Easton High 3: Dear Heart I Miss You - Eliah Greenwood - E-Book

Easton High 3: Dear Heart I Miss You E-Book

Eliah Greenwood

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Beschreibung

Von all deinen Versprechen war »Ich verlasse Dich nie« das schlimmste Alles beginnt mit einem Abschied: Finn hat die Stadt verlassen und Dia mit nichts als gebrochenen Versprechen und tausend Fragen zurückgelassen. Ein Jahr später steht er wieder vor ihr. Mit neuen Tattoos und neuen Geheimnissen. Die Highschoolzeiten sind jedoch vorbei und Dia hat inzwischen jemanden gefunden, der seine Versprechen hält. Finns Ziel ist noch immer dasselbe: Er will Dia zurück. Koste es, was es wolle. Das Problem dabei ist, er ist nicht der Einzige, der sich verändert hat. Dia ist längst nicht mehr das süße und unschuldige Mädchen, das sie einmal war … Das intensive und emotionale Finale von Dia & Finn.  //Dies ist der dritte Band der mitreißenden Enemies to Lovers Romance »Easton High«. Alle Romane der fesselnden New Adult Reihe:  -- Band 1: Dear Love I Hate You -- Band 2: Dear Heart I Hate You -- Band 3: Dear Heart I Miss You// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Eliah Greenwood

Dear Heart I Miss You

Aus dem Englischen von Friedrich Pflüger

Von all deinen Versprechen war »Ich verlasse Dich nie« das schlimmste

Alles beginnt mit einem Abschied: Finn hat die Stadt verlassen und Dia mit nichts als gebrochenen Versprechen und tausend Fragen zurückgelassen. Ein Jahr später steht er wieder vor ihr. Mit neuen Tattoos und neuen Geheimnissen. Die Highschoolzeiten sind jedoch vorbei und Dia hat inzwischen jemanden gefunden, der seine Versprechen hält. Finns Ziel ist noch immer dasselbe: Er will Dia zurück. Koste es, was es wolle. Das Problem dabei ist, er ist nicht der Einzige, der sich verändert hat. Dia ist längst nicht mehr das süße und unschuldige Mädchen, das sie einmal war …

WOHIN SOLL ES GEHEN?

Buch lesen

Vorbemerkung

Playlist

Danksagung

Viten

Für alle, deren Herz zu oft gebrochen wurde …Ich hoffe, ihr schafft es, wieder zu lieben.

VORBEMERKUNG

Liebe Leserin, lieber Leser,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die Spoiler enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleibe damit nicht allein. Wende dich an deine Familie und an Freunde oder suche dir professionelle Hilfe.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

Eliah und das Carlsen-Team

PLAYLIST

Broken – Anson Seabra

Six Feet Under – Billie Eilish

Don’t Deserve You – Plumb

Always – Gavin James

PROLOG

FinnAlter: Sechzehn

Liebe Mom,

heute habe ich wieder gelogen.

Ich habe einem erbärmlichen Scheißer erzählt, ich würde mich nicht erinnern.

Diesmal war es einer von Dads Freunden.

Großer Typ mit Halbglatze, der zu laut kaut.

Klingelt da was?

Nein, ich behaupte nicht, dass es mir leidtut.

Denn dann wäre ich ein guter Mensch.

Wie du.

Und gute Menschen lügen nicht.

Gute Menschen sagen nicht, sie hätten einen »Blackout«, um nicht über den schlimmsten Tag ihres Lebens reden zu müssen. Und gute Menschen bringen todsicher nicht ihre eigene Mutter um.

Weil ich das getan habe.

Ich habe dich umgebracht.

Wenn auch nicht mit Absicht.

Meine Therapeutin würde der Schlag treffen, wenn sie wüsste, dass ich dir freiwillig einen Brief schreibe. Dad schleppt mich schon seit Monaten nicht mehr zur Therapie, aber hier bin ich und schaue immer noch bei einem Geist vorbei.

Ich kann mir ganz gut vorstellen, wie du mich dabei beobachtest, wie ich all die neugierigen Mistkerle anlüge, die fragen, was an diesem Tag passiert ist. Wie du ein enttäuschtes Gesicht machst, wenn ich vorgebe, ich könne mich nicht erinnern.

In Wirklichkeit erinnere ich mich an alles.

Natürlich.

Ich wäre nict so am Arsch, wenn ich mich nicht daran erinnern würde, wie das Boot voller betrunkener College-Idioten direkt auf uns zuhielt. Ich hätte keine posttraumatische Belastungsstörung, wenn ich mich nicht an die laute Musik erinnern würde, als der Bootsführer aus den Latschen kippte – wahrscheinlich nach einer Sauftour durch sämtliche Schnapsläden von North Carolina.

Ich würde alles dafür geben, mich nicht zu erinnern. Aber mein Gehirn ist ein hinterhältiges Arschloch, das noch jede beschissene Einzelheit weiß, vom Wetter bis zu dem, was ich dir als Letztes gesagt habe.

Ich sehe es immer noch so deutlich.

Es war ein ganz besonders heißer Tag. Xavier und ich waren an Deck und machten Unsinn, wie das Achtjährige so tun. Ich war so glücklich. Endlich hatte ich dich überredet, Dads Yacht zu betreten. Ein Jahr lang hatte ich dir in den Ohren gelegen, und es war mein Geburtstag. Der schönste Tag meines Lebens, stimmts?

Du hattest gerade auf der Bank hinter uns Platz genommen und versucht, mit deiner Seekrankheit klarzukommen, während Dad und Brody im Cockpit herumstritten.

Die College-Typen ließ ich während der ganzen Zeit nicht aus den Augen. Ich sah, wie das Motorboot immer mehr beschleunigte, während die Partygänger ihren bewusstlosen Kapitän nicht auf dem Schirm hatten. Ich wartete darauf, dass er aufwachte und das Boot zur Seite lenkte.

Er tat es nicht.

Ich wusste, dass etwas nicht in Ordnung war, aber ich sagte nichts. Ich stand nur wie erstarrt da und sah zu, wie das Boot völlig hirnrissig auf uns zuraste.

Hätte es etwas geändert?

Wenn ich dich früher gewarnt hätte?

Mir kam es damals wie eine Ewigkeit vor, aber in Echtzeit waren es wohl nicht mehr als fünf Sekunden. Wahrscheinlich hätten dich diese fünf Sekunden gerettet.

Aber ich sagte immer noch nichts.

Ich. Sagte. Nichts.

Dir fiel das Boot kurz nach mir auf, aber da war es schon zu spät. Die Kollision stand unmittelbar bevor, und Xavier und ich würden direkt getroffen werden.

Ich weiß noch, wie die Mädchen auf dem Boot schrien, als sie begriffen, dass sie mit uns zusammenkrachen würden. In dem Augenblick hörte ich dich meinen Namen rufen.

Und als Nächstes war ich schon unter Wasser.

Du hattest mich mit einer Kraft zur Seite gestoßen, die ich dir gar nicht zugetraut hätte. Es raubte mir den Atem und presste meine Lunge so heftig zusammen, dass ich glaubte, ich würde ersticken.

Nur ein paar Stunden vorher hatten wir gestritten, weil du darauf bestanden hattest, dass Xavier und ich an Bord Schwimmwesten tragen, obwohl wir gar nicht ins Wasser wollten. Ich schimpfte, du wärst echt nervig. Das war das Letzte, was ich zu dir gesagt habe.

Ich dachte, du wärst überängstlich.

Bis mir die Schwimmweste, die ich deinetwegen tragen musste, das Leben rettete.

Da ergab alles einen Sinn.

Zuerst konnte ich nur das Wasser in meinen Ohren gurgeln hören. Ein paar Verbindungsstudenten waren so schlau gewesen, vor dem Aufprall aus dem Partyboot zu springen, aber die anderen …

Die anderen ertranken.

Das Wasser war rot. Leute riefen um Hilfe, während sie verletzt zu schwimmen versuchten. Aber es fühlte sich erst real an, als ich Xavier sah. Er war bewusstlos und trieb ganz in meiner Nähe. Und das Schlimmste?

Auch um ihn herum war alles rot.

Brodys Stimme lenkte mich von Xavier ab. Ich drehte mich herum und sah ihn im Rettungsboot der Yacht, wo er aus vollem Halse schrie, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Mein großer furchtloser Bruder, dem ich immer nachgeeifert hatte, war ebenso entsetzt und hilflos wie ich.

Er fing an, mit den bloßen Händen auf Xavier und mich zuzupaddeln. Als er uns beiden ins Rettungsboot half und ich sah, wie meinem besten Freund das Blut aus dem Bauch lief, wäre ich beinahe in Ohnmacht gefallen.

Xavier rührte sich nicht; ein scharfes Metallteil war in ihn eingedrungen. Zuerst dachte ich, er wäre tot, aber er hatte nur vor Schmerzen die Besinnung verloren.

Brody schrie hinaus aufs Wasser, und ich sah in einiger Entfernung Dads Kopf auftauchen. Dad rief deinen Namen. Nora, Nora, Nora, immer wieder, bis ihm die Stimme brach. Dann schöpfte er Atem und tauchte wieder unter.

Später erzählte er uns, dass du ins Wasser geschleudert worden seist und er sei hinterhergesprungen. Zwar seist du bewusstlos gewesen, doch er habe aber deine Hand für eine Sekunde zu fassen bekommen.

Dann sei sie ihm entglitten.

Und er habe dich verloren.

Das hat er sich nie verziehen.

Dad suchte nach dir, bis er so schwach war, dass er selbst zu versinken drohte. Zu ertrinken. Brody musste ihn gegen seinen Willen ins Rettungsboot ziehen. Er hörte nicht auf, sich zu wehren, und rief, wir sollten ihn loslassen. Er kämpfte bis zur allerletzten Minute, Mom.

Und er hätte weitergemacht, wenn nicht die Rettungsmannschaften am See eingetroffen wären.

Ich weiß noch, wie ein Mann von der Küstenwache sagte, du seist wahrscheinlich schon beim Aufprall ums Leben gekommen. Du hättest Xavier und mich noch vom Boot gestoßen, und dann sei es vorbei gewesen. Und er wäre überrascht, wenn man deine Leiche finden würde. Lake Belmont sei bekannt dafür, seine Opfer im dichten Gewirr der Wasserpflanzen festzuhalten.

Und er hatte recht.

Wir haben dich nie gefunden.

Ein Jahr lang sagten mir die Leute immer wieder, wie stolz ich auf dich sein sollte. Dass ich deinen Mut bewundern sollte. Aber wenn ich nicht gebettelt hätte, dass du mit aufs Boot kommst, hättest du gar nicht mutig zu sein brauchen.

Deine Mom war eine Heldin, sagten sie.

Aber es gibt keine Helden ohne Schurken.

Und es tut mir so leid, Mom.

Es tut mir leid, dass in deiner Gescichte ich der Schurke sein musste …

– Finley

1. KAPITEL

FINN

JETZT

Mein Vater sagte mir einmal, die Lügen, die wir uns selbst erzählen, könnten uns entweder herunterziehen oder über Wasser halten. Ich habe nie verstanden, was er damit meinte. Bis das Lügen zur einzigen Waffe meines Vaters wurde in seinem Krieg gegen die Realität.

»Alles okay.«

»Macht euch keine Sorgen um mich.«

»Wir schaffen das schon.«

Das Einzige, was er in dem Jahr nach dem Tod meiner Mutter tat, war alle anzulügen.

Die Leute.

Uns.

Sich selbst.

Aber die Lügen hielten ihn am Laufen. Der Mist, den er wie ein Mantra wiederholte, half ihm morgens aus dem Bett zu kommen. Damals hat mich das total angepisst. Seine ungerührte Fassade war wie Salz in meinen offenen Wunden.

Ich wollte ihn zerbrechen sehen. Wollte ihn so vor Schmerz gelähmt sehen, dass er aufhörte zu funktionieren. Und jetzt? Bin ich froh, dass er gelogen hat. Wir hatten schon einen Elternteil verloren; wir durften nicht auch noch ihn verlieren.

Monatelang erlebte ich, wie er die Augen vor der Wahrheit verschloss, bevor ich es selbst mit seiner Wunderkur versuchte. Das Problem war nur, ich schaffte es nicht wie er, so zu tun als ob. Ich konnte dem Universum nicht vergeben, dass sie uns genommen wurde.

Ich konnte dem Mond nicht vergeben.

Ich konnte der Sonne nicht vergeben.

Ich konnte dem Meer nicht vergeben.

Die ganze Welt war schuld.

Alles.

Jeder.

Ständig.

Natürlich gab es Augenblicke – wenn ich mit den Jungs trank, Basketball spielte oder mich bis zu den Eiern in namenlose Cheerleaderinnen versenkte – , in denen ich loslassen konnte.

Um zu vergessen.

Aber nur vorübergehend. Der bedeutungslose Sex, das Saufen, meine Sucht nach Basketball. Die Linderung war lediglich von kurzer Dauer. Und bis heute habe ich nur eine einzige immerwährende Heilung gefunden.

Sie.

Diamond Mitchell.

Meine Medizin.

Meine Rettung.

Mein Juwel.

Dieses Mädchen ist wie ein Rausch, der niemals endet. Ein Heilmittel fürs ganze Leben, das man nur ein einziges Mal nehmen muss. Solange ich sie bei mir hatte, war die Dunkelheit verschwunden. Es ist weniger als vierundzwanzig Stunden her, seit ich sie verloren habe. Es ist nicht einmal ein ganzer beschissener Tag vergangen, seit sie bei Aveena ins Auto gestiegen ist und mich mit einem Tritt aus ihrem Leben befördert hat. Und schon fühle ich, wie die Finsternis herankriecht. Tropfen für Tropfen. Nach und nach.

Was erklären dürfte, weshalb ich hier bin, weshalb ich um verfickte sieben Uhr morgens gegenüber von ihrem Haus im Auto sitze. Welcher Geistesgestörte steht schon samstags um 6:00 Uhr auf, um bei seiner Ex am Haus vorzufahren?

Genau genommen muss man das streichen. Ich bin gar nicht um 6:00 Uhr aufgestanden. Dazu müsste ich ja geschlafen haben. Aber meine Dämonen haben mir keine Ruhe gegönnt. Dabei war nichts als Stille im Haus. Nichts als Fragen und Bedauern und herzzerreißende Erinnerungen. Ich werde davon heimgesucht, wie sie mich angesehen hat. Als könne sie mich endlich richtig erkennen. Als könne sie nun wie alle anderen auch das Monster sehen.

Auf der anderen Straßenseite bewegt sich etwas, und ich reiße den Kopf zu Dias Haus herum. Ihr Bruder hat eben die Vorhänge aufgezogen. Ich erwarte, dass Jesse wieder vom Fenster weggeht, aber er rührt sich nicht und starrt direkt zu mir herüber.

Er hat mich gesehen.

Und er will, dass ich das weiß.

Ich bin nicht dumm. Mir war klar, dass ihnen früher oder später auffallen würde, dass ich vor ihrem Haus parke, doch ich hatte auf mehr Zeit gehofft. Ich habe keine Ahnung, was ich ihnen sagen soll, geschweige denn, was ich ihr sagen soll.

Angesichts der Tatsache, dass mich Jesse in Gedanken gerade umbringt, bin ich mir ziemlich sicher, dass er weiß, dass irgendetwas passiert ist. Dia wird ihnen vom Sextape erzählt haben, oder? Gott, wie soll ich das jemals überleben?

Warte, das ist ja gar nicht sicher.

Es könnte sein, dass Dia ihnen gar nichts erzählt hat. Sie erwähnte einen Streit, nachdem ihre Väter dahintergekommen waren, dass sie den ganzen Sommer mit mir zusammengelebt hatte, und deshalb würde es mich nicht wundern, wenn sie ihre Eltern mit Schweigen straft.

Mein Blick wandert zur Einfahrt der Mitchells hinüber. Hinter Dias Wagen parkt der von Aveena, und dafür gibt es eigentlich nur eine Erklärung: Aveena muss bei den Mitchells übernachtet haben. Gerade als mir klar wird, dass mir nur die Möglichkeit bleibt, mit den beiden zu reden, tritt einer von Dias Dads zu Jesse ans Fenster. Während er Dias kleinen Bruder im Arm hält, schießen sie mir in Gedanken gemeinsam Kugeln durch den Kopf.

Bis jetzt habe ich Dias Eltern noch nie getroffen. Ich weiß, einem von beiden gehört das »Gaten’s«, ein Restaurant in der Stadt, aber weil das mit Dia und mir seit Monaten in aller Heimlichkeit abgelaufen ist, gab es nie die Gelegenheit, mich bei ihnen vorzustellen. Zu meiner Verteidigung, was zum Teufel hätte ich ihnen auch sagen sollen?

Hi, ich bin Finn. Das Arschloch, das Ihre Tochter den ganzen Sommer über hinter Ihrem Rücken gevögelt hat. Ach ja, und Sie wissen ja, dass sie gestern Abend weinend nach Hause gekommen ist? Das war meine Schuld. Kann ich reinkommen?

Ich fühle mich wie ein Süchtiger, als ich aus dem Wagen steige. Sie sind das Einzige, was zwischen mir und meiner Dosis im Weg steht. Was ich tue, ist also wahrscheinlich keine gute Idee, aber irgendwo in diesem Haus ist das Mädchen, das ich liebe, während sie davon überzeugt ist, dass sie mir scheißegal ist, und ich will verdammt sein, wenn ich nicht wenigstens versuche, sie vom Gegenteil zu überzeugen.

Langsam gehe ich Richtung Haustür. Ich komme nicht einmal dazu, anzuklopfen, da schwingt sie knarrend auf und ein stinksaurer Jesse und Dias besorgte Eltern kommen zum Vorschein. Sie schauen mich an, als fürchteten sie, ich würde hereinstürmen und auf der Suche nach Dia jedes einzelne Möbelstück auseinandernehmen. Und die traurige Wahrheit ist …

Das wäre möglich.

»Was willst du?« Jesse schiebt sich nach vorn, um den Eingang zu blockieren.

»Ich will nur mit ihr reden«, bringe ich mit erstickter Stimme hervor. »Bitte lass mich zu ihr.«

Großer Gott, ich klinge nicht einmal wie ich selbst.

Fuck, ich kann nicht glauben, was aus mir geworden ist.

Jesse zieht eine Augenbraue hoch. »Sag mir einen guten Grund, warum ich das tun sollte.«

»Weil ich Mist gebaut habe.« Ich wähle die »sichere« Antwort. Ich weiß nicht, wie viel sie ihnen erzählt hat, aber falls sie noch ahnungslos sind, will ich nicht mehr verraten als nötig. Es reicht, dass sie mich auch so schon genug hassen.

Jesse lacht verbittert, schüttelt den Kopf und antwortet: »So nennst du das? Mist gebaut?«

Wie kann er das wissen?

»Woher weißt –«

Er fällt mir ins Wort. »Dünne Wände.«

Oh.

Er muss gehört haben, wie sich die Mädels gestern Abend unterhielten.

»Alter, geh einfach nach Hause. Es ist vorbei.« Jesse will die Tür schließen, aber ich klemme meinen Fuß dazwischen.

»Ich möchte doch bloß fünf Minuten«, beharre ich.

Er schnaubt: »Dass du selbstsüchtig bist, wusste ich, aber du musst auch noch ein verdammter Narzisst sein, wenn du glaubst, es würde jetzt noch eine Rolle spielen, was du möchtest.«

»Ist sie … okay?« Meine Stimme bebt.

»Kümmert dich das?«, wirft mir Jesse vor. Am liebsten würde ich mir das blutende Herz aus der Brust reißen und ihm zeigen, wie verdammt gebrochen es ist.

Ich nicke. »Und wie.«

»Das hättest du dir vielleicht überlegen müssen, bevor du deinen Schwanz in ein anderes Mädchen reingesteckt hast, Betrüger.«

Hinter ihm schnappen Dias Väter erschrocken nach Luft.

Ich hatte also recht.

Sie wussten nicht Bescheid.

Dia hat ihnen nichts erzählt, aber Jesse hat mich nur zu gern den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Und der Bastard wusste genau, was er tat. Das war die ganze Zeit sein Plan. Sicherstellen, dass Dias Eltern nie mit mir einverstanden sein werden.

»Fuck, ich habe sie nicht betrogen«, sage ich, obwohl ich genau weiß, dass ich damit nur meinen Atem vergeude. Seine Meinung über mich steht längst fest.

Einem von Dias Vätern scheint meine derbe Ausdrucksweise nicht zu gefallen, denn er hält ihrem kleinen Bruder die Ohren zu und wirft einen missbilligenden Blick in meine Richtung. Ihr anderer Dad – der große, massige – gibt seinem Partner mit einer Kinnbewegung ein Zeichen, in den anderen Raum zu gehen, was er sofort tut. In einem Augenblick reinster Verzweiflung recke ich den Hals, gehe auf die Zehenspitzen und suche Blickkontakt mit dem großen Dad. Er ist meine beste Chance.

»Sir, bitte, ich liebe Ihre Tochter. Ich muss sie nur für fünf Minuten sprechen.«

Zwar hält er den Blickkontakt aufrecht, reagiert aber nicht. Er zuckt nicht mal mit der Wimper, völlig unbeeindruckt von meinem Flehen.

»Sie müssen mich anhören.«

»Einen Scheiß müssen wir uns anhören«, blafft mir Jesse direkt ins Gesicht. »Außer Dia, die sich die Augen ausweint, dass man es durch die Wände hört.«

Schuldgefühle erdrücken mich fast.

Hat sie die ganze Nacht geweint?

Noch bevor ich etwas antworten kann, hat Jesse genug. Er will mir wieder die Tür vor der Nase zuschlagen, aber ich presse die Hand dagegen.

Da entdecke ich sie. Ich habe freie Sicht bis zur Treppe und sehe mein Baby mit Aveena herunterkommen. Wahrscheinlich haben sie mich rufen hören und wollten nachsehen, was los ist.

Ich erfasse sie mit einem Blick. Sie trägt ein oversized T-Shirt und dazu Plüsch-Pyjama-Shorts, das Haar ist zu einem nachlässigen Knoten hochgesteckt. Sie sieht erschöpft aus. Aber selbst jetzt ist sie so verdammt schön, dass es eine Tortur ist. Ihr Gesicht ist rot und aufgedunsen vom Weinen, und ich könnte schreien, weil ich weiß, dass ich für ihre Tränen verantwortlich bin.

Ich habe ihr das angetan.

Ich habe sie verletzt.

Zuerst sieht sie mich nicht.

Doch dann schon.

Ihr Mund klappt auf.

Und mit einem Mal ist meine Selbstbeherrschung zum Teufel.

»Dia!« Ohne mit der Wimper zu zucken, schiebe ich ihren Bruder zur Seite. »Dia, bitte.«

Ich schaffe es bis an den Fuß der Treppe. Wir stehen nur wenige Schritte voneinander entfernt. Völlig schockiert starrt sie mich für einen Moment an. Schon nach wenigen Sekunden ist Jesse bei mir und versucht, mich wieder zur Tür zu zerren. Unsere Blicke treffen sich für einen Augenblick. Dann sieht sie weg.

Als würde ihr schon bei meinem bloßen Anblick übel werden.

»Dia, Baby, schau mich an.« Immer wieder rufe ich ihren Namen und gebe alles, um zu ihr durchzudringen. Dabei habe ich keine Ahnung, was passieren wird, wenn sie mich tatsächlich ansieht. Ich kann sie nicht zwingen, mir zu verzeihen, aber gerade habe ich das Gefühl, verrückt zu werden.

»Dia, geh nach oben«, befiehlt der große Dad, aber seine Tochter bewegt sich keinen Millimeter, die braunen Augen voller Tränen.

So schnell gebe ich nicht auf. »Dia, bitte. Lass es mich erklären.«

»Diamond, du gehst jetzt sofort nach oben«, ruft ihr Dad, und Aveena zerrt an ihrem Arm, um sie aus ihrer Starre zu holen. Erst da kehrt sie wieder ins Land der Lebenden zurück.

Sie wirft mir einen letzten Blick zu, bevor ihre beste Freundin sie nach oben schafft. Ich rufe ihren Namen, bis sie nicht mehr zu sehen ist, aber Jesse hat die Nase voll, schubst mich zu Tür hinaus und weiter auf die Veranda. Ich stolpere rückwärts und kann mich gerade noch abfangen, bevor ich stürze.

Jesse, der große Dad und ich stehen auf dem Rasen vor dem Haus der Mitchells. Ich weiß, dass die Kacke wirklich am Dampfen ist, als ihr anderer Dad herausgerannt kommt, nachdem er sichergestellt hat, dass sein Baby drinnen in Sicherheit ist. Pures Entsetzen flackert in seinen Augen.

Sie fürchten sich vor mir.

Ich habe mehr als nur einen schlechten Eindruck gemacht.

Sie fühlen sich von mir bedroht.

»Verschwinde von meinem Grundstück, sonst rufe ich die Cops«, faucht der große Dad, und ich glaube ihm jedes Wort. Das ist kein Bluff. Er würde meinetwegen wirklich die Polizei rufen.

»Es tut mir leid. Fuck, ich …«, stottere ich, als ich begreife, was ich angerichtet habe. »Es tut mir so leid.«

Dann drehe ich mich um und gehe über die Straße zu meinem Auto. Ich schließe mit der Fernbedienung auf und lasse mich mit einem Fluch auf den Fahrersitz fallen. Beim Wegfahren habe ich Dias schmerzverzerrtes Gesicht vor Augen.

Jesse hatte recht.

Ich bin wirklich selbstsüchtig.

Ich bin selbstsüchtig, weil ich glaube, dass es eine Rolle spielt, was ich jetzt will.

Ich bin selbstsüchtig, weil ich hier aufkreuze und sie dazu zwingen will, mich anzuhören.

Aber vor allem bin ich selbstsüchtig, weil ich denke, dass das Mädchen, das ich haben möchte …

… mich immer noch will.

2. KAPITEL

DIAMOND

@The_Axel_Fletcher: Hab gehört, du und Richards seid Geschichte. Zu früh für ein Date?

Angewidert wandert mein Blick über die Instagram-Nachricht auf meinem Bildschirm. Er lässt wirklich nichts anbrennen, oder? Fairerweise muss man sagen, dass er nicht der Einzige ist. Jede Menge Kerle haben sich gemeldet, seit die Neuigkeit raus ist.

Größtenteils Typen vom Basketball-Team.

So viel zum Ehrenkodex unter Brüdern, was?

Ein anderes Mädchen wäre wahrscheinlich geschmeichelt, und auf ein paar Nachrichten habe ich auch geantwortet, aber es geht mir deswegen kein bisschen besser. Ich fühle mich dabei eher wie ein Stück Fleisch, umgeben von Jungs wie ein Rudel sabbernder Hunde, die mal probieren wollen.

Gerade will ich Axels Nachricht wegwischen, als mein Handy schon die nächste anzeigt.

Auch von Axel.

Er hat eine SMS geschickt.

Mich über Instagram zu bedrängen, reicht wohl nicht.

Axel: Komm schon, Baby, sag Ja. Ich sorge dafür, dass es dir besser geht.

Zum Glück habe ich auf das Frühstück verzichtet, es wäre mir bestimmt wieder hochgekommen.

Schon möglich, dass ich mit irgendwelchen Typen flirte, um die Zeit rumzukriegen, aber dieser Kerl muss voll auf Crack sein, wenn er glaubt, dass ich ihn auch nur in meine Nähe lasse. Ich hätte es besser wissen müssen, als ich vor Monaten mit ihm geflirtet habe, um Finn anzupissen. Seither glaubt er, bei mir eine Chance zu haben; dabei hat er so viel Sexappeal wie ein Kuhfladen.

»Werden wir jemals darüber reden?« Ich höre Aveena wie ein fernes Echo, während wir zur Schulturnhalle schlendern. Sportunterricht ist der Fluch meiner Existenz, aber wenigstens muss ich mir keine Sorgen machen, dort mit Finn zusammenzurasseln.

Seit einer Woche schaue ich nun ständig über meine Schulter. Finn und ich haben zusammen Englisch und Mathe, aber zum Glück schwänzt der Fremdgänger die Schule, seit er bei mir zu Hause aufgetaucht ist und die ganze Familie in Angst und Schrecken versetzt hat.

Wie es am Ende ausging, haben mich meine Dads nicht mitbekommen lassen. Schon vorher waren sie bestimmt keine Fans von Finn. Aber jetzt? Jetzt hassen sie ihn. Einziger Silberstreif am Horizont? Ich habe keinen Hausarrest mehr. Sie bekamen Mitleid, nachdem sie mich acht Stunden am Stück hatten schluchzen hören. Außerdem ging es ja darum, mich von Finn fernzuhalten, und das brauchen sie jetzt nicht mehr.

»Dia?«, bohrt Aveena nach.

»Was?«, sage ich, ohne von einer Unterhaltung mit einem Typen aus dem Basketball-Team aufzublicken. Er heißt Seb. Er ist süß, groß und charmant – perfekt zum Trösten. Zugegeben, er ist ein bisschen langweilig, aber einem betrügerischen Arschloch ziehe ich so einen gerade allemal vor.

»Sprechen wir irgendwann einmal über deine Trennung?«, fragt Aveena und ich versuche, nicht gleich wieder zu seufzen. Seit Tagen liegt sie mir mit Finn in den Ohren. Sie sagt, ich wolle mich der Wahrheit nicht stellen, und vielleicht ist das auch so. Na und?

Erst seit Kurzen kann ich überhaupt wieder schlafen und habe nicht mehr ständig das Bild von Remy vor Augen, wie sie sich in Finns Rücken krallt, als er in ihr kommt. Außerdem höre ich nicht mehr, wie er zu ihr das sagt, wovon ich glaubte, es sei unser Ding.

Alles außer dir.

Alles außer dir.

Alles außer dir.

Das hat mich richtig verfolgt, aber dann wurde mir klar, dass ich mich entweder in Selbstmitleid suhlen kann – oder den Rest meines Abschlussjahrs genießen. Ich entschied mich für Möglichkeit Nummer zwei, aber Aveena macht es mir nicht gerade leicht.

Mir ist schon klar, wieso sie darauf herumreitet. Schließlich habe ich kaum an der Oberfläche von dem gekratzt, was passiert ist. Ich habe ihr nur erzählt, dass Finn mich betrogen hat, mehr aber auch nicht. Sie weiß nichts von dem Sexvideo oder Finns offensichtlicher Vergangenheit mit Remy. Ich hatte Angst, bei den grausigen Details nicht mehr aufhören können zu weinen.

»Man kann sich nicht von jemandem trennen, mit dem man nie zusammen war«, erkläre ich, und sie könnte kaum skeptischer dreinblicken. Sie nimmt mir meine »Gleichgültigkeit« nicht für eine einzige Minute ab. Dafür kennt sie mich zu gut, aber im Augenblick brauche ich niemanden, der mich kennt. Ich brauche auch niemanden, der mich weinen lässt und mich festhält, bis ich nicht mehr atmen kann. Ich brauche jemanden, der mich vergessen lässt.

Mich ablenkt.

Und wenn diese Ablenkung ein steinhartes Sixpack hat und in derselben Basketballmannschaft wie Finn spielt?

Dann ist das eben so.

***

Finn

»Herr im Himmel, wer ist denn hier gestorben?«, reißt mich mein bester Freund aus dem Schlaf. Als meine Sinne in Gang kommen, meldet mein Mund sofort den Geschmack von Hochprozentigem. Irgendetwas Kaltes presst gegen meine Wange.

Vielleicht Leder?

Eine Minute lang kann ich mich nicht rühren. Mein Kopf dröhnt so sehr, dass ich erst nach ein paar Augenblicken begreife, wo ich bin. Ich befinde mich auf meiner Couch und liege auf dem Bauch. Außerdem habe ich nichts an und friere. Ich zwinge mich dazu, meine Augen zu öffnen, und blinzele benommen durchs Fenster hinaus in die Sonne.

Xavier gibt den Erstaunten: »Ist es zu fassen? Er lebt!«

»Wie spät ist es?« Ich reibe mir die Augen, bis ich wieder etwas sehen kann, und drehe mich auf den Rücken. Als Erstes sehe ich Xavier, der neben der Couch steht und mich mustert.

»Zwei Uhr nachmittags«, antwortet er.

Eigentlich müsste Xavier jetzt in der Schule sein, also schwänzt er. Sein Blick hat etwas Besorgtes, während er die Müllhalde betrachtet, die einmal mein Wohnzimmer war. Ich kann es ihm nicht verdenken. Überall liegt Zeug herum – leere Essenskartons, Bierdosen und Schnapsflaschen, alles auf dem Teppichboden verstreut. Dad würde mich umbringen, wenn er wüsste, was ich die ganze Woche so getrieben habe. Aber zum Glück ist er geschäftlich unterwegs.

Es ist eine ganze Weile her, seit er bereit war, die Stadt zu verlassen. Überraschenderweise ist er seit Lexies Tod immer hiergeblieben. Ausnahmsweise hat er sich mal wie ein besorgter Vater benommen. Ich hätte wissen müssen, dass das nicht andauert.

»Alter, zu krass«, kommentiert Xavier den Zustand meines Hauses.

Ich würde ihm gern widersprechen, aber er hat recht. Ich bin wirklich zu weit gegangen. Schon an dem Tag, als ich einen Privatdetektiv angeheuert habe, um Dias Vergangenheit zu durchleuchten. Ich bin zu weit gegangen, als ich Remy anrief, weil ich ein Feigling war, der die Angestellte seines Vaters auf dem Kieker hatte. Aber vor allem ging ich zu weit, als ich morgens um sieben vor Dias Haus aufkreuzte und ihrer Familie eine Heidenangst einjagte.

Sich Abend für Abend die Birne vollzusaufen, dreht die Zeit zwar nicht zurück, aber es hilft mir mit meinen Schuldgefühlen. Ich habe alles verbockt. Und jetzt muss ich lernen, mit den Konsequenzen zu leben.

»Verschwinde.« Ich schütze die Augen mit dem Unterarm vor der Sonne.

»Alter, warum warst du nicht in der Schule? Der Coach ist angepisst, weil du nicht zum Training kommst. Du kannst von Glück sagen, wenn er dich überhaupt wieder spielen lässt.« Xavier lässt sich aufs andere Ende der Couch fallen.

»Ist mir egal«, lalle ich, und überraschenderweise meine ich das auch. Ich hätte nie gedacht, dass mich ein Mädchen eines Tages mehr kümmern würde als meine Verpflichtung gegenüber der Mannschaft. Was zum Teufel hast du mit mir gemacht, Juwel?

»Gibts irgendeinen Grund fürs Blaumachen?«

Ich seufze. Er gibt einfach keine Ruhe.

»Mir ist schlecht«, improvisierte ich.

Xavier schnaubt verächtlich über meine Ausrede. »So ist das eben, wenn man seine Freundin betrügt.«

Ich hätte ihm nicht vom Sexvideo erzählen dürfen. Damit habe ich ihm nur zusätzliche Munition gegeben.

»Ich habe sie nicht betrogen«, stelle ich richtig.

Außerdem habe ich das Video nicht aufgenommen – zum Teufel, ich hatte nicht mal eingewilligt, gefilmt zu werden – aber ich erspare mir, ihm das zu sagen. Was soll das ändern? Er hält mich ohnehin für ein Arschloch.

»Schon klar«, murmelt Xavier, und Wut kocht in mir hoch.

»Ich habe sie verdammt noch mal nicht betrogen«, schnauze ich, stehe von der Couch auf und hebe eine leere Bierflasche vom Boden auf. Ich wanke in die Küche und werfe sie weg. Xavier folgt mir.

»Und warum kommst du nicht in die Schule? Und erzählst das der einzigen Person, die das kümmert?«

Darauf habe ich keine Antwort. Nachdem ich vom Grundstück der Mitchells verjagt wurde, habe ich den Versuch aufgegeben, Dia zurückzugewinnen. Jeder normale Typ hätte sich davon nicht abhalten lassen, aber ich ertrage so etwas nicht noch mal. Der Scheiß hat mich verletzt. Nein, er hat mich bloßgestellt.

Vor Dia musste ich nie um irgendetwas flehen. Dann taucht sie auf, und plötzlich mache ich nichts anderes mehr. Ich flehte, dass sie die Nacht bleibt, als wir zum ersten Mal Sex hatten. Und am nächsten Tag flehte ich sie an, mir zu vergeben, weil ich sie alleingelassen hatte.

Flehen, flehen, flehen.

Verdammt, ich höre nicht auf zu flehen.

Ich habe es satt. Manchmal erkenne ich mich gar nicht wieder. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, lösen sich die von mir aufgebauten Mauern in Rauch auf, und ich sehne mich wieder so sehr nach ihr, dass es schmerzt. Ich hasse es, wie viel Macht sie über mich hat. Deshalb gehe ich nicht in die Schule. Deshalb bin ich ihr aus dem Weg gegangen. Solange ich sie nicht sehe, kann ich immer noch glauben, dass ich meine Gefühle wenigstens ein bisschen unter Kontrolle habe.

»Ich hatte meinen Spaß mit ihr, aber jetzt bin ich drüber hinweg«, lüge ich nach Strich und Faden und gehe, gefolgt von Xavier, wieder zurück ins Wohnzimmer.

Der Mistkerl lacht über meine Bemerkung. Er glaubt mir kein Wort. Gerade hebe ich die nächste Flasche auf, als er sagt: »Das trifft sich gut. Ich habe gehört, das halbe Team will bei ihr landen.«

Ich bleibe abrupt stehen.

»Fuck«, stöhne ich vor Schmerz und blicke auf meine Hand.

Sie blutet. Als er erzählt hat, dass die Mannschaft hinter Dia her ist, habe ich die Flasche tatsächlich in der Hand zerdrückt. Eine kleine Scherbe schneidet mir in die Handfläche und reißt die Hand auf.

Ich muss daran denken, wie ich mich vor sechs Monaten mit einem Plastikmesser geschnitten habe. Axel hatte beim Mittagessen mit Dia geflirtet. Ich muss unbedingt aufhören, ständig für dieses Mädchen zu bluten.

Xavier beobachtet, wie ich zum Waschbecken laufe und die Scherbe mit einer Grimasse herausziehe. »Soso, du bist also drüber hinweg, was?«

Ich reiße die Tür der Hausbar auf und schnappe mir eine Flasche Wodka. Desinfektionsmittel haben wir keines da. Es muss auch so gehen.

»Fick dich, Mann«, knurre ich, während ich die Wunde desinfiziere.

»Wie läufts mit der Intervention?«, höre ich eine vertraute Stimme und fluche leise. Eine Sekunde später platzt Theo in die Küche, und ich durchbohre Xavier förmlich mit Blicken. Was kommt denn noch? Hat er vielleicht auch meinen verdammten Vater angerufen?

»Zwecklos«, antworte ich. »Euer Scheißmitleid könnt ihr euch sparen. Mir gehts bestens.«

»Das kannst du deiner Hand erzählen.« Xavier zeigt auf meine blutende Handfläche und ich seufze.

Theo bleibt nach ein paar Schritten in der Küche stehen und verzieht das Gesicht. »Alter, wenn du irgendwen gefickt und das gefilmt hast, gibt dir das noch lange nicht das Recht, eine Millionenvilla in einen Müllplatz zu verwandeln.«

Er hat es ihnen erzählt?

Theo kann nur Bescheid wissen, wenn Xavier nicht den Mund halten konnte. Oder ist es jetzt schon allgemein bekannt? Wahrscheinlich hat Dia mit Lacey darüber gesprochen. Wenn sie einer klatschsüchtigen Cheerleaderin davon erzählt hat, dann weiß es inzwischen die ganze Schule.

»Ich habe es nicht gefilmt«, korrigiere ich ihn und schnappe mir das Verbandszeug aus der Küchenschublade.

»Ach, das ändert natürlich alles«, prustet Theo, und ich zeige ihm über die Schulter den Mittelfinger.

»Pass auf: Er sagt, er hätte sie nicht betrogen«, stellt Xavier für Theo klar, während ich meine Schnittwunde verbinde.

»Im Ernst?« Theo kichert, ein bisschen zu amüsiert für meinen Geschmack. »Und das hast du Dia nicht erzählt, warum?«

Das ist der Punkt, an dem ich ausraste.

»Der Nächste, der noch mal ihren Namen ausspricht, wird dieses Haus mit dem Abdruck meiner Faust in seinem verdammten Gesicht verlassen, habt ihr das verstanden?«

Die beiden sind völlig verblüfft über meinen Ausbruch.

»Wenn ich sie sehen oder Leuten dabei zuhören wollte, wie sie über sie reden, dann wäre ich jetzt in der Schule.«

Stille.

»Kapiert?«, hake ich nach, woraufhin beide nicken.

»Nächstes Thema.« Ich packe das Verbandszeug weg.

Wir gehen wieder hinüber zur Couch, aber ich achte nicht auf ihr Gespräch. Ich will mich jetzt besinnungslos betrinken. Das ist eine beschissene Verdrängungsstrategie, das ist mir schon klar, aber im Augenblick denke ich nur an die volle Flasche Tequila in der Hausbar meines Dads.

»Sie sind übers Wochenende weg. Wollen irgendwie ihre beschissene Ehe retten.« Theos Worte wecken mein Interesse.

Ich reiße den Kopf hoch. »Deine Eltern fahren weg?«

»Genau das sagte ich gerade, du Genie.«

»Wann?«, frage ich.

»Irgendwann heute Abend. Sie wollen erst Montag zurück sein. Wollt ihr Arschgesichter bei mir abhängen?«

Mir kommt eine Idee.

Ich zucke mit den Achseln. »Bei einer Party wäre ich dabei.«

Theo überlegt ein paar Sekunden lang. »Könnte spaßig werden. Das Team wäre sicher mit dabei.«

»Die Cheerleaderinnen könntest du auch einladen«, schlage ich vor. »Ach, weißt du, was? Am besten alle Mädchen, die du auftreiben kannst. Mehr Auswahl.«

Theo muss nicht länger überzeugt werden, aber Xavier scheint alles andere als begeistert. Er glaubt, ich sei ein hoffnungsloser Fall. Er glaubt, Dia hätte mich so fest unter ihrem Pantoffel, dass ich nicht mit einer anderen in die Kiste springen werde.

Er glaubt, ich komme nicht über sie hinweg.

Und, na ja …

Das lässt sich nur auf eine Weise herausfinden.

3. KAPITEL

DIAMOND

Der Sportunterricht war eine Tortur.

Und das meine ich nicht metaphorisch.

Bestimmt gibt es in der Hölle einen besonderen Platz für denjenigen, der Klettern am Turnseil für den Lehrplan vorgeschrieben hat. Ich habe überall Abschürfungen und kann kaum noch laufen.

Seit einer halben Stunde ist Sport vorbei. Eigentlich wäre ich längst fort, aber ich habe Lacey angeboten, sie zu Hause abzusetzen, und jetzt lässt sie sich jede Menge Zeit.

»Lace, kannst du dich ein bisschen beeilen? Ich habe meinen Dads versprochen, dass ich zum Abendessen zu Hause bin.« Ich checke auf meinem Handy die Uhrzeit, während Lacey ihr Make-up in Ordnung bringt.

Normalerweise macht es mir nichts aus, wenn ich das Abendessen verpasse, aber ich möchte meinen Eltern demonstrieren, dass es richtig war, meinen Hausarrest aufzuheben. Ich will sie davon überzeugen, dass sie mir wieder vertrauen können.

»Gleich fertig«, ruft Lacey und trägt noch mehr Mascara auf ihre schon jetzt perfekten Wimpern auf. Fünf Minuten später packt sie die Wimperntusche weg und geht zurück zu ihrem Spind. Gerade als sie ihr Make-up-Täschchen in die Handtasche geschoben hat, trifft auf ihrem Handy eine Textnachricht ein.

Sie verzieht ihren Lipgloss-Mund zu einem schelmischen Lächeln, während ihr Blick über den Bildschirm wandert. »Party bei Theo, heute Abend. Seine Eltern sind übers Wochenende weg. Interessiert?«

Ob Finn auch kommen wird?

Gott, wenn ich ihn dort treffe?

Wenn –

Dia, hör auf. Du gibst ihm viel zu viel Kontrolle über dich.

»Was für eine Frage!« Ich werfe mir den Riemen der Sporttasche über die Schulter und schiebe meine Spindtür zu.

Lacey kreischt. »Ich frage gleich mal bei Axel nach, ob dieser Typ mit den Magic Mushrooms auch kommt.«

Mich beschleichen Zweifel.

Lacey und ich reden schon eine Weile darüber, diese Pilze mal auszuprobieren. Nachdem ich das Sexvideo gesehen hatte, war ich fix und fertig. Als Lacey dann vorbeikam, sprach ich in einem verzweifelten Moment von Drogen. Ich meinte eigentlich harmloses Zeug, aber als Lacey Pilze vorschlug, widersprach ich ihr nicht.

Gott, wer bin ich eigentlich?

Bis vor dem letzten Sommer hatte ich keinen einzigen Drink angerührt.

Ich wusste nicht mal, wie Alkohol schmeckt, und jetzt sind Drogen und Alk jedes Wochenende das Thema. Das kommt davon, wenn man einen Sportler datet. Die wenigen Male, die ich mich fast habe mitreißen lassen, war zum Glück Aveena zur Stelle, um mich wieder zur Vernunft zu bringen.

Ich habe ihr versprochen, künftig von hartem Zeug die Finger zu lassen. Dieses Versprechen würde ich brechen, wenn ich das mit den Pilzen durchziehe. Bis jetzt war es leicht, Finn mit seinem Lebensstil die Schuld dafür zu geben, aber jetzt wo wir Geschichte sind?

Jetzt bin allein ich verantwortlich.

»Kann ich Vee einladen?«, frage ich, als wir die Umkleide verlassen.

Lacey windet sich. »Muss das sein?«

Ich würde gern behaupten, dass mich ihre Reaktion überrascht, aber Lacey hat schon mal erwähnt, sie finde Aveena ein bisschen … verklemmt? Lacey hält Aveena für einen Moralapostel, aber ich habe deutlich gemacht, dass ich Vee trotzdem weiter einladen werde.

»Ich muss das nicht, ich will. Sie ist meine beste Freundin, Lace.«

»Das macht sie trotzdem nicht zur Stimmungskanone«, murmelt sie vor sich hin. »Also schön, lade die Spaßbremse ein.«

»Sie ist keine Spaßbremse.«

»Wirklich?« Lacey zieht eine Augenbraue hoch. »Hast du ihr denn von den Magic Mushrooms erzählt?«

Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, klappe ihn aber gleich wieder zu.

Lacey deutet mein Zögern als Bestätigung. Höhnisch meint sie: »Wie schon gesagt: Spaßbremse. Du machst dir was vor, wenn du glaubst, sie wäre damit einverstanden.«

Ich weiß, dass sie recht hat. Natürlich habe ich Vee nichts davon erzählt. Aber nur weil ich wusste, dass sie dagegen wäre. In Wahrheit bin ich nicht mehr das unschuldige Mädchen, das ich vor den letzten Sommerferien noch war. Vielleicht hat Lacey ja recht. Vielleicht mache ich mir etwas vor.

Aveena und ich haben uns auseinandergelebt.

Und ich bin mir nicht sicher, ob wir wieder zusammenfinden können.

***

Ich hätte nicht herkommen sollen.

Während ich mich mit den Mädchen fertig machte, konnte ich mir einreden, Finn hätte keine Macht mehr über mich. Es war leicht zu sagen »Zum Teufel mit ihm«, während wir bei Lacey vorglühten und tanzten.

Aber jetzt wo wir hier sind? Und vor Theos Haus parken? Alles ist schwierig. Aus dem Auto aussteigen. Ein entschlossenes Gesicht aufsetzen. So tun, als würde ich Finns Auto auf der anderen Straßenseite nicht sehen.

So verdammt schwierig.

Er ist dort drin. Trinkt wahrscheinlich mit seinen Freunden und spuckt große Töne, sich heute Abend jemand aufzureißen. Ich dachte, ich würde sterben, als Lacey mir den Grund erzählte, warum Theo eine Party schmeißt. Offenbar hatte ihn Finn darum gebeten, damit er sich nach etwas Neuem umsehen kann.

Einem neuen Mädchen.

Einem neuen ich.

Nennt mich nachtragend, aber ich werde es ihm nicht leicht machen. Ich werde jedes Mal da sein, wenn er versucht, mich hinter sich zu lassen. Ich werde ihn verurteilen, ihn anstarren. Er wird sich nicht einfach so eine Neue anlachen nach dem, was er getan hat.

»Danke fürs Fahren, Vee«, lalle ich, als wir aus meinem Auto aussteigen.

Der letzte Tequila-Shot war definitiv zu viel.

»Kein Problem.« Aveena ringt sich ein Lächeln ab und ich krümme mich innerlich zusammen.

Noch etwas, das ich nicht hätte tun sollen: sie einladen.

In dem Moment, in dem sie bei Lacey auftauchte, konnte ich es ihr schon ansehen. Ihr Bedauern. Sie bereute ihre Entscheidung. Ich kann es ihr nicht verdenken. Lacey und ich waren schon angetrunken, bevor sie ankam. Ich war gar nicht mehr in der Lage zu fahren, wodurch ihr nichts anderes übrig blieb, als Chauffeuse zu spielen.

Warum ich sie eingeladen habe, wollt ihr wissen?

Weil ich sie brauche, deshalb.

Ich habe sie angefleht mitzukommen, obwohl ich weiß, dass ihr diese Dinge unangenehm sind. Aveena Harper ist meine Stimme der Vernunft. Sie hält mich zurück, wenn ich etwas Dummes tun will. Ich benutze sie als moralischen Kompass und behalte sie in meiner Nähe als Erinnerung daran, wie ich war – eine gute Schülerin, eine gute Tochter, ein guter Mensch.

Ich weiß, wenn sie dabei ist, werde ich nicht zu weit gehen.

Wie abgefuckt ist das?

Lacey hält jeder von uns eine Flasche Wodka hin, hängt sich bei mir ein, dann stolpern wir gemeinsam Richtung Haustür. Ich sehe Aveena auf ihrem Handy herumtippen und hake sie unter, um ihre Sozialphobie etwas zu lindern. Sie schenkt mir ein dankbares Lächeln.

Ich zähle die Sekunden herunter, bis wir drin sind.

4.

Ich lege die Hand auf den Türknauf.

3.

Wir gehen hinein.

2.

Es fühlt sich an, als würde uns der ganze verdammte Raum anstarren.

1.

Ich sehe ihn.

»Scheiße, ist es hier voll«, bemerkt Lacey, aber ich kann nicht antworten.

Ich kann nur den Kerl anstarren, der mir das Herz gebrochen hat.

Finn, Xavier und Theo sitzen im Wohnzimmer auf der Couch. Ich hasse es, wie schnell Finn quer durchs Zimmer meinen Blick erhascht. Ich hasse es, dass ich den Blickkontakt aufrechterhalte. Ich hasse es, dass ich immer noch den Typen sehe, der Lexie in den Armen hielt, als sie starb. Ich bin so dumm, in seinen Augen nach einem schmerzlichen Ausdruck zu suchen. Überraschenderweise finde ich dort nichts als Wut.

Er ist stinksauer.

Er will nicht, dass ich hier bin.

Tut mir leid, versaue ich dir etwa die Chance, ein neues Mädchen zu finden, das du betrügen kannst?

Selbst wenn ich nicht hier wäre, weiß doch jedes Mädchen in der Schule, was er getan hat. Als ich es Lacey anvertraut habe, hätte ich wissen müssen, dass sie es der halben Cheer-Truppe weitererzählt. Zuerst hat mich das geärgert, aber jetzt? Ich bin froh, dass es alle wissen. Wenn ich damit verhindern kann, dass auch nur einem Mädchen so etwas passiert, sehe ich das als Gewinn.

Ich habe Lacey natürlich nicht erzählt, wer das Mädchen im Video ist. Sie und Remy sind seit ihrer Kindheit befreundet und ich wollte nicht, dass Lacey deswegen ihre Meinung über sie ändert. Ich gebe Remy nicht die Schuld daran, was geschehen ist. Ich gebe sie Finn.

Wahrscheinlich ist Remy nur ein weiteres Opfer von seinen hübschen Lügen. Ich bin ihr dankbar, dass sie mir das Video geschickt hat. Ansonsten wäre ich immer noch die Idiotin, die glaubt, dass Finn Richards sie lieben würde.

In dem Moment sagt Finn etwas zu seinen Freunden, und man muss kein Genie sein, um zu erraten, dass es um mich geht. Xavier und Theo werfen fast augenblicklich die Köpfe in den Nacken und wenden uns ihre Aufmerksamkeit zu.

Dann springt Finn ohne einen weiteren Blick in meine Richtung auf und schnappt sich seine Schnapsflasche von der Couch. Er setzt zu einem langen Schluck an, dann verschwindet er.

Ein Blick.

Nur ein Blick zu mir, dann läuft er davon.

Eigentlich nichts Neues – der Unterschied ist nur …

Diesmal jage ich ihm nicht hinterher.

4. KAPITEL

DIAMOND

Ich kann euch gar nicht genau sagen, wann dieser Abend scheiße wurde.

Vielleicht war das bereits vorbestimmt, als wir bei Theo vorfuhren. Oder die Sache ging bergab, als ich Finn im Wohnzimmer entdeckte. Klar, der Abend begann schon nicht gerade verheißungsvoll, aber wenn ich raten müsste? Ich denke, es gab kein Zurück mehr ab dem Punkt, als Lacey in Aveenas Gegenwart von den Pilzen anfing.

»Dia, Axel hat die Pilze dabei. Gehen wir«, sagte Lacey.

Dabei hatte ich Lacey doch erzählt, was ich Aveena versprochen hatte. Offensichtlich war sie zu betrunken, um sich daran zu erinnern. Aber der Ausdruck in Aveenas Gesicht ließ keinen Raum für Zweifel. Auch sie erinnerte sich nur zu gut daran. Ich konnte die Gedanken förmlich in ihren Augen aufblitzen sehen.

»Keine harten Drogen mehr, Dia. Du hast es versprochen.«

Ich gebe das ungern zu, aber die Enttäuschung in ihrem Blick war nur allzu vertraut. Ich hatte ihn schon oft gesehen. Meistens auf Partys. Aveena hält nicht viel von der neuen Dia. Zum Teufel, ich selbst halte nicht viel von der neuen Dia, aber das hinderte mich nicht daran, dem Gruppenzwang nachzugeben, als Lacey nachhakte: »D, komm schon! Schließlich war es deine Idee!«

Aveena konnte ihr Entsetzen darüber nicht verbergen, dass ich die harten Drogen vorgeschlagen hatte. Wütend war sie allerdings nicht. Nur traurig. Aber sie fühlte auch nicht, was ich im Inneren fühlte. Diese Höllenqual, die sich wie ein Schatten an mich klammert. Das verzweifelte Verlangen, dem Schmerz zu entkommen. Ich stand von der Couch auf, aber das schlechte Gewissen ließ mich wie angewurzelt stehen bleiben. Ich konnte Aveena nicht alleine lassen, nicht wenn sie nur meinetwegen zur Party mitgekommen war.

»Vee, ich …«

»Schon gut, ich möchte ohnehin gehen.« Aveena stand auf.

Im Handumdrehen hatte sie sich durch die Menge geschoben. Ich rief ihr nach, aber es war schon zu spät. Sie war längst aus dem Haus.

»Lass sie. Sie hätte uns sowieso den Abend verdorben.« Lacey schnappte mich am Arm, bevor ich meiner Freundin nachgehen konnte. »Los, Axel wartet schon.«

»Ich will nicht.« Ich löste meinen Arm aus ihrem Griff.

Lacey zog eine Augenbraue hoch. »Wie bitte?«

»Du hast richtig gehört. Ich komme nicht mit.«

Sie verzog ärgerlich das Gesicht. »Was ist dein Problem?«

»Dass du unbedingt vor ihrer Nase darüber reden musstest. Was hast du nur gegen sie?«

Lacey zuckte mit den Schultern. »Vielleicht bin ich einfach kein Fan von diesem Mädchen, na und?«

»Was hat sie dir denn getan? Bloß weil sie sich nicht zum Spaß volldröhnt, ist sie nicht gut genug?«

»Bekommst du überhaupt mit, was du da sagst? Das Ganze war doch deine Idee. Ist doch nicht meine Schuld, dass deine Freundin eine verdammte Loserin ist.«

»Sie soll eine Loserin sein? Du bist es doch, die sich ein Wochenende nach dem anderen abschießt, um ihre ständig abwesenden Eltern zu vergessen.«

Sofort wusste ich, dass ich zu weit gegangen war. Laceys Gesichtsausdruck veränderte sich innerhalb von Sekunden von angepisst zu verletzt.

»Weißt du, was? Fick dich. Geh zurück zu deiner Loser-Freundin«, keifte sie und verschwand in der Menge.

Mittlerweile ist es fünfzehn Minuten her, seit Lacey davongestürmt ist und den Nagel in den Sarg unserer Freundschaft geschlagen hat. Seither irre ich ziellos auf der Party umher. Ich trinke von meinem Wasserglas, warte darauf, dass ich nüchtern genug bin, um heimzufahren. Dummerweise dreht sich mein Kopf wie eine verdammte Ballerina und ich glaube nicht, dass ich mich allzu bald ans Steuer setzen werde.

Ich habe keine Ahnung, wohin Aveena verschwunden ist. Nach der Sache mit Lacey habe ich im Garten vor dem Haus nach ihr gesucht und es gab noch einmal Streit, aber von Aveena war weit und breit nichts zu sehen. Ich schätze, sie hat sich von ihrer Mom abholen lassen? Ich habe überlegt, ihr eine Nachricht zu schicken, aber ich fürchte, sie würde eh nicht antworten, so wie das hier gelaufen ist.