Ein Quantum Toast - Judith Stadlin - E-Book

Ein Quantum Toast E-Book

Judith Stadlin

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Beschreibung

Judith Stadlin schreibt so, wie wir heute reden. Nur lustiger!Ihr neues Buch enthält ein grosses Quantum Humor. Die gewiefte Spoken-Word-Autorin spielt auf originelle Weise mit Wörtern und Beobachtungen des Alltags. Das Multitalent öffnet uns den Blick fürs Komische, wo wir es nicht erwarten. Ob es ums (politisch) korrekte Schreiben geht oder um Missverständnisse beim Übersetzen, ob Hotlines das Thema sind oder die Anatomie von Würmern, oder allerhand Babylonisches auf dem Campingplatz – immer geschieht dies mit Stadlins typischem Wortwitz. Und mit mehr als 30 gefilmten Texten. Ein Kino im Kleinformat!

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Foto: Michael van Orsouw

Judith Stadlin

Ist ein Multitalent; ausgebildete Bühnenfachfrau, Liveliteratin, Germanistin und Musikwissenschaftlerin (lic. phil. I), Schriftstellerin, Schauspielerin, Sprecherin, Regisseurin, Kabarettistin und Dozentin. Sie verfasst Bücher, Theaterstücke, Libretti, Theatertouren, Hörspiele und Radiotexte. Sie erhielt mehrere Preise und Stipendien. Sie ist Teil des Bühnenduos Satz & Pfeffer, das in Zug eine namhafte Lesebühne betreibt. «Ein Quantum Toast» ist nach dem erfolgreichen Mundartbuch «Häschtääg zunderobsi» ihr zweites Buch bei Zytglogge.

www.judithstadlin.ch

www.satzundpfeffer.ch

«Müsste ich ein Quantum Senf zu Judith Stadlins neuem Buch geben — das sind wunderbar lautmalerische und lustvoll erzählerische Texte in helvetischem Deutsch und im Zuger Dialekt, der literarisch noch nicht so ausgezehrt ist wie andere Schweizer Idiome.»

Bänz Friedli, Autor und Kabarettist, Zürich

«Judith Stadlin schafft es, eine bewundernswerte Beobachtungsgabe mit Wortwitz und Sprachspiel unter einen Hut zu bringen. Wow! Mir bleibt Bewunderung und ein Hauch Neid ;-).»

Jonny Fischer, Comedian

«Niemand jongliert so kunstvoll und akrobatisch mit Wörtern wie Judith Stadlin. Ihr frecher, witziger, geistreicher Umgang mit der Sprache fasziniert mich. Sie zerlegt Sätze und Aussagen, bis sie in Einzelteilen daliegen, wie ein noch nicht montiertes Möbel. Und Judith Stadlin zaubert sie wieder zusammen.»

Blanca Imboden, Schriftstellerin

MIT EXTRA FILMMATERIAL

über 30 Videoclips der Autorin integriert als QR-Codes

Judith Stadlin schreibt so, wie wir heute reden. Nur lustiger!

Warnung: Dieses Buch enthält Humor. Die gewiefte Spoken-Word-Autorin spielt auf originelle Weise mit Wörtern und Beobachtungen des Alltags. Sie öffnet uns den Blick fürs Komische, wo wir es nicht erwarten. Ob es ums (politisch) korrekte Schreiben geht oder um Missverständnisse beim Übersetzen; ob Hotlines das Thema sind oder allerhand Babylonisches auf dem Campingplatz – immer geschieht dies mit Stadlins typischem Wortwitz. Und mit mehr als 30 gefilmten Texten. Ein Kino im Kleinformat!

Berlin, Netlounge.

Ich muss viele Blätter kopieren.

Anschliessend schlägt der junge Mann an der Theke mir vor, all die kopierten Blätter zu tackern. Ich überlege, was das heissen könnte: tackern. Ich finde es nicht heraus und frage.

Er lacht und zeigt mir den Bostitch.

«Ach so, Sie meinen den Bostitch?», sage ich, «ja, gerne!»

«Bostic?», fragt er, «sind Sie aus Kroatien?»

Die Autorin und der Verlag danken herzlich für die Unterstützung:

Bürgergemeinde Cham

Hürlimann-Wyss Stiftung Zug

Der Zytglogge Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2024 unterstützt.

© 2023 Zytglogge Verlag, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Angelia Schwaller

Korrektorat: Jakob Salzmann

Covergestaltung: Monica Kummer

E-Book-Produktion: CPI books GmbH, Leck

ISBN E-Book: 978-3-7296-2396-5

www.zytglogge.ch

«Mit Humor kannst du’s nicht länger, aber besser!»Tyduj Nildaz

Inhalt

Lizenz zum Lachen

(quasi das Vorwort)

Piotrchens Mondfahrt

(Fassung Zuger Dialekt)

Piotrchens Mondfahrt

(Fassung deutsch)

Follow the Mami

Badiguard

Hundert Jahre Eitelkeit

Der Star Wars

Club der guten Dichter

Aristomaus

Die Nebel von Anderswo

Münz und Vorurteil

Wer mit dem Holz tanzt

Mischen impossible

Frucht der Karibik

Jahrmarkt der Etiketten

Am besten nichts Neues

Der Name der Hose

Das grosse Diktat

Das Wunder von Imperia

(Ein Stummfilm)

Blöde Runner

Die Frau mit dem Fagott

Wortes Bruder

Wir Kinder von der Bahnhofstrasse

Und jährlich grüsst der Tannenbaum

Finding Mario

Auf der Suche nach dem verlorenen File

Gottes Werk und Teufels Technik

Das Alte muss an die frische Luft

Spiel mir das Leid von der Hotline

Ein Quantum Toast.

E 1.-Auguscht-Aasproch

Ein Quantum Toast.

Eine 1.-August-Ansprache

Die Fögel

Madame Bowäärli

Chercher la forme

Die Schönen und das Crocodail

Tuntenherz

Burn after Learning

Wurms Anatomy

Homo Fahrer

Ich war dann mal weg

Sau(f)park

Die Schweizerlacher

Die unendlichen Gewichte

Herrin der Augenringe

Fack Ju, Leo

Die unerwartete Leichtigkeit des Steins

Das Leben beim Wandern

Schein, der Weg ins Nichts

Und Elvis ging zum Regenbogen

Ade caluups now – Dialektfassung

Ade caluups now – Deutsche Fassung

Bonusmaterial

Weiteres Bonusmaterial

Das grosse Danke

Lizenz zum Lachen

(quasi das Vorwort)

Liebe Leserin bis Leser.

Sie haben dieses Buch aufgeschlagen, denn Sie möchten sich unterhalten lassen.

Von mir und meinen Texten.

Sehr gerne werde ich Sie unterhalten!

Weil das Wort Unterhaltung das Unten in sich drin hat, meinen manche Leute,

Unterhaltung sei minderwertig.

Sobald etwas unterhaltsam sei, sei es fragwürdig.

Das ist Unsinn!

In einem Buch und auf der Bühne kann es nie zu viel Unterhaltung geben.

Höchstens zu wenig!

Das, was in diesem Buch erzählt wird, sollen Sie verstehen,

ohne vorgängig sieben Workshops absolviert zu haben …

Weil Unterhaltung niederschwellig ist,

wird sie gerne mit tiefem Niveau gleichgesetzt.

Ja, einer Kunst, die Spass macht, wird gerne nachgesagt, sie sei keine Kunst.

Doch wissen Sie was?

Kunst ist umso besser, je unterhaltender sie ist, und sie ist umso unterhaltender, je besser sie ist!

Denn die Tatsache, dass es viel fragwürdige Unterhaltung gibt,

macht die Unterhaltung an sich nicht fragwürdig!

Selbst der grosse Molière sagte:

«Ich besitze keinen höheren Ehrgeiz, als mein Publikum zu unterhalten.»

Und der Herkunfts-Duden meint:

Unterhalten bedeute,

die Existenz einer Person oder einer Sache sichern.

Sehen Sie, indem ich Sie unterhalte, sichere ich Ihre Existenz!

Und das Tolle:

Sie unterhalten mich auch!

Wirklich!

Selbst wenn Sie die allergrössten LangweilerInnen wären.

Sie sichern meine Existenz,

indem Sie meine Geschichten lesen oder ihnen lauschen,

– und indem Sie dafür bezahlen.

Was kann es Besseres geben:

Ich sichere Ihre Unterhaltungund Sie sichern meinen Unterhalt!

Eine klassiche Win-win-Situation.

Herrlich!

(PS: Was denken Sie, wie oft kommt in diesem Text der Wortteil unterhalt vor?

Die Antwort lautet: 20-mal.

Beim Schreiben vertippte ich mich allerdings 20-mal!

Ich schrieb immer:

unterhlat.

Doch nur 18-mal habe ich es korrigiert.)

Somit wünsche ich Ihnen nun:

Gute Unterhlatung!

Und hier finden Sie dieses Vorwort als Film:Einfach mit der Kamerafunktion vom Smartphone drauf gehen, ganz ohne App. Und zack, im Browser öffnen!

Piotrchens Mondfahrt

(Fassung Zuger Dialekt)

Chönd Si Russisch? Ich leider nid. Ich cha verhältnismässig wenig Sproche.

Uf dere Wält gäbs schyns nämmli momentan 7097 gsprochni Sproche. Früener, i de Urzyt, sygids no 20 000 Sproche gsy.

Wäg dere Abnahm vo de Sprochevillfalt hed d UNESCO de «internationali Tag vu de Muetersproch» erfunde – «zur Förderung sprachlicher und kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit».

Muetersproch?

Das Wort gohd devo uus, dass d Mueter diheimen isch – und redt. Und de Vatter uf d Pirsch gohd – und schwygt.

Si gsehnd, s Wort Muetersproch isch liecht tendänziös, so i Sache Glychstellig und Rägebogegsellschaft und Diversität und Villfalt. Drum hed mers dur de Begriff Erschtsproch ersetzt. Wils cha sy, dass emol d Mueter uf d Jagd gohd (nach wilde Tier oder Ehr oder Gäld) und schwygt, und dass de Vatter diheime au emol öppis seid zu de Chind.

Bi dene guet 7000 Sproche, wos no gid, weis ich nid, öb do alli Dialäkt, nume scho die vo de Schwiiz, mitzellt sind. Ich vermuete, si sygid nid deby.

Und de isch natürli d Frog, öb Schwiizerdütsch überhaupt e eigni Mueter-, aso Erschtsproch syg. Oder öb si eifach zum Dütsche ghöri.

– Die Frog chönd d Wüsseschaftler schyns nid klar beantworte.1

Ich meinti aber, wenn jede Dialäkt i allne Länder uf de Wält als eigni Erschtsproch definiert wäri, de chiemtid mer uf wyt meh als 7097 Sproche.

Anyway. Uf jede Fall sygis eso, dass vu dene no gredte Sproche d Hälfti au scho wider vom Uusstärbe bedroht sygi!

Do dezue ghörid jetz hundertpro au alli üsi Dialäkt!

A dere Entwicklig bin ich sälber tschuld, gnau wie au Si!

Säg ich öppe im Sportgschäft a de Zürcher Bahnhofstrooss, ich suechi e grüene Baueletampf?

Hoischid Si z Basel im Hiltl e Portion Gumelstunggis?

Kei Ahnig, was Si serviert überchiemtid, aber allwäg chuum e Täller Härdöpfelstock … und mich füerti de Sportartikelverchäufer dänk au nid straight zum Gstell mit de Zipfelchappe. Wil … mer verstöcht üs eifach nid, wemmer i de Schwiizer Grossstadt settigi lokali Wörter bruuchti! Drum probierid mers dete gar nid erscht mit üsne Dialäktuusdrück.

Und gnau drum machid mier immer wider de Spagat zwüsched em Dialäkt-Dänke und de verbale Simultanübersetzig is Quasi-Dütsche. Oder is allgemein verständliche Swinglisch2.

Wemmer redid, wämmer nämmli vor allem verstande wärde und nid hauptsächlich üsi Härkumft betone oder uf eme Dialäktuusdruck umeryte. Drum passid mier alli (wie die meischte Mänsche uf de Wält) üs de Sproch vom Stärchere, vom Grössere aa. Und das, wo mer jede Tag z Züri sägid, öppe «Wohnzimmer» statt «Stube», «foode» statt «z Mittag ässe» und «google» statt «überlegge», das sägimer de mit de Zyt au diheime z Gräche, z Steine oder z Arbon. Und sogar z Zug, wo einewäg e grosse Teil vom Volch Änglisch oder Russisch redt.

Die Aapassig und Vereinheitlichung passiert uf de Wält zwar mängisch mit Gwalt3, meischtens passiert die Aapassig a ne Sproch aber ohni Zwang.

Ja: Grossi und starchi Natione füerid zu sprochlicher Homogenität! Drum redid hüttzutags d Hälfti vu de Mänsche uf de Wält eini vu de zäh meischtgredte Sproche! Mier Mänsche sind Härdetier und sicher hilft au d Digitalisierig und d Globalisierig mit, die sprochlichi Kommunikation z vereinheitliche.

Di drüü meischtgredte Sproche uf de Wält? Änglisch, Mandarin-Chinesisch und Spanisch. Dütsch erschynt erscht a 13ter Stell und Italiänisch a 19ter.

Jetz chönnt mer vermuete, eini, wo Zugerdütsch schrybt, so wien ich, heig e Mission. Mer chönnt vermuete:

… Ich weli d Globalisierig stoppe! … De chinesischi Wältmärchtvormarsch torpediere! … Ich weli, dass weder Google no Facebook myni Dialäktsätz tscheggid! … Dass d CIA mich digital nid chöng überwache!

– Ja, klar, das wäri als Näbeneffekt vom Dialäktschrybe gar nid schlächt.4 Aber de Grund für myni Dialäktstorys isch das nid.

Ich wett nämmli Gschichte verzelle – und deby verstande wärde!

Wie chiems ächt use, wenn d CIA myni Teggscht würdi übersetze? Oder de russisch Gheimdienscht?

Für ne möglichi Antwort mues i churz echli uushole:

Es gid e zugerdütsche Teggscht vo mier, de heisst «Bi Wädelmond»5. Es isch es Gschichtli über zwee Manne – e Ruech und e Süffel – wo bi Vollmond Chritz mitenand überchömid.6

Won ich letschti emol de Film mit dere Gschicht uf em Netz gsuecht ha zum de Link wyterschicke, bin ich zuefelig uf ne Syte cho, wo gheisse hed «Deutsche Sprache.ru». Jesses, ich ha nid schlächt gstuunnet: Det isch myn Zugerdütsch-Teggscht schriftlich übersetzt gsy uf Russisch!

Ich verstohne jo äbe leider keis Wort Russisch. Aber, keis Problem – wil praktischerwys isch det de russisch Teggscht wider zruggübersetzt gsy – uf Hochdütsch!

Zum Erfahre, was ich de Russinne und Russe do für nes Gschichtli verzellt ha, hätt ich eigentlich nume müesse d Zruggübersetzig uf Dütsch läse.

Gnau das han ich probiert! Und bi verschrocke:

Wow, ich säge Ihne! Won ich die Übersetzig vom Russisch zrugg is Dütsche gläse ha, han ich gemerkt, was die Story über de Wädelmond für nes rysigs … sägimer «Interpretationspotenzial» hed!

Es Byspil: De eifachi Dialäktsatz

«De Schlawyner isch überstellig worde und hed de Gütterler verhündelet und gmöögget, er söll kei Spargimänter mache»7

hed dur d Übersetzig unfassbari Dimensione aagno. D Übersetzig isch nämmli eso usecho:

«Schlawyner hätten wie Monster, so Ricardo.

Flut die Politik Müll!

Für Oslo passiert sie Kabinettsumbau Ringsgwandl, was in der Folge schlief.»

Momänt emol! … Chömid Si no druus? Oder ehnder nid? –

Wüssid Si was? Ich au nid! Und das isch zimmli erstuunlich, wil schliesslich bin ichs, wo de Ursprungstext gschribe ha …

Obacht, im nögschte Byspil wirds grad no tragisch:

«Eine Freundin ging dank billiger Chemicals inc. in eine Steckdose.»

Gsehnd Si s au?

I mym Teggscht steckt meini – das han ich dank dere Secondhand-Übersetzig erchännt – Induschtriekritik, tragischi Liebi, Kunscht-, Politik- und Gsellschaftskritik und au no Religiös-Spirituells.

Churz: luuter Theme, won ich kei grossi Ahnig ha devo. Dezue chund kunschtvoll verklausulierti Symbolik, Sport, Filmgschicht und Sience Fiction!8

Do nomol en Uusschnitt us de automatische Übersetzig vom Zugerdütsche – via Russisch – is Hochdütsche. Lönd Si sich die Logarhithmus-Poesie uf de Zunge vergoh:

«Der Grosse stösst im Capital ab und der letzte Brief verkörpert ist der kleine.

Verbrechen oder vertrieben – das Spenderherz ist Courage!

Und reinigten sie die Akuten, dass es nur so kracht.»

Sünd und schad isch nume, dass settigi interessanti Sätz kei Mänsch verstohd!9

Dass mier das nid passiert han ich mich entschlosse, i dem Buech e Grossteil vo de Gschichte uf Dütsch z schrybe. Es paar Gschichte chammer i beidne Sproche läse, und es paar sind nume uf Dialäkt druckt.

Wil wie gseid:

Ich würd scho no gärn vo möglichscht villne Läserinne und Läser verstande wärde!

(Und nid öppen eso:

Geführt wird und reinigt war es Peter!

Und der heillos von der Mondfähre.)

… Alls klar?

… Nid?

Guet, denn bin i beruiget!

Piotrchens Mondfahrt

(Fassung deutsch)

Sprechen Sie Russisch? Ich leider nicht. Ich spreche verhältnismässig wenige Sprachen.

Auf dieser Welt gebe es nämlich momentan 7097 gesprochene Sprachen. Früher, in der Urzeit, sollen es noch 20 000 Sprachen gewesen sein.

Aufgrund dieser Abnahme der Sprachenvielfalt erfand die UNESCO den «internationalen Tag der Muttersprache – zur Förderung sprachlicher und kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit».

Muttersprache?

Dieses Wort geht davon aus, dass die Mutter zu Hause ist – und spricht. Und, dass der Vater auf die Pirsch geht – und schweigt. Sie sehen: Das Wort Muttersprache ist leicht tendenziös, so in Sachen Gleichstellung und Regenbogengesellschaft und Diversität und Vielfalt. – Deshalb hat man es durch den Begriff Erstsprache ersetzt. Weil es denkbar ist, dass die Mutter auf die Jagd geht (nach wilden Tieren oder Ehre oder Geld) – und schweigt, und dass der Vater zu Hause auch mal was sagt zu den Kindern.

Ich weiss nicht, ob bei diesen gut 7000 Sprachen, die noch gesprochen werden, alle Dialekte – nur schon diejenigen der Schweiz – miteingerechnet sind. Ich vermute, sie sind nicht mitgezählt.

Und dann taucht natürlich die Frage wieder auf, ob das Schweizerdeutsche überhaupt eine eigene Mutter-, … ich meine Erstsprache sei. Oder ob es einfach zum Deutschen gehört.

– Diese Frage können die Wissenschaftler nicht eindeutig beantworten.1

Ich denke jedoch, wenn jeder Dialekt in allen Ländern der Welt als eigene Erstsprache definiert wäre, dann kämen wir beim Zählen auf weit mehr als auf 7097 Sprachen.

Wie auch immer. Auf jeden Fall sei es so, dass von diesen noch gesprochenen Sprachen die Hälfte bereits wieder vom Aussterben bedroht sei!

Dazu gehören hundertprozentig auch alle unsere Schweizer Dialekte.

An dieser Abwärtsentwicklung bin ich selber schuld, genau wie auch Sie.

Sage ich etwa im Sportgeschäft an der Zürcher Bahnhofstrasse, ich sei auf der Suche nach einem grünen Baueletampf?

Bestellen Sie im Basler Restaurant Hiltl eine Portion Gumelstunggis?

Keine Ahnung, was Sie aufgetischt bekämen, aber wohl kaum einen Teller mit Kartoffelstock … Und mich würde der Zürcher Sportartikelverkäufer sicher nicht direkt zum Gestell mit den Zipfelmützen führen. Denn … man würde uns schlicht und einfach nicht verstehen, wenn wir in einer Schweizer Grossstadt derlei lokale Wörter gebrauchen würden! Deshalb versuchen wir es dort gar nicht erst mit unseren Dialektwörtern.

Und exakt deshalb wagen wir immer wieder den Spagat zwischen dem Dialekt-Denken und der verbalen Simultanübersetzung ins Quasi-Deutsche. Oder ins allgemein verständliche Swinglisch2.

Wenn wir sprechen, dann möchten wir nämlich vor allem verstanden werden! Wir möchten nicht hauptsächlich unsere Herkunft betonen oder auf einem Dialektausdruck herumreiten. Deshalb passen wir alle (wie die meisten Menschen auf der Welt) uns der Sprache des Stärkeren, des Grösseren an. Und was wir jeden Tag in Zürich sagen, etwa «Wohnzimmer» anstatt «Stube», «foode» anstatt «Mittag essen» und «google» anstatt «überlegen», das sagen wir logischerweise mit der Zeit auch zu Hause in Grächen, in Steinen oder in Arbon. Und sogar in Zug, wo ohnehin ein grosser Teil der Bevölkerung Englisch oder Russisch spricht.

Diese Anpassung und Vereinheitlichung geschieht auf der Welt zwar manchmal mit Gewalt3, meistens passiert diese Angleichung an eine Sprache aber ohne Zwang.

Ja: Grosse und starke Nationen führen zu sprachlicher Homogenität! Darum reden heute die Hälfte der Menschen auf der Welt eine der zehn meistgesprochenen Sprachen! Wir Menschen sind Herdentiere, und sicher helfen auch die Digitalisierung und die Globalisierung mit, die sprachliche Kommunikation zu vereinheitlichen.

Die drei meistgesprochenen Sprachen auf der Welt sind Englisch, Mandarin-Chinesisch und Spanisch. Deutsch erscheint erst an 13. und Italienisch an 19. Stelle.

Jetzt liegt die Vermutung nahe, eine Person, die Zugerdeutsch schreibt, so wie ich, habe eine Mission. Man könnte denken, ich wolle:

… Die Globalisierung aufhalten! … Den chinesischen Weltmarktvormarsch torpedieren! … Verunmöglichen, dass Google oder Facebook meine Dialektsätze versteht! … Dass die CIA mich digital nicht überwachen könne!

– Ja, klar, als Nebeneffekt des Dialektschreibens wäre dies alles gar nicht schlecht.4 Aber der wahre Grund für meine Dialektstorys ist es nicht.

Ich möchte nämlich bloss Geschichten erzählen – und dabei verstanden werden!

Aber trotzdem eine lustige Idee: Was käme wohl heraus, wenn die CIA meine Texte übersetzen würde? Oder der russische Geheimdienst?

Für eine mögliche Antwort muss ich kurz ausholen:

Es gibt einen zugerdeutschen Text aus meiner Feder, der heisst «Bi Wädelmond»5.

Dies ist eine Geschichte über zwei Männer – einen Grobian und einen Trunkenbold – die sich bei Vollmond in die Haare geraten.6

Als ich einmal den Film mit dieser Geschichte auf dem Netz suchte, um den Link an jemanden zu verschicken, geriet ich zufällig auf eine Seite, die «Deutsche Sprache.ru» hiess. Oh Gott, ich staunte nicht schlecht: Dort war mein Zugerdeutsch-Text schriftlich übersetzt auf Russisch!

Ich verstehe ja eben wie schon gesagt kein Wort Russisch. Doch kein Problem, denn praktischerweise stand dort der russische Text gleich wieder zurückübersetzt – und zwar auf Hochdeutsch!

Um zu erfahren, was Russinnen und Russen da von mir für eine Geschichte erzählt bekamen, hätte ich eigentlich bloss die Zurückübersetzung auf Deutsch lesen müssen.

Das habe ich natürlich versucht … Doch ich erschrak nicht schlecht:

Wow, ich kann Ihnen sagen! Als ich die Übersetzung von der russischen Version meiner «Wädelmond»-Geschichte zurück ins Deutsche las, merkte ich erst, wie viel … nun, sagen wir mal «Interpretationspotenzial» … meiner Story über den Wädelmond innewohnt.

Ein Beispiel: Der einfacher Dialektsatz «De Schlawyner isch überstellig worde und hed de Gütterler verhündelet und gmöögget, er söll kei Spargimänter mache»7

erhielt durch die Übersetzung geradezu unfassbare Dimensionen. Die Übersetzung lautete nämlich so:

«Schlawyner hätten wie Monster, so Ricardo.

Flut die Politik Müll!

Für Oslo passiert sie Kabinettsumbau Ringsgwandl, was in der Folge schlief.»

Moment! … Können Sie noch folgen? Oder eher nicht?

Wissen Sie was? Ich auch nicht! Was erstaunlich ist, denn ich habe den ursprünglichen Text ja schliesslich geschrieben …

Achtung, im nächsten Übersetzungsbeispiel wird es gar tragisch:

«Eine Freundin ging dank billiger Chemicals inc. in eine Steckdose.»

Sehen Sie es jetzt auch?

In meinem Text steckt offensichtlich – das erkannte ich dank der Secondhand-Übersetzung – Industriekritik, tragische Liebe, Kunst-, Politik- und Gesellschaftskritik und selbst Religiös-Spirituelles. Kurz: lauter Themen, in denen ich nicht gerade bewandert bin. Hinzu kommt kunstvoll verklausulierte Symbolik, Sport, Filmgeschichte und Sience Fiction!8

Hier noch ein Ausschnitt aus der automatischen Übersetzung des Zugerdeutschen – via Russisch – ins Hochdeutsche. Lassen Sie sich diese Logarithmen-Poesie auf der Zunge zergehen:

«Der Grosse stösst im Capital ab und der letzte Brief verkörpert ist der kleine.

Verbrechen oder vertrieben – das Spenderherz ist Courage!

Und reinigten sie die Akuten, dass es nur so kracht.»