EXOGEN - Mäander Visby - E-Book

EXOGEN E-Book

Mäander Visby

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Beschreibung

Eine Auslese an seinen Gedichten präsentiert Mäander Visby in seinem Buch EXOGEN. Dabei blickt er zurück auf fünfzehn Jahre Dichtkunst, herausgefiltert aus seinen zahlreichen Dramen und seiner Trilogie DER DICHTUNG ZAUBERISCHE HÜLLE. Das Pendant zu EXOGEN ist der Gedichtband ENDOGEN.

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Seitenzahl: 222

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Mäander Visby

EXOGEN

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

A

B

D

DAS

DER

DIE

E

F

G

H

I

J

K

L

M

N

O

P

R

S

T

U

V

W

Z

Impressum neobooks

A

EXOGEN

VON MÄANDER VISBY

ABGESCHÜTTELT

Ohren betäuben stets ringende Hände,

Schnalzende Zungen und beißende Waden,

Rümpfende Nasen und fällige Augen,

Kuppelnde Lungen und sägende Nerven.

Füße vertreten nur fertige Finger,

Selige Arme und kniende Kehlen,

Wagende Hälse und markige Knochen,

Zuckende Achseln und rockige Falten.

Herzen zerreißen gern schleimende Häute,

Raufende Haare und eisige Beine,

Lahmende Ärsche und quatschende Köpfe,

Pinselnde Bäuche und affige Zähne.

Adern verkehren mit schürzenden Lenden,

Speckigen Hüften und spiegelnden Därmen,

Protzenden Muskeln, versagenden Nieren,

Speisenden Röhren und brüchigen Hoden.

Samen genügen schon blitzende Busen,

Schlagende Wimpern und stiftende Lippen,

Backende Hintern, gebärende Mütter,

Jungferne Häutchen und blasende Früchte.

AM ABGRUND

Am Abgrund, mit dem Mute der Bedrängnis,

Wart' ich nur darüber noch hinaus.

Mit einer Angst vor Lähmung und Verhängnis,

Bricht ein Graben auf im Seelenhaus.

Aus großer Höhe wirkt der Abgrund tiefer.

Jenseits scheint so vieles unbeirrt.

Und freiheraus, mit Blick auf Schutt und Schiefer:

Sie ist die, für die ich sterben würd'!

Sie ist es Wert, um jeden Preis der Erde!

Nicht die Erde selbst hat ihren Wert!

Sie macht zu dem mich, der ich durch sie werde,

Während sie mich in den Abgrund zerrt.

AN ALLE HELDEN SCHÖNE GRÜßE

Des Fräuleins farbenfrohes Kleid,

In dieser Sommersonnenzeit,

Betont ihr auf- und niedertreten

Von ihrem nackten Füßen Gang.

Ach, jeder Schritt, ob kurz, ob lang,

Lässt gar die Zeit sich selbst verspäten.

Nun, der Betrachter ist in Eile –

So hieß es in der letzten Zeile

An seinen hübschen Kurzbesuch.

Als dann ihr blanker heißer Rücken,

Sich aufmacht noch derweil zu bücken,

Nach einem dünnen Taschenbuch.

Nennt sich denn heute attraktiv,

Was gestern noch die Zeit verschlief?

Das Denken schützt die Mannsperson,

Von der sie stolz her wiederkehrt,

Und aufrecht ihrer Welt erklärt:

Den Vorzug ihrer Proportion.

Dann, unweit vor ihr, bahnt sich an

Ein Horror für ihr Fußgespann,

Als auf dem Weg ein Glas zerspringt

Und Scherben sich gekonnt verteilen.

Ein Held doch weiß sich zu beeilen,

Dem Lob dafür und Reichtum winkt.

Ganz furchtlos stürzt er zu den Spitzen,

Die kantig scharf gefährlich blitzen.

Er hält noch Ausschau nach ein' Besen,

Als sie kurz vor dem Unglück steht.

Wenn sie den Schritt zu Ende geht...

Ach, wär' da nicht ihr Held gewesen:

Da zieht er aus sein weißes Hemd!

Sein Kopf denkt nur: Ich schäm' mich fremd!

Das schöne Hemd war richtig teuer

Und ist sein liebstes Kleidungsstück.

Die Rettungstat kennt kein Zurück!

Er ginge gar für sie durchs Feuer!

Sein schönes Hemd wirft er aufs Glas.

Das Fräulein, kam stolzierend, sah's

Und sagte, darauf tritt sie nicht,

Denn sie hätt' üble Käsefüße.

Dem Helden zog es ins Gesicht.

An alle Helden schöne Grüße!

AN DAS PUBLIKUM

Leute, Leute, nur nicht hetzen!

Andre mögen auch schon stehen...

Wollen Sie sich wieder setzen

Oder gleich nach Hause gehen?!

Hören Sie die letzten Worte,

Die noch etwas Sitzfleisch haben.

Nein, es gibt nicht viele Orte,

Die so reizend sind für Raben.

So wie der Mensch am Leben hängt,

So hängt gewiss er auch am Tode.

Er lodert und er himmelt an –

Aus ihm wird das, was er nicht kann.

Und keiner, der es ihm verdenkt,

Dass er nur nutzt die neuste Mode.

Der Mensch bleibt dennoch weiter offen,

So wie es seine Art verspricht.

Er könnte nie, er würde nie

Bereuen nur ein Teil Magie,

Von der er selber ist betroffen,

Durch die heraus er förmlich sticht.

Und kauen tut er offenkundig –

Der Mensch mit seiner großen Klappe –,

Damit die sehen, die nichts haben,

Wie spärlich sind der Menschen Gaben,

Wie schwer verdaulich und wie pfundig,

Wie's ist zu fressen als Attrappe.

Ums Fressen geht's schon lang nicht mehr,

Ihr Geier – schäbig – nach dem Aase!

Der Abstrich Eurer Jugend,

Beschmiert der Menschen Tugend

Und zieht das Glück aus dem Verkehr,

Das schlicht zerplatzt wie eine Blase.

Es kann kaum schmerzen unterm Grinsen –

Und wenn es schmerzt, nicht tagelang.

Gegafft wird in die kleinste Lücke –

Und ähnelt sie dir bloß ein Stücke,

Gibt's Erbsen, Bohnen oder Linsen

Und Zwiebeln für den ersten Rang.

Wie hat ein Mensch, wie ich, zu gehen?

Ach, glauben Sie's, ich geh' gebückt.

Ich krieche vor der tristen Welt.

Ein Umstand, der ihr sehr gefällt.

Sie werden eines Tages sehen,

Wie man mich in die Erde drückt.

Ihr habt gelernt euch auszudehnen,

Nicht gegen Strom und Schwall zu fließen.

Die nächste Reise wollt ihr buchen?

Wollt ihr es nicht daheim versuchen?

Denn die sich nach woanders sehnen,

Auf denen soll man Wasser gießen!

Ach, wartet nur ein Weilchen noch,

Bis euch verlässt der eigne Schatten!

Und dann beginnt die Träumerei.

Und euch wird sein nicht einerlei,

Wenn sie erst kommen aus dem Loch,

Aus dem ansonsten flüchten Ratten.

AN EINEM TAG WIE DIESEM (1)

An einem Tag wie diesem,

Zu Zeiten tiefer Krisen,

In einer Welt von Sinnen,

Darf nur das Herz gewinnen!

Auf Straßen voll von Zeugen,

Bei Taten schwer an Folgen,

Im Eindruck rauer Sitten –

Das Herz bleibt unbestritten!

Im Land der großen Denker,

In dieser Stadt – zum Henker –,

An einem Ort im Freien –

Es muss das Herz gedeihen!

Bei allem Wohl und Wehe,

Was immer auch geschehe,

Das Herz, ach, sei gepriesen

An einem Tag wie diesem!

An einem Tag wie diesem,

Im Wäldchen und auf Wiesen,

Am Ufer und auf Bänken

Muss ich noch an dich denken.

Im Wasser und beim Schwimmen,

In einem Meer aus Stimmen,

Beim Rauchen und beim Schreiben

Seh' ich herum dich treiben.

Bei Sonne und im Schatten,

Bei allem, was wir hatten,

Beim Drehen meiner Runden

Bleib' ich an dir gebunden!

Beim Weinen und beim Lachen,

Beim Träumen und beim Wachen –

Stets wird auf dich verwiesen

An einem Tag wie diesem.

AN EINEM TAG WIE DIESEM (3)

An einem Tag wie diesem, auf ein Wiedersehen,

Wenngleich ich kann's, nach all der Zeit, nicht ganz verstehen,

Warum es sollte einen neuen Fall nun geben,

Durch den erneut abrupt sich ändern könnt' mein Leben,

Denn glaubt' ich mich gefestigt und befreit von Lasten.

So schien ich mich geirrt zu haben einmal wieder,

Als plötzlich prasselnd kam ein Regenschauer nieder,

Nachdem die Sonne eben noch durchs Fenster strahlte

Und ich dem Boten teuer einen Brief bezahlte,

Der nicht bestimmt war für den schlichten Haustürkasten.

Ich sah mich erst als Alter Ego von dem Knaben,

Dann aber wollte ich sofort dies Brieflein haben,

Weil mir sehr deutlich zu verstehen gab der Bote,

Wie heikel es doch wär', wenn in die falsche Pfote

Gelangen würde dies sensible Unterlage.

Er ließ, wie üblich, mich auf Bitten unterschreiben,

Und wollt' auch länger nicht auf meinem Grundstück bleiben –

Er lief, als wurd' von der Tarantel er gestochen,

Wobei er einen Tag schon hatte in den Knochen,

Und vor sich haben sollte ewig und drei Tage.

Da hielt ich nun den leichten Brief in beiden Händen,

Besah genau den Umschlag mir und tat ihn wenden,

Wodurch ich mich daran erinnert fühlen musste,

Was einst detailgetreu ich zu berichten wusste,

Als mir mein Bruder einen Brief dergleichen schickte.

Gewiss bin ich mit meinem Bruder so verblieben,

Dass niemals wieder einen Brief er hat geschrieben.

Bis heute? Nein, ich bin geheilt von dem Gedanken,

Der mich so lang verwiesen hatte in die Schranken,

Bis ich nicht weiter als hinaus auf morgen blickte.

Ich ging hinein ins Haus und in mein Arbeitszimmer,

Noch von dem Briefverfasser ohne blassen Schimmer

Und was mich mit der Nachricht alles könnt' erwarten,

Denn nichts verwies auf Haus, auf Hof, auf Schrebergarten,

Noch wollt' ein Name diesen werten Umschlag zieren.

Alleine Friedrich Gotland stand darauf geschrieben –

Gekritzelt trifft es – und mit Absicht wohl verrieben,

Wie jener Brief, den ich vor Jahren hab' erhalten.

Doch diesmal sollte sich der Fall derart gestalten,

Dass niemand fürchten muss, die Nerven zu verlieren.

Ich schloss die Tür zum Arbeitszimmer und verharrte.

Ich fühlte das Profil des Briefes und erstarrte.

Nicht mehr als aus ein Blatt Papier konnt' er bestehen,

Denn in das Licht gehalten, konnt' dadurch ich sehen –

Verringern tat die schwarze Tinte nur die Fläche.

Ich setzte mich und brach nun diesen Brief entschlossen,

Als wäre er zuvor mit heißem Wachs begossen,

Und zog das eine Blatt Papier mit der Pinzette

Heraus, als ob davor ich einen Ekel hätte,

Wobei ich aber zeigen wollt' nicht diese Schwäche.

Zur Hälfte war das Blatt Papier herausgezogen,

Und manch Empfänger könnte fühlen sich betrogen,

Denn mir eröffnen tat sich eine weiße Seite –

In voller Länge wie auch in der großen Breite –,

Sodass entzückt davon ich wenig wär' gewesen.

Ja, wenn ich nicht auch von der andren Seite wüsste,

Zu der ich hin das blanke Blatt nur drehen müsste,

Wodurch die Nachricht würd' sich zu erkennen geben,

Was schließlich für den Leser sollt' sein das Bestreben,

Wenn er sich schon ermuntert hatte, ihn zu lesen.

Ich wollte möglichst rasch das triste Blatt nun wenden,

Um auf dem schnellsten Weg den Irrsinn zu beenden,

Da hörte ich es plötzlich an der Türe klopfen –

Ich war gewillt, den Brief mir in den Mund zu stopfen,

Wenn die gewünschte Ruhe nicht gegeben wäre.

Jedoch das leise Klopfen an die Tür verstummte,

Nur eine Biene flog verirrt herum und summte,

Die aber mich nicht weiter bei der Arbeit störte,

Weil ich Geräusche dieser Art stets überhörte,

Als würden sie verlaufen im Gehör ins Leere.

Nun ließ es sich zu lesen aber nicht vermeiden,

Obwohl an solchen Briefen sich die Geister scheiden,

Und niemand – wirklich niemand – recht vermag zu sagen,

Was für gemeine Worte oder dumme Fragen

In einer Nachricht, wie in dieser, könnten stecken.

Ich drehte zaghaft das Papier mit der Pinzette.

Ach, Gott! Wer schreibt denn bitte heute noch Sonette?!

Dacht' ich, als dann mein Blick bestand drauf zu verweilen.

Und in der Tat: Es waren vierzehn kurze Zeilen.

Auf diese Weise ließ sich meine Neugier wecken.

An einem Tag wie diesem? Nimmerwiedersehen!

Wie schnell doch solche Tage stets vorübergehen –

Gefühlt natürlich, halten sie ein ganzes Leben.

Sie sind nicht zu vergessen oder zu vergeben!

Sie sind aus Herz und Geist nun einmal nicht zu streichen.

Drum sollte man, wie ich es tat, davon berichten,

Denn was nicht willens ist, das lässt sich nicht vernichten.

Und was erst einmal wurd' persönlich zur Geschichte,

Das macht auch nicht die ferne Zukunft je zunichte.

An einem Tag wie diesem geht selbst über Leichen!

Die Leiche meines Freundes wurde nie gefunden.

Und ich hab' diesen Tag noch längst nicht überwunden.

Ach ja, na logisch schickten meine beiden Lieben

Vom Fach die Leute in die Schillerstraße sieben.

Jedoch das Haus war leer von unten bis ganz oben.

Sogar das Blatt im Kasten wurde mitgenommen.

Ich sollte folglich in die Nervenklinik kommen.

Edyta konnt' mich, Gott sei Dank, davor bewahren.

Fürs Erste sollt' vom Mitschnitt niemand was erfahren.

Für meine Erben hab' ich diesen aufgehoben.

Ich habe mich entschieden, meinen Mund zu halten

Und das Vermächtnis meines Freundes zu verwalten,

Denn viel von seiner Kunst, besonders seine Dramen,

Von denen längst nicht alle auf die Bühne kamen,

Die sollten doch zunächst von mir verstanden werden.

Ich will's der Welt nicht einfach vor die Füße werfen.

Bevor das Messer, sollt' man den Verstand erst schärfen!

Ich gebe Ihnen hier mein Wort: Ich werd' mitnichten

Falsch Zeugnis reden oder etwas gar erdichten!

Erlischt nicht jedes Feuer mit der Zeit auf Erden?!

Ich schreib' nicht mehr: Parabeln für die Oberklasse,

Gedichte und Sonette für die breite Masse.

Ich schreibe weder klug noch geh' ich in die Tiefe.

Und ja, ich schreibe ums Verrecken keine Briefe!

Ich kritzle nur ein wenig, mache mir Notizen.

Ich sitz' auf meinem Stuhl in meinem Arbeitszimmer.

Mit Blick auf meine Zettelwirtschaft, denk' ich: Nimmer

Wird jemals sich ein Rabe so zu mir gesellen,

Weil Menschen meiner Art nichts dar- noch richtigstellen,

Sodass man wird zu Feinden oder zu Komplizen.

Mein Blick schweift auf die Büchersammlung ab Moderne.

Wie's aussieht, les' ich Ernest Hemingway noch gerne.

Es scheint, als ob ich alle seine Werke hätte.

Sie stehen Buch an Buch wie eine bunte Kette,

Denn jeder Einband ist verziert mit andrer Farbe.

Ich lese erst die Titel auf der Bücher Rücken

Und dann vergleiche ich die Farben, die sie schmücken.

Von Wem die Stunde schlägt bis Männer ohne Frauen

Und von burgunderrot bis hin zum himmelblauen.

Vorhanden ist all das, wonach ich gier' und darbe.

Denn allzu viele konnt' ich mir bisher nicht leisten,

Obwohl ich aus der Sammlung selbst besitz' die meisten.

Nur vier von denen hatt' noch nicht ich in den Händen.

Nun will ich aber meinen Hemingway beenden.

Es möge meine Frau mein Fehlen mir vergeben!

Ach, lassen Sie mich nicht von meinem Anhang reden.

Bei Tisch erinnert alles an Der Garten Eden.

Doch dieses Buch hab' ich vor Jahren schon gelesen.

Ich brauche jetzt ein Werk, das passt zu meinem Wesen.

Entschlossen greif' ich nach Paris – Ein Fest fürs Leben.

Sobald ich hatt' das rote Buch herausgezogen –

Und eine Lücke sich ergab im Regenbogen –,

Da kippte just Der Abend vor der Schlacht zur Seite,

Was aus der Enge auch Fiesta dann befreite,

Sodass sie beide sich zu einem Kunstwerk neigten.

In einem andren Land war stets auch meine Säule,

Nach dessen Ende ich noch heut' im Innern heule,

Wobei ich anfangs Ernest Hemingway verfluchte,

Vermutlich weil das Gute ich vergeblich suchte,

Verglichen mit Autoren, die sich gnädig zeigten.

Ich geh' zurück zum Schreibtisch, setze mich soeben

Und schlag das Büchlein auf Paris – Ein Fest fürs Leben.

Mir fällt sogleich ins Auge einzig eine Zeile –

Wie eine Widmung, die ich nun mit Ihnen teile:

Nachdem du überleben konntest, Bruder, lebe!

Ich ließ darauf zum Überfliegen mich verleiten.

Und prompt verspürte ich inmitten zweier Seiten

Ein dickes Blatt Papier, das wie ein Bremsklotz störte.

Ich nahm's heraus und las, was nicht da reingehörte.

Sie möchten sicher, dass ich's Ihnen wiedergebe.

AN YERMA

Ich zog hinfort

Und quer durchs Land –

Was ich auch sah, aus meinem Geist verschwand.

An einem Ort

Doch dann sah ich,

Was nicht so schnell mehr meinem Geist entwich.

Oh, Liebessinn –

Wo warst du bloß?

Ich dacht', dein Anblick wär' stets aussichtslos.

Ich schau' heut' hin

Und seh' genau

Das Antlitz auf der Welt wohl schönsten Frau.

Ich hielt mich an,

Nahm endlich Platz.

Durch dich schrieb ich den ersten Liebessatz.

Ich denk' daran,

Mit dir zu sein –

Für alle Zeit, bis in den Tod hinein.

Oh, Liebessinn –

Du bist ganz nah.

Du bist das Beste, was mir je geschah!

Und was ich bin,

Gehört nur dir!

Was wirklich zählt am Ende, das sind wir!

Oh, Liebestraum –

Du wirst nun wahr

Und stellst dich mir als großen Glücksfall dar.

Ich glaub' es kaum

Und wunder mich,

Doch laut verkünd' ich: Ja, ich liebe dich!

ANNO ZWÖLF SECHS ACHT

Oh, bange und auch wehe mir,

Erklär' ich dir beim Geiste hier:

Ein schlechter Scherz ist das Verlangen

Nach diesen Wäscheständerstangen,

Die vor den Platten, auf dem Rasen,

Sogar dem Wind entgegenblasen.

Und mittels der gerissnen Leine,

So schleudern sie auch Schleudersteine.

Doch diese Angst vor jenen Stangen –

Ach, wären sie doch Zahnarztzangen –

Datiert auf anno zwölf sechs acht:

Der Anfang von der Kopfabschlacht.

So kurz gemacht wie Antoinette!

Und ist das Haar auch lang und fett,

Ein jeder fügt sich dann dem Beil:

Im kurz davor und auch derweil.

Nun stellen Sie sich einmal vor:

An jeder Stange hängt ein Chor,

Aus sieben Buben und acht Gören.

Die Probe bitt' ich nicht zu stören!

Sie sangen mit dem letzten Laut

Ein Kinderlied. Wem ist's vertraut?

Vom Dirigenten kam der Rat,

Sie stumm zu schalten. Was ich tat.

AKKU LEER

Ich wollte noch was schreiben,

Bloß als Notiz vermerken

Und später daran werken.

Der Einfall hat gesessen!

Der Einfall sollte bleiben.

Doch dann kam eine Hürde:

Oh, Akku, deine Würde...

Und aus! Und schon vergessen!

AUF DEM WEG ZUM FRÜHLING

Meine Sinne sind vom tiefen Schnee im Argen.

Und die Spur ins Glück ist lange zugeschneit.

Ich bin gefroren im Bestreben

Und hab' der Kälte mich ergeben.

Nur dein Herz befeuert meine Lebenszeit.

Weiße Flocken werden sanft vom Wind getragen.

Ach, und leise rieseln sie mir auf mein Haupt.

Ich bin berührt von deiner Liebe

Und bin behütet vor dem Diebe,

Der die Hoffnung in das Gute nicht erlaubt.

Wir entfliehen vor den kühlen Alltagsfragen.

Doch der Winter setzt minütlich sich zur Wehr.

Wir sind gespiegelt von dem Froste

Und was die Kälte uns auch koste,

Niemals geben wir die heißen Herzen her.

Dieser Nacht hat es die Sprache schon verschlagen.

Unterm Schleier atmen Seelen wieder frei.

Es gibt nur eine Lichterquelle

Und die auch leuchtet auf der Stelle

Und die triste Nacht vergessen macht dabei.

Wie der Schnee beginnt sein Tauen zu beklagen,

Dass sein weißes Kleid verfärbt sich kunterbunt.

Wir sind immun den öden Zeiten

Und wollen Liebe nur verbreiten,

Als Gefühl und auch bekundet mit dem Mund.

Wenn die Knospen langsam von den Ästen ragen

Und ein warmer Hauch zieht über das Gesicht:

Hat die Natur erst dies Verlangen,

Dann ist der nächste Schritt begangen,

Auf dem Weg dahin, wo man vom Frühling spricht.

AUFSTIEG UND FALL

Ein Aufstieg und der derbe Fall:

Du kannst zwar steigen bis ins All,

Doch achte auf das hohe Ross,

Wie schnell es dich zum Schweigen bringt!

Geleit' es lieber in den Stall,

Bevor es kommt zum großen Knall,

Denn wer sich selber schimpft Koloss,

Der folglich auch am tiefsten sinkt!

AUS DER DICHTUNG

Sichrer als am Karabiner,

Halt ich dich in meinem Arm.

Stetig, wie ein treuer Diener,

Siehst du mich nur dich umgarn'.

Wie ein Sommer süßt das Echte,

Süßt du mich mit deinem Charme.

Und am Abend, durch die Nächte,

Halten wir uns beide warm.

Wie im Raffer zieht das Leben,

An den Tagen, schnell vorbei.

Was die Guten von sich geben,

Wird an Schlechten zur Arznei.

Auch die Schlechten gehn vorüber,

Wie der mutig übers Seil,

Wenn der Menschenmenge Fieber

Höher stets sich kocht derweil.

Aus der Dichtung, nach dem Ganzen,

Hält ein Foto jenes fest:

Wie zusammen wir schön tanzen,

Abseits von der Menschheit Rest.

Dort wird klar, auf jenem Bilde,

Leidenschaft war auf dem Fest –

Voller Eintracht, wild und milde:

Lippen zu dem Kuss gepresst.

Was wir tun und was wir können,

Nehmen wir mit aus dem Haus.

Unbekannten ist zu gönnen:

Ähnlich unserm Festtagsschmaus.

Fügen tut sich dann der Fremde

Ein ins große Kollektiv.

Dann betont sogar das Hemde,

Statt als grau, sich positiv.

B

BEI NACHT REGIERT DAS SCHWEIGEN

Wie da oben schön es funkelt –

Punkt für Punkt am Himmelsdache.

Doch die Erde ist verdunkelt,

Und es hält nun Hades Wache.

Der so feste Stapfen schlottert,

Vor dem Blick in tiefe Sphären.

Ängstlich wird herausgestottert,

Um ins Licht zurückzukehren.

Doch der Mensch hat sich verzettelt,

Denn bei Nacht regiert das Schweigen!

Der um eine Antwort bettelt,

Ist nur einer dieser feigen...

Ruhe, Stille, sei erträglich!

Tönt, ihr Menschen! Rauscht, ihr Winde!

Schweigen ist bei Nacht unsäglich!

Lässt uns fürchten wie ein Kinde!

BEIDE WEGE

Runter oder rauf nun will ich gehen!

Keinen Grund gibt's weiter hier zu stehen!

Keinen Grund gibt's weiter hier zu warten!

Ob zur Hölle, ob in Edens Garten,

Werde ich zur nächsten Tat schon sehen.

Keinen Grund um Gnade gibt's zu flehen!

Keinen Grund um Aufschub gibt's zu bitten!

Beide Wege sparen mir den dritten.

BEKÄMPFT DAS UNGEHEUER

Was sind das nur für Zeiten:

Millionen gehn spazieren,

Tun Grenzen überschreiten,

Weil Freiheit sie verlieren.

Die Flucht vorm Heimatkriege?

Die da die Plätze räumen,

Die flüchten vor dem Siege,

Um sich nicht aufzubäumen.

Welch Baum will aufrecht stehen,

Beginnt der Wald zu brennen?

Doch der, der wünscht zu gehen,

Den soll man Feigling nennen!

Mit Mut erlischt ein Feuer!

Und jene, die ihn züchten:

Bekämpft das Ungeheuer

Und sterbt, anstatt zu flüchten!

BERLIN, BERLIN

Berlin, Berlin – die Hauptstadt der Methoden –

Ein Tal, das bietet keinem jemals Schatten,

Gebaut auf Treibsand, ohne Grund und Boden,

Beherrscht von Schlangen, Geiern und von Ratten.

Warum jedoch in Aufruhr sich versetzen?!

Es lohnt nicht eine Szene draus zu machen!

Man sollte nicht das Übel überschätzen

Und lieber um die Dummheit höhnisch lachen!

Wir aber sind ja weit entfernt von dessen,

Was sich im Zaum nicht hält und allen schadet,

Mit faulem Zauber und mit schlechtem Essen,

Das förmlich in der Bratensoße badet.

Genug geraunt, genügend dem entsprochen –

Die klugen Köpfe sollten Plätze meiden,

An denen wird mit Worten scharf gestochen,

Die im Theater aus der Mundart scheiden!

Sind wir nicht Vorbild? Sind wir nicht die Regel?

Ja, sollen wir – die Hoffnung – etwa weichen

Vor einem Dummkopf, Wüstling oder Flegel?

Ist das von allen das gewünschte Zeichen:

Vor dem, der zu nichts fähig ist, zu kuschen,

Bloß weil er stärker ist und Angst verbreitet?

Wir sehen nicht vorbei das Übel huschen –

Wir sehen, wie's von Tür zu Türe schreitet.

Wir müssen endlich aus dem Schlaf erwachen

Und einmal heftig uns dagegen wehren,

Ansonsten wird das ganze Land verflachen

Und die, die's können, uns den Rücken kehren!

Pardon, wenn ich die Nerven Ihnen raube!

Ich will den Abend Ihnen nicht vermiesen.

Das Stärkste an den Menschen, ist ihr Glaube,

Mit dem bewältigt werden können Krisen.

Ist's nicht idyllisch hier, ach, selbst im Tode?

Wie die zusammen da am Ufer liegen –

Als stellten vor sie die Pariser Mode,

Ganz ohne Ausdruck, bis ins Herz verschwiegen.

Wir sollten nun die Ruh' nicht weiter stören...

Was war das? Haben Sie das mitbekommen?

Vom Ufer kam's! Ich hätte können schwören,

Dass ich den Zug des Atems hab' vernommen.

BESSERWISSER UND ALLESFRESSER

Auch ein Besserwisser weiß nicht alles besser,

Sonst wär' er so schlau,

Wüsste ganz genau –

Dieser Habe-ich-dir-doch-gesagt-Erpresser –,

Dass man links die Gabel hält und rechts das Messer,

Was wohl jede Frau,

Selbst die dümmste Sau

Und am besten wissen wird der Allesfresser.

Auch ein Allesfresser kann nicht alles fressen,

Sonst würd' längst sein Po

Brennen lichterloh

Von den vielen Würsten aus dem Arschloch pressen,

Wie vom Kauf und Nutzen von Papier vergessen,

Was schon anderswo –

Sagen wir im Zoo –

Für Primaten gelten würd' als angemessen.

BLAUE BLITZE

Das himmelhohe Meer,

Ist immer gut befüllt.

Der Durst in meinem Blick ist längst gestillt.

Mein Herz, es kommt schon schwindlig mir daher.

Die blauen Blitze ruhn,

An schwarzer Wand gemalt.

Ein Werk, für das der Mensch den Preis bezahlt,

Auf Jahr und Tag, im Denken und im Tun.

Ein endlos leerer Pfad –

Nicht weiter wurd' gekonnt –,

Hinaufgetaucht in das wohl hellste Blond,

Als weiser Pfeil für Gottes Rat und Tat.

Und wenn der Regen fällt

Und auf der Sturm nun zieht,

Der Mensch, der blaue Schatten übersieht,

Hat ganz der höchsten Macht sich unterstellt.

BROT UND BRÖTCHEN

Mein Liebchen wollte Frühs ein Brötchen.

Da ging ich fort und kam zurück –

In meiner Hand ein weißes Tütchen,

Darin ein altes Kantenstück.

Sie nahm den Kanten aus dem Tütchen

Und hielt ein kleines Messer dran.

Ich sagte ihr, dies sei für Brötchen!

Doch setzte sie zum Schneiden an.

Sie trug dabei ein krummes Leibchen –

Mit einem Riss vor ihrer Brust –,

Und schnitt dann ein, zwei dünne Scheibchen

Und aß sie trocken – wohl aus Frust.

D

DEM DEUTSCHEN VOLKE

Dem Deutschen Volke steht in Stein gehauen.

Wer schrieb dies? Ein Rassist,

Dem dieser Frevel nur war zuzutrauen,

Durch eine Hinterlist?

Gedacht als Widmung – dies war das Bestreben –,

Kein Umtrieb ist versteckt

Noch ist's symbolisch ernsthaft stattzugeben:

Paul Wallot, Architekt!

Und doch: Dem Deutschen Volke heißt die Zeile,

Am schweren Architrav.

Wer einmal ausharrt, bloß für eine Weile,

Und stellt die Sinne scharf,

Versteht für wen die Staatskunst in dem Lande

Zuerst ist angedacht.

Doch kein Vertreter scheint dazu imstande,

Wie man es richtig macht.

Wer, wenn nicht wir – die Erben Dichter, Denker –,

Sind Herr im deutschen Haus?!

Es gehen einzig aber Richter, Henker,

Wie Götter ein und aus.

Dem Deutschen Volke, ach, welch große Worte –

Gewidmet mit Verstand.

Nur mehr, noch mehr herbei von dieser Sorte –

Es dankt das Vaterland!

DEN DUDEN VERSCHENKT

Was die Liebe auch alles beim Menschen bedenkt –

Von der Liebe wird kein Dialog je gelenkt.

Nach vergebenen Worten fällt da mir nur ein:

Wieso konnte der Duden nicht stets bei uns sein?

Wollte in deine Handtasche er nicht hinein?

Sollt' getragen er werden von mir ganz allein?

Nun, ich habe den Duden im Bahnhof verschenkt,

Wo die Liebe sich ein ganz durch Fremdwörter renkt.

DENKT EUCH HINEIN

Wer einen Anschlag verübt,

Menschen die Körper zerreißt,

Menschen mit Absicht verletzt,

Menschen der Würde beraubt,

Menschen zu Tode erschreckt,

Seelisch und geistig sie bricht,

Hat alle Rechte verwirkt

Teil der Gemeinschaft zu sein!

Niemand sollt' sein so betrübt,

Dass er moralisch entgleist,

Wehrlose Körper zerfetzt,

Nur weil fanatisch er glaubt,

Tief im Schlamassel er steckt

Oder ihn passt etwas nicht.

Was auch der Mensch in sich birgt,

Denkt euch gefälligst hinein!

DES DICHTERS TRUMPF

Der Vögel Umsicht,

Der Zeiten Nachricht:

Ein Echo aus den Bergen, voll von Schnee,

Mit Aussicht, die sich spiegelt in dem See.

Gib Acht der Eisschicht!

Bedenk' die Weitsicht!

Die Kälte lockt mit ihrem dicken Fell.

Doch Eis zerbricht gewiss und ziemlich schnell.

Das Fräulein schreitet,

Wird recht geleitet

Und ist geboren nur aus einem Grund:

Sie ist des Dichters Trumpf zu jeder Stund'.

Sie stellt zur Rede,

Ist nicht wie jede

Und sieht ins Auge offen der Gefahr:

Sie bietet mir damit die Wahrheit dar.

DES HAMMERS SCHLAG

Ach, bleiben wir auf etwas Abstand doch,

Wie es die Ehrfurcht hat's dem Geist gelehrt.

Lass denken uns, es gäbe dort ein Loch,

Wo jeder von uns beiden gern verkehrt.

Denn wo der Mensch den Sprung nicht wagen kann,

Und bloß verträumt er auf den andern schaut,

Da denkt der Mensch noch lange nicht daran,

Dass niemand sonst als er die Brücke baut.

Lass teilen uns mit Anstand auch das Meer,

Dass jeder von uns bloß in seinem schwimmt,

Und wir nicht schwimmen müssen kreuz und quer,

Wenn eine Richtung nicht das Ziel bestimmt.

Denn wo der Mensch in eine Richtung starrt,

Mit Feuer und mit Flamme in dem Blick,

Und nur auf seiner Dinge Sicht beharrt,

Da gibt es keinen Ausweg, kein Zurück.

Und auch die Liebe wird von uns geteilt,

Dass jeder von uns halb so viel noch liebt,

Mit halbem Herz auf halbem Weg verweilt,

Und nicht mehr als die Hälfte nimmt noch gibt.

Denn wo der Mensch die Liebe scheitern lässt,