rule, der fünfzehn Jahre älter ist als du. Und was hat der Mann für einen Ruf! Jetzt braucht er dir nur seinen Handschuh zu Füßen zu werfen, und schon ... Ach Gott, ich darf gar nicht daran denken!« Erregt fuhr er mit seinen Fingern durch seine pomadisierten Locken. »Warum musste seine Wahl auf dich fallen?«, stöhnte er. »Gibt es nicht genug andere?«

»Ich glaube«, sagte sie zaghaft, »dass er sich mit unserer Familie verbinden will. Er soll sehr stolz sein, und unsere Familie ist – nun, auch eine stolze Familie.« Sie zögerte, errötete leicht und sagte: »Es soll eine Vernunftehe werden, wie es in Frankreich Sitte ist. Lord Rule behauptete nicht, mich zu lieben, ebenso wenig wie ich ihn.« Sie blickte auf, da die vergoldete Standuhr auf dem Kamin zur vollen Stunde schlug. »Ich muss dir nun Adieu sagen«, sagte sie mit der Ruhe der Verzweiflung. Plötzlich sank sie in seine Arme. »Ach, Geliebter«, schluchzte sie, »vergiss mich nicht!«

Drei Minuten später schritt Mr. Heron durch die Halle auf die Haustür zu; sein Haar war zerzaust, Handschuhe und seinen zerdrückten Hut hielt er in der verkrampften Hand.

»Edward!« Das Flüstern kam vom oberen Stockwerk. Er blickte auf, ohne an seine derangierte Erscheinung zu denken.

Die jüngste Miss Winwood lehnte sich über das Geländer und legte einen Finger an die Lippen. »Edward, komm herauf. Ich muss mit dir sprechen.«

Er zögerte, aber eine energische Bewegung Horatias brachte ihn bis zum Fuß der Treppe.

»Was willst du?«, fragte er kurz.

»Komm herauf!«, wiederholte sie ungeduldig.

Er stieg langsam die Stufen hinauf. Oben wurde er an der Hand gefasst und in den großen Frontsalon gezogen.

Horatia schloss die Türe. »Spr-sprich nicht so laut, Mamas Schlafzimmer ist nebenan. Was hat sie gesagt?«

»Ich habe Lady Winwood nicht gesehen«, antwortete er schwerfällig.

»Unsinn. Ich meine doch L-lizzie.«

Ein beklommener Seufzer: »Nur: Adieu.«

»Das darf nicht sein«, sagte Horatia mit großer Entschiedenheit. »H-hör zu, Edward, ich weiß einen Ausweg.«

Mit einem Hoffnungsschimmer im Auge blickte er auf sie herab. »Ich würde alles tun«, versicherte er. »Sag ihn mir.«

»Du hast dabei gar nichts zu tun. Nur ich.«

»Du?«, sagte er zweifelnd. »Was kannst du tun?«

»Ich w-weiß nicht, aber ve-versuchen will ich es. N-natürlich kann ich nicht versprechen, dass es mir gelingt, aber v-vielleicht doch.«

»Was denn nur?«, fragte er nochmals.

»Ich sag es dir nicht. Jetzt habe ich dich nur gerufen, weil du so unglücklich aussahst. Du musst mir vertrauen, Edward.«

»Das tue ich«, versicherte er. »Aber ...«

Horatia zog ihn zum Spiegel, der über dem Kamin hing. »Dann richte dir dein Haar«, sagte sie streng. »Sieh dir das nur an. Und dein Hut ist ganz verbeult. So! Und nun geh, bevor dich die Mama hört.«

Damit wurde Mr. Heron zur Türe gedrängt. Er drehte sich nochmals um und ergriff Horatias Hand. »Horry, ich weiß nicht, was du tun willst, aber wenn du Elisabeth vor dieser Ehe bewahren kannst ...«

Zwei Grübchen erschienen in ihren Wangen, und die grauen Augen blitzten. »Ich weiß. Dann willst du mein g-gehor-samster Diener sein. Gut, ich werde es tun.«

»Ich verspreche dir mehr als das!«, sagte er ernsthaft.

»Pst«, flüsterte sie und schubste ihn aus dem Raum, »gleich wird uns die Mama hören.«

Kapitel II

Als Mr. Arnold Gisborne nach Erledigung seines Studiums im Queen’s College, Cambridge, vom Earl of Rule als Sekretär aufgenommen wurde, fand ihn der Kreis seiner Verwandten vom Glück bevorzugt. Auch er selbst war damit recht zufrieden; die Anstellung in einem vornehmen Haus war ein gutes Sprungbrett für eine Karriere im öffentlichen Leben; allerdings hätte er, als ein sehr junger Mensch, lieber im Dienste eines an Staatsgeschäften stärker interessierten Mannes gearbeitet. Lord Rule ließ es sich gelegentlich einfallen, seinen Sitz im Oberhaus einzunehmen, und hatte wohl auch schon bisweilen seine angenehme, träge Stimme zur Unterstützung eines Antrags erhoben, aber er besaß keine Funktion im Ministerium und zeigte nicht das geringste Verlangen, sich mit Politik zu befassen. Wenn er sprechen sollte, wurde Mr. Gisborne ersucht, die Rede zu verfassen, was er stets mit großer Kraft und Begeisterung tat, wobei er im Geiste hörte, wie seine eigene klare Stimme seine Worte vortrug. Dann sah sich Mylord flüchtig die mit sorgfältiger Handschrift bedeckten Blätter an und sagte: »Prächtig, liebster Arnold, ganz prächtig. Aber nicht ganz mein Stil, finden Sie nicht auch?« Und schon musste Mr. Gisborne mit ansehen, wie die wohlgepflegte Hand Mylords mit dem Federkiel seine schönsten Sätze ausstrich. Mylord merkte seinen Kummer, blickte auf und sagte mit seinem charmanten Lächeln: »Ich verstehe Ihren Schmerz, Gisborne, glauben Sie mir. Aber Sie wissen ja, was ich für ein leichtfertiger Geselle bin. Es würde die Lords erschrecken, so kraftvolle Ansichten aus meinem Mund zu hören. Nein, nein, das ginge wirklich nicht.«

»Mylord, darf ich wohl sagen, dass es Ihnen offenbar behagt, als ein leichtfertiger Geselle zu gelten?«, fragte Gisborne mit durch Respekt gedämpfter Strenge.

»Gewiss, Arnold, alles dürfen Sie sagen«, antwortete Lord Rule liebenswürdig.

Aber Gisborne sagte trotz der freundlichen Aufforderung nichts mehr. Es wäre ja auch nur Zeitverschwendung gewesen. Mylord verstand es, Menschen zurechtzuweisen, wenn auch immer in unverletzender Weise und mit jenem leicht belustigten Blick in den gelangweilten grauen Augen. Also tröstete sich Mr. Gisborne mit seinen eigenen Zukunftsträumen und verwaltete inzwischen die Angelegenheiten seines Brotherrn gründlich und gewissenhaft. Dessen Lebensweise konnte er nicht gutheißen, denn er war der Sohn eines Dekans, der ihn streng erzogen hatte. Besonders die Sympathien, die Mylord für solch lasterhafte Erscheinungen wie die Opernsängerin La Fanciola oder eine gewisse Lady Massey hegte, stießen bei ihm auf heftigen Widerwillen, anfangs sogar auf Verachtung. Später, nachdem er zwölf Monate lang Lord Rules Sekretär gewesen war, schien es ihm nur noch von ganzem Herzen bedauerlich.

Dass er sich mit dem trägen, spöttischen Lebemann jemals vertragen und ihm sogar freundschaftliche Gefühle entgegenbringen könnte, hätte er zuerst nicht für möglich gehalten. Doch nach einem Monat entdeckte er, dass sich unter den spitzengeschmückten und parfümierten Kleidern Lord Rules ein äußerst kräftiger und männlicher Körper verbarg und dass die scheinbar müden Lider sich über Augen senkten, die mindestens so lebhaft waren wie Mylords Geist. Seither nahm er dessen Schrullen, wenn auch nicht gerne, so doch duldsam in Kauf.

Lord Rules Absicht, in den Ehestand zu treten, kam für ihn allerdings äußerst überraschend. Zwei Tage nach dem Besuch bei Lady Winwood trat jedoch Seine Lordschaft nach einem späten Frühstück in die Bibliothek, wo Gisborne am Schreibtisch saß, und klagte, da er ihn mit der Feder in der Hand antraf: »Sie sind immer so höllisch fleißig, Arnold! Gebe ich Ihnen so viel zu tun?«

Mr. Gisborne erhob sich. »Nein, Sir, nicht genug.«

»Sie sind unersättlich, mein Lieber.« Er sah, dass Gisborne ein paar Blätter in die Hand nahm, und fragte schicksalsergeben: »Nun, was soll es jetzt sein?«

»Ich dachte, dass Sie vielleicht die Rechnungen aus Meering durchsehen wollten, Sir.«

Rule stand mit den breiten Schultern an den Kamin gelehnt. »Keineswegs«, erwiderte er.

»Sehr wohl, Sir.« Mr. Gisborne legte die Papiere wieder hin und wagte einen neuen Vorstoß: »Sie haben doch nicht vergessen, Sir, dass heute im Herrenhaus eine Debatte stattfindet, an der Sie gerne teilnehmen werden?«

Aber die Aufmerksamkeit des Grafen war abgelenkt worden. Er betrachtete seinen Stiefel – denn er war in Reitkleidung – durch ein langstieliges Monokel. Jetzt sagte er leicht verwundert:

»Was werde ich, Arnold?«

»Ich war überzeugt, Sie würden zugegen sein wollen, Mylord«, verteidigte sich Gisborne.

»Da müssen Sie eins über den Durst getrunken haben, mein Lieber. Jetzt aber sagen Sie mir: Täuschen mich meine Augen oder ist da tatsächlich eine Spur, ein Hauch von einer – fast möchte ich sagen – Ausbuchtung um den Knöchel?«

Mr. Gisborne blickte flüchtig auf den blitzenden Stiefel. »Ich nehme es nicht wahr, Sir.«

»Ach, bitte, Arnold«, sagte der Graf sanft, »schenken Sie mir doch ein wenig Aufmerksamkeit!«

Mr. Gisborne sah das lustige Blinzeln in Mylords Augen und musste nun selbst lächeln. »Ich meine wirklich, dass Sie hingehen sollten, Sir. Es ist eine wichtige Sache. Im Unterhaus ...«

Lord Rule grübelte weiter. »Es war mir gleich nicht wohl dabei«, sagte er, in die Betrachtung seiner Beine versunken. »Ich werde mir wieder einen neuen Schuhmacher suchen müssen.« Er ließ das Monokel am Ende des langen Bandes baumeln und drehte sich um, um sich vor dem Spiegel die Krawatte zu richten. »Ach, richtig, Arnold, erinnern Sie mich doch bitte, dass ich um drei Uhr Lady Winwood meine Aufwartung machen muss. Es ist wirklich ziemlich wichtig.«

Mr. Gisborne starrte ihn an. »Wichtig, Sir?«

»Ja. Ich denke, ich nehme den neuen Anzug mit dem dosde-puce-Rock – oder ist der wohl eine Spur zu dunkel für die Gelegenheit? Ja, vielleicht ist der blaue Samtrock geeigneter? Und die perruque à bourse? Ihnen gefällt, glaube ich, die Catogan-Perücke besser, aber da täuschen Sie sich, mein Junge, ja, gewiss. Das Stirnlockenarrangement wirkt schwerfällig. Sie wollen mich doch sicherlich nicht schwerfällig aussehen lassen?« Mit einem Ruck befreite er seine Hand von der darübergeglittenen Spitzenmanschette. »Ach, ich habe es, scheint mir, noch nicht erwähnt: Sie müssen wissen, Arnold, dass ich erwäge, den Ehebund zu schließen.«

Mr. Gisbornes Verwunderung war offenkundig. »Sie, Sir?«, sagte er wie vom Donner gerührt.

»Ja, warum denn nicht? Haben Sie etwas dagegen einzuwenden?«

»Einzuwenden, Sir? Ich? Ich bin nur überrascht.«

»Meine Schwester«, erklärte der Graf, »ist der Meinung, dass es für mich an der Zeit wäre, eine Frau zu wählen.«

Mr. Gisborne hegte die größte Achtung für die Schwester Lord Rules, doch hatte er noch nie bemerkt, dass ihre Ansicht bei ihm viel Geltung hatte. »Tatsächlich, Sir ...« Er fragte schüchtern: »Ist es Miss Winwood?«

»Miss Winwood, jawohl. Sie begreifen demnach, wie wichtig es ist, dass ich nicht versäume, in South Street vorzusprechen – wie sagte ich soeben – um drei Uhr?«

»Ich werde Sie erinnern, Sir«, sagte Mr. Gisborne kurz.

Die Türe ging auf, und ein Lakai in blauer Livree trat ein. »Mylord«, meldete er zögernd, »eine Dame möchte Sie sprechen.«

Mr. Gisborne drehte sich mit großen Augen um, denn was auch Lord Rule außer Haus treiben mochte, für gewöhnlich besuchten ihn seine Herzensdamen nicht am Grosvenor Square.

Der Earl zog die Augenbrauen hoch. »Ich fürchte, ich fürchte sehr, mein Freund, dass Sie ein wenig – wollen wir sagen – töricht sind. Oder haben Sie der Dame vielleicht schon bedeutet, dass ich nicht zu sprechen bin?«

Der Mann antwortete ein wenig verwirrt: »Die Dame trug mir auf, Euer Gnaden mitzuteilen, dass Miss Winwood die Ehre einer Unterredung erbittet.«

Einen Augenblick lang herrschte Stille. Mr. Gisborne hatte mit einiger Mühe einen Ausruf unterdrückt; nun schien er vertieft seine Papiere auf dem Schreibtisch zu ordnen. Die zum Missbehagen des Dieners zusammengekniffenen Augen seines Herrn blickten wieder freundlich neutral.

»Schön«, sagte er. »Wo ist Miss Winwood?«

»Im kleinen Salon, Mylord.«

»Danke. Sie brauchen nicht zu warten.«

Der Lakai verbeugte sich und ging. Mylords versonnener Blick ruhte auf Gisbornes Profil. »Arnold«, sagte er leise. Der sah auf. »Sie sind gewiss ein sehr diskreter Mann?«

Mr. Gisborne schaute ihm ins Auge. »Ja, Sir. Selbstverständlich.«

»Ich bin davon überzeugt. Vielleicht sogar – ein wenig taub?«

Mr. Gisbornes Lippen zuckten. »Gegebenenfalls, Sir – ganz erstaunlich taub!«

»Ich hätte Sie nicht fragen brauchen. Sie sind, mein Lieber, der König aller Sekretäre.«

»Sehr liebenswürdig, Sir ...«

Lord Rule nickte freundlich und ging aus dem Zimmer.

Er durchschritt die breite Marmorhalle und bemerkte im Vorbeigehen ein junges Mädchen, offensichtlich eine Zofe, die mit ihrem Retikül in den verkrampften Händen ängstlich auf dem Rand eines Stühlchens saß. Miss Winwood war also nicht unbegleitet erschienen.

Ein Lakai sprang auf, um die schwere Mahagonitüre, die in den kleinen Salon führte, zu öffnen, und Mylord trat ein.

Eine Dame – kleiner als erwartet – stand mit dem Rücken zur Türe, anscheinend in die Betrachtung eines an der gegenüberliegenden Wand hängenden Gemäldes versunken. Bei seinem Eintritt drehte sie sich rasch um und zeigte ihm ihr Gesicht, das bestimmt nicht Miss Winwood gehörte. Er stutzte einen Augenblick und sah verwundert auf sie herab.

Auch das Gesicht unter dem schlichten Strohhut verriet Überraschung. »Sind Sie L-lord Rule?«, fragte die Dame.

»Ich habe es bis jetzt immer angenommen«, antwortete er erheitert.

»Ach – und ich d-dachte, Sie wären schon ziemlich alt«, verriet sie ihm treuherzig.

»Das war nicht schön von Ihnen«, sagte Mylord ernsthaft. »Und besuchen Sie mich nur, um ... um sich über meine äußere Erscheinung ein Bild zu machen?«

Sie wurde puterrot. »B-bitte, verzeihen Sie m-mir«, bat sie arg stotternd. »Das war sehr unge-gezogen, aber w-wissen Sie, es überraschte mich eben m-momentan.«

»Ihre Verwunderung schmeichelt mir, Madam«, sagte der Graf. »Wenn Sie aber nicht gekommen sind, um mein Äußeres zu prüfen – könnten Sie mir dann vielleicht verraten, womit ich die Ehre haben dürfte, Ihnen zu dienen?«

Die lebhaften Augen blickten unerschrocken in die seinen. »N-natürlich wissen Sie nicht, wer ich bin«, sagte der Gast. »L-leider musste ich Sie ein wenig täuschen. Ich hatte Angst, dass Sie mich nicht empfangen würden, wenn Sie wüssten, dass es nicht L-lizzie ist. Aber es war keine L-lüge, als ich mich M-miss Winwood nannte«, fügte sie ängstlich hinzu. »Denn das bin ich, wissen Sie. Ich bin Horry Winwood.«

»Horry?«

»Horatia«, erklärte sie. »Ein abscheulicher Name, nicht wahr? Er wurde mir nach Mr. W-walpole gegeben. Der ist nämlich mein Taufpate, verstehen Sie?«

»Ganz und gar«, sagte Lord Rule mit einer Verbeugung. »Aber verzeihen Sie mir bitte, dass ich so begriffsstutzig bin. Sie möchten es nicht für möglich halten, aber ich weiß immer noch nicht, welchem Umstand ich die Ehre Ihres Besuchs verdanke.«

Horatias Blick wurde unsicher. »Es ist ... es ist schwer zu erklären«, sagte sie. »Und wahrscheinlich habe ich Sie furchtbar schockiert ... Aber ich habe immerhin meine Zofe mitgenommen, Sir!«

»Das macht es weit weniger schockierend«, sagte der Graf beruhigend. »Aber wäre die Erklärung dieser so schwierigen Sache nicht vielleicht leichter, wenn Sie sich setzten? Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?«

»D-danke«, sagte Horatia und legte ab. Jetzt lächelte sie ihrem Gastgeber freundlich zu. »Es ist eigentlich d-doch nicht so sch-schwer, wie ich dachte. Bevor Sie hereinkamen, wurde mir ganz schwach. Weil nämlich meine M-mama keine Ahnung hat, d-dass ich hier bin. Aber mir fiel kein anderer Ausweg ein. Es ist wegen L-lizzie, meiner Schwester. Sie haben um sie angehalten, nicht wahr?«

Der Graf nickte, einigermaßen befremdet. Und Horatia fügte schnell hinzu: »Könnten Sie – würde es Ihnen etwas ausmachen, statt ihrer mich zu nehmen?«

Der Graf saß ihr gegenüber. Während er zerstreut sein Monokel baumeln ließ, war sein höflich aufmerksamer Blick auf ihr Gesicht gerichtet. Plötzlich hing das Glas still an der Schnur. Horatia warf ihm einen raschen Blick zu, sah sein leicht bestürztes Stirnrunzeln und sprach hastig weiter: »Nun ja, ich weiß, es sollte eigentlich Charlotte sein, denn sie ist die Ältere, aber sie sagte, n-nichts in der Welt könnte sie dazu bringen, Sie z-zu heiraten.«

Seine Lippen zuckten. »Ist dem so?«, sagte er. »Dann muss ich mich wohl glücklich schätzen, weil ich mich nicht um diese Ehre beworben habe.«

Horatia nickte eifrig zustimmend. »Ja, ich sage es ungern, aber ich glaube, Charlotte würde ein solches Opfer nicht auf sich nehmen, nicht einmal für Lizzie.«

Rules Schultern bewegten sich leicht.

»Habe ich etwas Unrechtes gesagt?«, fragte Horatia unsicher.

»Im Gegenteil«, erwiderte er. »Eine Unterredung mit Ihnen ist höchst heilsam, Miss Winwood.«

»Sie machen sich über mich lustig«, sagte sie vorwurfsvoll. »Ich sehe, dass Sie mich für recht dumm halten, Sir, aber die Sache ist wirklich sehr ernst.«

»Ich finde Sie entzückend. Aber da scheint doch ein Missverständnis vorzuliegen. Ich war der Meinung, dass Miss Winwood willens ist, meine Werbung anzunehmen.«

»Ja«, gab Horatia zu, »natürlich ist sie willens, aber es macht sie fürchterlich unglücklich. D-darum bin ich gekommen. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel.«

»Gar nicht. Aber darf ich fragen, ob ich allen Mitgliedern Ihrer Familie in so ungünstigem Licht erscheine?«

»Oh, nein«, antwortete Horatia ernsthaft. »Der M-mama gefallen Sie sehr, und auch ich finde Sie nicht im Mindesten unangenehm. Und wenn Sie nur so freundlich sein wollten, sich um m-mich zu bewerben, statt um Lizzie, dann würde ich Sie richtig gern haben.«

»Ja, warum wollen Sie denn unbedingt, dass ich um Sie anhalte?«

Horatia zögerte. »Es klingt wahrscheinlich etwas merkwürdig«, gab sie zu. »Aber Lizzie m-muss Edward Heron heiraten. Vielleicht kennen Sie ihn?«

»Ich glaube, ich habe nicht das Vergnügen.«

»N-nun, er ist einer unserer besten Freunde, und er liebt L-lizzie. Aber Sie wissen ja, wie das mit jüngeren Söhnen ist, und der arme Edward ist jetzt noch nicht einmal Captain.«

»Verstehe ich richtig, dass Mr. Heron im Heeresdienst ist?«, erkundigte sich der Graf.

»Ja, im zehnten Infanterie-Regiment. Und wenn Sie nicht um L-lizzie angehalten hätten, hätte M-mama sicher ihre Einwilligung zur Verlobung gegeben.«

»Welch ein bedauerlicher Schritt!«, urteilte Rule ernsthaft. »Aber ich kann den Fehler wenigstens gutmachen.«

Horatia fragte lebhaft: »Ja? Wollen Sie mich statt ihrer nehmen?«

»Nein«, antwortete Rule leicht lächelnd, »das werde ich nicht tun. Aber ich will mich verpflichten, Ihre Schwester nicht zu heiraten. Sie brauchen mir deshalb keinen Tausch anzubieten, mein armes Kind.«

»Oh, ja, d-doch«, rief Horatia mit allem Nachdruck. »Eine von uns m-muss Sie heiraten!«

Der Graf betrachtete sie einen Augenblick. Dann erhob er sich in seiner gemächlichen Art und blieb an den Rücken eines Stuhles gelehnt stehen.

»Ich glaube, Sie müssen mir das alles erklären«, sagte er. »Ich scheine heute ganz besonders schwer von Begriff zu sein.«

Horatia runzelte die Stirne. »Also g-gut. Sie müssen nämlich wissen, dass wir ganz fürchterlich arm sind. Charlotte sagt, es ist P-pelhams Schuld, und das kann auch sein, aber es hat keinen Sinn, ihm Vorwürfe zu machen, denn er kann nicht dagegen an. Sp-spielleidenschaft, verstehen Sie? Spielen Sie auch?«

»Manchmal.«

Ihre grauen Augen blitzten. »Ich auch«, erklärte sie überraschend. »N-nicht ernst natürlich, nur mit Pelham. Er hat es mich gelehrt. Charlotte sagt, es ist unrecht – sie ist so, wissen Sie – und dadurch wird sie auch immer auf den armen P-pel böse. Nun ja, auch ich ärgere m-mich über ihn, wenn ich sehe, dass jetzt L-lizzie geopfert werden soll. Mama tut es auch leid, aber sie sagt, wir müssen alle dem Sch-schicksal danken.« Jetzt errötete sie und sagte mit etwas rauher Stimme: »Es ist unfein, von Gelddingen zu sprechen, aber – nicht wahr, Sie sind sehr reich?«

»Sehr«, antwortete Rule, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen.

Horatia nickte. »Nun ja – sehen Sie, das ist es eben.«

»Gewiss. Und so wollen jetzt Sie das Opfer sein?«

Sie blickte ein wenig scheu zu ihm auf. »Es k-kann Ihnen ja nichts ausmachen, nicht wahr? Natürlich – ich bin keine solche Schönheit wie Lizzie. Aber ich habe doch immerhin die typische Nase, Sir.«

Rule besah sich die Nase. »Zweifellos – die Nase haben Sie.«

Anscheinend war Horatia entschlossen, alle ihre Makel auf einmal bloßzulegen. »Und v-vielleicht könnten Sie sich an meine Augenbrauen gewöhnen?«

Jetzt lag wieder ein unterdrücktes Lächeln in seinen Augen. »Ich denke, das könnte ich.«

Sie sagte traurig: »Die wollen nämlich keinen Bogen annehmen, wissen Sie? Und ich muss Ihnen auch s-sagen, dass wir alle Hoffnung aufgegeben haben, ich k-könnte noch etwas wachsen.«

»Es wäre auch zu schade!«, bemerkte der Lord.

»F-finden Sie?«, fragte sie überrascht. »Für mich ist das eine schwere Sorge, glauben Sie mir!« Sie atmete tief und sagte unter Schwierigkeiten: »Sie haben vielleicht b-bemerkt, dass ich st-stottere.«

»Ja, das habe ich bemerkt«, antwortete er behutsam.

»Wenn Sie g-glauben, dass Sie das nicht aushalten würden, Sir ... ich könnte es verstehen.« Ihre Stimme klang auf einmal klein und ängstlich.

»Mir gefällt es«, sagte der Graf.

Horatia wunderte sich. »Wie eigenartig! Aber vielleicht sagen Sie das nur, um mir zu schmeicheln.«

»Nein. Ich sagte es, weil es wahr ist. Wollen Sie mir verraten, wie alt Sie sind?«

»Sp-spielt es eine Rolle?«, fragte Horatia voll banger Vorahnung.

»Ja.«

»Davor hatte ich auch Angst. Ich bin gerade siebzehn geworden.«

»Gerade siebzehn!«, wiederholte der Lord. »Meine Liebe, das geht dann nicht!«

»Ich bin zu jung?«

»Viel zu jung, mein Kind.«

Horatia schluckte tapfer. »Ich werde ja doch älter«, plädierte sie. »Ich m-möchte Sie nicht b-bedrängen, aber ich gelte wirklich als ganz vernünftig.«

»Wissen Sie, wie alt ich bin?«, fragte der Graf.

»N-nein, aber meine Kusine, Mrs. M-maulfrey, sagte, b-bestimmt nicht älter als fünfunddreißig.«

»Und kommt Ihnen das nicht ein bisschen alt vor?«

»Nun ja, es ist vielleicht ein bisschen alt, aber m-man sieht es Ihnen nicht an«, sagte sie großzügig.

Da konnte er ein Lachen nicht zurückhalten. Er verneigte sich. »Danke, aber ich finde, dass fünfunddreißig schlecht zu siebzehn passt.«

»Oh, bitte, Sir, denken Sie nicht daran«, sagte sie ernsthaft. »S-seien Sie versichert, dass ich selbst es gar nicht beachte. Eigentlich würde ich Sie sogar sehr gerne heiraten.«

»Wirklich? Sie tun mir eine große Ehre an, Madam.« Er ging auf sie zu und sie erhob sich. Er nahm ihre Hand, hielt sie einen Augenblick an seine Lippen. »Also, was möchten Sie von mir haben?«

Sie vertraute es ihm an: »Eine ganz bestimmte Sache. Ich spreche nicht gern davon, aber da wir ja doch ein Geschäft miteinander machen ...«

»Tun wir das?«

»Das wissen Sie doch. Sie wollen sich mit unserer Familie verbinden, nicht wahr?«

»Ich beginne zu glauben, dass dem so ist ...«

Horatia runzelte die Stirne. »Ich dachte, dass Sie deshalb um Lizzie angehalten hätten.«

Er beruhigte sie: »Ja, ja, das stimmt.«

Sie schien befriedigt. »Aber Sie wollen keine Frau haben, die Ihnen in die Quere kommt. Nun, das verspreche ich Ihnen.«

Lord Rule sah mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck auf sie herab. »Und meine Gegenleistung?«

Sie trat näher. »K-könnten Sie etwas für Edward tun?«, bat sie. »Ich weiß jetzt, dass ihm nur eines helfen könnte – wenn er einen P-Protektor hätte.«

»Und das ... das soll ich sein?«

»F-fiele es Ihnen sehr schwer?«

Ein Muskel zuckte in seinem Mundwinkel, aber der Ton seiner Antwort verriet ihn nicht. »Es wird mir eine Freude sein, Ihnen im Rahmen meiner bescheidenen Fähigkeiten zu dienen.«

»Danke v-vielmals«, sagte sie ernsthaft. »Dann können Lizzie und er nämlich heiraten, verstehen Sie? Und Sie werden der Mama sagen, dass Sie ebenso gern mich nehmen, ja?«

»Vielleicht werde ich es ein wenig anders ausdrücken, aber ich will mich jedenfalls bemühen, ihr die Sache klarzumachen. Ich sehe nur nicht recht, wie ich den Tausch vorschlagen kann, ohne von Ihrem Besuch bei mir zu erzählen.«

»Ach, das braucht Ihnen keine Sorge zu m-machen«, antwortete Horatia fröhlich. »Ich werde es ihr selbst sagen. Und jetzt m-muss ich gehen. Niemand weiß, wo ich bin, vielleicht sorgt man sich um mich.«

»Aber erst wollen wir ein Glas auf unser Geschäft trinken, was meinen Sie?« Er griff nach einem Goldglöckchen und klingelte.

Dem eintretenden Lakai sagte er: »Bringen Sie mir« – mit einem Blick auf Horatia – »eine Flasche Ratafia und zwei Gläser. Und mein Wagen soll in zehn Minuten beim Tor sein.«

»Wenn der W-wagen für mich sein soll, Sir – nach der South Street ist es nur ein paar Schritte.«

»Wenn Sie gestatten, würde ich Ihnen doch lieber das Geleit geben lassen.«

Der Butler brachte das Getränk selbst und stellte das schwere Tablett auf den Tisch. Er wurde mit einem Nicken entlassen und entfernte sich mit Bedauern. Gerne hätte er mit eigenen Augen zugesehen, wie Lord Rule ein Glas Ratafia trank.

Der Graf füllte zwei Gläser und reichte eines dem Mädchen. »Auf das Wohl unseres Handels!«, sagte er und trank heldenhaft.

Horatias Augen blitzten übermütig. »Wir werden sicher w-wunderbar miteinander auskommen«, erklärte sie und hob das Glas an die Lippen.

Fünf Minuten später betrat der Graf wieder den Bibliotheksraum.

»Ach, Arnold«, sagte er, »ich habe eine Arbeit für Sie.«

Mr. Gisborne erhob sich. »Ja, Sir?«

»Sie sollen mir einen Captain-Rang verschaffen. Und zwar, glaube ich, im zehnten Infanterie-Regiment. Nun, das werden Sie schon herausfinden.«

»Ein Captain-Rang im zehnten Infanterie-Regiment«, wiederholte Mr. Gisborne. »Und für wen soll das sein, Sir?«

»Ach, Gott – wie war nur der Name? Hawk – Hernshaw – Heron. Ja, Heron. Für einen Mr. Edward Heron. Kennen Sie einen Mr. Edward Heron?«

»Nein, Sir.«

»Nein«, seufzte Rule. »Ich auch nicht. Das macht unsere Aufgabe recht schwierig, aber ich habe großes Vertrauen zu Ihnen, Arnold. Sie werden über diesen Mr. Heron alles ausfindig machen.«

»Ich werde es versuchen, Sir.«

Im Hinausgehen entschuldigte sich Lord Rule. »Ich fürchte, ich mache Ihnen sehr viel Mühe.« An der Türe drehte er sich nochmals um. »Ach ja, richtig, Arnold, Sie sind da vielleicht ein wenig im Irrtum. Es ist die jüngste Miss Winwood, die mir die Ehre erweist, meine Hand anzunehmen.«

Mr. Gisborne staunte. »Miss Charlotte Winwood, meinen Sie wohl, Sir? Die jüngste Miss Winwood ist noch kaum der Schulbank entwachsen.«

»Nein, ganz bestimmt nicht Miss Charlotte Winwood. Ich hörte aus sicherster Quelle, dass nichts auf der Welt Miss Charlotte verleiten könnte, mich zu heiraten.«

»Großer Gott, Mylord ...!«

»Danke, Arnold, Ihr Wort ist mir ein Trost.« Er ging aus dem Raum.

Kapitel III

Die Rückkehr der jüngsten Miss Winwood in die South Street wurde von ihren beiden Schwestern aus dem Salonfenster beobachtet. Ihre Abwesenheit war natürlich nicht unbemerkt geblieben, aber da der Portier in der Lage war, der etwas aufgeregten Gouvernante mitzuteilen, Miss Horatia sei von ihrer Zofe begleitet ausgegangen, herrschte keine Sorge. Es war merkwürdig von Horatia, aber sie hatte sich vermutlich nur weggeschlichen, um die mohnroten Bänder, die sie schon lange in der Auslage einer Putzmacherin bewunderte, zu erwerben oder auch einen Chintzaufputz für ein Kleid. Das war Elisabeths Erklärung; sie brachte sie mit ihrer weichen, ruhigen Stimme vor, und Lady Winwood, die mit ihrem Riechfläschchen in der Hand auf dem Diwan lag, gab sich damit zufrieden.

Das Erscheinen einer von zwei Füchsen mit glänzendem Geschirr gezogenen Stadtkutsche erregte nur flüchtiges Interesse, bis es sich zeigte, dass der luxuriöse Wagen vor Nummer 20 hielt.

»Wer kann das nur sein?«, staunte Charlotte. »Mama, wir bekommen Besuch!« Sie presste ihr Gesicht an die Scheibe und sagte: »Auf dem Sattelkissen ist eine Krone, aber ich kann sie nicht genau unterscheiden – ach, Lizzie, ich glaube, es ist Lord Rule!«

»Oh Gott, nein!«, flüsterte Elisabeth in großer Verwirrung und presste die Hand aufs Herz.

Jetzt war der Lakai abgesprungen und öffnete den Schlag. Charlotte gingen fast die Augen über. »Horry!«, hauchte sie fassungslos.

Lady Winwood griff nach dem Riechfläschchen. »Charlotte, schone meine Nerven! Ich bitte dich!«, sagte sie mit ersterbender Stimme.

»Aber doch, Mama, sie ist es wirklich!«

»Oh Gott!«, klagte Elisabeth, von einer bangen Ahnung erfasst. »Was hat sie wohl getan? Ich hoffe, nichts ... nichts Furchtbares!«

Stürmische Schritte waren auf der Treppe zu hören; die Türe wurde unsanft geöffnet, und vor ihnen stand erhitzt und mit glänzenden Augen, ihren Hut am langen Band schwingend, Horatia.

Lady Winwoods Hände tasteten nach ihrem Medici-Halstuch. »Die Zugluft, mein Kind«, stöhnte sie. »Mein armer Kopf!«

»Bitte, Horry, schließ die Türe«, sagte Charlotte. »Wie kannst du nur so ins Zimmer stürzen, wo du doch weißt, wie angegriffen Mamas Nerven sind!«

»V-verzeihung!« Horatia machte behutsam die Türe zu. »Das hatte ich vergessen. L-lizzie, es ist alles in Ordnung, und du wirst Edward h-heiraten.«

Lady Winwood setzte sich jählings auf. »Großer Gott, das Kind phantasiert! Horatia, was hast du nur um Gottes willen angestellt?«

Horatia warf ihren Mantel ab und ließ sich auf einen Hocker neben dem Diwan fallen. »Ich habe Lord Rule aufgesucht!«, verkündete sie.

»Ich ahnte es!«, sagte Elisabeth im Tonfall einer Kassandra.

Lady Winwood sank mit geschlossenen Augen in die Kissen zurück. Charlotte bemerkte ihre beängstigende Leblosigkeit und schrie auf: »Himmel noch mal, Horatia! Nimmst du gar keine Rücksicht auf unsere teure Mama? Lizzie, wo ist das Hirschhornsalz?«

Hirschhornsalz, Riechfläschchen und etwas auf die Schläfen geträufeltes Rosmarinwasser gaben die schwergeprüfte Lady Winwood dem Leben wieder. Sie schlug die Augen auf und brachte gerade noch die Kraft zu der gemurmelten Frage auf: »Was sagte das Kind soeben?«

Charlotte tätschelte beruhigend die Hand der Mutter: »Mama, ich bitte dich, errege dich nicht.«

»Du brauchst dich wirklich nicht zu erregen, Mama«, mahnte Horatia zerknirscht. »Es stimmt schon, dass ich bei Lord Rule gewesen bin, aber ...«

»Dann ist alles zu Ende!«, sagte Lady Winwood resigniert. »Jetzt kommen wir wegen der Schulden ins Gefängnis. Nicht um mich will ich klagen, denn meine Tage sind gezählt, aber meine schöne Lizzie, meine liebliche Charlotte ...«

»Aber, Mama, wenn du mir bloß zuhören wolltest!«, unterbrach Horatia. »Ich habe Lord Rule alles erklärt und ...«

»Barmherziger Himmel!«, sagte Elisabeth. »Doch nicht über ... über Edward?«

»Doch. Natürlich habe ich ihm von Edward erzählt. Und er wird dich nicht heiraten, Lizzie, und stattdessen hat er v-versprochen, Edwards P-protektor zu werden.«

Lady Winwood musste wieder nach ihrem Fläschchen greifen, aber Horatia fuhr eifrig fort in ihrem Bericht.

»Und ich erklärte ihm auch, dass Charlotte ihn unter keinen Umständen heiraten wollte, und das schien ihm nichts auszumachen.«

»Ich werde vor Kränkung sterben«, erklärte Charlotte mit aller Entschiedenheit.

»Aber Horry!«, seufzte Elisabeth zwischen Tränen und Lachen.

»Und ich fragte ihn«, schloss Horatia triumphierend, »ob er m-mich stattdessen nehmen wollte. Und das wird er tun.«

Der Familie fehlten die Worte. Lady Winwood musste wohl fühlen, dass dieser Situation kein Riechfläschchen mehr gewachsen war, denn sie ließ es achtlos zu Boden fallen.

Charlotte fand als Erste ihre Stimme wieder. »Horatia, willst du damit sagen, dass du so ungehörig, so vorlaut gewesen bist und tatsächlich Lord Rule ersucht hast, dich zu heiraten?«

Horatia nickte.

»Er hat wohl dein Stottern nicht bemerkt«, sagte Charlotte.

Horatia trumpfte auf. »Von dem St-stottern habe ich ihm selbst erzählt – und er meinte, das gefiele ihm!«

Elisabeth erhob sich und schloss Horatia in die Arme.