Eiskalter Abgrund - André Gebel - E-Book
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Eiskalter Abgrund E-Book

André Gebel

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Beschreibung

Ein spannungsgeladener Thriller aus der Influencer-Szene, der am Fuße des berühmten Matterhorns spielt Fünf Influencer werden von einem anonymen Auftraggeber zu einer Challenge in ein einsames Chalet in den Schweizer Alpen eingeladen. Die Aufgabe klingt verlockend: Sie dürfen das neue Domizil als erste Gäste überhaupt erkunden und sollen darüber auf Instagram berichten. Als Belohnung winken 100.000 Dollar. Doch es gibt zwei Bedingungen: Keiner darf das Chalet vor Ablauf der Challenge freiwillig verlassen und es darf nur positiv berichtet werden. Was zunächst nach einem Traumjob klingt, entwickelt sich zu einem ausgemachten Alptraum, der in einem Blutbad enden wird.  »Spannende Handlung in eiskalter Umgebung, am besten zu lesen am warmen Ofen.« ((Leserstimme auf Netgalley)) »Ein sehr moderner Thriller, der perfekt in unsere heutige Zeit passt und mit den Tücken der sozialen Netzwerke spielt. Das Thema fand ich originell und brisant. Das Cover passt perfekt und auch der Schreibstil ist packend und detailliert. Ich fand auch den Ort der Handlung toll. Die Figuren sind interessant und teilweise mysteriös. Die perfekte Spannung, die ich gerne empfehle.« ((Leserstimme auf Netgalley))

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EPUB

Seitenzahl: 488

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Die Handlung und alle handelnden Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wären rein zufällig.

© Piper Verlag GmbH, München 2022

Redaktion: Julia Feldbaum

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Alexa Kim »A&K Buchcover«

Covermotiv: IgorPylBO/depositphotos.com und André Gebel

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich der Piper Verlag die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Messner-Challange

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Kapitel 78

Kapitel 79

Kapitel 80

Kapitel 81

Kapitel 82

Kapitel 83

Kapitel 84

Kapitel 85

Kapitel 86

Kapitel 87

Kapitel 88

Kapitel 89

Kapitel 90

Kapitel 91

Kapitel 92

Kapitel 93

Kapitel 94

Kapitel 95

Kapitel 96

Kapitel 97

Kapitel 98

Kapitel 99

Kapitel 100

Kapitel 101

Kapitel 102

Kapitel 103

Kapitel 104

Kapitel 105

Epilog

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Für all die Träumer, die glauben, dass sie im Leben alles erreichen können.

Ihr habt recht, und jetzt holt euch die Sterne vom Himmel.

Begib dich an einen Ort,

an dem vor dir noch nie ein Mensch gewesen ist.

Kehre dein Innerstes nach außen

und zeige es der ganzen Welt.

Geh bis ans Ende und gib nicht vorher auf.

Wenn du das schaffst, ist die Belohnung dein.

Messner-Challenge

Prolog

Obwohl die Tür geschlossen war, türmte sich ein schmaler Streifen Sand auf den abgenutzten Bodendielen auf und schob sich zentimeterweise in den zugestellten Korridor hinein. Sand fand immer einen Weg, und es war ein müßiges Unterfangen, diesen ständig zu entfernen. Sie hatte es aufgegeben, bevor sie jemals damit angefangen hatte. Für wen sollte sie das Haus auch sauber halten? Außer ihr lebte niemand hier am Ende der Straße, und es würde auch niemand mehr nachfolgen. Heute war ihr Tag gekommen, das hatte ihr der komatöse Schlaf am frühen Morgen eingehaucht, als sie gegen acht Uhr mit einem dumpfen Schädel aufgeschreckt war. Der Whisky. Ohne ihren Freund aus der Pulle hätte sie kein Auge zutun können. Daran glaubte sie fest, wie auch an ihren Minderwert für die Gesellschaft. Den Job im Hotel hatte sie vor einem Jahr gekündigt, alle Freundschaften beendet, falls es jemals welche gewesen waren, und den letzten Faden zur Familie abgebissen.

Sie betrachtete sich im Spiegel, der genauso stumpf war wie ihr äußeres Erscheinungsbild. Die einst pechschwarzen Strähnen, die ihre Mutter so an ihr geliebt hatte, wirkten fransig und verfilzt, und trotz der jungen zweiundzwanzig Jahre, zogen erste Silberfäden durch ihr Haar. Ihr Gesicht sah aufgedunsen aus und die Wangen glühten rot vom Alkohol. Ungepflegt würden die Leute im Dorf dazu sagen, und sie könnte es ihnen nicht einmal verübeln. Sie hatte sich schon lange aufgegeben, weil es einfach keine Hoffnung für sie gab. Sie würde nie so schön und schmal sein wie die attraktiven Püppchen auf dem Instagram-Kanal. Sie hatte nicht mal große Brüste, wie Jonah Anderson bemerkt hatte, mit dem sie vor zwei Jahren einmal ausgegangen war. Stattdessen bildete sich ein ordentlicher Rettungsring um ihre Hüften, und es zeigten sich Vorboten des Doppelkinns, das ihre Mutter schon in jungen Jahren geprägt hatte. Sie war alles andere als schlagfertig und schon froh darüber, eigenständig eine Pizza bestellen zu können. Online versteht sich. Vor ein paar Monaten hatte sie versucht, dagegen anzugehen, und gesund und fotogen gekocht. Doch ein böser Kommentar auf Instagram hatte ihr diesen Eifer wieder ausgetrieben.

Egal was sie versuchte, nichts schien ihr zu gelingen. Sie konnte weder kochen noch tanzen, singen oder irgendetwas anderes, um als Influencer durchzustarten. Sie war aus ihrer Sicht nicht einmal 08/15 und sollte besser gar nichts von sich preisgeben. Kein Wunder, dass sie keinen Typen abbekam und keine Freundin mit ihr Kaffeetrinken gehen wollte. Sie war allein mit ihren Idolen und den virtuellen Freunden, die ihr jeden Tag in bunten Bildern zeigten, wie schön das Leben woanders war. Zumindest wenn man schlank war und blonde Locken hatte. Wenn man nie um einen Spruch verlegen war und durch die Welt spazierte, als würde sie einem zu Füßen liegen. Was hätte sie darum gegeben, so wie die anderen zu sein, um angehimmelt und verehrt zu werden?

Sie klammerte ihre Haare mit der rechten Hand zusammen und hielt sie in die Luft wie einen welken Blumenstrauß. Danach band sie ein Haarband um das Büschel und starrte auf ihr Handy, das wie ein Magnet auf dem Küchentisch neben der Kaffeetasse lag. Das schwarze Ding zog sie magisch an, noch schlimmer als der Whisky, und sie spürte bereits das Kribbeln in den Fingern.

Ihr Bruder hatte ihr das Smartphone vor einem guten Jahr geschenkt, nachdem sie vorher immer nur gebrauchte aus dem Internet gekauft hatte. Es war das neueste Modell mit hochmoderner Kamera, Dreifachzoom und hoch auflösendem Selfiemodus. Wie gemacht für einen Influencer, der täglich etwas posten musste, um Follower zu binden. Doch sie hatte mit dem teuren Teil zuletzt nur Schnappschüsse von der Veranda aus gemacht und diese ohne einen Kommentar auf Instagram gepostet. Nur einmal hatte sie den Mut gehabt und ein Selfie von sich hochgeladen. Sie mochte das Bild, auch wenn ihr die Person nicht wirklich ähnlichsah. Die Haare lagen offen über ihrer Schulter, die Lippen waren leicht geöffnet und mit rotem Lippenstift bemalt. Verführerisch sollte es aussehen, doch die Reaktion war mehr als nur ernüchternd gewesen.

Bist wohl in den Farbeimer gefallen, kommentierte ein alter Mitschüler, der sie schon zu Schulzeiten gemobbt hatte. Drei Schweineköpfe als Emoji gab es von einem User, den sie nicht einmal kannte.

Sie griff zu ihrem Handy und checkte ein letztes Mal die Nachrichten auf Instagram. Nichts. Nicht, dass sie etwas anderes erwartet hätte, schließlich waren ihre virtuellen Freunde viel zu sehr damit beschäftigt, Content zu kreieren, als auf ihre Nachrichten einzugehen. Obwohl: Zuletzt hatte ihr eine coole Outdoor-Influencerin sogar geantwortet und ihr Mut zugesprochen. Trau dich, sei mutig. Kein Übel ist so schlimm, wie die Angst davor. Diese Botschaft hatte ihr gutgetan, denn sie war nur für sie bestimmt gewesen, auch wenn der Dialog danach beendet war.

Ihr Daddy war der letzte Mensch auf Erden gewesen, der ihr das Gefühl gegeben hatte, etwas Besonderes zu sein. Prinzessin hatte er sie genannt, und obwohl es abgedroschen geklungen hatte, war es stets Musik in ihren Ohren gewesen. Doch Daddy war schon lange nicht mehr da. Er war einfach von einer seiner Truckerfahrten nicht mehr heimgekehrt und seitdem verschwunden geblieben. Er sei verunglückt und ins Meer gefallen, hatte ihre Mutter behauptet, die der Bauchspeicheldrüsenkrebs nur ein Jahr später in den Himmel oder in die Hölle hatte fahren lassen. Je nachdem, wen man in der Nachbarschaft fragte. Bis heute hatte sie keinen blassen Schimmer, was mit ihrem Daddy wirklich passiert war, nur dass er sie allein gelassen hatte. Allein auf dieser Welt, die sich fortan auf dem kleinen Bildschirm für sie abgespielt hatte.

Sie drückte auf die rechte Taste ihres Smartphones, und der Screen erlosch für sie zum letzten Mal. Sie legte das Handy auf den Schuhschrank unter der Garderobe und griff zu ihrer Lederjacke, die einsam auf einem Haken hing. Daddys Lederjacke, um genau zu sein, die zu hundert Prozent aus Polyester bestand und diesen Teddykragen besaß, den sie als Kind immer liebevoll gestreichelt hatte, als wäre er ein kleines Kätzchen.

Sie zog die Haustür hinter sich zu, machte sich auf den Weg und betrachtete die Grundstücke ihrer Nachbarn, als wären es kunstvoll manikürte Ziergärten. Doch es war nur eine Ansammlung von Sträuchern auf ausgedörrtem Staub und Sand, ein Mahnmal für die Ödnis dieser Gegend. Es gab in der Seitenstraße, an deren Ende sie wohnte, keine Bürgersteige, da niemand sie benötigte, und so lief sie mitten auf der Fahrbahn, was um diese Zeit nicht wirklich ein Problem war. Um zwölf Uhr mittags war nur auf dem Highway etwas los, so zumindest ihre Hoffnung.

Zehn Minuten später erreichte sie die Kreuzung und schaute sich zu beiden Seiten um. Links ging es ins Zentrum, falls man bei zwei Cafés, einer Tankstelle, dem Lebensmittelladen und drei Kitschgeschäften von einem Zentrum sprechen konnte, und die rechte Straße führte aus dem Dorf hinaus – in die Welt, die Unendlichkeit, hin zu jenem Ort, an dem ihr Daddy auf sie warten würde. Bald schon wären sie vereint, und er würde wieder Prinzessin zu ihr sagen und sie in seine braun gebrannten Trucker-Arme schließen. Nur noch ein paar Meter entlang des Highways, und sie würde alles hinter sich lassen.

Sie hörte das Aufbrausen des Motors bereits aus der Ferne. Zuerst klang es schwach wie das Summen einer Biene, doch mit jedem Meter, den das Fahrzeug näher kam, schwoll es an zu einem satten Grollen. Es war ein Truck, vielleicht sogar ein großer, einer, der drei gefüllte Container durch die Landschaft zog und durch nichts zu stoppen war. Er konnte nicht mehr weit entfernt sein, so viel stand fest, auch ohne, dass sie sich nach ihm umdrehen musste. Bald würde er vorbeirauschen, um ihr einen Windstoß zu verpassen. Vielleicht noch hundert Meter oder fünfzig. Vielleicht war es Daddy, der noch immer seine alten Routen fuhr und nach ihr Ausschau hielt.

»Trau dich, sei mutig«, sagte sie zu sich selbst und beschleunigte die Schritte hin zu einem Spurt, um vom Seitenstreifen auf die Straße zu gelangen – ganz wie ein Surfer, der schnell noch mit der nächsten Welle reiten wollte, bevor sie brach. Doch die Welle war ein Peterbilt 378, der sie mit dem Kühlergrill erwischte und fünfzehn Meter durch die Lüfte wirbelte.

Kapitel 1

Tucker

Der Wind blies Tucker mit Eiseskälte ins Gesicht und ließ sie innehalten. Es schneite schon seit Tagen, und die Douglastannen schienen allmählich mit der Last ein wenig überfordert zu sein, die sich zentimeterweise auf den Zweigen stapelte. Hin und wieder versuchte ein durchhängender Zweig, die aufgestauten Flocken einfach abzuschütteln, doch die Erleichterung war nur von kurzer Dauer, dann war neuer Schnee an selbigem Platz. Außer Tucker war zu dieser frühen Zeit noch niemand unterwegs. Wie auch, denn schließlich war die Elk Camp Gondola nur für sie den weiten Weg hinauf zur Bergstation gefahren.

Der starke Schneefall war für Anfang November nicht gerade Standard, ging die Saison in Snowmass doch frühestens in einem Monat richtig los. Wieder so ein Klimawandel-Phänomen, dachte sich Tucker und stapfte in der Dämmerung die letzten Meter durch den Schnee, um den Ausgangspunkt am Long Shot zu erreichen. Eigentlich war das alles nicht ihr Ding. Das frühe Aufstehen, die Skier und die Abfahrt auf der stinknormalen Piste. Doch was war bei diesen Schneeverhältnissen schon normal? Außerdem war es ihr Job, und am Ende gab es gutes Geld für ein paar Fotos, auf denen sie Leichtigkeit und Spaß mit der Ausrüstung von ihrem Hauptsponsor verbreitet. Wenn nur dieser Wind nicht wäre, dachte sich Tucker und verfluchte auch die nächste Böe, die sie etwas straucheln ließ. Sie versank bis zu den Oberschenkeln im trockenen Pulverschnee und hatte Mühe, die Freeride-Bretter unter ihren Schuhen einzuklinken. Viel lieber wäre sie stattdessen mit dem Snowboard in den Aspen Highlands unterwegs gewesen, um mit ein paar Schwüngen erste Kurven in den Schnee zu fahren.

Tucker war allein und würde es auch bleiben. Vor ihr lag der tief verschneite Abhang, den sie Long Shot nannten, weil er endlos lang hinab nach Snowmass führt und die Oberschenkel dabei kräftig brennen ließ. Sie hatte geschlagene acht Kilometer ungemachte Buckelpiste vor sich, um jede Menge Fahrvergnügen in der konturenlosen Winterlandschaft einzufangen. Ihre Follower würden neidisch auf die Fotos schauen, denn solche Schneeverhältnisse gab es sonst nur in den Alpen. Ihrem Traumziel, was schon seltsam klang, da für viele Europäer Skifahren in den Rocky Mountains so was wie das Nonplusultra war. Tucker kramte das Handy aus der Skijacke und startete das Video: »Hallo Leute. Wie ihr sehen könnt, bin ich auf dem Elk Camp unterwegs, und wie ihr auch sehen könnt, bin ich ganz allein in diesem Powder-Paradies. Antonio von der Skiing Company hat mich exklusiv hier hochgeschaukelt und danach die Gondel einfach wieder abgestellt. Wie ich euch stets predige, müsst ihr euch die Kerle so erziehen, wie man sie halt braucht. Vor mir steht jetzt jede Menge Tiefschneespaß mit dem neuen Phantom XS Speed von Mountain Tech. Die besten Fotos seht ihr dann heute Abend auf Instagram. Den Link zum Shop von Mountain Tech findet ihr in meiner Bio. Und jetzt zum Schluss mein guter Rat an euch: Runter vom Sofa und raus in die Natur. Seid stärker als eure stärkste Ausrede!«

Tucker beendete die Aufnahme mit einem Motivationsspruch, den sie sich vorher aus dem Internet herausgesucht hatte. Sie fand diese Lebensweisheiten im Grunde peinlich, doch ihre Fans liebten sie dafür, und so baute sie die Floskeln gern in ihre Beiträge mit ein. Für ihre Follower war sie eine feministische Ikone, die die Männerwelt nach ihren Wünschen tanzen ließ.

Sie wischte ein letztes Mal über die Helmkamera und aktivierte dann per App die GoPro. Es konnte losgehen. Der Schnee knirschte unter den nagelneuen Skiern, die erst letzte Woche mit dem Flugzeug aus Innsbruck eingetroffen waren. Man musste dem Team von Mountain-Tech Respekt zollen, setzten sie doch alle Hebel in Bewegung, um Influencer wie sie mit den besten Materialien zu versorgen. Dabei war Tucker nicht einmal ein echter Profi mit Medaillen um den Hals, sondern nur ein Allerweltsgesicht mit großer Klappe und einer imposanten Zahl an Followern auf Instagram. Die ersten Fans hatte sie vor gut drei Jahren illegal im Internet gekauft, danach war es mit dem Support von Mountain Tech von selbst geflutscht, sodass man heute nicht mehr nachvollziehen konnte, woher der ganze Ansturm letztlich gekommen war. Gut für Tucker, denn schließlich war das ihr Geschäftsmodell, und mit jedem neuen Follower war der Preis für einen Post von ihr nach oben gestiegen.

Die ersten Schwünge kosteten viel Kraft, da sie den Schnee regelrecht zur Seite drücken musste. Immer wieder war sie gezwungen anzuhalten, um die Pistengrenzen auszumachen. Links und rechts von dieser Schneise durch den Wald von Douglastannen konnte es aufgrund der Felsen ungemütlich werden. Sie kontrollierte die ersten Aufnahmen, die wie ein Slalomlauf in Zeitlupe wirkten und kaum dem Anspruch ihres Auftraggebers genügen würden. Doch alles halb so wild, dachte sich Tucker, denn schließlich konnte man den Clip am Ende etwas schneller abspielen, um die gewünschte Dynamik vorzutäuschen.

Endlich erreichte sie das rote Schild, das ihr signalisierte, schon ein Viertel der Piste absolviert zu haben. Sie war mittlerweile wie ein Schneemann eingepudert, und der Skianzug in dunkelblauer Camouflage schien nicht gerade wasserfest zu sein. Wahrscheinlich hatten sie am Material gespart. Tucker musste sich kurz schütteln, um den Schnee von Schultern und Kapuze abzustreifen. Da ihr Skiausrüster keine Kleidung produzierte, war sie bei den Skiklamotten auf eine andere Firma angewiesen, die sich im Luxusmarkt versuchte. Perfekt für jedes Après-Ski-Event, doch völlig ungeeignet für einen Skitag bei extremen Konditionen. Dafür ließen sich die Sachen anschließend bei eBay gut verkaufen, sodass sie immer doppelt abkassieren konnte. Für die Fotos gab es einen Tausender aufs Konto, für die versteigerten Klamotten nochmals einen obendrauf. Nicht schlecht für einen Tag im Schneegestöber, den man sonst kaum anders hätte nutzen können.

Doch dafür musste Tucker jetzt ein wenig nachlegen, und so tauschte sie die Position der GoPro vom Helm auf ihren Stock, um noch diesen Camouflage-Anzug ins rechte Licht zu rücken. Sie beschloss zudem, ein wenig Tempo aufzunehmen, da ihr in dem Ding allmählich kalt wurde. Die Sicht war miserabel, doch sie kannte diese Abfahrt gut, sodass sie einen Slalom entlang der tief verschneiten Tannen startete. Der Skistock diente ihr dabei als Selfie-Stick und produzierte Serienfotos, aus denen sie später im Hotel die besten auszuwählen hatte. Eine endlos öde Arbeit, da bei diesem Wetter alles gleich aussehen würde. Tucker konzentrierte sich auf möglichst makellose Schwünge und versuchte, dabei unter ihrem Helm sogar zu lächeln, als wenn es sich um ein Bikini-Shooting handeln würde. Dabei verlor sie glatt den Überblick und übersah den Brocken, der unter einem Haufen Schnee vergraben lag. Sie konnte nicht mal reagieren, sondern landete kopfüber am Baumstamm einer Douglastanne, die durch den Aufprall ihre Schneelast einfach fallen ließ. Nadeln und Flocken rieselten auf Tucker nieder, die gegen die Symptome eines Blackouts anzukämpfen hatte.

Der Schädel brummte wie nach einem Kater, und sie löste händeringend den Verschluss an ihrem Helm, um besser sehen zu können. Dabei fiel ihr Blick zunächst auf ihre Beine, die leicht verdreht und ohne Skier gerade so eben aus dem Tiefschnee schauten. Die Bindungen mussten sich beim Sturz gelöst haben, um sie wie ein Katapult gegen diesen Baum zu schießen. Tucker drehte ihren Skihelm in den Händen und gaffte auf die Beule an der Außendecke. Glück gehabt, dachte sie nur und versuchte, ihre Beine zu bewegen. Sie merkte gleich, dass mit dem linken Knie etwas nicht stimmte. Hoffentlich kein Bänderriss, war Tuckers erste Sorge, denn schließlich hingen ihre Einnahmen im Winter rein vom Skifahren und Boarden ab. Sie tastete erst sachte, dann kraftvoll über das lädierte Knie, um zu prüfen, ob etwas gebrochen war. Es würde sicher Stunden dauern, bis sie jemand im Gelände fand, zumal nicht sicher war, ob heute überhaupt noch jemand auf den Gipfel kommen würde. Vielleicht wäre es nun an der Zeit, gleich einen weiteren Gefallen bei Antonio einzufordern, dachte sich Tucker, doch der Blick aufs Smartphone ließ den Mut verblassen. Kein Empfang!

Tucker fluchte und schrie die Douglastanne an, die als Antwort eine Salve Pulverschnee in ihre Richtung schickte. Es half nichts, und sie versuchte, sich am Skistock aufzurichten, der immer noch an ihrem linken Handschuh hing. Natürlich war die GoPro nicht mehr da und musste irgendwo im Schnee liegen. Tucker humpelte den Abhang ein paar Meter hoch, um nach ihrer Ausrüstung zu suchen. Zumindest schien der Adrenalinschub den Schmerz zu kompensieren, und sie entdeckte ihre Skier, die bereits mit Neuschnee überzogen waren. Der rechte Ski hatte eine böse Schramme unter der ansonsten makellosen Lauffläche, die wohl vom Crash mit diesem Felsen stammte, der schon wieder unter seiner weißen Tarnung abzutauchen schien.

»Fick dich, du Scheißfelsen!«, schimpfte Tucker und legte das Gestein mit ihren Händen frei, was in Anbetracht des steten Schneefalls ein eher hoffnungsloses Unterfangen war.

Kräfte sparen, war nach dem Wutanfall ihr naheliegender Gedanke, und sie schaute sich im Einheitsbrei der Winterlandschaft suchend um. Sie musste den mit einem Seil markierten Bereich der Piste irgendwie verlassen haben und war im ungesicherten Terrain gelandet. Hart gelandet, wie sie beim Betasten einer Beule auf der Schädeldecke feststellen musste. Doch der Helm hatte ihr das Leben gerettet, und sie war froh, die GoPro vorher abgemacht zu haben. Dabei fiel ihr die Kamera wieder ein, die nirgends aufzufinden war. Schöne Bescherung, dachte sich Tucker, denn neben dem kaputten Ski würde sie ganz ohne Fotos zurück in ihr Hotel kommen.

Der Rückweg war in der Tat noch eine andere Geschichte, und so packte sie die freigelegten Skier zunächst auf ihre Schulter, um zu Fuß den Weg in Richtung Piste aufzunehmen. Ausgerechnet sie, die ansonsten gern auf Instagram posierte, wie schön es sich im Backcountry doch fahren ließ. Das hatte sie jetzt von ihrem Einsatz mit den langen Brettern, die ihr schon beim ersten Anblick nicht geheuer gewesen waren. Nach der Rückkehr ins Hotel würde Tucker Mountain-Tech eine böse E-Mail schreiben, um das Honorar für den Skieinsatz aufs Doppelte zu schrauben. Schließlich riskierte sie ihr Leben, nur damit die Firma Tausende von diesen Brettern unter ihren Fans verkaufen konnte. Und dann federten diese Hightech-Skier nicht mal einen kleinen Sprung über einen unscheinbaren Felsen ab.

Die Sicht wurde wieder schlechter, auch wenn der Wind in dieser Mulde etwas nachgelassen hatte. Dennoch sollte Tucker ihr lädiertes Knie nicht allzu sehr beanspruchen, sodass sie sich entschied, es mit den Skiern zu versuchen. Die Bindungen schienen in Ordnung zu sein, und die Schuhe rasteten auf Anhieb ein, was bei all dem Schnee ein echtes Wunder war. Sie drückte sich mit dem verbliebenen Skistock ab und versuchte einen sanften Schwung, bevor sie wieder eine Pause machte. So könnte es gehen, dachte sie sich und massierte ihre Kniescheibe, um kurz danach zwei Tannen zu umkurven. Sie hielt sich immer links vom Hang, stets in der Hoffnung, wieder auf die Piste zu gelangen, die wenig später in Form von zugeschneiten Hinweisschildern vor ihr auftauchte. Das Skifahren wurde zwar nicht leichter, doch Tucker war zumindest vor den unliebsamen Felsen sicher, die ihr den Tag schon reichlich ruiniert hatten.

Geschlagene zwei Stunden brauchte sie für die Piste, die ein guter Fahrer wohl in fünfzehn kernigen Minuten geschafft hätte, doch am Ende war sie froh, die Talstation erreicht zu haben. Gut, dass keiner ihrer Follower sie dabei sehen konnte. In ihrem digitalen Leben gab es schließlich nur Erfolgsgeschichten, und dafür liebten sie die Fans. Die vergnügt-verrückte Tucker, die die Rocky Mountains unter ihrem Snowboard zähmte und in ihrem coolen Camper auch bei Minustemperaturen übernachtete.

Das Fahrzeug hatte sie von einem amerikanischen Hersteller erhalten und musste dafür monatlich drei Bilder und zwei Stories posten. Der Sprit war inkludiert, was der eigentliche Vorteil dieses Deals war, denn zum Übernachten war der Camper im Winter viel zu kalt und unbequem. Die Standheizung war außerstande, das Gefährt in Gänze zu beheizen, und Kochen auf zwei kleinen Platten war nun wirklich nicht ihr Ding. Zumindest kam sie mit dem Camper umsonst von A nach B, auch wenn sie heimlich im Hotel schlief.

Tucker schnallte ihre Skier von den Schuhen und stapfte wütend an zwei neugierigen Touristen vorbei, die sie Hilfe suchend fragten, ob man mit der Gondel bis nach oben kommen würde. Als frustrierte Antwort stopfte sie die stark zerkratzten Bretter einfach in die nächste Abfalltonne und drückte auf den Aufzugknopf am Sportgeschäft, um in die Tiefgarage zu gelangen. Ihr Camper stand als einziges Gefährt auf Ebene zwei, und sie wechselte in ihre roten Sneakers, um möglichst schnell nach Aspen zu gelangen.

Niemals würde sie auf ihrem Instagram-Account erwähnen, dass sie sich in diesem Schickimicki-Örtchen aufhielt, auch wenn ihr Aspen mächtig imponierte. Sie mochte diese rustikalen Bars und protzigen Boutiquen, die sonst in keiner Kleinstadt hier im Westen zu finden waren. Es wimmelte von jungen, gut aussehenden Menschen, meist Studenten, die im Zweitwohnsitz der Eltern einen winterlichen Spring Break zelebrierten. Am Anfang hatte sich Tucker unwohl in Gegenwart der ganzen Schnösel gefühlt, die in ihrem Leben keine finanziellen Sorgen kannten. Schließlich stammte sie selbst aus einfachen Verhältnissen und hatte sich eher durch Geschick und Zufall in dieses Millionendorf gemogelt.

Aufgewachsen in Rock Springs, Wyoming, schien ihr Lebensweg bereits in jungen Jahren vorgezeichnet, und sie hatte im Southwest Grill geschuftet, um den durchreisenden Gästen Burger und Fajitas an den Tisch zu bringen. Mit dem hart verdienten Geld hatte sie sich irgendwann einen Wohnwagen kaufen wollen, um möglichst rauszukommen aus dem Trailer Park, in dem sie mit der zweiten Familie ihrer Mutter lebte. Tucker hatte die neuen Anhängsel nur schwer ertragen können, diesen strohdummen Stiefvater und ihre zwei nervenden Halbgeschwister, die von ihr nichts wissen wollten. Am Ende war dann alles anders gekommen und besser, als sie sich erträumt hatte, was aus ihrer Sicht nur Zufall gewesen war. Ein grandioser Zufall, wie sie heute attestieren musste, und so saß, aß und nächtigte sie heute mit den Reichen und Schönen in Aspen, Colorado. Sie fühlte sich dazugehörig, auch wenn jeder Blinde sofort sehen konnte, dass sie nicht aus dieser Schicht stammte.

Tucker parkte ihren Camper in der Tiefgarage vom Lemon8 Hotel, wo sie seit einer guten Woche eine Junior-Suite bewohnte. Natürlich ohne zu bezahlen, denn schließlich war sie mit dem Manager befreundet. Sie hatte Henning, wo auch sonst, in einer Sportsbar kennengelernt und ihn mit ihren Stories fasziniert. Sie glaubte zwar nicht wirklich, dass er auf sie stand, doch zumindest reichte es fast jedes Mal, um hier kostenlos zu übernachten.

»Wie war dein Tag?«, fragte Henning, der allein an der Rezeption stand und einen Stapel Rechnungen durchsah. Im Hintergrund flimmerte die neue Videowall, die Henning für 600.000 Dollar hatte installieren lassen.

»Wie soll er schon gewesen sein?«, schnaufte Tucker, die am liebsten wortlos in ihrer Suite verschwunden wäre, »meine Skier sind im Arsch, die GoPro liegt im Schnee, meine Kniescheibe ist lädiert, und ich habe eine Beule auf dem Kopf.«

»Ich habe dich gewarnt. Heute ist kein Wetter für shiny, happy Fotos«, meinte Henning und kniff oberlehrerhaft ein Auge zu.

»Danke für den klugen Rat, Papa. Schick mir eine Pizza in die 402, und dann lass mich einfach nur in Ruhe«, meinte Tucker angesäuert und war bereits an ihm vorbei. Sie nahm die Pudelmütze vom Kopf und fuhr sich mit beiden Händen durch die aschblonden Naturlocken, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte.

»Du hast Post«, rief ihr Henning hinterher.

»Netter Versuch. Doch Post wird heute per E-Mail ausgetragen. Die Zeiten haben sich geändert, auch wenn du es nicht mitbekommen hast«, blaffte Tucker harsch, weil sie wusste, dass Henning es vertragen konnte.

»Dann kann ich den Umschlag auf den Namen OutdoorBeast wohl in die Tonne werfen«, spielte dieser seinen Wissensvorsprung aus.

Tucker humpelte zurück zur Rezeption und kniff die Augen fest zusammen, denn OutdoorBeast war ihr Pseudonym auf Instagram.

»Wenn du mich verarscht und ich mit meinem angeknacksten Knie für nichts und wieder nichts Schritte gehe, siehst du mich nie wieder«, drohte Tucker, ohne es so zu meinen. Denn schließlich liebte sie den Luxus im Hotel, und Henning war zumindest eine gute Seele, auf die man sich verlassen konnte. Und so schien er sie auch diesmal nicht zu enttäuschen, sondern winkte mit dem DIN-A4-Kuvert in seinen Händen.

»Ich bin doch gar nicht hier. Zumindest nicht offiziell?« Tucker war sichtlich überrascht und starrte auf das Stück Papier.

»Kein Absender, abgestempelt in der Schweiz. Vielleicht ein neuer Auftrag?«, meinte Henning und wog den Umschlag vorsichtig in beiden Händen, als hätte dieser einen unschätzbaren Wert.

»Sponsoren schicken keine Briefe, sondern schreiben über Instagram und überweisen ihre Kohle via PayPal«, bügelte Tucker die Vermutung aus und schnappte sich den Umschlag, um im Aufzug zu verschwinden. Henning hatte recht, stand auf dem braunen Kuvert doch lediglich ihr Pseudonym samt der Adresse vom Hotel. Nicht viele Leute wussten offiziell von ihrem Aufenthalt im Lemon8, zumal sie nichts von hier gepostet hatte. Tucker platzte zwar vor Neugier, doch auf der anderen Seite war sie skeptisch und beunruhigt, denn nach einem lukrativen Sponsorenvertrag sah das eingepackte Schriftstück nicht aus. Sie beschloss, sich erst einmal zu duschen und unter einer warmen Decke zu verkriechen, denn schließlich war der Umschlag schon ein wenig länger unterwegs gewesen. Da würde es auf eine weitere Stunde nicht ankommen.

Kapitel 2

Spyros

Die Sonnenstrahlen krochen über die Hügel der Tramuntana-Berge und verwandelten das Land in einen Garten Eden. Spyros war früh aufgestanden, um Orangen und Zitronen zu pflücken, die er den Gästen gern frisch gepresst zum Frühstück servierte. Seit fünf Jahren arbeitete er für die Familie Ortega, die diese vierzig Hektar Land besaß und aus dem alten Kloster ein behagliches Retreat gemacht hatte. Es gab sechs Gästezimmer, die alle nur privat vermietet wurden, damit es keine bösen Überraschungen mit unliebsamen Gästen gab. Im Grunde waren die Familie, Geschäftspartner und Freunde der Ortegas stets unter sich und ließen sich verwöhnen. Vom Klima, vom angenehmen Luxus auf der Finca und von Menschen wie Spyros. Er war Dienstleister für eine Elite von neureichen Schnöseln und deren Anhängseln, die sich diesen Reichtum nicht einmal erarbeitet hatten. Vielleicht die Großeltern von Pamela und Antonio, doch das war lange her, und so schaute Spyros mit Verachtung auf die nächste Generation von schlecht erzogenen Rabauken, die im Leben alles dargereicht bekamen.

Er presste vier Orangen aus und reichte ein gefülltes Glas mit Vitaminen an die kleine Blanca weiter, die so etwas wie der Lichtblick innerhalb dieser eingebildeten Familienbande war. Sie hatte wunderschöne blonde Haare und sah den Eltern überhaupt nicht ähnlich, was insbesondere Antonio zu ärgern schien. Wahrscheinlich glaubte er selbst nicht, dass sie sein Kind war, doch er war zu stolz, um es auszutesten. Wundern würde es Spyros jedenfalls nicht, schließlich waren hin und wieder Freunde von Pamela hier, die ihr deutliche Avancen machten. Meistens dann, wenn Antonio geschäftlich in der Stadt zu tun hatte, was zwei- bis dreimal in der Woche der Fall war. Aber Spyros hielt sich raus aus den Familienangelegenheiten, denn schließlich verdiente er sein Geld bei diesen Leuten und konnte nebenbei noch seinen Ruhm auf Instagram ausbauen.

Spyros war der Chefkoch auf dieser Finca, auch wenn es besser klang, als es sich im echten Leben darstellte. Außer einem Zimmermädchen, das hin und wieder in der Küche half, war er meist auf sich allein gestellt und hatte diesen Job auch nur bekommen, weil sein Vorgänger in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vom Klosterhof gejagt worden war. Angeblich hatte er ein Techtelmechtel mit Pamela gehabt, und das hatte Antonio so sehr missfallen, dass er ihn an einem regnerischen Abend ganz einfach vor die Tür gesetzt hatte. Da war der gut beleibte Durchschnittsgrieche Spyros wohl ein gefahrenloser Kandidat, denn Antonio protegierte ihn höchstpersönlich.

Der hatte eines morgens an Spyros’ Zimmertür geklopft und mit einem Scheck gewedelt. 1000 Euro Antrittsprämie, wenn er ab sofort fürs leibliche Wohl der Finca Escora verantwortlich zeichnen würde. Spyros tat erst so, als müsste er dies gründlich überdenken, um dann eine Bedingung an Antonio zu stellen. Er würde kochen und jedes noch so kleine Geheimnis der Ortegas stets für sich behalten, wenn er im Gegenzug den offiziellen Titel Chef de Cuisine erhalten würde, um diesen dann auf Instagram zu führen. Da Antonio die Finca voller Gäste hatte und sich mit sozialen Netzwerken nicht auskannte, lachte er nur über die Bedingung und stimmte ohne Zögern zu. Spyros stieg über Nacht zum Chefkoch auf und niemand würde je erfahren, dass die Finca Escora nicht für jedermann zu buchen war. Genau der richtige Schub, um seinem dümpelnden Instagram-Account ein wenig auf die Sprünge zu helfen.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er lediglich ein paar Fotos von Olivenbäumen gepostet und hin und wieder auch ein Strandbild hochgeladen. Meist sterile Landschaftsfotos ohne ein Gesicht. Ohne sein Gesicht, um genau zu sein, denn er war nun mal kein klassischer Schönling mit dicken Muskeln, Tätowierungen und perfekt gestylten Haaren. Doch Spyros war kreativ und wusste sich fortan zu inszenieren, indem er sich in Palma eine opulent verzierte Schürze mit dem Schriftzug Chef de Cuisine, Restaurante Finca Escora, anfertigen ließ. Zudem investierte er den Bonus in ein ordentliches Stativ, um auch Videos von sich und seiner Kochkunst produzieren zu können. Am Ende war nicht mehr viel von seinem Antrittsbonus übrig, und er ging zu einem deutschen Starfriseur in Palma, um sich gänzlich anders aufzustellen. Natürlich landete er bei dessen Assistentin auf dem Stuhl, doch sie machte aus Spyros quasi einen neuen Menschen. Aus der lieblos wuchernden Matte aus Naturlocken wurde kurzerhand ein Short Cut mit weichen Übergängen und fransig geschnittenen Spitzen. Spyros war zufrieden mit sich selbst, und auch Pamela und Antonio bemerkten seinen neuen Look, obwohl er sonst recht unbemerkt im Haus hantieren konnte. Ob er eine neue Freundin habe, wollte Pamela von ihm wissen, als er gerade sein Smartphone auf dem Stativ postierte, um ein Kochvideo aufzuzeichnen. Verlegen stotterte er herum, dass es niemanden in seinem Leben gebe und er in ein Projekt für die Universität der Balearen involviert sei. Woraufhin sie überrascht bemerkte, dass sie gar nichts von dem Studium wisse und er sich lieber doch ein Mädchen suchen solle. Spyros war mal wieder überrascht, wie wenig die Ortegas von ihm wussten oder besser in ihrem Kopf davon behielten. Denn schließlich hatte er bei Dienstantritt den Studiennachweis vorgelegt, obwohl er es zuletzt kaum zu den Vorlesungen geschafft hatte. Zumindest konnte er sein neues Hobby jetzt als wissenschaftliches Projekt verkaufen, ohne dass Pamela Fragen stellen würde.

20.113 Follower hatte er zu diesem Zeitpunkt schon auf Instagram und erste Fans löcherten ihn mit Fragen, wo denn diese Finca Escora mit der rustikalen Küche zu besuchen sei. Gern würden sie ihren Urlaub in dem Haus verbringen, um bei ihm den Kochkurs zu belegen. Dabei hatte Spyros anfangs nur spanische Klassiker wie Tapas, Gazpacho und Paella inszeniert, weil er sie für die Gäste der Ortegas wie am Fließband produzieren musste. Allerdings stets mit Raffinesse, indem er etwas Eigenes hinzuaddierte, was auf dem Grundstück der Ortegas wuchs. Wie zum Beispiel die geraspelten Orangenschalen oder die Olivenpaste à la FoodpornSpy, wie er sich auf Instagram selbst nannte. Sein Steckenpferd waren sogenannte Transitionsvideos, in denen aus Zutaten wie von Geisterhand fertige Gerichte wurden. Er hatte die Darstellungsform bei einigen Influencern auf Instagram gesehen, die mittels Videoschnitt ihr Outfit in Sekundenschnelle wechselten. Ein verblüffender Effekt, der ihm gefiel und fortan seine Videos ausmachte. Die Fans liebten ihn dafür, sodass er eine kleine Challenge ausgerufen hatte, wo ihm Follower ihre Essenskreation als Transitionsvideo schicken sollten. Anstatt sie dafür zu loben, machte er es jedoch wie sein Vorbild, TV-Koch Gordon Ramsay, und beleidigte die Kreationen. Ja, er machte sich einen wahren Spaß daraus, die Gerichte möglichst übel zu beschimpfen, was er sich im echten Leben nie erlaubt hätte. Die meisten User fanden das sehr lustig und feierten ihn für seine kreativen Wortschöpfungen.

Auf Instagram war er für die Fans der Chef eines exklusiven Restaurants mit kreativer Küche und einem eingespielten Team, im echten Leben nur ein Angestellter, der mit Hausmannskost die Ortegas kulinarisch über Wasser hielt.

Antonio war an diesem Morgen recht früh in die Stadt gefahren, um noch bei angenehmen Temperaturen seine Bankgeschäfte zu erledigen. Spyros wusste davon, da ihm der Hausherr Blauflossen-Thunfische versprochen hatte, die es für die neuen Gäste standardmäßig zur Begrüßung gab. Zwei Großfamilien waren für den frühen Abend angekündigt, wobei die Herren in der Runde Geschäftspartner von Antonio waren. Nicht wirklich aufregend für Spyros, auch wenn es komplizierter für ihn wurde, die Videoclips in Ruhe zu produzieren. Irgendjemand lief immer durch das Erdgeschoss in seine Küche, um nach einem Snack oder Getränk zu fragen. So wie die kleine Blanca, die ihn mit verliebten Augen ansah und den Orangensaft in kleinen Schlucken trank, damit sie möglichst lange bei ihm sitzen konnte. Kinder mochten Spyros in der Regel, da sie in ihm einen Verbündeten vermuteten. Er erklärte Blanca gerade die Funktionen seiner Handykamera, als Pamela nach ihm rief. Wahrscheinlich brauchte sie seine Hilfe, um eine Schale mit Orangen aufzufüllen oder die Hausbar für die Gäste zu bestücken. Alles Dinge, bei denen ihr die Zimmermädchen helfen konnten, doch sie verlangte stets nach ihm, wenn es um Essbares und Alkohol auf ihrer Finca ging.

Er stapfte die knarzenden Holzstufen nach oben und suchte nach Pamela, die nirgendwo zu sehen war. Erst als sie zum wiederholten Male seinen Namen rief, bemerkte er die halb geöffnete Badezimmertür. Er blieb vorschriftsmäßig davor stehen und merkte lautstark an, dass er bereit für ihren Auftrag sei, wo immer sie sich auch befinde.

Er brauchte nicht lange auf sie zu warten, denn sie kam ihm splitternackt und frisch geduscht entgegen und warf ihm auf dem Weg zur Tür das Handtuch in die Hände.

»Du kannst dich nützlich machen und mir den Rücken abtrocknen.« Sie bemerkte seinen Blick, der starr auf das Parkett gerichtet blieb. »Spyros, hier bin ich«, winkte sie ihm zu und zwang ihn schließlich, sie in Augenschein zu nehmen.

Spyros blickte auf den Körper einer wohlgeformten Frau, die mit ihrem ausgeprägten Busen wackelte, als wäre es ein Denkmal für die Amazonen. Natürlich künstlich und gesponsert von Antonio, der Pamela niemals einen Wunsch abschlagen würde. Schon im eigenen Interesse unterstütze er sie bei den Bauvorhaben am Gewebe, schließlich war ihm wichtig, stets das beste Pferd im Stall zu haben.

»Ich weiß nicht, ob das gut ist«, stotterte Spyros beim Anblick ihres Körpers, auf dem sich Perlen einer Gänsehaut bemerkbar machten.

»Du weißt nicht, ob es gut ist, mir zu helfen, oder du weißt nicht, ob es sich gut anfühlen wird, meinen Körper mit dem Handtuch abzureiben?«, blieb Pamela ihrer provokanten Linie treu.

»Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn man uns in dieser Situation sieht«, spuckte Spyros schließlich aus und schaute verschämt zurück auf die Bodendiele.

»Wer sollte uns in dieser Situation denn sehen? Antonio ist in Palma und unsere Gäste kommen nicht vor 18 Uhr? Außerdem habe ich dich nicht um Sex gebeten, sondern nur um eine kleine Hilfeleistung. Oder hast du etwas anderes verstanden, Spyros?«, brachte ihn Pamela ordentlich ins Schwitzen.

Dabei machte sich Spyros nichts aus dieser Frau, genauso wenig wie aus allen anderen, doch das konnte er ihr unmöglich in diesem Rahmen anvertrauen. Noch während er an seiner Antwort feilte, hörte er im Hintergrund ein Knistern auf den Treppenstufen. Blanca hatte ihren Orangensaft anscheinend ausgetrunken und war verhältnismäßig leise in den ersten Stock gestiegen, um jetzt zwischen dem verschämten Spyros und den Brüsten von Pamela hin und her zu starren.

»Was macht ihr da?«, fragte Blanca neugierig und war vom perplexen Spyros deutlich stärker fasziniert als vom Busen ihrer Mutter. Pamela hatte die Kleine anscheinend nicht kommen sehen und legte krampfhaft ihre Hände vor die Scham.

»Das Handtuch bitte, Spyros«, blieb sie souverän im Ton und verlangte kurzerhand ihr Wurfgeschoss zurück. Spyros brauchte eine Ewigkeit, um zu begreifen, dass er das Stück Baumwollstoff noch immer in den Händen hielt, und warf es ihr recht ungelenk entgegen. Natürlich fiel es auf den Boden, und Pamela musste ihre Schutzhaltung verlassen, um sich schließlich zu bedecken.

»Wir machen gar nichts, Kleine. Spyros sollte mir bei etwas helfen, doch es ist ihm nicht gelungen«, zog Pamela ein abruptes Fazit und machte vor den beiden kurzerhand die Tür zu.

»Was meinte Mama?«, fragte Blanca und schaute Spyros wie ein Fragezeichen an.

»Nichts Besonderes. Vergiss einfach, was du da gesehen hast, Blanca. Das musst du mir versprechen«, richtete Spyros seinen Blick auf das sichtlich alarmierte Mädchen und versuchte gar, bedrohlich dabei auszuschauen.

»Magst du Mama?«, hakte Blanca trotzdem nach.

»Natürlich nicht. Also, natürlich schon, denn schließlich arbeite ich ja für sie«, stotterte sich Spyros aus der peinlichen Geschichte.

»Ich liebe sie auch und dich natürlich ebenfalls«, erwiderte Blanca und machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer.

»Blanca?«, hakte Spyros nochmals nach, »das bleibt unser Geheimnis, verstehst du?«

Das Mädchen nickte spielerisch mit dem Kopf und schien gedanklich schon mit anderem beschäftigt.

Spyros musste erst einmal tief durchatmen und sein Zittern unterdrücken. Am liebsten hätte er sich einen Palo eingeschenkt oder besser zwei. Doch eine Fahne früh am Morgen machte keinen guten Eindruck, obwohl es den Ortegas sicherlich nicht auffallen würde.

Er verkroch sich für den Rest des Vormittags in seiner Küche und bekam nicht einmal mit, dass Antonio zurückgekommen war. Der Fisch lag eingeschweißt in einer Folie auf dem Holztisch im Empfangsbereich, und er hörte ihn im ersten Stockwerk mit Pamela diskutieren. Die Wände waren eine Katastrophe, wenn man sich etwas zu sagen hatte, und die beiden pflegten das gemeine Streitgespräch. Zweimal wöchentlich flogen mindestens die Fetzen, und Spyros hoffte immer, dass es nicht im Video zu hören war. Denn meistens nutzte er den späten Abend, um seine Clips zu produzieren, und meistens nutzen die Ortegas diese Zeit, um erst zu streiten und anschließend zu vögeln. Alles in allem kein Geräuschkonzert für seine Videos, weshalb er sie mit Kopfhörern stets kontrollieren musste, bevor er sie auf Instagram hochlud.

Er wurde des Fisches gewahr, nahm ihn und ging zurück an seinen Arbeitsplatz, um ihn im Kühlschrank zu verstauen. Wenig später hörte er Antonio recht ungestüm die Treppe herunterpoltern, und so verdrückte er sich in den letzten Winkel seines Arbeitsplatzes, um nicht ins Sichtfeld zu geraten. Doch Antonio war anscheinend seinetwegen so erzürnt, denn er stürmte schnurstracks in Richtung Küche und wedelte mit seinen Händen. Spyros sah den Film schon vor sich ablaufen, in dem die kleine Blanca ihrem Vater von der Szene mit dem Handtuch aufgeregt erzählte. Und jetzt kam der gehörnte Ehemann auf Spyros zu, um ihn ebenfalls vom Hof zu jagen.

Im Anflug von Panik beschloss er, sich im Zweifel zu outen, doch der aufbrausende Antonio pfefferte ihm nur einen Briefumschlag entgegen.

»Was soll das? Wer schickt dir so was?«, schnauzte Antonio und zeigte auf das Stück Papier in Spyros’ Händen. Erst jetzt bemerkte er, dass der Umschlag bereits offen war und lediglich ein DIN-A4-Schreiben enthielt. Auf dem Umschlag stand sein Künstlername FoodpornSpy samt der Nummer des Postfachs, das Antonio in Palma unterhielt.

»Das ist meine Post«, stotterte Spyros, der zunächst einmal Erleichterung verspürte, dass es nicht um diesen Vorfall mit dem Handtuch und Pamela ging.

»Woher wissen diese Leute überhaupt von meinem Postfach in der Stadt. Und was soll der Name FoodpornSpy. Drehst du heimlich Pornos auf meiner Finca?«, blaffte Antonio ihn ungehalten an.

»Nein, natürlich nicht«, sah sich Spyros in der Defensive und suchte nach dem Absender auf dem Kuvert.

»Von wem ist denn dieser Brief überhaupt?«, fragte er Antonio, der aufgrund des Inhalts alarmiert schien.

»Sag du es mir«, kläffte der zurück, »sag du es mir!«

Kapitel 3

Anni

»Hallo, ihr Lieben, ich bin gerade auf einer ziemlich coolen Fashion-Party in Florenz. Der Chefdesigner von La Distesa hat mich eingeladen, um mit mir die nächsten Kollektionen zu besprechen. Hier sind jede Menge Promis und Supermodels. Ich habe schon Kate Moss und Naomi Campbell gesehen. Glaube ich zumindest. Es gibt megaleckere Kanapees und auch Champagner«. Anni beendete die Aufnahme an ihrem Smartphone mit einem Schwenk zu ihrem Glas.

»Was machst du da?«, ertönte es in ihrem Rücken, und Anni blickte in die angespannte Miene von Victoria.

»Nur meine Insta-Story hochladen. Ich darf doch posten, oder?«, versuchte Anni, ihr Erschrecken möglichst souverän zu überspielen.

»Klar darfst du posten. Du sollst sogar posten. Je mehr, desto besser. Aber ohne Ortsangabe. Schließlich sind hier jede Menge Promis eingeladen, und wir wollen doch nicht, dass einer deiner Fans hier plötzlich auftaucht, oder?«, stellte Victoria die Regeln klar.

»Nein, es war nur ein Video von mir, ganz ohne Geotagging«, erklärte Anni und steckte das Handy zurück in ihre Handtasche, die sie anlässlich der heutigen Veranstaltung von La Distesa auf dem Zimmer vorgefunden hatte.

»Was ist, gehst du zu den anderen? Wir brauchen noch ein Mädchen für den Pool«, ließ es Victoria weniger nach einer Frage als nach einer Aufforderung klingen.

»Einen Moment. Ich möchte noch den Ausblick auf Florenz genießen. Wann hat man schon mal die Gelegenheit?«, meinte Anni und hoffte auf ein wenig Zeit für sich und ihre abtrünnigen Gedanken.

»Wenn es so weiterläuft wie bisher, wirst du sicherlich auch künftig solche Ausblicke genießen können. Doch dafür musst du dich ein wenig unterhaltsam zeigen. Also, bleibe besser nicht zu lang an einem Fleck und zieh diese furchtbare Strickjacke aus«, gab Victoria ihr den gut gemeinten Rat und ließ sie an der Brüstung stehen.

Anni atmete tief durch und schaute auf das Lichterspiel der untergehenden Sonne, das sich auf den Dachziegeln der Altstadt wie ein Schachbrett aufzuteilen schien. Da gab es helle Felder voller Farben, und es gab die dunklen Schatten, jene Ritzen, aus denen Menschen wie Victoria emporkamen. Die mächtige Kuppel der Kathedrale Santa Maria del Fiore war hell erleuchtet und spendete Anni etwas Mut, den Abend einfach durchzustehen. Im Grunde hatte sie sich diesen Job selbst eingebrockt, und viele ihrer Fans würden sie darum beneiden.

Der Verkehr rund um die Ponte alle Grazie staute sich zu allen Seiten und Anni ließ sich in den Sog der Scheinwerfer und Rücklichter hineinziehen. Die säulenflankierte Terrasse des Anwesens war bereits mit Gästen gut gefüllt, und ihre Influencer-Kolleginnen warteten im Pool auf sie. Anni fühlte sich so einsam wie noch nie in ihrem Leben. Seit einem Monat war sie jetzt im Schlepptau von Victoria und Franco, die angeblich in der Modewelt die Strippen zogen. Zumindest galt das für La Distesa, einem Modelabel aus Florenz, das sich seine Models bei Instagram auswählte. Über diesen Weg war Anni an Victoria und später dann an Franco geraten, nur um in diesem Hamsterrad aus Shootings, Partys und Postings zu landen. Anni mochte die Kollektionen nicht besonders, denn das meiste sah im Grunde billig aus. Doch die Aussicht auf Ruhm hatte gegenüber all der Skepsis überwogen, und so hatte sie sich vor einem Monat mit Victoria in einem Münchner Restaurant getroffen. Victoria erzählte ihr vom Modelabel La Distesa und sagte, dass sie auf der Suche sei nach hübschen Models, die auf der ganzen Welt als Botschafter fungierten. Bei ihrer Netzrecherche sei ihr Anni sofort aufgefallen, da sie mit ihren blonden Locken, den wunderschönen langen Wimpern und den über 100.000 Fans im Rücken perfekt zur Marke passen würde. Anni war sofort begeistert, denn das Angebot klang einfach zu verlockend. Sie würde mit einem Tross an Fashion-Bloggerinnen um die halbe Welt jetten, gemeinsam mit den Designern an neuen Kollektionen basteln, in den teuersten Hotels schlafen und noch Geld für Spesen obendrauf bekommen. Und wofür das alles? Für ein paar Posts und Stories mit den Fummeln einer Modemarke, die ihr spätestens bei diesem Angebot schon deutlich besser gefielen. Und außerdem würde sie ja künftig bei den Kollektionen etwas mitzureden haben. Sie sah sich noch an dem Tag als angehende Designerin und sagte abends telefonisch zu. Danach hatte sie eine Woche Zeit, um ihre heiß geliebte Altbauwohnung an eine Freundin zur Untermiete abzugeben. Anschließend ging es mit einem Privatchauffeur nach Prato bei Florenz, wo sie in einem ehemaligen Kloster mit sechs anderen Mädchen eingebuchtet wurde. Anders konnte man es kaum bezeichnen, denn die Zimmer waren spärlich eingerichtet, und das Kloster lag verlassen mitten in der Walachei. Man wolle sie ohne Störgeräusche auf die Kollektion von La Distesa einstellen, sagte ihr Victoria, als sie bei der Ankunft einen Rückzieher machen wollte. Da es den anderen Mädchen wenig auszumachen schien, hielt sie sich mit einem Kommentar zurück und ließ sich auf das Abenteuer ein.

Am Folgetag erschien ein Team von La Distesa und baute in der alten Säulenhalle ein paar Kleiderstangen auf, um Kollektionen für ein ganzes Jahr daran aufzuhängen. Anni probierte fleißig alles an, in das sie reinpasste, und ein Fotograf schoss Bilder wie am Fließband. Es fühlte sich für Anni wie ein echtes Modeshooting an, und sie legte sich ins Zeug, um möglichst wie ein Engel dabei auszusehen. Selbst die Brust-OP, die sie von ihrem ersten Job als Influencer selbst bezahlt hatte, kam ihr nun zugute, da die meisten Oberteile sehr weit ausgeschnitten waren.

La Distesa wollte das erste Luxuslabel für Fast-Fashion-Mode werden und produzierte deshalb jeden Monat eine neue Kollektion, so die Begründung von Paola DiLorenzo, der Marketingleiterin des Unternehmens. Anni hatte sich etwas mit ihr angefreundet und war begeistert vom Erfahrungsschatz der toughen Italienerin. Zumindest gab ihr Paola das Gefühl, bei einem echten Modelabel durchzustarten und nicht bei einem Discounter aus der zweiten Reihe. Sie fand allmählich Zugang zu den anderen Influencerinnen und dem Team von La Distesa. Der freie Fotograf mit Namen Giorgio, war ein attraktiver Typ, der immer ein paar Extraposen mit ihr ausprobieren wollte. Eines Abends fragte er sie nach dem Essen, ob sie noch Lust auf eine Zusatz-Session hätte. Er hielt seine Kamera, eine Flasche Prosecco und zwei Gläser in die Luft und setzte auf sein Siegerlächeln. Anni fühlte sich in dem Moment besonders, da er sie und keine ihrer Mitbewerberinnen ausgewählt hatte. Außerdem sah Giorgio verdammt heiß aus, und sie hatte nicht mal einen festen Freund, dem sie Rechenschaft ablegen musste.

Am Anfang knipste er sie im Bikini aus der Bademodenkollektion, was ein erstes Kribbeln in ihr auslöste. Wenig später bat er sie, den Rest der Kleidung abzulegen, um sie nackt auf einem Sofa abzulichten. Es waren ihre ersten Fotos dieser Art, und Anni war zunächst ein wenig überfordert, wie sie am besten vor der Kamera posieren sollte. Doch ihr Erfahrungsschatz aus Bauch rein, Brust raus, dazu mit möglichst vollen Lippen lächeln half ihr über diese Hürde hinweg. Zudem war Giorgio ein echter Profi im Inszenieren einer Muse, sodass sie sich ihm öffnete und wenig später mit ihm schlief.

Es war ein ganz besonderer Abend und mit Abstand der erotischste Moment in Annis Leben, auch wenn er sich in dieser Form nicht wiederholen sollte.

Dieses Gefühl hielt exakt solange an, bis Victoria am nächsten Tag an ihre Zimmertür klopfte, um ihr Franco vorzustellen. Victoria trug einen silbernen Paillettenrock und hatte eine Katze auf dem Arm, die wie ein Leopard gezeichnet war. Erstmals bemerkte Anni diese aufgespritzten Lippen, die beim Sprechen wie bei der Fischatmung hervorquollen und ein Lachen nahezu unmöglich machten. Nicht, dass sie es benötigt hätte, denn Victoria lachte praktisch nie und redete zu hundert Prozent Geschäftliches. Franco trug ein schlichtes weißes Shirt, das seine tätowierten Arme eindrucksvoll betonte. Seine dunkelblonden Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und die angespannten Falten im Gesicht formten sich zu einem Lachen. Lachen, nicht Lächeln, das war Anni sofort aufgefallen, denn diese Good cop, bad cop-Parodie kannte im Prinzip nur tiefe Nuancen. Franco war es wichtig zu betonen, wie entscheidend er in Annis Leben künftig sein würde, damit sie es bis ganz nach oben schaffte. Victoria hatte anschließend die Aufgabe, diese Höhenluft ein wenig anzupassen und den Karrieresprung an knallharte Bedingungen zu knüpfen. Ein Jahr lang würde Anni für La Distesa unterwegs sein und ihr altes Leben deutlich einschränken müssen. Das sollte ihr bei diesen Aussichten nicht schwerfallen, meinte Franco und legte wieder dieses Lachen auf, als hätte er ihr einen Witz erzählt.

»Ich würde mir das gern überlegen«, meinte Anni, sie fühlte sich ein wenig unter Druck gesetzt und bat um eine Nacht Bedenkzeit in ihrer kargen Klosterzelle.

»Die Bedenkzeit hattest du nach unserem Interview in München. Es gibt bereits Termine. Porcio del Gutardo, der Chefdesigner von La Distesa, setzt auf dich, mein Engel. Du bist ab sofort sein bestes Pferd im Stall«, ließ die Antwort von Victoria kaum Spiel für Interpretationen.

»Es ist nur so, dass ich nicht weiß, ob ich das wirklich will. Ich vermisse meine Mama und meine Freunde«, brachte Anni ihre Bedenken auf den Punkt.

»Wir sind jetzt deine Freunde. Außerdem bist du wie gemacht fürs Modelbusiness. Die Fotos aus der letzten Nacht waren doch ein guter Anfang«, grinste ihr Franco schmierig grinsend entgegen.

»Die Bilder sind privat«, sagte Anni entrüstet und merkte gleich, wie naiv ihr Kommentar in Anbetracht der Lage war.

Franco fing gleich wieder lauthals an zu lachen und meinte gönnerhaft: »Natürlich sind die Bilder dein Privatvergnügen. Es war schließlich eine besondere Nacht für dich. Bei Giorgio bin ich mir da nicht so sicher.« Er unterbrach sich mit einem neuerlichen Lachanfall. »Jedenfalls sollten dich die Fotos an unsere Zusammenarbeit erinnern. Oder sollen dich deine Fans etwa so sehen? Was würde deine Mama dazu sagen? Oder deine Freunde?«, äffte er sie nach.

Anni war sauer. Auf Giorgio, der sie einfach nur missbraucht hatte, auf Victoria und Franco, die sie mies erpressen wollten, doch viel mehr noch auf sich selbst, da sie auf die Masche reingefallen war. Jetzt saß sie in der Falle und musste machen, was Franco und Victoria von ihr verlangten. »Ich will aussteigen«, sagte sie und blickte ihre Auftraggeber wütend an.

»Wir haben einen Vertrag, den du unterschrieben hast, und daran solltest du dich besser halten. Natürlich kannst du raus, nach Abzug aller Kosten inklusive der entgangenen Gewinne. Sagen wir … für 50.000 Euro darfst du morgen wieder Duschgel und Intimrasierer an die Fans bringen«, fasste Victoria die Konditionen kurz zusammen.

»50.000 Euro?«, fragte Anni ungläubig.

»Denk nicht mal drüber nach, Süße. Dir wird das Leben in der Fashionwelt gefallen. Florenz, Mailand, im Herbst New York. Na, wie klingt das?«, versuchte Franco, sie ein wenig aufzubauen.

Der Gedanke, von diesen beiden Gaunern abhängig zu sein, schnürte ihr die Kehle zu, doch Anni fiel zunächst nichts Rettendes ein, sodass sie sich ihrem Schicksal fügte.

Am nächsten Morgen verließen sie das Kloster und zogen in das Zentrum von Florenz. Das Hotel Lungarno lag direkt am berühmten Ponte Vecchio und zählte zu den exklusivsten Häusern der Stadt. Man hatte sie auf eine schicke Junior-Suite gebucht und eine Flasche Schampus in den Eiskühler gestellt. Mit Grüßen von Porcio del Gutardo, dem Chefdesigner von La Distesa, der sich auf das Kennenlernen freue.

Vielleicht ist alles halb so schlimm, dachte sich Anni damals, denn anscheinend schienen sich Victoria und Franco an ihren Teil der Abmachung zu halten. Also hatte sie sich ganz entspannt auf den Balkon gesetzt, ein Glas von dem Champagner getrunken und ein Video für ihre Fans gedreht.

 

Sie löste sich von der Brüstung mit dem Traumblick auf Florenz und ging zu den anderen Partygästen, die sich um einen blau erleuchteten Swimmingpool postiert hatten. Ein paar der Mädchen waren im Bikini und tranken ihren Drink an einer Poolbar, die zur Hälfte unter Wasser stand. Es wurden fleißig Fotos produziert und in die Welt hinausgeschossen. Luxus und viel nackte Haut waren der Stoff, aus dem die Träume für die Loser waren, die jetzt zu Hause vor dem Handy saßen.

Toll, was du alles so erlebst! Hinreißend siehst du wieder aus! Wie bekomme ich so schöne Locken? Sind die Brüste wirklich echt? oder einfach auch nur Süßer Knackarsch! waren Kommentare unter ihren Beiträgen, die zeigten, dass die Fans sie wirklich liebten. Und sie liebte ihre Fans, auch wenn sie keine Zeit mehr hatte, jeden Kommentar zu lesen oder gar darauf zu antworten.

Sie wollte sich gerade beim Barmann nach einer Umkleidekabine erkundigen, als Franco auf sie zukam. Er hatte sich in einen weißen Anzug reingezwängt und trug dazu ein Hemd mit bunten Affenköpfen, die zu seinem Wesen passten. Im Schlepptau befand sich ein braun gebrannter Südländer in eleganten Lederschuhen, der ein Zigarillo zwischen seinen Lippen balancierte.

»Das ist LithiumGirl, unser neuer Stern am Modehimmel«, stellte Franco sie dem Südländer unter ihrem Pseudonym auf Instagram vor.

»Und das, mein Engel, ist dein neuer Schöpfer, Porcio del Gutardo, Chefdesigner von La Distesa«, übergab er sie in Porcios Hände, der zum Begrüßungskuss ansetzte.

»Wie gefällt dir meine neue Kollektion?«, fragte der Designer in gebrochenem Englisch und schaute Anni dabei auf den Mund, als hätte sie nach einem Kuss verlangt.

»Alles mega«, brachte Anni einfältig hervor und ärgerte sich sofort über diese Plattitüde.

»Alles mega«, äffte Porcio sie nach und fragte, was ihr denn besonders mega in Erinnerung geblieben sei. Die miesen Bilder von dem Fotografen, hätte sie am liebsten rausgebrüllt, doch das wäre sicher nicht gut angekommen. Also entschied sie sich für einen grünen Micro-Mini-Rock, der ihr ausnahmsweise gut gefallen hatte.

Das schien den Chefdesigner zu erfreuen, auch wenn er nicht den Eindruck hinterließ, als könne er sich an das Teil erinnern. Sekunden später war dann das Gespräch beendet, und die beiden ließen Anni einfach stehen, was sich für sie wie eine Niederlage anfühlte. Sie hatte schon wieder eine Gelegenheit verpasst und kam sich vor, als wäre sie ein Teil des Dilemmas.

»Mach dir keinen Kopf! Das ist typisch Porcio. Für ihn sind seine Mädels gut geformte Kleiderstangen«, munterte sie die Stimme von Paola auf, die sie seit dem dritten Shooting-Tag im Kloster nicht mehr gesehen hatte.

»Ich glaube, ich habe es verkackt. Als er mich nach seiner Kollektion gefragt hat, war alles, was ich rausbekam, ein Mega. Wie in einer dieser schlechten Bachelor-Staffeln. Mein Gott, wie einfältig. So kann man mit den Fans kommunizieren, aber doch nicht mit einem Modeschöpfer«, wollte Anni das Gefühl vermitteln, in der Regel eloquenter mit solch Fragen umzugehen.

»Wie gesagt, mach dir nichts draus. Du hättest ein Gedicht aufsagen können, und er hätte dir nicht zugehört. Von daher war die kurze Antwort eher noch ein Plus«, meinte Paola, worüber sie beide herzhaft lachen mussten.

Das tat gut, dachte Anni und freute sich über das Wiedersehen mit der Marketingleiterin. »Es ist alles noch so neu für mich und fühlt sich fremd und ungewöhnlich an«, versuchte Anni, ihre Grenzen bei Paola auszuloten.

»Du hältst dich gut und deine Fotos waren mit Abstand die besten«, meinte Paola und nickte anerkennend in den Abendhimmel.

Anni sah erschrocken zu ihr auf und dachte an die Nacktfotos. »Wie meinst du das?«, hakte sie nervös nach.

»Du warst besser als deine fünf Mitbewerberinnen. Deshalb bist du hier und sie sind im Bus zurück in ihre Heimat. So einfach ist das«, sagte Paola und nippte an ihrem Drink, der sich nicht zu leeren schien.

So einfach wäre es also gewesen. Ein paar durchschnittliche Aufnahmen, ein klares Nein zu Giorgio, und Anni säße jetzt entspannt im Bus nach München.

»Welche Aufgabe haben eigentlich Victoria und Franco bei La Distesa?«, suchte Anni weiterhin nach Antworten auf ihre ungeklärten Fragen.

»Victoria hat ein gutes Händchen für angehende Stars und Sternchen. Schließlich suchen alle Labels nach gelockten Engeln mit Millionen Fans auf Instagram«, sagte Paola und geriet beim nächsten Satz ins Stocken. »Bei Franco würde ich an deiner Stelle aufpassen. Der kann unangenehm werden, wenn es nicht nach seiner Nase läuft. Wie kommst du mit den beiden klar?« Paola schaute sie direkt und sichtlich nüchtern an.

Anni überlegte und entschied sich für ein Schweigen.

»Verstehe«, meinte Paola daraufhin und verschwand mit einem »Halte durch, kleine Anni« wieder in der Menge.

Pünktlich um Mitternacht brachte sie der Chauffeur zurück ins Hotel, wo nur noch der Nachtmanager auf seinem Posten war.

»Gute Nacht«, sagte Anni, ohne aufzuschauen, da sie im Kopf immer noch die Sätze von Paola durchging.

»Gute Nacht, schöne Frau. Argia hat ihnen eine Nachricht hinterlassen«, sagte der Nachtmanager und blickte zurück auf seinen Überwachungsmonitor.

»Was haben Sie gesagt?«, blieb Anni unvermittelt stehen und glaubte erst, es überhört zu haben.

»Ich sagte: ›Gute Nacht, schöne Frau‹. Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber wenn so eine reizende junge Dame bei uns im Hause nächtigt, dann muss ich ihr ein Kompliment machen«, antwortete ein etwa sechzigjähriger Italiener, der eine graue Uniform mit dem Namensschild Hotel Lungarno trug.

»Das meine ich nicht. Sie erwähnten eine Dame, die mir angeblich eine Nachricht hinterlassen hat.« Anni wurde unsicher.

»O ja. Das hätte ich beinahe schon wieder vergessen. Hier ist sie«, antwortete der Mann und reichte Anni einen Zettel, der in der Mitte sorgfältig gefaltet war.

Sie klappte das Schriftstück auf und blickte auf zwei Zeilen, die mit Schreibmaschinenschrift getippt waren. Lust auf ein lukratives Abenteuer? Die Antwort findest du an dem Ort, an dem die Engel weinen. Sie drehte das Stück Papier in ihren Händen, doch mehr als diese Frage samt dem ominösen Hinweis war dem Zettel nicht zu entlocken.

»Von wem, sagten Sie, ist diese Nachricht?«, fragte Anni den Nachtmanager, der zurück bei seinen Monitoren war.

»Welche Nachricht?«, fragte er zerstreut und zog an seiner Uniform, als hätte sich diese kurzerhand verschoben.

Anni wedelte mit dem Zettel und verdrehte dabei die Augen.

»Ach ja, natürlich. Diese Nachricht stammt von einer Argia«, brachte er dann schließlich doch hervor.

»Und diese Argia, wie muss ich sie mir vorstellen? Etwa mit Lippen wie ein Airbag und einer Katze auf dem Arm, die einem Zoo entsprungen ist?«, hatte Anni bereits eine genaue Vorstellung vom Absender dieser Botschaft.