Erleuchtung für Skeptiker. Die 8-Stufen-Meditation für innere Zufriedenheit und einen glücklichen Geist - Scott Snibbe - E-Book

Erleuchtung für Skeptiker. Die 8-Stufen-Meditation für innere Zufriedenheit und einen glücklichen Geist E-Book

Scott Snibbe

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Beschreibung

Positives Denken und Zufriedenheit kann trainiert werden – durch analytische Meditation! »Erleuchtung für Skeptiker« verknüpft die traditionelle buddhistische Meditation mit moderner Psychologie und richtet sich an alle, die etwas für ihr geistiges Wohlbefinden tun wollen. Anders als stabilisierende Achtsamkeits-Meditationen, die auf die Klärung des Geistes abzielen, vermitteln Scott Snibbes analytische 8-Stufen-Meditationen aktiv positive Bilder, die dabei helfen, den Geist zu fokussieren und Ängste zu überwinden. Wie man mit dieser einfachen neuartigen Meditationstechnik lernt, positive Denkmuster zu entwickeln, zeigt dieses Buch humorvoll und mit zahlreichen Bezügen zur Popkultur – Erleuchtung garantiert! Mit einem Vorwort des Dalai Lama.

  • Mit einem Vorwort des Dalai Lama
  • Esoterikfrei und alltagstauglich: Das Beste aus Buddhismus und moderner Psychologie
  • Neue und einfachere Meditationstechnik trainiert den Geist im Positiv-Denken - fällt vielen leichter als rein »achtsam« an nichts zu denken, nur wahrzunehmen, was ist
  • 8-Stufen-Ratgeber zu analytischer Meditation für mehr geistiges Wohlbefinden, Lebensfreude und Resilienz

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Seitenzahl: 373

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Scott Snibbe

Erleuchtung für Skeptiker

Die 8-Stufen-Meditation für innere Zufriedenheit und einen glücklichen Geist

Aus dem Englischen von Matthias Schulz

Anaconda

Für den Ehrwürdigen Lobsang Chokyi (1958–2014), der mich erst einlud, Lamrim-Meditationen zu erlernen, und mich dann neckte, ich würde mehr Zeit auf Liebe als auf Leid verwenden.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Diese Publikation enthält Links auf Webseiten Dritter, für deren Inhalt wir keine Haftung übernehmen, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright der englischen Originalausgabe:

A Skeptic’s Path to Enlightenment

All Rights Reserved

Design and typography copyright © Watkins Media Limited 2023

Text Copyright © Scott Snibbe 2023

First published in the UK and USA in 2023 by Watkins, an imprint of Watkins Media Limited

watkinspublishing.com

Der Autor spendet all seine Erlöse aus diesem Buch der wohltätigen Organisation A Skeptic’s Path to Enlightenment.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2024 by Anaconda Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Adobe Stock / WinWin

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de

Satz und Layout: Achim Münster, Overath

ISBN 978-3-641-31832-1V001

www.anacondaverlag.de

Inhalt

Vorwort von Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama

TEIL 1: ANALYTISCHE MEDITATION UND DER GEIST

Kapitel 1 Ich gestehe: Ich hegte Zweifel am Buddhismus

Kapitel 2 Was ist analytische Meditation?

Kapitel 3 Wie praktiziert man analytische Meditation?

Kapitel 4 Was ist der Geist?

TEIL 2: STUFEN DES WEGS

Kapitel 5 Die erste Stufe: Das kostbare Leben

Kapitel 6 Die zweite Stufe: Umarme die Vergänglichkeit

Kapitel 7 Die dritte Stufe: Das mentale Zusammenspiel von Ursache und Wirkung

Kapitel 8 Die vierte Stufe: Was machst du, wenn du allein bist?

Kapitel 9 Die fünfte Stufe: Bin ich wichtiger als alle anderen im Universum?

Kapitel 10 Die sechste Stufe: Die rote Pille bedeutet Entsagung

Kapitel 11 Die siebte Stufe: Was ist Liebe?

Kapitel 12 Die achte Stufe, Teil 1: Wie Dinge existieren

Kapitel 13 Die achte Stufe, Teil 2: Wer bin ich?

Kapitel 14 Erleuchtung für Skeptiker

Danksagung

Literaturempfehlungen

Über den Autor

Vorwort von Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama

Grundsätzlich können wir den Buddhismus in drei Bereiche unterteilen: Wissenschaft, Philosophie und Religion. Buddhistische Religion ist die spirituelle Praxis und ausschließlich für Anhänger und Anhängerinnen der Religion von Belang. Buddhistische Wissenschaft und Philosophie dagegen haben sich als nützlich für die Menschheit im Allgemeinen erwiesen, auch und sogar für Nicht-Gläubige.

Das buddhistische Konzept besagt, man solle sich auf Logik und Vernunft sowie auf die geistige Entwicklung verlassen, auch durch unser System der analytischen Meditation. Dieses Konzept hat wissenschaftlichen Untersuchungen standgehalten. Mehr und mehr Forschende erkennen, wie nutzbringend es ist, das Wissen der buddhistischen Wissenschaft mit der modernen Wissenschaft zu kombinieren. Auf meine eigene Weise habe ich dazu ermutigt, diese unterschiedlichen Aspekte des Buddhismus zu studieren und zu praktizieren, denn ich bin überzeugt, dass sie dazu beitragen können, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Auch meine vier Verpflichtungen, menschliche Werte, religiöse Harmonie, die tibetische Kultur der Gewaltlosigkeit und des Mitgefühls sowie uralte indische Weisheit zu fördern, fußen auf diesen unterschiedlichen Aspekten des Buddhismus.

Insofern freut es mich, dass Scott Snibbes Buch Erleuchtung für Skeptiker – Die 8-Stufen-Meditation für innere Zufriedenheit und einen glücklichen Geist darauf abzielt, die allgemeine Leserschaft über die Grundlagen des Buddhismus aufzuklären.

25. September 2023

TEIL 1: ANALYTISCHE MEDITATION UND DER GEIST

Kapitel 1 Ich gestehe: Ich hegte Zweifel am Buddhismus

Ich bin Buddhist. Doch mit meinem Buch verfolge ich nicht die Absicht, dich zum Buddhisten zu machen. Geshe Tenzin Namdak hat mir einmal gesagt: »Im Buddhismus geht es nicht darum, für mehr Buddhisten zu sorgen, sondern für einen glücklichen Geist.«1 Genau das ist der Sinn dieses Buchs: Ich möchte ein strukturiertes Denkprogramm teilen, welches dein Leben mit Zufriedenheit und Bedeutung erfüllt, das deine besten Eigenschaften stärkt und deine Verbindung zu Mitmenschen vertieft, ohne dass dazu religiöser Glaube erforderlich ist.

Erleuchtung für Skeptiker basiert auf einer traditionellen Meditationsabfolge, die ursprünglich für »professionelle« Buddhisten gedacht war, also für Mönche und Nonnen, die ihr Leben einem Ideal widmeten: Sie wollten, dass der menschliche Geist seine Fähigkeiten für Gutes so weit perfektioniert, dass er einen Zustand erreicht, den wir als Erleuchtung bezeichnen.

Mit meinen Lehrern an meiner Seite und mithilfe der Rückmeldung von Meditationsschülern habe ich im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts diese 1 000 Jahre alte Abfolge auf die acht Stufen reduziert, über die ich in diesem Buch spreche. Ich präsentiere sie in einer Form, für die keinerlei besondere Kenntnisse über den Buddhismus erforderlich sind und die, was den Glauben angeht, nur voraussetzt, dass man an die Realitätsdefinition der modernen Wissenschaft glaubt.

Die Meditationen, die mit jeder Stufe einhergehen, stammen aus der weniger bekannten Tradition der analytischen Meditation. Bei dieser aktiven Meditationsform dienen präzise geistige Übungen dazu, sich Lebensweisen anzugewöhnen, die das Leben verbessern. Mit ausreichend Übung geben diese Meditationen dir Werkzeug an die Hand, mit dessen Hilfe du Probleme wie Angstgefühle, Sehnsüchte und Depressionen ablegen und natürliche Tugenden wie Resilienz, Mitgefühl und Freude stärken kannst.

Die Art und Weise, wie dieser Pfad die Realität betrachtet, wird mit der Zeit Teil unseres Alltags, und genau das macht diesen Pfad so besonders. Er verleiht unserem Alltag Sinn und Zweck, aber darüber hinaus hilft er uns auch, bessere Beziehungen aufzubauen – und letztlich sogar eine bessere Welt.

Der Buddha war ein Skeptiker

Heute mag ich Buddhist sein, aber vor rund 25 Jahren war ich es nicht. Ich glaubte an gar nichts bis auf das, was uns Wissenschaft und Psychologie über die Mysterien unseres Geistes und des Universums lehren. Ich hätte mich damals als rationalen Skeptiker bezeichnet – als jemand, der versucht, sich seine Neugier zu bewahren und offen an Themen heranzugehen, dabei aber kritisch und logisch zu bleiben. Egal um welche Religion es sich handelte, ich stand ihren übernatürlichen Ansichten skeptisch gegenüber, war aber gleichzeitig offen für die Vorstellung, man könne mithilfe eines systematischen Ansatzes ein fröhliches und sinnvolles Leben führen.

Besonders offen war ich für alles, was Heilung für die psychischen Qualen eines Mittzwanzigers versprach. Nach außen hin schien mein Leben damals in allerbester Ordnung, aber in meinem Inneren sah es völlig anders aus. Beim Aufwachen morgens befielen mich Angstgefühle, die scheinbar aus dem Nichts kamen.

Lernte ich Menschen kennen, bildete ich mir auf der Stelle eine Meinung zu ihnen. Und obwohl ich gerade etwas erlebt hatte, das mich hätte glücklich machen sollen, verspürte ich den ganzen Tag über immer wieder ein Gefühl der Unzufriedenheit.

Warum ich mich in dieser schwierigen Zeit von meiner Verlobten trennte, kann ich nicht überzeugend erklären. Ich erinnere mich an die Gründe, die ich mir damals nannte, aber rückblickend ergibt keiner von ihnen viel Sinn. Ich fühlte mich schlicht unzufrieden. Und anstatt in mich zu gehen und zu versuchen, diese Unzufriedenheit zu verstehen, projizierte ich sie auf die Person, die mir am nächsten stand.

Mich von meiner Verlobten zu trennen, befreite mich nicht von meiner Unzufriedenheit, den Angstgefühlen oder den vorschnellen Beurteilungen. Ich wechselte meinen Arbeitsplatz, ich zog um, ich traf mich mit neuen Menschen, aber das änderte nichts daran, wie ich mich fühlte.

Deshalb war ich auch offen, als mich mein Bruder einige Jahre später einlud, an einem einwöchigen Seminar bei Seiner Heiligkeit dem 14. Dalai Lama teilzunehmen. Seit Jahren hatte mir mein Bruder Bücher des Dalai Lama zukommen lassen, aber um ehrlich zu sein, hatte ich Schwierigkeiten, etwas damit anzufangen. Also schlug mir mein Bruder vor, es zur Abwechslung nicht mit einem weiteren Buch zu versuchen, sondern den bekanntesten Buddhisten der Welt reden zu hören.

Ich beschloss, zuzusagen – nicht, weil ich daran glaubte, sondern weil ich skeptisch war. Ich wollte herausfinden, ob es wirklich »Regeln des Glücks« gibt, wie es der Titel des meistverkauften Buchs des Dalai Lamas verspricht, und ob die buddhistische Philosophie und Meditation tatsächlich einen Weg zum Glück bieten können.

»Werden Sie nicht Buddhist«, war eines der ersten Dinge, die der Dalai Lama zu Beginn des fünftägigen Seminars sagte.2 Das hatte ich noch nie erlebt: Ein Religionslehrer erklärt seinem Publikum, es solle nicht seiner Religion folgen? Das erstaunte mich ebenso wie seine Aussage, der Buddhismus sei kein Paket von Dogmen, Ritualen und Ansichten, denen man blind glauben müsse, sondern nur eine Einladung, die buddhistischen Praktiken zur Öffnung des Geists selbst auszuprobieren.

Und noch etwas Provokantes sagte der Dalai Lama während seines Vortrags: Der Buddha habe seine Gefolgsleute angewiesen, ihm keine seiner Lehren blind zu glauben. Stattdessen sollen wir seine Aussagen durch Studieren, durch Reflektieren und durch Meditieren auf den Prüfstand stellen, ganz genauso, wie er es mit den Lehren seiner Zeit getan hatte. Und sollte eine seiner Ideen einer kritischen Analyse nicht standhalten, dann sollten wir diese Lehre des Buddhas ignorieren.

Der Dalai Lama lehrte, dass der Buddha ein Skeptiker war.

Was ist der Weg des Skeptikers zur Erleuchtung?

Erleuchtung für Skeptiker bietet eine aufeinander abgestimmte Reihe von Meditationen, die ich als »Weg des Skeptikers zur Erleuchtung« bezeichne.

Das Ganze basiert auf derselben Abfolge, die mich der Dalai Lama lehrte, als ich ihn das erste Mal persönlich traf – dem Lamrim. Das ist Tibetisch und bedeutet »abgestufter Pfad«. Vor rund 1 000 Jahren schrieb der buddhistische Meister Atisha Dipamkara aus Indien den ersten Lamrim-Text, Die Lampe auf dem Wegzur Erleuchtung.3 Zu Beginn des 15. Jahrhunderts überarbeitete der große tibetische Gelehrte Je Tsongkhapa den Lamrim in seinem Werk Lam rim chen mo (»Die große Darlegung der Stufen des Pfades«) und gab ihm jene Form, die auch als Inspiration für das vorliegende Buch diente.4 Tsongkhapa verdichtet auf geniale Weise die große Spanne der Lehren des Buddhas zu einem systematischen Programm, das die Menschen, die es mit der größten Hingebung praktizieren, zu einem Zustand absoluter Freiheit führen soll.

Der Lamrim ist ein Meisterwerk der Metaphysik und Moralphilosophie und besagt, dass nichts zufällig geschieht und alles einen Grund hat, sowohl auf der materiellen als auch auf der geistigen Ebene. Der Geist ist ein Gewohnheitstier, weshalb positive Gedanken zu mehr Zufriedenheit beitragen, während negative Gedanken die Unzufriedenheit steigern. Der Lamrim besagt, dass das Leben von unbezahlbarem Wert ist, dass alles einem steten Wandel unterliegt, dass das Universum ein wundersames, wechselseitig abhängiges Kontinuum darstellt und dass wir ein wesentlicher Bestandteil davon sind. Von praxisnahen mentalen Angewohnheiten bis hin zu vertretbaren grundlegenden Gesetzen – der Lamrim zeigt uns einen Weg auf, wie wir unsere Traurigkeit, unsere Wut und unsere Einsamkeit in Zufriedenheit, Mitgefühl und Verbundenheit verwandeln können.

Entwickelt wurde der Lamrim für Mönche und Nonnen in einer buddhistischen Kultur, Menschen, die in dem Glauben an vergangene und künftige Leben aufgezogen wurden und die Karma sowie die Höllen- und Götterbereiche als gegebene Wahrheiten akzeptierten. Doch obwohl der Lamrim für Menschen des 15. Jahrhunderts geschrieben wurde, die dem Weltlichen entsagten und in eine buddhistische Weltanschauung hineingeboren wurden, hat er in jüngster Zeit auch stark auf eine Vielzahl nicht ordinierter Skeptiker gewirkt, die, wie ich, von im westlichen Exil lebenden tibetischen Lehrern unterrichtet wurden.

Ich gehöre zur zweiten Generation westlicher Schüler des tibetischen Buddhismus. Seit 20 Jahren studiere ich die Lamrim-Sequenz und meditiere jeden Morgen zu jeder Stufe. Ob ich den Pfad gemeistert habe? Ich will gar nicht erst so tun, als wäre mir das gelungen (und meine Frau kann das bestätigen), aber eines kann ich dennoch sagen: Gelingt es mir, das passende Lamrim-Thema auf einen störenden Gedanken oder eine störende Situation anzuwenden, hat es mir stets geholfen, mit mehr Geschick und mehr Güte zu reagieren.

Was ist Erleuchtung?

Beschreitest du die Stufen auf dem Pfad des Lamrims, übst du eine progressive Abfolge von Meditationen ein, die Tugenden wie Güte, Mitgefühl und Redlichkeit fördert. Man sagt, dieser Pfad finde seinen Höhepunkt in der Erleuchtung und ist erreicht, wenn du all deine positiven Eigenschaften perfektioniert und alle negativen eliminiert hast. Erreichst du diesen Zustand, legst du die Illusion deines Egos ab, erkennst, dass alles mit allem zusammenhängt, und gelangst in einen Zustand von Zufriedenheit und geistiger Stabilität, der völlig unabhängig von deinen äußeren Umständen ist.

Doch ist Erleuchtung eine Vorstellung, von deren Existenz sich Skeptiker überzeugen können?

Bei einem Vortrag 2007 in San Francisco fragte jemand den Dalai Lama nach einem anderen Ideal, einem, das besser zu begreifen hilft, inwieweit es nützlich sein kann, an Erleuchtung zu glauben. Die Person fragte: »Ist es nicht naiv, an die Möglichkeit von Weltfrieden zu glauben?«5

Der Dalai Lama hielt zunächst inne. Und dann sagte er, soweit ich mich erinnere, dass der Fragesteller recht habe und es realistisch sei anzunehmen, dass immer irgendwo auf unserem Planeten gekämpft wird. Setze man sich jedoch Weltfrieden zum Ziel, bedeute dies, dass man so gut es geht auf dieses Ziel hinarbeitet und mehr Fortschritt macht als jemand, der sich ein geringeres Ziel steckt oder überhaupt kein Ziel verfolgt.

Durch den praktischen Optimismus des Dalai Lama erkannte ich: So wie Friedensaktivisten ihre Motivation aus dem Ideal ziehen, alle Kriege zu beenden, kann mich das Ideal der Erleuchtung auf eine lebenslange Reise führen, bei der es darum geht, meine besten Eigenschaften zu stärken, zerstörerische Emotionen abzulegen und ein Kämpfer für das Gute auf dieser Welt zu werden – ganz unabhängig davon, ob ich daran zweifele, dass eine vollständige und endgültige Erleuchtung möglich ist.

Meine Skepsis gegenüber vielen Behauptungen des Buddhismus hat sich im Laufe jahrelangen Praktizierens durch meditative Erfahrungen und logische Reflexion gelegt. Das Konzept der ultimativen Erleuchtung, ab der keine weitere Entwicklung mehr möglich ist, stelle ich allerdings bis zum heutigen Tag in Frage. Ich habe mit Fachleuten über meine Zweifel gesprochen und eines dabei gelernt: Mein Verständnis, was eine endgültige Erleuchtung anbelangt, könnte eine Fehlinterpretation dessen sein, was der Buddha gelehrt hat.

Ich habe ein Interview mit der Buddhismus-Gelehrten Dr. Jan Willis geführt und sie sagt, der Begriff »Erleuchtung« decke nicht wirklich ab, was das Sanskrit-Wort meint, das die Erfahrung des Buddhas beschreibt. Eine bessere Übersetzung sei »Erwachen«:

»Erleuchtung« ist etwas Statisches, es ist wie ein Zustand. »Er hat Erleuchtung erreicht.« Das fühlt sich endgültig an. Wo bleibt da die Fluidität? »Erwachen« dagegen hat mehr von einem Prozess. Meine Ausbildung erfolgte größtenteils im tibetischen Buddhismus, aber ich wende mich auch oft Zen-Geschichten zu, denn in ihnen bin ich zum ersten Mal dem Buddhismus begegnet. Mir ist aufgefallen, dass beim Zen-Buddhismus im Zusammenhang mit Erleuchtung die Rede von Satori und Kensho ist. Das halte ich für richtig, denn ist der Satori genannte Zustand erreicht, geht es darum, diesen zu vertiefen.

Hat man diese Einsicht erlangt, geht die Arbeit weiter, man sagt eben nicht: »Okay, Haken dran, ich kann jetzt den Zendo verlassen. Auftrag erfolgreich abgeschlossen!« Nein, so ist es nicht. Wir erhaschen einen Blick auf unsere Buddha-Natur. Wir erhaschen einen Blick auf das grundlegend Gute in uns. Wir erhaschen einen Blick auf unseren Geist, auf unser wahres Ich. Und dann müssen wir uns wieder an die Arbeit machen.6

Die Vorstellung, Erleuchtung bedeutet, sich seines vollen Potenzials bewusst zu werden, passt gefühlt besser zu dem neugierigen, offenen Geist, zu dem mich meine Lehrer beim Meditieren ermuntern. Fragen sind wichtiger als Antworten und wir alle haben immer noch mehr zu lernen und müssen weiter wachsen.

Ein Pfad für Buddhismus-Experten, für skeptische Anfänger adaptiert

2006 lud mich das Tse Chen Ling Center for Tibetan Buddhist Studies in San Francisco ein, Meditationen anzuleiten. Mein Publikum bestand aus Anfängern und ich leitete sie zunächst gemäß der klassischen Lamrim-Gliederung. Doch gelegentlich zuckte ich dabei innerlich zusammen, denn selbst bei der allerersten Annäherung an das Thema werden die scheinbar übernatürlichen Aspekte des Buddhismus als gegeben hingestellt.

Ein Beispiel: Um darüber zu sinnieren, für wie kostbar der Buddhismus das Leben erachtet, ist es üblich zu erklären, dass uns unsichtbare karmische Kräfte seit Anbeginn der Zeit durch die Höllen- und Götterreiche treiben, dass wir als Superheld wiedergeboren werden, als Geist oder als Schildkröte, bis wir uns die menschliche Form endlich verdient haben. In einem einzigen Satz behauptet die Meditation, dass Karma, Wiedergeburt und andere Reiche akzeptierte Wahrheiten seien.

Ich hatte das Gefühl, wenn ich dies lehre, würde ich die Bedürfnisse der nicht-buddhistischen Anfänger ignorieren, denen wir eine praxisnahe Einführung ins Meditieren versprochen hatten.

Ich experimentierte, ich studierte, ich diskutierte mit meinen Lehrern. In mir wuchs die Überzeugung, dass man die Lamrim-Meditationsreihe so anpassen kann, dass sie auch moderne Skeptiker anleitet, die, was unseren Geist und die Realität anbelangt, nur das glauben, was die Wissenschaft als erwiesen ansieht … also das, was ich als Mittzwanziger glaubte und was der Großteil meines Freundeskreises und meiner Kollegen bis heute glaubt.

Aber ich bezweifele, dass ich dieses Projekt tatsächlich in Angriff genommen hätte, wenn der Dalai Lama nicht seit Jahrzehnten für eine wissenschaftliche, säkulare Herangehensweise an den buddhistischen Pfad eingetreten wäre. In seinem 2011 erschienenen Buch Beyond Religion [dt. Titel: Rückkehr zur Menschlichkeit] schreibt der Dalai Lama: »Die Zeit ist gekommen für einen Weg, über die Religion hinaus über Spiritualität und Ethik nachzudenken.«7 In jüngeren Reden hat Seine Heiligkeit die Menschen ausdrücklich aufgefordert, analytische Meditation zu praktizieren, weil sie so gut darin ist, uns zu einem zufriedenen, sinnvollen Leben zu führen, einem Leben, in dem wir uns selbst, unsere Gemeinschaft und unseren Planeten respektvoll behandeln.8

Die Bücher und Lehrreden des Dalai Lama gaben mir das Gefühl, dass dieses Projekt zu seinen Ansichten passen würde. Aber ich war immer noch nicht restlos überzeugt, dass ich die richtige Person für dieses Vorhaben sei. Der Lamrim enthält außerordentlich schöne poetische Einsichten in den menschlichen Geist und das Wesen der Realität, aber er ist auch eng verwoben mit den kulturellen Gepflogenheiten seiner Zeit. Wer im 21. Jahrhundert Buddhismus praktiziert, steht vor der Aufgabe, die zeitlosen Weisheiten von den Elementen zu trennen, die vermeintlich keinerlei Bezug zum modernen Leben mehr haben, die von der Wissenschaft nicht gestützt werden oder im Widerspruch zu zeitgenössischen Werten stehen. Ich hoffe, Lehrer, die besser qualifiziert sind als ich, werden diese Aufgabe irgendwann erfolgreich meistern.

Dennoch ermutigten mich meine Lehrer, mich dieser Herausforderung zu stellen – nicht, weil ich zu irgendwelchen besonderen Einsichten gelangt war, sondern weil sie dachten, es wäre nützlich für andere, von jemandem zu lernen, der ein ähnliches Leben führt wie sie. Anders als ein buddhistischer Mönch oder eine buddhistische Nonne habe ich eine Partnerin, ein Kind und einen Job. Ich liebe Filme, Musik und Populärkultur und mein Kopf steckt voller Hirngespinste.

In der Tradition des tibetischen Buddhismus gibt es eine Liste der außergewöhnlichen Eigenschaften, über die ein Lehrer verfügen sollte. Diese Eigenschaften liegen nachweislich weit über dem, was ich beherrsche. Ich leite seit über zwei Jahrzehnten buddhistische Gesprächsrunden und Meditationen, dennoch sehe ich mich eher als eine Art buddhistische »Hilfskraft«, also als jemand, mit dem man lernt, anstatt von ihm. Diese Art Mensch wird gelegentlich auch als »Dharma-Freund« bezeichnet, wobei Dharma sich auf die Lehren bezieht, die uns helfen, unsere guten Eigenschaften zu entwickeln und die Realität zu begreifen.

In meiner Rolle als buddhistische »Hilfskraft« habe ich mich der Herausforderung gestellt, den Lamrim so zu überarbeiten, dass er in säkularer Form in Meditationsklassen, Retreats und beim Podcast A Skeptic’s Path to Enlightenment zum Einsatz gelangen kann. Bei vielen Themen musste der klassische Aufbau nur geringfügig überarbeitet werden, etwa beim Meditieren über Mitgefühl oder über das Wesen der Realität und wie alles mit allem zusammenhängt. Andere wie das kostbare Leben und Karma mussten grundlegend geändert werden, um im Kontext eines modernen wissenschaftlichen Verständnisses des Universums Sinn zu ergeben.

Der Lamrim ist in seinem Kern eine Abfolge, die uns hilft zu verstehen, welche Gedanken ein glückliches und befriedigendes Leben voller Sinn und Verbindung befördern und welche Gedanken Leid, Verlangen und Einsamkeit mit sich bringen. Es war einiges an Kreativität vonnöten, um diesen Pfad in eine moderne Form zu bringen, aber ich habe mich bemüht, seinem praktischen Wesen treu zu bleiben und zu fragen: Welche mentalen Gewohnheiten lassen uns leiden, welche machen uns glücklich?

Wie unterscheidet sich der Pfad des Skeptikers zur Erleuchtung vom Buddhismus?

Lama Yeshe, der Begründer der Zentren für tibetischen Buddhismus, in denen ich den Lamrim lernte, ging das Thema Dharma lebhaft und kreativ an. Er war auch einer der ersten klassisch ausgebildeten Lehrer, die westliche Schüler anleiteten. 1983, kurz vor Ende seines kurzen Lebens, sagte er: »Gebt die Religion auf, gebt den Buddhismus auf. Geht über den Buddhismus hinaus. Übertragt den zentralen Aspekt der Philosophie in die Sprache der Wissenschaft.«9 Sein Appell war für mich zusätzliche Motivation, dieses Projekt anzugehen.

Rebellischen Autoren sagt man gerne: »Bevor du die Art und Weise veränderst, wie eine Geschichte erzählt wird, lerne erst einmal, eine Geschichte zu schreiben.« Ähnliches gilt für den Lamrim: Es empfiehlt sich zu versuchen, die spezielle Strömung des Buddhismus zu begreifen, für die der Lamrim steht, bevor man sich daran macht, ihn zu überarbeiten. Weil sich der Buddhismus aus diversen asiatischen Kulturen entwickelte, umfasst er viele unterschiedliche Praktiken und Traditionen. Die Strömung, die den Pfad des Skeptikers zur Erleuchtung beeinflusste, nennt sich Mahayana und ist eine Form des Buddhismus, die ihre Blütezeit zwischen dem 5. und dem 12. Jahrhundert im indischen Kloster Nalanda erlebte, der ersten ortsgebundenen Universität der Welt. Mahayana breitete sich später von Nalanda nach Tibet aus und überdauerte dort bis in die heutige Zeit.

Maha bedeutet »groß«, yana bedeutet »Fahrzeug« oder »Weg«, aber das heißt nicht, dass Mahayana-Buddhisten ihre Art von Buddhismus für die größte von allen halten. Mahayana strebt schlicht das größte Ziel an, nämlich für sämtliche Lebewesen von größtmöglichem Nutzen zu sein. Getrieben von grenzenlosem Mitgefühl besteht das Ideal der Mahayana-Buddhisten darin, das gänzlich selbstlose Leben eines Bodhisattva zu leben.

Die Mahayana-Schule des Buddhismus entwickelte die reichhaltige und wirksame Form analytischer Meditation, die ich in diesem Buch teile. Was das Wesen von Realität und die wechselseitige Abhängigkeit (Interdependenz) anbelangt, entwickelten Mahayana-Buddhisten eine einzigartige Betrachtungsweise, einen »mittleren Weg«, der überraschend gut mit moderner Physik harmoniert (ausführlicher gehe ich darauf in den Kapiteln 12 und 13 ein). Verwende ich in diesem Buch den Begriff »Buddhismus«, beziehe ich mich ausschließlich auf diese indo-tibetische Form des Mahayana-Buddhismus, die mich meine Lehrer gelehrt haben, und nicht auf Zen-Buddhismus, auf Theravada oder andere Formen von Buddhismus, die eine leicht abweichende Betrachtungsweise haben, was den buddhistischen Pfad anbelangt.

Der Pfad des Skeptikers fußt auf authentischen Mahayana-Quellen, weicht aber zugleich sehr stark von diesen Lehren ab. Was Ursache und Wirkung angeht, konzentriere ich mich auf eine psychologisch und wissenschaftlich ausgerichtete Herangehensweise und weniger auf den Glauben an karmische Saat und ihre Ergebnisse. Ich konzentriere mich auf Wege, diesem einen Leben Sinn zu verleihen, ohne dabei an frühere und künftige Leben glauben zu müssen. Und ich konzentriere mich auf das Universum, wie wir es kennen, mit seinen Galaxien, Sternen, Partikeln und Planeten – insbesondere diesen einen Planeten, auf dem wir leben, auf dem Leben entstand, sich entwickelte und ein Verständnis seiner selbst entwickelte. Der Lamrim verfügt über Hunderte Unterthemen. Ich habe mich auf einige wenige zentrale Meditationen beschränkt, die bei skeptischen Schülern auf die größte Resonanz stießen. Für den Flow des Buchs gehe ich nur dann auf Punkte ein, die sich vom Pfad des Buddhismus unterscheiden, wenn ein nicht-buddhistischer Leser diese Information benötigt, um ein Thema besser zu begreifen.

Die Lamrim-Meditationen waren im Laufe der Jahrhunderte Millionen buddhistischer Praktizierender von Nutzen. Ich hoffe, dass nun auch ein modernes, nicht religiöses Publikum in den Genuss dieses Nutzens kommt. Ich habe mich bemüht, den Pfad in eine von der Wissenschaft akzeptierte Realität einzubetten und in den aktuellen Wissensstand der Forschung, was den menschlichen Geist anbelangt. Buddhistische Meister haben mich mit nützlichen Ratschlägen und hervorragenden Lehren dabei unterstützt, diesen Pfad anzupassen, aber sollte es trotzdem zu Fehlern gekommen sein oder an anderem mangeln, so trage ich ganz allein die Schuld. Ich freue mich über Rückmeldungen, wie ich diesen fortdauernden Prozess weiter verbessern kann.

So verwendest du dieses Buch

Im Anschluss an dieses einleitende Kapitel erkläre ich in den Kapiteln 2 und 3, was analytische Meditation ist und wie man sie praktiziert. Kapitel 4 bietet Meditationen an, die helfen sollen, den Geist besser zu verstehen und zu erkennen, wie analytische Meditation auf den Geist wirkt. In den Kapiteln 5 bis 13 beschreibe ich die acht analytischen Meditationsstufen, die Schritt für Schritt dein größtes Potenzial entwickeln – das kostbare Leben, die Vergänglichkeit, Ursache und Wirkung, die Zuflucht, das Leiden, das Entsagen, das Mitgefühl und die wechselseitige Abhängigkeit. Jedes Kapitel kombiniert eine zeitgemäße Betrachtung des Themas mit geführten Meditationen. Eine Meditation auswendig zu lernen oder dir eine Tonaufnahme der Meditation anzuhören, macht es dir möglicherweise leichter, die Meditation zu praktizieren, als wenn du die Augen öffnen musst, um die Anweisungen zu lesen.

In Kapitel 14 fließt alles bisher Gelernte zusammen, da es eine einzige Meditation zum gesamten Pfad des Skeptikers zur Erleuchtung anbietet. Auf dieses abschließende Kapitel folgen noch das Quellenverzeichnis sowie Lektüreempfehlungen für alle, die sich noch eingehender mit den Themen dieses Buches befassen wollen.

Wenn es dich drängt, dich näher mit einer bestimmten Stufe zu befassen, oder du dringend Hilfe in einem Bereich benötigst, kannst du im Buch hin und her springen. Grundsätzlich jedoch bildet die Abfolge der Themen in Erleuchtung für Skeptiker das Lamrim aus dem tibetischen Buddhismus ab. Am besten ist es also, die Kapitel der Reihe nach durchzuarbeiten, denn jeder Abschnitt bereitet dich auf den nächsten vor.

Auch wenn du das Buch einfach nur durchliest, kannst du Nutzen daraus ziehen und hilfreiche Strategien erlernen für den Umgang mit den Herausforderungen, die das Leben uns in den Weg stellt. Weitaus effektiver allerdings ist es, wenn du auch zu den Themen meditierst. Um eine buddhistische Metapher in das 21. Jahrhundert zu überführen: Wenn du Methoden zum Trainieren deines Geistes studierst, ohne tatsächlich zu meditieren, bringt das ungefähr genauso viel, wie sich Workout-Videos anzusehen, während man auf der Couch sitzt.

Das Lamrim sagt, seine Abschnitte zu begreifen, geschieht in drei progressiven Abschnitten – Hören, Reflektieren, Meditieren. Erst auf der dritten Ebene, wenn du wiederholt über einen Abschnitt meditierst, wirst du die in der Analyse unternommenen Anstrengungen transzendieren und beginnen, spontan gesünder auf die Schwierigkeiten des Lebens zu reagieren.

Idealerweise arbeitest du mit diesem Buch so, dass du ein Kapitel liest und die jeweiligen Meditationen dann eine Woche lang praktizierst. Erst mit dem wiederholten, regelmäßigen Meditieren bewegst du dich schrittweise von Gedanken und Konzepten fort zu einer tief empfundenen Erfahrung, die über Worte hinausgeht. Dieses von Herzen kommende Verstehen bezeichnet man als Realisieren. Einer meiner Lehrer erklärte den Unterschied zwischen Gedanke und Realisierung so: Bei dem einen liest man über die Liebe, im anderen Fall verliebt man sich.

Wie das Verlieben ist auch das Realisieren etwas, das man in jeder einzelnen Zelle seines Körpers zu spüren glaubt. Es wird »real«. Einige buddhistische Realisierungen sind nur sehr schwer zu erreichen, etwa der letzte Schritt des Lamrim, bei dem man das ultimative Wesen der Realität realisiert. Die Schwierigkeit besteht darin, unsere Sinneswahrnehmungen – und sogar unser Selbstverständnis –, die wir unser ganzes Leben über als gegeben akzeptiert haben, zu analysieren und zu transzendieren. Allerdings haben meine Lehrer gesagt, dass die meisten Realisierungen des Lamrim nicht ganz so schwierig zu erreichen seien. Praktiziere die Meditation zu einem Thema beständig über einige Wochen hinweg oder während eines Meditations-Retreat mit voller Aufmerksamkeit und du kannst die Realisierung erreichen. Natürlich können dir Realisierungen auch wieder entgleiten. Damit du sie nicht verlierst, solltest du sie regelmäßig auffrischen. Aus diesem Grund meditierst du weiter.

Ich selbst habe echte Realisierungen erlebt, Realisierungen, die meine Persönlichkeit positiv veränderten und die mich ermutigen, mich weiter mit den schwierigeren Themen zu befassen. Dazu zählten Augenblicke, in denen mir mit Gewissheit klar wurde, dass nichts von Dauer ist, diese Erkenntnis mir jedoch Mut machte, anstatt mich verzweifeln zu lassen. Oder Augenblicke, in denen ich unerschütterliche Glücksgefühle verspürte, die nichts mit Vergnügen oder Erreichtem zu tun haben. Oder Augenblicke, in denen die Illusion eines einsamen, um sich selbst kreisenden Ichs von einem Gefühl glückseliger wechselseitiger Abhängigkeit abgelöst wurde. Derartige Realisierungen sind kein Zeichen von Erleuchtung, sie sprechen auch nicht dafür, dass man etwas Besonderes oder höher entwickelt ist, sie sind das übliche Ergebnis des Praktizierens eines authentischen Pfads.

Bist du skeptisch, möchtest dich aber voller Neugier den größten Fragen des Lebens stellen, ohne dabei mit Glaubenssätzen arbeiten zu müssen, die sich nicht beweisen lassen, lade ich dich dazu ein, im Rahmen dieser acht Schritte zur Erleuchtung des Skeptikers systematisch deine innere Realität zu erkunden. Finde selbst heraus, ob du den höheren Sinn und Zweck einer Meditation erleben kannst – ob du deine besten Eigenschaften in den Vordergrund rücken, deine Verbindung zu deinen Mitmenschen vertiefen und ein zufriedenes und sinnvolles Leben führen kannst.

1 Interview mit Scott Snibbe, 2020. »Geshe Tenzin Namdak on the Mind, Disturbing Emotions, and the Ultimate Nature of Reality.« Podcast A Skeptic’s Path to Enlightenment, Episode 41, 4. November. Abrufbar unter: www.skepticspath.org/podcast/41-geshe-tenzin-namdak-emptiness (abgerufen April 2023).

2 Stephen Batchelor, 1999. »Faith & Reason: No more Buddhists, says Dalai Lama.« The Independent, 29. Mai.

3 Geshe Sonam Rinchen. 1997. Atisha’s Lamp for the Path to Enlightenment. Ins Englische übersetzt und redigiert von Ruth Sonam. Boston, MA: Snow Lion.

4 Tsong-kha-pa. 2014. The Great Treatise on the Stages of the Path to Enlightenment: Volumes 1–3. Ins Englische übersetzt vom Lamrim Chenmo Translation Committee. Boston, MA: Snow Lion.

5 His Holiness the XIV Dalai Lama. 2007. In Praise of Dependent Origination (2 DVD Set). Veranstaltet vom Gyuto Vajrayana Center.

6 Interview mit Scott Snibbe. 2021. »What Is Enlightenment? With Dr Jan Willis.« Podcast A Skeptic’s Path to Enlightenment, Episode 90, 2. November. Abrufbar unter: www.skepticspath.org/podcast/what-is-enlightenment-with-dr-jan-willis (abgerufen April 2023).

7 Seine Heiligkeit der Dalai Lama (Dalai Lama XIV). 2011. Beyond Religion: Ethics for a Whole World. San Francisco, CA: HarperOne. Dt. Titel: Rückkehr zur Menschlichkeit (Köln: Bastei Lübbe, 2013).

8 Dalai Lama (Dalai Lama XIV). 2019. »Relevance of India’s Ancient Tradition in Today’s World.« Dalai Lama, YouTube, 5. August. Abrufbar unter www.youtube.com/watch?v=DPAzMTrNRY0 (abgerufen April 2023).

9 Adele Hulse. 2020. Big Love: The Life and Teachings of Lama Yeshe. Lincoln, MA: Lama Yeshe Wisdom Archive.

Kapitel 2 Was ist analytische Meditation?

In den vergangenen Jahren hat Meditation als Therapie deutlich an Beliebtheit gewonnen. Sie wird empfohlen, damit man besser schläft, Stress abbaut und sich besser konzentrieren kann. Aber Meditation ist viel mehr als ein nützliches Werkzeug zur Behandlung von Unaufmerksamkeit oder Rastlosigkeit.

Für Buddhisten besteht der tiefere Sinn der Meditation darin, die positiven Qualitäten zu stärken, die uns allen eigen sind, Dinge wie Offenheit, Mitgefühl, Freundlichkeit, Großzügigkeit, Geduld, Dankbarkeit und Freude. Eine Meditation, die den Geist aktiv in Richtung dieser Eigenschaften lenkt, wird als analytische Meditation bezeichnet.

Analytische Meditation ist ein Weg, einen besseren Mensch aus uns zu machen. Sie hilft dir, ein reiches Inneres zu entwickeln, während es gleichzeitig dein äußeres Leben bereichert, deine Verbindung zu Mitmenschen vertieft und dich zu einem Streiter für eine bessere Welt macht.

Die Tradition des tibetischen Buddhismus kennt Hunderte unterschiedlicher Meditationen, die du praktizieren kannst, um bestimmte positive Qualitäten auszubilden. Doch letztlich lassen sie sich alle auf zwei Arten reduzieren – stabilisierende Meditation und analytische Meditation.

Stabilisierende Meditation beruhigt den Geist

Bei der stabilisierenden Meditation, auch Achtsamkeitsmeditation genannt, ist man völlig ehrlich sich selbst gegenüber und voll und ganz auf sich selbst fokussiert. Was auch immer in deinem Körper passiert oder in deinem Kopf, du akzeptierst es und reagierst nicht darauf. Stabilisierende Meditation hilft dir, den Geist zu beruhigen und dich weniger zu Reaktionen zu zwingen. Es ist diese Form von Meditation, von denen die meisten Menschen bereits gehört haben und die in zahllosen Apps und Kursen angeboten wird. Manche mögen gedacht haben, dass es die einzige Form von Meditation sei, die es gibt.

Bei der stabilisierenden Meditation verlangsamst du den Strom deiner Gedanken und konzentrierst dich auf einen Aspekt deines Körpers oder deines Geistes. Am weitesten verbreitet bei der stabilisierenden Meditation ist es, sich auf den Atem zu konzentrieren. Wir atmen immer und der Atem ist ein Spiegelbild des inneren Zustands. Bist du nervös, geht er rasch und flach, und er geht langsam und gleichmäßig, wenn du ruhig bist. Atemmeditation ist ein Weg, deinen Körper unmittelbar mit deinem Geist zu verbinden und dich für das zu öffnen, was du hier und jetzt gerade erfährst, ohne dabei Beurteilungen vorzunehmen.

Die stabilisierende Meditation ist ein wichtiger Teil jeder Meditationssitzung. Bist du geistig nicht stabil, kannst du dich auf nichts konzentrieren – weder auf die Arbeit, auf ein Gespräch oder auf eine Meditation. Deshalb beginnen alle Meditationen in diesem Buch mit einer kurzen stabilisierenden Atemmeditation, damit du den Kopf frei bekommst und dir das Fokussieren leichter fällt.

Analytische Meditation verändert den Geist

Die zweite, weniger bekannte Meditationsform ist die analytische Meditation. Sie geht über die Betrachtung des eigenen Geistes hinaus. Es geht darum, den Geist aktiv von störenden Gedanken wegzulenken, von Ängsten, Fürchten und Gelüsten, und ihn stattdessen hin zu nützlichen Gedanken zu führen, zu Zufriedenheit, Freude und Großzügigkeit. Bei der stabilisierenden Meditation beobachtest du gelassen, was auch immer dir an Gedanken in den Kopf kommt. Bei der analytischen Meditation dagegen hinterfragst du aktiv, was dir in den Kopf kommt, und kultivierst proaktiv nützliche Gedanken und Gefühle, die deinen Geist in Richtung Offenheit, Glück und Mitgefühl steuern.

Bei der analytischen Meditation geht man davon aus, dass jeder einzelne unserer Gedanken unseren Geist in die eine oder die andere Richtung programmiert.

Gestützt wird diese Annahme von dem unlängst entdeckten Grundsatz der Neuroplastizität, der zeigt, wie jeder Gedanke neuronale Strukturen im Gehirn verstärkt und damit die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass dieser Gedanke in Zukunft häufiger auftreten wird.10 Wenn du einen Film siehst, ein Buch liest oder durch die sozialen Netze scrollst, beeinflusst das dein Gehirn und sorgt dafür, dass du in Zukunft anders denkst oder handelst. Werbung funktioniert nach diesem Prinzip und verstärkt in dir das Gefühl, dass dir etwas fehlt und dass dein Leben erfüllt sein wird, wenn du es dir kaufst. Deine Interaktionen mit Medien, Kollegen, Familie und Freunden formen ebenfalls dein Gehirn, ohne dass du es bemerkst.

Analytische Meditation ist ein Weg, bewusst die Kontrolle über die Gewohnheiten deines Geistes zu übernehmen, anstatt zuzulassen, dass er unbewusst durch deine Interaktion mit den Menschen und der Welt um dich herum programmiert wird. Diese Art der Meditation funktioniert ähnlich wie kognitive Verhaltenstherapie, bei der man mithilfe von Logik verzerrte Gedankengänge aufspürt und deinen Geist dann auf gesündere Antworten trainiert.11 Sie hat außerdem Ähnlichkeit zur positiven Psychologie, die über die Behandlung psychischer Probleme hinaus darauf abzielt, ein reiches und blühendes Leben zu fördern.12 Mithilfe von Geschichten, kritischem Denken und Vernunft steuert die analytische Mediation den Geist in Richtung der »besseren Engel unserer Natur«, wie Abraham Lincoln13 es formulierte.

Wenn ich analytische Meditationen anleite, ist mir etwas Ermutigendes aufgefallen: Viele Menschen, auch Neulinge, können sich voll und ganz auf eine analytische Meditation konzentrieren, während es ihnen deutlich schwerer fällt, sich, wie bei der stabilisierenden Meditation gefordert, auf einen einzigen Punkt zu fokussieren. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass wir so sehr daran gewöhnt sind, Fernsehen zu schauen und Geschichten zuzuhören. Letztlich ist analytische Meditation nur eine anderen Form von Geschichte – eine, die wir uns mit geschlossenen Augen auf einem Kissen sitzend selbst erzählen und die uns helfen soll, unser Denken und unsere Realität besser zu begreifen.

Analytische Meditation mag einfacher zu erlernen sein als Achtsamkeitsmeditation, dennoch ist es wichtig, beide Formen zu praktizieren. Die stabilisierende Meditation beruhigt und fokussiert den Geist, während die analytische Meditation den Geist verändert. Deshalb sind beide Teil einer Meditationssitzung. Eine Sitzung beginnt zumeist mit einer stabilisierenden Meditation, die den Geist beruhigt, wechselt dann zu einer geistig aktiven analytischen Meditation, die die Absicht hat, den Geist zu verändern, und kehrt schließlich zu einer stabilisierenden Meditation zurück, die dazu dient, die Erkenntnisse aus der analytischen Meditation zu vertiefen und in Realisierungen zu verwandeln, die von Herzen kommen.

Warum sollte ich analytische Meditation praktizieren?

Nachdem mir der Dalai Lama erstmals analytische Meditation erklärt hat, begann ich, bei Geshe Ngawang Dakpa in San Francisco tibetischen Buddhismus zu studieren, und nahm mir vor, jeden Tag zu meditieren. Schon bald erlebte ich einige der ersten therapeutischen Auswirkungen der Meditation, beispielsweise weniger Angstgefühle und besseren Schlaf.

Aber mir fielen auch kleinere Veränderungen meiner Persönlichkeit auf. Anstatt vorschnell zu bewerten, fühlte ich mich mehr im Hier und Jetzt und offener für die Menschen um mich herum. Anstatt mich ängstlich zu fühlen, war ich entspannter. Und bei Gelegenheiten, bei denen ich die Probleme anderer sonst vielleicht ignoriert hätte oder ihnen aus dem Weg gehen wollte, verspürte ich nun den von Herzen kommenden Wunsch, bestmöglich zu helfen. Ich merkte an mir selbst, dass es beim Meditieren nicht bloß darum geht, dass du dich besser fühlst, es geht darum, dich auf eine Art und Weise zu verändern, dass deine Verbindungen zu deinen Mitmenschen stärker werden und dass du dich für das einem steten Wandel unterliegende und von wechselseitigen Abhängigkeiten geprägte Wesen der Realität öffnest.

Die buddhistische Erklärung für eine derartige Transformation beginnt damit, dass man sich eingesteht, dass wir alle von Gedanken und Gefühlen geplagt werden, die unseren Geist in Unruhe versetzen, etwa Zorn, Abhängigkeit, Eifersucht und Ichbezogenheit. Dann gestehen wir uns ein, dass uns auch Gefühle, die wir für gewöhnlich als positiv einstufen würden, in Aufruhr bringen können – der Wunsch nach einer Tasse Kaffee, die Sehnsucht danach, berührt zu werden, oder die Empörung darüber, wie ungerecht die Welt ist. Nahrung, Intimität und gesellschaftliche Kontakte sind Dinge, zu denen der Buddhismus ermuntert, aber wenn wir, wie es gelegentlich der Fall ist, verzweifelt oder egozentrisch an diese Erfahrungen herangehen, kann dies den Nutzen zunichtemachen, den uns positives Handeln ansonsten gebracht hätte.

Vielleicht geht es dir wie mir und auch du findest die Betrachtungsweise des tibetischen Buddhismus zum Trainieren des Geistes besonders reizvoll. Denn sie zwingt mich nicht, Vergnügen, Arbeit, Beziehungen oder sogar Konflikte aufzugeben. Du bekommst einfach das gedankliche Werkzeug zum Abschütteln der Verzweiflung, der Abhängigkeit, der Furcht und der Wut an die Hand, die manchmal unser Leben begleiten. Wir erkennen, dass unsere Unruhe nicht in erster Linie aus den Erfahrungen selbst resultiert, die wir machen, sondern, wie wir auf die Erfahrungen reagieren.

Hast du dich je nach dem nächsten Keks gesehnt, während du den ersten noch gar nicht aufgegessen hattest? Oder in einer Dating-App nach rechts gewischt, obwohl du gerade erst ein Match hattest? Ein Raucher hat mir einmal erzählt, wie er nach einer Zigarette griff, obwohl er noch eine brennende in der Hand hielt. Selbst wenn man gerade dabei ist, seine Gelüste zu befriedigen, können einen die Gelüste packen.

Ist dein Geist dagegen unaufgeregt, kannst du Augenblicke der Freude, des Erfolgs oder der menschlichen Nähe besser genießen – viel mehr, als wenn dich zwanghafte Gelüste gepackt haben. Du bist voll und ganz im Hier und Jetzt des Vergnügens, ohne zu fürchten, dass der Augenblick schwinden wird, und ohne krampfhaft nach seiner Rückkehr zu greifen.

Um diese Präsenz zu erreichen, bedarf es einer Kombination aus stabilisierender und analytischer Meditation. Die stabilisierende Meditation hilft dir, dich stärker deiner Gedanken bewusst zu werden, ohne dabei reagieren zu müssen. Und die analytische Meditation gibt dir das Werkzeug an die Hand, Dingen wie Gelüsten, Wut und Apathie entgegenzutreten, die in die falsche Richtung führen. Ganz bewusst wählst du neue Gedanken und Handlungen, die deine manchmal wenig hilfreichen automatischen Gedanken und Handlungen ablösen.

Einem Klischee nach ist der Höhepunkt der Meditation ein Yogi, der friedlich auf einem Berg sitzt und in einem Zustand völliger Akzeptanz alles hinnimmt, was geschieht, sei es gut oder sei es schlecht. Aber sich aus der Welt ausklinken und die eigenen Hoffnungen und Träume aufgeben? Das ist nicht der Weg, wie ich ihn gelernt habe. Aus anhaltender Meditation resultiert ein Zustand der Zufriedenheit. Damit ist nicht gleichgültige Losgelöstheit gemeint, sondern ein unerschütterliches Gefühl der Selbstachtung, der Sinnhaftigkeit und der Fürsorglichkeit gegenüber anderen.

Analytische Meditation hilft dir, zugleich im Austausch mit der Welt zu bleiben und dich mit Dingen zu beschäftigen, die deinem Leben das größtmögliche Maß an Bedeutung, Sinnhaftigkeit und Verbundenheit geben. Anstatt Angstgefühle, Frustration und Gelüste zu verspüren, fühlst du dich glücklich und im Hier und Jetzt. Du kannst deine Ziele verfolgen und dir gleichzeitig die realistische Haltung bewahren, dass äußere Errungenschaften nur vorübergehende Befriedigung mit sich bringen. Selbst wenn es dir nicht gelingen sollte, deine Träume umzusetzen, bewahrst du trotzdem Zufriedenheit und Präsenz, denn du bist von dem starken Gefühl erfüllt, dass die wahren Ursachen des Glücklichseins in deinem Geist zu finden sind und nicht außerhalb.

Externe Quellen des Glücks sind selbstverständlich nichts Triviales.14 Jeder Mensch braucht und verdient Nahrung, ein Dach über dem Kopf, medizinische Betreuung, Bildung und Menschen, die ihn lieben. Aber im Buddhismus besitzen das Glücklichsein und das Wohlergehen eine weitere Dimension, die von innen kommt und die wir durch eine Kombination aus äußerem Verhalten und innerer Betrachtung erreichen können.

Nach außen hin erläutert die buddhistische Ethik, dass es dir Wohlbefinden bereitet, wenn in deinem Leben Gewaltlosigkeit und Güte im Mittelpunkt stehen. Das liegt daran, dass du ein reines Gewissen hast. Nach innen hin besagt die buddhistische Betrachtungsweise, dass dein Geist selbst ein Quell der Zufriedenheit sein kann, weil du Mitgefühl kultivierst und Einblicke in das Wesen der Realität erlangst, wenn du herausfindest, wer du auf den tiefsten Ebenen deines Bewusstseins wirklich bist.

Diesen Weg der Selbsterkenntnis kannst du mit einer der simpelsten analytischen Meditationen beginnen, indem du darüber nachdenkst, dass du nicht deine Gedanken bist. Bei dieser Art analytischer Meditation gibt es keine Notwendigkeit, den Geist von Gedanken zu befreien. Stattdessen hörst du schlicht auf, voll und ganz von ihnen absorbiert zu werden. Du beginnst, Gedanken objektiv zu beobachten. Wie ein Wissenschaftler im Labor analysierst du, was sie sind, und bestimmst, welche Gedanken dich glücklich machen und welche dich in Unruhe versetzen.

Mit einiger Übung kannst du diese Methode in den Alltag übernehmen. Du kannst dir bewusst werden, dass du wütend auf deinen Boss wirst, und diesen Gedanken dann vorsätzlich loslassen. Du kannst akzeptieren, welche Gefühle ein Rückschlag bei dir ausgelöst hat, und sie dann hinter dir lassen, um an einer Lösung zu arbeiten. Du kannst deinen zwanghaften Wunsch nach einem attraktiven Körper registrieren und ihn dann auflösen in der Leichtigkeit und der Befriedigung, die es mit sich bringt, einfach am Leben zu sein.

Ein Schweizer Taschenmesser für den Geist

Die acht Stufen dieses Buchs und die damit einhergehenden analytischen Meditationen können in stiller Kontemplation praktiziert werden oder im Alltag. Für eine morgendliche Meditation könntest du ganz bewusst eine Stufe wählen, die zu der Qualität passt, die du an diesem Tag kultivieren möchtest. Stehst du in deinem Alltag vor einem Problem? Dann rufe dir die Formel ins Gedächtnis und wende sie unmittelbar auf die negativen Gedanken an, die dir in den Kopf kommen. Die Sequenz ist wie eine Art Schweizer Taschenmesser für den Geist – sie stellt dir eine Auswahl an Werkzeugen für den Umgang mit unterschiedlichen geistigen Herausforderungen zur Verfügung.

Wie genau verändern diese Werkzeuge meinen Geist? Aus buddhistischer Sicht beruhen die meisten mentalen Probleme darauf, dass man nicht im Einklang mit der Realität lebt. Um dein Potenzial für Glück und Güte zu wecken, musst du zu der Frage meditieren, wie du dich und die Welt um dich herum zutreffender sehen kannst.

Will man beschreiben, was der Prozess der analytischen Meditation in dir entwickelt, trifft es der Begriff »Charakter« wohl am besten. Jede Stufe fördert spezielle Tugenden. Tabelle 1 zeigt, welche Stufen die analytische Meditation vom Weg des Skeptikers zur Erleuchtung umfasst, dazu reale Probleme, auf die die Stufen abzielen, und welchen Nutzen – von Großzügigkeit bis zur Fähigkeit zu staunen – sie für deinen Charakter haben.

Tabelle 1: Stufen der analytischen Meditation beim Weg des Skeptikers zur Erleuchtung

Kapitel

Stufen

Probleme im Alltag

Charakterlicher Nutzen

5, Stufe 1: Das kostbare Leben

Kostbares Leben

Langeweile, Apathie, Hoffnungslosigkeit, Depression

Dankbarkeit, Verantwortungsbewusstsein, Enthusiasmus, Ehrfurcht

6, Stufe 2: Umarme die Vergänglichkeit

Vergänglich-keit

Vergänglichkeit, Verlust, Krankheit, Trennungen, Trauer, Ungerechtigkeit

Dankbarkeit, Verantwortungsbewusstsein, Enthusiasmus, Ehrfurcht

7, Stufe 3: Das mentale Zusammenspiel von Ursache und Wirkung

Ursache und Wirkung

Frustration, Wut, Bedauern, Selbstkritik, Verurteilen, Schuld, Verzweiflung

Moralisches Verhalten, Geduld, Empathie, Selbstakzeptanz, Verzeihenkönnen, Verantwortungsbewusstsein, Entschlossenheit

8, Stufe 4: Was machst du, wenn du allein bist?

Zuflucht

Abhängigkeit, Gelüste, Selbsthass, Verurteilen, Konflikt

Selbstrespekt, Zufriedenheit, Gleichmut, Bewunderung, Mut

9, Stufe 5: Bin ich wichtiger als alle anderen im Universum?

Leiden

Wut, Gelüste, Abhängigkeit, Ichbezogenheit, ungesunder Lebenswandel

Verantwortungsbewusstsein, Selbstkontrolle, Mitgefühl, Geduld, gesundes Leben

10, Stufe 6: Die rote Pille bedeutet Ent-sagung

Entsagung

Leugnen, Abhängigkeit, Wut, Gelüste, Konkurrenzdenken

Mitgefühl mit sich selbst, Selbstvertrauen, Großzügigkeit, Akzeptanz, Mut, Zufriedenheit

11, Stufe 7: Was ist Liebe?

Mitgefühl

Einsamkeit, Selbstsucht, Bedürftigkeit

Güte, Großzügigkeit, Mitgefühl, Freude

12, Stufe 8, Teil 1: Wie Dinge existieren

13, Stufe 8, Teil 2: Wer bin ich?

Alles hängt zusammen

Frustration, Konflikt, Verzweiflung, Einsamkeit, das Gefühl, abgekoppelt zu sein

Offenheit, Neugier, sich wundern können, Verantwortungsbewusstsein, Zugehörigkeitsgefühl, Selbstlosigkeit

Analytische Meditation ist etwas für den gesunden Geist