Dr. Stefan Frank 2757 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2757 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Seit sie denken kann, weiß Linda Wunderlich, dass sie adoptiert wurde. Obwohl sie in ihrer neuen Familie glücklich ist, wird die Sehnsucht nach ihren Wurzeln immer größer. Sie will endlich wissen, wer ihre leibliche Mutter ist, die sie damals anonym in einer Babyklappe abgelegt hat. Alles, was sie von ihrer Mutter besitzt, ist eine handgemachte Kuscheldecke, in die sie als Baby gewickelt war. Auf Social Media postet die junge Frau in regelmäßigen Abständen Fotos der Kuscheldecke an besonders schönen Orten, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen. Doch bisher ohne Erfolg.
Als Linda schwer erkrankt, wird die Suche nach ihrer leiblichen Mutter dringlich. Denn die junge Frau leidet unter einem variablen Immundefektsyndrom, einer genetisch bedingten Erkrankung. Sämtliche Blutwerte und auch die alarmierend schlechten Organwerte sprechen dafür. Die Erkrankung kann nur durch eine Stammzellenspende geheilt werden. Unter Geschwistern ist die Chance besonders hoch, einen geeigneten Spender zu finden. Dr. Frank begibt sich verzweifelt auf Spurensuche, denn Lindas Zustand verschlechtert sich rapide ...

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Inhalt

Cover

Auf Spurensuche

Vorschau

Impressum

Auf Spurensuche

Dr. Franks Patientin will wissen, wer ihre leibliche Mutter ist

Seit sie denken kann, weiß Linda Wunderlich, dass sie adoptiert wurde. Obwohl sie in ihrer neuen Familie glücklich ist, wird die Sehnsucht nach ihren Wurzeln immer größer. Sie will endlich wissen, wer ihre leibliche Mutter ist, die sie damals anonym in einer Babyklappe abgelegt hat. Alles, was sie von ihrer Mutter besitzt, ist eine handgemachte Kuscheldecke, in die sie als Baby gewickelt war. Auf Social Media postet die junge Frau in regelmäßigen Abständen Fotos der Kuscheldecke an besonders schönen Orten, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen. Doch bisher ohne Erfolg.

Als Linda schwer erkrankt, wird die Suche nach ihrer leiblichen Mutter dringlich. Denn die junge Frau leidet unter einem variablen Immundefektsyndrom, einer genetisch bedingten Erkrankung. Sämtliche Blutwerte und auch die alarmierend schlechten Organwerte sprechen dafür. Die Erkrankung kann nur durch eine Stammzellenspende geheilt werden. Unter Geschwistern ist die Chance besonders hoch, einen geeigneten Spender zu finden. Dr. Frank begibt sich verzweifelt auf Spurensuche, denn Lindas Zustand verschlechtert sich rapide ...

Kein Wecker hatte geklingelt, keine Straßenbahn war draußen vorbeigerumpelt. Kein Lichtstrahl hatte Linda Wunderlich an der Nase gekitzelt. Und trotzdem war sie aufgewacht. Dabei wollte sie gar nicht wach sein. Viel lieber wollte sie noch eine Weile in ihrer Traumwelt bleiben und etwas finden. Etwas sehr Wichtiges, nach dem sie schon sehr lange suchte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie kurz davor gewesen war, es endlich zu finden. Doch nun war ihr der Traum entglitten.

Mit geschlossenen Augen lag Linda im Bett und versuchte, den Weg zurückzufinden. Doch je mehr sie sich bemühte, umso wacher wurde sie. Ihr Traum löste sich schließlich auf, bis nur noch eine vage Ahnung davon übrig blieb. Schließlich öffnete sie die Augen und blinzelte müde ins Halbdunkel. In letzter Zeit fiel ihr das Aufstehen schwer, tagsüber fühlte sie sich oft schlapp und antriebslos. Kein Wunder bei den vielen Infekten, die sie seit Monaten immer wieder durchmachte.

Durch die Ritzen der Jalousie schien das erste Morgenlicht, aber es war noch zu dämmrig, um etwas zu erkennen. Aber das machte nichts. Linda kannte den Raum ohnehin in- und auswendig. Die senfgelb gestrichene Wand, davor der weiße Wäscheschrank. Das große Bild von Gustav Klimt, das den schönen Titel »Der Lebensbaum« trug. Es war ein freundliches Zimmer mit freundlichen Möbeln, die Linda höchstpersönlich ausgesucht und mit viel Liebe arrangiert hatte.

Linda sah hinüber zum Wecker. Es war erst kurz nach halb sieben. Sie schaltete das Radio ein. Die Stimmen der beiden Moderatoren füllten den Raum, augenblicklich fühlte sie sich getröstet. Seit sie denken konnte, verabscheute sie Stille und konnte nie gut allein sein. Bis sie neun Jahre alt gewesen war, hatte sie im Bett ihrer Eltern geschlafen. Bis zu ihrer Pubertät hatte sie sich Geschwister gewünscht, am liebsten eine Schwester. Linda hatte sich immer vorgestellt, alles mit ihr zu teilen, ihr Zimmer, ihre Spielsachen, die Liebe ihrer Eltern. Doch sie war allein geblieben, und Bine und Florian hatten sämtliche Sehnsüchte ihrer Adoptivtochter selbst gestillt.

Dass sie adoptiert war, wusste Linda, seit sie denken konnte. Doch erst in der Pubertät hatte sie begonnen, sich und andere nach ihrer Herkunft zu fragen. Auch an diesem Morgen stand sie wieder vor dem großen Standspiegel im Schlafzimmer und musterte ihre mittelgroße Gestalt, ihre mittelschlanke Figur. Am besten an sich selbst gefiel ihr das ovale Gesicht mit der geraden Nase, umrahmt von schwarz glänzenden, glatten Haaren. Sie mochte die vollen Lippen und die braunen Augen unter den schwarzen Brauen. Wie glühende Kohlestücke, hatte ihr erster Freund einmal behauptet. Doch von wem hatte sie die Kohlestücke geerbt? Sah sie aus wie ihr leiblicher Vater, hatte sie das eher ruhige Wesen von ihrer leiblichen Mutter geerbt? Wer hatte ihr das Faible für Zahlen vererbt und die Leidenschaft fürs Kochen?

Das Einzige, das Linda mit ihrer Vergangenheit verband, war eine handgehäkelte Babydecke mit eingesticktem Namen in einer der Ecken. Wie so oft strich Linda auch an diesem Morgen zärtlich über die Buchstaben. Im Laufe der Jahre und vielen Wäschen waren die fröhlichen Farben verblasst und die Wolle dünn geworden, aber immer noch schön und einzigartig. Niemals hätte Linda diese Decke weggeworfen. Ganz im Gegenteil hütete sie sie wie ihren Augapfel.

In der Küche folgte Linda ihrer täglichen Routine. Sie füllte den Wasserkocher und schaltete ihn ein, nahm eine Kanne aus dem Schrank und setzte den Filter darauf. Während sie darauf wartete, dass das Wasser kochte, dachte sie wieder an die Umstände ihrer Adoption. Ihre Mutter hatte sie in der Babyklappe einer Klinik abgelegt, sorgsam angezogen und eingewickelt in die gehäkelte Decke. Bestimmt ein Zeichen dafür, dass sie vielleicht nicht erwünscht, aber doch geliebt gewesen war.

Das Wasser kochte, und Linda goss den Kaffee auf, immer mit fünfzehn Sekunden Abstand, damit sich das Aroma richtig entfalten konnte. Diesen Trick hatte sie von Bine gelernt und sich gemerkt, wie so vieles andere. Während das Wasser durch den Filter tröpfelte, wanderten ihre Gedanken weiter. Linda konnte sich an keine Zeit erinnern, in der sie nicht gewusst hatte, dass Bine und Florian nicht ihre leiblichen Eltern waren. Sie wusste auch nicht, wann und wie sie davon erfahren hatte.

Leider war dieses Thema für Bine bis heute ein rotes Tuch. Darauf angesprochen, bekam sie entweder schlechte Laune oder hatte es plötzlich furchtbar eilig. Trotzdem beschäftigte sich Linda natürlich noch immer mit diesem Thema und hatte sich im Laufe der Jahre viele Geschichten ausgedacht, die sich je nach Alter veränderten. Als Kind waren ihre leiblichen Eltern arme Bauern wie im Märchen gewesen, die aus der Not heraus gehandelt hatten. Später hatte sich Linda ihre Eltern als Freiheitskämpfer vorgestellt, die ihre Tochter nicht in Gefahr bringen wollten.

Aber bei allen Fragen und Vorstellungen empfand Linda es nie als Makel, adoptiert worden zu sein. Ganz im Gegenteil. Bine und Florian hatten ihr immer das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein. Sie war ausgesucht worden. Sie liebte ihre Eltern von Herzen und ihr fehlte nichts. Jedenfalls nichts, das sie erklären konnte.

***

»Bäcker Brandl ist schon seit einer Stunde in der Backstube«, raunte Alexandra ihrem Freund Dr. Stefan Frank zu. Sie lag dicht hinter ihm, ihr warmer Atem kitzelte ihn ihm Ohr. »Bestimmt holt er gerade die ersten Brote und Semmeln aus dem Ofen. Hmmm, riechst du auch diesen köstlichen Duft?«

Stefan täuschte ein Schnarchen vor und rutschte noch ein Stück tiefer unter die Bettdecke. Doch Alexa dachte nicht daran, sich beirren zu lassen.

»Als Nächstes sind die süßen Teilchen dran. Er bestreicht die Vanilleschnecken dick mit Zuckerguss. Die Schokocroissants bekommen ein Muster aus flüssiger Schokolade. Die ganze Backstube duftet nach Zucker und Vanille. Die Regale biegen sich unter den braunen Brotlaiben, du weißt schon, die mit der knusprigen Kruste ...«

»Genug!« Mit einem Ruck setzte sich Stefan im Bett auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Habe ich etwas verpasst? Ist heute etwa schon Wochenende?«

Alexa lachte gut gelaunt.

»Nein. Aber ich dachte mir, es wäre schön, ab und zu mal aus der Routine auszubrechen.« Sie küsste ihren Liebsten, schlug die Bettdecke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Mit einem Ruck zog sie die Vorhänge auf und ließ den Sonnenschein herein. »Während du Semmeln und Brezen holst, bereite ich alles für ein schönes Frühstück vor. Na, wie klingt das?«

Lautlos fiel das Schlafshirt zu Boden. Alexa schlüpfte in eine bequeme Hose und ein Langarmshirt. Obwohl die Sonne von einem blitzblauen Himmel lachte, war es Ende April noch zu kühl für kurze Ärmel.

Stefan lag im Bett und beobachtete sie mit genießerischem Blick.

»Wenn ich ehrlich bin, ist dein Anblick gerade überzeugender als jedes deiner Worte«, sinnierte er und konnte die Augen nicht von diesem verführerischen Anblick wenden. Was war er doch für ein Glückspilz, dass er mit dieser Traumfrau gesegnet war!

Nach Jahren der Einsamkeit war ihm noch einmal das ganz große Glück begegnet, und genau wie die Augenärztin Alexandra Schubert genoss er diese späte Liebe in vollen Zügen.

Mit wiegenden Hüften ging Alexa zu ihm und beugte sich über ihn.

»Für das, woran du denkst, haben wir das ganze Wochenende Zeit«, raunte sie ihm zu. »Diesmal haben wir keinen einzigen Termin und können tun und lassen, was wir wollen.«

»Ich weiß genau, was ich will.« Stefan schielte in ihren Ausschnitt.

»Ich auch.« Lachend richtete sich Alexandra auf. »Ein knuspriges Croissant und eine frische Breze.«

»Was hast du eigentlich da, wo andere Menschen ein Herz haben?«

»Hunger!«

Lachend stand Stefan lachend auf, um sich nur ein paar Minuten später auf den Weg ins Eckcafé zu machen.

Vor der Haustür blieb er kurz stehen, schloss die Augen und atmete tief ein. Die duftende Frühlingsluft zauberte ihm ein Lächeln ins Gesicht.

Um diese Uhrzeit war noch nicht viel los auf den Straßen der Münchner Gemeinde Grünwald. Es herrschte eine friedliche Behäbigkeit, und noch nicht einmal das Taubenpärchen im Grünstreifen ließ sich stören, als Stefan auf seinem Fahrrad vorbeifuhr. In der Bäckerei waren nur drei Kunden vor ihm. Einen davon kannte er.

»Frau Mooshammer, wie schön, Sie wieder einmal zu sehen«, begrüßte er die alte Dame, die er seit Jahren als Hausarzt behandelte.

Wie aus tiefen Gedanken gerissen, zuckte Katharina zusammen. Es dauerte einen Moment, bis sie ihren Arzt erkannte.

»Ach, Herr Doktor Frank, ich habe Sie ja gar nicht bemerkt«, erwiderte sie fahrig.

»Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht erschrecken.«

»Schon gut«, winkte Katharina lächelnd ab. »Ich dachte nur gerade über meinen Terminkalender nach.«

Kaum merklich zog Dr. Frank eine Augenbraue hoch. Er hatte Katharina Mooshammer zum letzten Mal vor ein paar Monaten wegen eines Vorsorge-Termins gesehen. Damals war alles in bester Ordnung gewesen. Inzwischen schien sich jedoch etwas verändert zu haben. Und ganz bestimmt nicht zum Besseren, wie ihr besorgter Blick verriet.

»Was das Arbeitsaufkommen angeht, unterscheidet sich ein Unternehmen für Kindergartenausstattung bestimmt nicht wesentlich von einer Arztpraxis.« Ob sie freiwillig von ihren Sorgen berichten würde?

»Das stimmt, aber daran sind mein Mann und ich gewöhnt«, winkte Katharina ab. Inzwischen war sie Anfang sechzig, in zwei Jahren wollten sie das Geschäft an die Enkelin übergeben, die Dr. Frank nicht kannte. »Allerdings werde ich mich niemals daran gewöhnen, wenn es meinen Lieben schlecht geht.«

»Wenn ich irgendwie helfen kann...?«, bot Dr. Frank besorgt an.

»Ach, in letzter Zeit fängt sich meine Enkelin eine Infektion nach der andern ein. Corona, Magen-Darm, Erkältung. Den Husten wird sie seit Wochen nicht mehr los.«

»Wenn ihre Enkelin ansonsten eine gesunde, junge Frau ist, besteht eigentlich kein Grund zur Sorge«, versuchte Stefan, ihr die Sorgen zu nehmen. »Im Frühling haben Viren und Bakterien aller Art oftmals gute Karten.« Er sprach aus Erfahrung. »Die langen, dunklen Wintermonate haben dem Immunsystem zugesetzt und die Abwehrkräfte sind noch nicht wieder ganz auf der Höhe. Dazu kommt die trockene Heizungsluft der vergangenen Monate. Sie hat die Schleimhäute ausgetrocknet und lässt sie anfälliger für Infektionen werden. Ihre Enkelin ist da leider kein Einzelfall.«

Die Falten auf Katharinas Stirn glätteten sich.

»Sie denken also nicht, dass etwas Ernstes dahintersteckt?«

»Das kann ich so leider nicht sagen. Aber sie kann natürlich gerne jederzeit in der Praxis vorbeikommen. Das würde ich ohnehin anraten, um den Impfschutz zu überprüfen.«

Katharina Mooshammer nahm die Papiertüte mit dem Brot, die die Verkäuferin über die Theke reichte.

»Sie wissen doch, wie die jungen Leute so sind«, winkte sie lächelnd ab. »Alles ist wichtiger als die eigene Gesundheit. Außerdem hat sie gerade erst eine neue Stelle in einer Steuerkanzlei angenommen. Im Augenblick bekommen selbst mein Mann und ich sie kaum noch zu Gesicht.« Ihr Lächeln wurde schmerzlich. »Dabei ist meine Enkelin eigentlich so ein Familienmensch und soll außerdem unsere Nachfolgerin werden.«

Es war offensichtlich, dass Katharina mehr als nur eine Sorge belastete.

»Wenn Sie das nächste Mal miteinander telefonieren, können Sie Ihrer Enkelin viel Bewegung an der frischen Luft und eine gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse ans Herz legen«, empfahl er. »Außerdem kann eine Nasendusche oder ein Meerwasserspray hilfreich sein, um die Schleimhäute feucht zu halten.«

»Vielen Dank für die Tipps.« Katharina sah auf ihre Armbanduhr. »Leider muss ich jetzt los. Ich werde Linda ans Herz legen, sich bei Ihnen zu melden. Wünschen Sie mir Glück.« Sie hob die Hand zum Gruß und huschte durch die Tür, als Stefan Frank an der Reihe war.

***

Linda saß auf ihrem Lieblingsplatz am Küchentisch und löffelte ihren Porridge mit kleingeschnittenem Obst. Im Hintergrund spielte das Radio. Schräg vor ihr stand ihr Laptop. Sie hatte ihre Konten in ihren sozialen Netzwerken geöffnet und scrollte durch ihre Beiträge. Erst gestern hatte sie ein neues Foto von ihrer Babydecke veröffentlicht.

Dieses Projekt war eine Idee ihrer besten Freundin Nelli gewesen. Seither lud Linda regelmäßig Bilder ihrer Babydecke hoch, aufgenommen an den unterschiedlichsten Orten. Erkannt hatte zwar noch niemand das gute Stück, doch die mitunter spektakulären und immer außergewöhnlich schönen Bilder erfreuten sich immer größerer Beliebtheit und wurden tausendfach angeklickt, geteilt und kommentiert.

Das Telefon auf dem Tisch klingelte.

»Hast du das gesehen?«, rief Nelli statt einem Gruß in den Apparat. »Für dein neues Foto hast du schon fast viertausend Klicks. Und hast du die Kommentare gelesen? Die Leute überschlagen sich förmlich vor Begeisterung. Du solltest überlegen, umzusatteln und Influencerin zu werden.«

Linda lachte. »Ob du es glaubst oder nicht, aber ich liebe meinen Beruf als Steuerberaterin. Außerdem werde ich in zwei Jahren das Geschäft meiner Großeltern übernehmen.«

»Das werde ich nie verstehen«, seufzte Nelli. »Wo du doch so viele andere Talente hast.«

»Sicherheit ist mir einfach wichtig«, erwiderte Linda, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen. »Deshalb verlasse ich mich lieber auf meine Ausbildung als auf die sehr unzuverlässige Begeisterung der Massen. Sobald ich fündig geworden bin, ist Schluss mit Social Media.« Während sie in kleinen Schlucken ihren heißen Kaffee trank, scrollte sie weiter nach unten auf der Suche nach einem Hinweis auf ihre leibliche Mutter. »Leider habe ich immer noch kein Lebenszeichen erhalten.« Die Enttäuschung schmeckte bitter wie Galle.

»Du hast erst vor ein paar Monaten angefangen und schon fast dreitausend Abonnenten«, versuchte Nelli, ihrer Freundin Mut zu machen. »Irgendwann wird jemand dabei sein, der die Decke erkennt. Du darfst nur nicht den Mut verlieren.«

Der Radiosprecher kündigte die Acht-Uhr-Nachrichten an. Kurzentschlossen klappte Linda den Laptop zu und hustete.

»Wenn ich mich jetzt nicht beeile, verliere ich zuallererst meinen neuen Job«, unkte sie.

»Findest du nicht, dass du lieber mal einen Tag freimachen und zum Arzt gehen solltest? Du wirst ja gar nicht mehr richtig gesund.«