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Echtes, gutes deutsches Brot braucht liebevolle Handarbeit, sagen die einen. Zur industriellen Produktion gibt es keine Alternative, sagen die anderen. Wer hat recht? Ferdinand Dyck machte sich auf die Suche nach der Brotformel - und nach dem Geschmack seiner Kindheit Die großen Themen der Zeit sind manchmal kompliziert. Aber oft genügt schon eine ausführliche und gut recherchierte GEO-Reportage, um sich wieder auf die Höhe der Diskussion zu bringen. Für die Reihe der GEO-eBook-Singles hat die Redaktion solche Einzeltexte als pure Lesestücke ausgewählt. Sie waren vormals Titelgeschichten oder große Reportagen in GEO.
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Seitenzahl: 22
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Herausgeber:GEODie Welt mit anderen Augen sehenGruner + Jahr GmbH & Co KG,Am Baumwall 11, 20459 Hamburgwww.geo.de/ebooks
Deutsche Laibkultur
Von Ferdinand Dyck
Zusatzinfos
Ohne Gluten kein Weizenbrot
Lektüretipps
Echtes, gutes deutsches Brot braucht liebevolle Handarbeit, sagen die einen. Zur industriellen Produktion gibt es keine Alternative, sagen die anderen. Wer hat recht? Ferdinand Dyck machte sich auf die Suche nach der Brotformel – und nach dem Geschmack seiner Kindheit
Von Ferdinand Dyck
Meine Suche nach dem Brot, das ich als kleiner Junge gegessen habe und dessen Geschmack ich nicht vergessen kann, beginnt in einer Backstube in der Oberlausitz.
Sie ist nicht groß, 40 Quadratmeter vielleicht, dafür ist sie alt. Vor der Tür in den Garten mit den Hühnerställen dröhnt eine Drehhebelknetmaschine aus der Nachkriegszeit. Unter dem Fenster zur Dorfstraße steht ein Teigrührer neben einer mechanischen Waage, beide im cremefarbenen Lack der 1960er Jahre. Selbst die Obstkuchen auf den Blechregalen duften nach einer anderen Zeit.
Nur der Ofen, ein Monsterteil, tief wie drei Wohnzimmerschränke, will nicht hineinpassen ins Vorgestern. „Erst als mein Vater sicher war, dass ich den Betrieb übernehmen würde, hat er den Ofen gekauft“, sagt Stefan Richter, der Brotmissionar. Er will den Menschen beibringen, wie Brot zu schmecken hat.
20.000 Euro hatte der Seniorchef für den Drei-Etagen-Ofen bezahlt, eine gewaltige Investition für die kleine Bäckerei, die ihre Besitzer zu DDR-Zeiten nicht reich gemacht hat und nach der Wende auch nicht. Der Ofen ist eine Wette. Eine Wette auf den Erfolg des Sohnes und seiner Idee vom guten Brot.
Seit 2013 ist Stefan Richter der Dorfbäcker von Kubschütz, einem 2600-Einwohner-Ort, 15 Autominuten östlich von Bautzen. Einer von nur noch etwa 12.600 Handwerksbäckern in Deutschland, von jenen selbstständigen Bäckermeistern also, deren Betrieb noch nicht von einer Kette aufgekauft wurde und die sich in aller Regel keine gefrorenen Industrie-Teiglinge zum Fertigbacken in die Backstube schicken lassen. Vor 60 Jahren gab es in den alten Bundesländern noch 55.000 von ihnen, allein von Ende 2013 bis Ende 2014 verschwanden in Deutschland anderthalb Handwerksbäckereien pro Tag.
Stefan Richter aber hat seinen Kampf fürs gute Brot gerade erst begonnen. „Was dir selbst wehtut, tut auch der Hefe und dem Sauerteig weh“ – solche Sätze sagt der schlanke junge Mann in der schwarz-weiß karierten Bäckerhose. Und immer wieder, leicht abgewandelt, sein Credo: „Ich glaube, es schadet uns, wenn wir erwarten, dass ein aufgeschnittenes Brot sechs Tage lang halten muss und Weizenbrötchen immer ein sagenhaftes Volumen haben müssen. Beides klappt nur mit Zusatzstoffen.“