Fitzmorton und der lächelnde Tote - Peter Hardcastle - E-Book
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Fitzmorton und der lächelnde Tote E-Book

Peter Hardcastle

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Beschreibung

Mord! Phileas Fitzmorton, der hinkende Inspektor von Scotland Yard, und sein Assistent Sergeant John Miller werden auf den Landsitz von Sir Travis Crimpleby gerufen. In dem vornehmen Gutshaus wurde ein pensionierter Oberst erschossen aufgefunden. Eines ist seltsam: Der Tote hält eine Bibel in der Hand, und er lächelt … Eine scheinbare Idylle, unterdrückte Leidenschaften, verbotene Liebe und jede Menge Verdächtige - Inspektor Fitzmorton muss sich mächtig ins Zeug legen, um den kaltblütigen Mörder zu entlarven! Fitzmorton hat das Zeug zur schrulligen Kultfigur - sein erster Fall: humorvoll, schnörkellos und spannend erzählt!

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Ähnliche


Peter Hardcastle

Fitzmorton 

und der

lächelnde Tote

Kriminalroman

Bookspot Verlag

Personen

Detective Inspector Sir Phileas Fitzmorton 

Sergeant John Miller

Lady Judith Crimpleby

Sir Peter Crimpleby

Gladys Crimpleby

Sir Auchincloss Crimpleby

Lucinda Crimpleby

Clara Lionell

Reverend Winston Carmichael

Mrs Everett

Whisky-Joe

John Inkley

Miss Gardener

Gordon Kennedy

Elisabeth Wingor

Samuel Hopkins

Constable Craig McLumber

Constable Murphy

Pillbody Somerset-Jones Esqu.

Fitzmorton und der lächelnde Tote

Eine wirkliche Idylle, dieses Crimpleby Manor. Ein Tudorbau aus rotem Backstein, eingebettet in das saftige Grün eines gepflegten Gartens, um den sich einige in Naturstein erbaute ältere Cottages gruppierten. Im hinteren Teil des Gartens stand ein weißes Gartenhaus, dessen pseudo-orientalischer Stil an Kurorte wie Baath erinnerte. Hübsch hier, dachte Detective Inspector Phileas Fitzmorton und genoss die morgendliche Idylle. Seufzend wandte er sich vom Fenster ab und seinem stillen Gastgeber zu. Der sehr blasse Sir Travis George Llewelyn Crimpleby, vierter Baron Crimpleby, Fideikommissherr und Lord of the Manor von Crimpleby Manor in Briswith-upon-Crye, nebenbei Brigadegeneral a. D. und Friedensrichter, konnte ihn nicht mehr willkommen heißen, denn er war tot.

Mit leicht nach vorne geneigtem Kopf saß er in einem schweren grünen Ledersessel mit Messingnagelverzierung am erloschenen Kamin. Die eine Hand hing schlaff über der breiten Armlehne, die andere lag wie ein Lesezeichen in der geschlossenen Bibel in seinem Schoß.

Ein längliches Pferdegesicht unter straff nach hinten gebürsteten, grauen Haaren mit einer spitzen, leicht nach oben gebogenen Nase verlieh Sir Travis ein nahezu pubertäres Aussehen, das nur durch den kräftigen Schnurrbart gemildert wurde. Ein männliches Gesicht, doch gleichzeitig zu weich durch eine dicke Habsburger Unterlippe.

Inspector Fitzmorton hatte einmal einen Raubmörder überführt, der eine ähnlich dominante Lippe gehabt hatte. Höflich, leise und weinerlich war der Kerl gewesen, hinter dieser Maske aber verschlagen und eiskalt. Das waren oft die Gefährlichsten. Aber dieser da … ? Welche Geschichte verbarg sich hinter diesem Gesicht? Sir Travis war erst am frühen Morgen entdeckt worden. Seltsam.

Die Bibliothek mit den eleganten Regencymöbeln wirkte in der milden Morgensonne einladend. Der weiche, blutrote Afghanteppich mit dem Elefantenfußmuster, die hohen Mahagoniregale und die vielen Bücher, zum großen Teil mit kostbaren, goldgeprägten Ledereinbänden, die schweren Vorhänge, alles in diesem Raum atmete die typische Atmosphäre nobler Lebensart, die auf einem in Generationen angehäuften Reichtum gegründet war.

Hier war noch alles an seinem Platz und würde es wohl in hundert Jahren noch sein. Landadel, ererbter Wohlstand, Sicherheit, Langeweile.

Superintendent Pillbody Somerset-Jones von der County Police hatte dem Inspector verschwörerisch verraten: „Sir Travis war früher ein hohes Tier im Innenministerium. Erst hoch dekorierter Berufssoldat und später geheime Aufträge und so weiter, na, Sie wissen schon.“ Fitzmorton hasste diese Phrase, denn er wusste natürlich nichts. Wenn man seinen Tod in Betracht zog, dann war das Leben von Sir Travis bestimmt nicht langweilig gewesen und zuweilen wohl auch gefahrvoll.

Sir Travis lächelte. Inspector Fitzmorton versuchte in diesem seltsamen Lächeln einen etwas gequälten Zug zu entdecken, aber nein, der Tote lächelte einfach nur! Man hätte meinen können, er döse lediglich ein wenig vor sich hin, so friedlich zurückgelehnt lag er in seinem bequemen Ledersessel, der Kopf leicht nach vorne gesunken. Nur seine halb geöffneten Augen, die ins Nichts starrten, passten nicht so recht zu diesem eigenartigen Lächeln.

Fitzmorton hatte unwillkürlich den Eindruck, dass Sir Travis seinen Mörder gekannt und bis zur letzten Sekunde nicht wirklich ernst genommen hatte. Vielleicht so wie ein Vater, der sich über die ersten amourösen Versuche seines frühreifen Sohnes mit dem Hausmädchen amüsiert. Er hatte noch nie ein Mordopfer mit einem derartigen Lächeln im Gesicht vor sich gehabt, und er hatte schon einige gesehen.

Sich etwas unschlüssig über seinen dünnen Kinnbart streichend, hinkte Fitzmorton um den Sessel herum und betrachtete den Einschuss in der Schläfe des Toten aus nächster Nähe. Unter dem Ansatz der schütteren grauen Haare war ein kleines, fast kreisrundes Loch.

Nur wenig Blut war aus der Wunde ausgetreten, über der sich die blasse Haut schon wieder fast ganz zusammengezogen hatte. Ein dünner, verkrusteter Blutfaden war bis zum Kinn gelaufen. Dort war das Blut zu einem Schorfpunkt getrocknet. Noch nicht einmal der teuer aussehende Hausmantel war verschmutzt. Der Mörder musste ein ungewöhnlich kleines, aber dennoch sehr wirksames Kaliber benutzt haben. In jeder Hinsicht eine saubere Arbeit.

Ausnahmsweise einmal ein beinahe angenehmer Leichnam. Inspector Fitzmorton bemerkte zu seiner eigenen Überraschung, dass ihn sein Magen entgegen der sonstigen Gewohnheit nicht mit aufkommender Übelkeit peinigte. Trotzdem empfand er ein spöttisch lächelndes Mordopfer als obszön, so als wolle der Täter damit einen geplagten Scotland Yard Detective verhöhnen.

Er betrachtete die auf den Knien des Toten liegende goldverzierte, in weinrotes Schweinsleder gebundene, anglikanische Bibel. Sie passte in ihrer gediegenen Ausstattung zur teuren, etwas abgetragenen grauen Tweedhose, die unter dem seidenen Hausmantel des Mordopfers hervorlugte.

„Na, wenigstens hatte er noch eine erbauliche Lektüre“, brummte Fitzmorton.

Sein Assistent, Detective Sergeant John Miller, schnaubte missbilligend: „Le style c’est l’homme!“

„Werden Sie nicht witzig, Miller!“ Fitzmorton reagierte zuweilen humorlos und wusste selbst nicht recht, warum. Miller hatte die höhere Schule nicht abgeschlossen, und für ein Studium hätte die verwitwete Mutter auch kein Geld übrig gehabt. Seine Ausbildung zum Polizisten hatte er jedoch durch die Lektüre philosophischer und historischer Werke umfassender ergänzt als manch lustloser Oxfordabsolvent, wobei es ihm sonderbarerweise die Franzosen besonders angetan hatten, mit denen Fitzmorton selbst nur wenig anfangen konnte.

Die Heilige Schrift war geschlossen, doch die Hand des Toten steckte zwischen den Seiten, so als ob sich Sir Travis noch im Sterben ein bestimmtes Bibelwort hatte einprägen wollen. Was mochte der Tote wohl in der Bibel gelesen haben?

Inspector Fitzmorton war kein Bibelexperte, das überließ er lieber den breithüftigen Jungfern und den hühnerbrüstigen Reverends, die sich ein sonntägliches Stelldichein in den kleinen englischen Dorfkirchen zu geben pflegten. Aber vielleicht konnte ihm die Bibel einen hilfreichen Hinweis zur Klärung dieses seltsamen Mordes im Herrenhaus von Briswith-upon-Crye geben. Fitzmorton war viel zu neugierig, man konnte ja nie wissen. Vorsichtig öffnete er die Bibel und begann darin zu lesen.

Die Finger des Toten deuteten auf die Worte: „Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir isst, wird mich verraten.“

„Markus 14, Vers 18!“, zitierte Sergeant Miller hinter ihm selbstzufrieden.

Fitzmorton hob den Kopf und entlastete dabei unauffällig das Bein mit der alten Schussverletzung. War es möglich, dass das Opfer einen Hinweis geben wollte? Wäre er abergläubisch gewesen, so hätte er darin einen Hinweis des Himmels sehen müssen. Aber man sollte niemals nie sagen. Andererseits - hätte er dann so gelächelt und sich nicht gewehrt?

Fitzmortons an Fakten ausgerichtete Denkweise verbot es ihm, an derartige Zufälle zu glauben. Dem Tod lächelnd entgegenzusehen, das war kaum vorstellbar. Es musste sich um einen seltsamen Zufall handeln. Ihm war bisher jedenfalls noch niemals vom Mordopfer selbst ein Hinweis gegeben worden.

Was sollte das denn überhaupt heißen? „Einer unter euch, der mit mir isst …“ Das konnte sowohl auf die Familie hindeuten, als auch auf Freunde und Bekannte. Nicht völlig abwegig, wie er sich ärgerlich eingestand. Bekanntlich wurden die meisten Morde von nahen Verwandten oder Bekannten begangen. Da konnte der Tote durchaus versucht haben, mit seinem Bibelzitat noch einen vagen Hinweis zu geben.

Überhaupt die Bibel, dachte Fitzmorton amüsiert … hatte man nicht vor zwei Jahren einen Pfarrer als Mörder entlarvt? Vielleicht hatte das Opfer ja deswegen gelächelt, weil es der Pfarrer …? Nein! Ein mörderischer Pfarrer? Dieser Gedanke war dann doch zu abenteuerlich. Aber vielleicht hatte das Opfer einen etwas exzentrischen Humor gehabt? Fitzmorton schob diese ganzen Gedanken als Unsinn beiseite.

Am Morgen hatte man ihn aus Pickford-Haven-upon-Crye, wo er gerade einen brutalen Raubüberfall aufgeklärt hatte, der einen Bankkassierer das Leben gekostet hatte, hierher gerufen. Deshalb war, zur großen Überraschung des Ortspolizisten, bereits eine Stunde nach dem Anruf in London ein veritabler Inspector von Scotland Yard am Tatort aufgetaucht.

Constable Craig McLumber hatte sich sogar sehr darüber geärgert. Immerhin hatte er sich für kurze Zeit – als der am Tatort ermittelnde Beamte – selbst wie ein Yard-Mann gefühlt und sich dabei schon ausgemalt, welches Aufsehen es erregen würde, wenn er rasch den Mörder schnappen könnte. „Cleverer Landpolizist überführt Mörder von Baron“ – das hätte sich schon sehr gut gemacht ...

Dem Superintendenten der County Police von Pickford-Haven, Pillbody Somerset-Jones Esqu., war es dagegen nur recht, die Verantwortung für diesen möglicherweise prekären Fall einem Fremden, noch dazu einem Beamten von New Scotland Yard aus London, aufbürden zu können. War doch der Tote ein bekannter Mann in der Umgebung gewesen und hatte in London früher eine hohe Stellung im Innenministerium bekleidet. Heiße Geschichte also.

Bei prominenten Opfern drohte sowieso oft Ärger, und den wollte sich der Superintendent aus Prinzip und persönlicher Bequemlichkeit ersparen. Sollte sich damit doch dieser hinkende Inspector vom Yard herumschlagen. „Gin-Fitz macht das schon“, hatte Ruggler, dieser angeberische Superintendent vom Yard, gespottet. Konnte einem fast leid tun, dieser Fitzmorton. Egal, so konnte er wenigstens sorgenfrei seine Golfverabredung mit Lord Justin LeMay wahrnehmen. Pillbody Somerset-Jones entstammte einer alten Gentry-Familie und hatte seine Karriere mehr den familiären Beziehungen als persönlichem Ehrgeiz zu verdanken. Er war vor allem klug genug, allen Anforderungen aus dem Weg zu gehen, bei denen er wirkliche Fähigkeiten hätte zeigen müssen.

Inspector Phileas Fitzmorton machte sich über die Brisanz seiner Aufgabe keinerlei Illusionen. Es war ja nicht das erste Mal, dass man ihm einen Fall aufbürdete, der gesellschaftlich prekär werden konnte. Ein ermordeter Brigadegeneral a. D. würde Aufmerksamkeit erregen. Der Erfolg hatte ihn jedes Mal gerettet. Bisher jedenfalls.

Sergeant Miller, sein hypochondrischer Assistent mit den blauweiß karierten Schnupftüchern, hielt den hinkenden Inspector schon lange für einen etwas seltsamen Kauz. Er hätte schon längst ChefInspector sein müssen, aber der einige Jahre zurückliegende Fehlschlag mit der Erpresserbande im Eastend würde ihm nicht so schnell verziehen werden. Obwohl man munkelte, dass Superintendent Ruggler dabei auch keine sonderlich überzeugende Figur abgegeben hatte. Den Sündenbock durfte Fitzmorton damals jedenfalls ganz alleine spielen. Ruggler wusste eben, wie man andere unauffällig vorschob, wenn es brenzlig wurde.

Schon fast zehn Jahre war das jetzt her, und noch immer nannten ein paar Böswillige Fitzmorton „Gin-Fitz“. Als ob die Kugel ins Bein nicht Strafe genug für seinen Leichtsinn gewesen wäre.

Noch heute hinkte Fitzmorton. Es war ein schwarzer Tag gewesen. Erst war ihm seine Frau Eva davongelaufen, dann ging die Razzia schief, weil er in seiner Verzweiflung zuvor ein paar Gin zu viel gekippt hatte. Zum Schluss fand er sich mit einer bösen Schussverletzung im rechten Bein auf der Intensivstation wieder. Seitdem hatte er sich nie wieder betrunken. Aber was nützte ihm das schon?

Fitzmorton versuchte, die düsteren Gedanken zu verscheuchen und sich auf seinen neuen Fall zu konzentrieren. Er betrachtete die Schusswunde noch mal aus der Nähe. Die Schmauchreste um die Wunde zeigten, dass der Schuss aus kürzester Entfernung aus einer eher kleinkalibrigen Waffe abgefeuert worden war. Das war sehr ungewöhnlich, denn kleine Waffen mit so tödlicher Durchschlagskraft waren selten. Wahrscheinlich hatte der Mörder hinter dem Toten gestanden und ihm die Waffe an die Schläfe gehalten. Das Opfer hatte das wohl nicht ganz ernst genommen, gelächelt und … Peng!

„Wurde die Mordwaffe schon gefunden?“, fragte Fitzmorton.

„Nein Sir, noch nicht.“ Miller grinste. „Aber sie suchen ja erst seit einer Stunde.“

„Zeugen?“, hoffte der Inspector.

Miller schüttelte gottergeben den Kopf. „Keine Augenzeugen und auch kein offensichtliches Motiv und natürlich noch keinen Verdächtigen!“

„Na prima!“

Aber im Grunde hatte Fitzmorton nichts anderes erwartet. Verhöre, Spurensicherung, Indizien, die ganze kriminalistische Kleinarbeit war nun wieder angesagt. Vor allem für Miller. Fitzmorton verwünschte den unbekannten Mörder. Auch wenn er Kriminalbeamter mit Leib und Seele war, so hasste er doch gleichzeitig die damit verbundenen Routinearbeiten, auch wenn er sie weitgehend seinem Assistenten aufbürden konnte.

„Immer das Gleiche, niemand erleichtert mir die Arbeit!“, schimpfte Miller, der offenbar Gedanken lesen konnte. Der Inspector grinste boshaft.

„Was halten Sie von Selbstmord?“

„Schließe ich aus, Sir!“ Miller strahlte eine neue Selbstsicherheit aus, seitdem er vor drei Wochen seinen Dauerschnupfen zum Erliegen gebracht hatte. Bis dahin hatte er Fitzmorton mit seinem ständigen Geschniefe und hypochondrischen Gejammer aufgeregt. Hoffentlich blieb er für eine Weile gesund, wünschte sich sein Chef inständig.

„Warum?“

„Mit dem Loch im Schädel konnte er wohl kaum noch die Waffe verschwinden lassen.“

„Wohl kaum“, stimmte der Inspector mürrisch zu, dem hier alles viel zu normal erschien: keine Unordnung im Raum, kein vergessener Handschuh oder gar eine Visitenkarte, kein eingeschlagenes Fenster und keine aufgebrochene Tür! Nichts. Ein Raubmord schied da wohl aus. Ein unauffälliger Raum mit einem lächelnden Toten im Sessel – Fitzmorton kannte das bisher nur aus Kriminalromanen.

Dort agierten Hercule Poirot oder Nero Wolfe mit unglaublichem Instinkt, um dann mit schier übermenschlichen Geistesblitzen ihre Fälle elegant zu lösen. Oder Shaft ließ seine Fäuste spielen. Fitzmorton aber brauchte für den Staatsanwalt trockene Fakten über die Tat, ein klares Motiv und einen durch Beweise oder wenigstens hieb- und stichfeste Indizien überführten Mörder. Am angenehmsten waren natürlich geständige Verdächtige, das ersparte aufwendige Ermittlungen und unendliche Schreibarbeiten. Oder Täter, die sich selbst umbrachten.

Egal wie, ohne seine Tat zu sühnen, durfte kein Täter davonkommen, das war Fitzmortons ehrliche Überzeugung. Es war die geheime Triebfeder, die ihn seine Faulheit, seine Depressionen oder seinen Missmut über ungerechte Vorgesetzte immer wieder vergessen ließ. Abgesehen davon war er ein Zyniker, der sich keine Illusionen über die Welt im Allgemeinen und die Menschen seiner Umgebung im Besonderen machte.

Nach einem letzten Rundblick ging der Inspector zur Tür der Bibliothek und Sergeant Miller kritzelte in sein Notizbuch: „Markus 14,18. Lächelt. Schläfenwunde, nächste Nähe, kleines Kaliber, keine Mordwaffe gefunden, Bibliothek, keine Unordnung.“

Fitzmorton ließ seine Augen wandern und bearbeitete schon wieder seinen widerborstigen Kinnbart. Mitten in dieser Tätigkeit hielt er überrascht inne. Sein Blick war irritiert auf eine plötzlich vor ihm aufgetauchte Person gefallen. Eine mittelgroße Frau um die dreißig, drall und mit einem gut geschnittenen Gesicht unter dem kurzen, straff nach hinten gekämmten, blonden Haar. Sie wirkte brav, wie sie in dem schlichten graublauen Hauskleid mit dem weißblauen Kragen die Hände sittsam über einer kleinen weißen Schürze gefaltet hatte. Obwohl auf Stirn und Wangen hektische rote Flecken brannten und die Augen wässrig schimmerten, versuchte sie standhaft, eine scheinbar stoische Ruhe auszustrahlen.

Haltung, das war etwas, was Fitzmorton zugleich bewunderte und verabscheute. Auch er versuchte stets Haltung zu bewahren, und doch waren ihm bei Ermittlungen die Menschen, die ihre Gefühlsregungen offen zeigten, bedeutend lieber.

Hinter der Fassade von Leuten mit starrer Haltung verbargen sich leider oft brodelnde Leidenschaften und eine zuweilen gefährliche Unberechenbarkeit. Obwohl, dies hier, dies machte nun wirklich nicht den Eindruck eines Mordes aus Leidenschaft, wirklich nicht.

Fitzmorton ließ seinen Blick weiter schweifen. In der Tür stand diese Frau und starrte ihn an. Fitzmorton fühlte sich von ihr beim Nachdenken empfindlich gestört.

„Was stehen Sie denn hier rum?“

Verdutzt blickte ihn die Frau an. Sie brachte keinen Ton heraus und klappte ihren Mund wie ein Fisch auf und zu. Nur die roten Flecken liefen dunkel an.

„Na?“, blaffte sie der Inspector an, dem dieser Mord die Laune verdarb. Außerdem machten ihn Leute, die ihm nicht sofort antworteten, ungeduldig. Entweder hatten sie etwas zu verbergen, waren langsam im Denken oder schlicht und einfach stupide. Alles Eigenschaften, die Fitzmorton nervten, weil sie meist seine Arbeit erschwerten.

„Aber Sir, der Sergeant befahl mir doch, ich solle mich zu Ihrer Verfügung halten!“, stammelte sie endlich verwirrt und mit unterdrücktem Zorn in der überraschend tiefen Stimme. Mein Gott, eine Stimme wie ein Mann, dachte Fitzmorton verblüfft. Er ertappte sich peinlich berührt dabei, dass er schon wieder nervös an seinem Bart herumzupfte.

„Ach so, ja“, murmelte er und versteckte die Hand etwas verlegen hinter seinem Rücken.

Er versuchte sich zu vergegenwärtigen, was er von der Frau hatte wissen wollen. Da seine Gedanken noch zu sehr bei diesem klinisch sauber aufgeräumten Tatort weilten, fragte er, bemüht, in seine Stimme wieder etwas Freundlichkeit zu legen: „Wer hat Sir Travis gefunden?“

„Aber das war doch ich, Sir! Ich erzählte doch schon dem Sergeanten, dass …“

„Ach ja, natürlich.“ Schlagartig fiel es dem Inspector wieder ein. Sergeant Miller hatte ihm berichtet, dass es Miss Lionell gewesen war, die den Toten am frühen Morgen entdeckt hatte. Das also war Miss Clara Lionell, die nun weniger verschüchtert als gründlich verärgert wirkte.

Was stellt der Trottel von Scotland Yard denn für Fragen? Miss Lionells Gedanken waren mittlerweile sehr unfreundlich geworden. Und dann in diesem unhöflichen Ton! Da ist doch unser Constable McLumber ein ganz anderes Kaliber! Besonders, wenn es nach dem Kirchenbasar zum Tanz ging! Na, wer weiß, wahrscheinlich hat dieser arrogante Inspector mit seinen dummen Fragen noch nie einen Fall gelöst. Armer Sir Travis.

Der Constable hatte vorige Woche sogar einen Landstreicher erwischt, der ein Fahrrad stehlen wollte! Das hatte Miss Lionell tief beeindruckt. McLumber war eben ein Mann der Tat, in jeder Beziehung … und bei diesem Gedanken errötete sie leicht.

Ein paar ungnädige braune Augen, die ihn geringschätzig von oben bis unten betrachteten, waren auf Fitzmorton gerichtet.

Diese Untersuchung wurde dem Inspector schnell peinlich. Warum musterte ihn Miss Lionell jetzt so verächtlich? Ob wohl seine Hose …? Nein! Außerdem kein Grund, geringschätzig … Er gab sich einen Ruck („Fitzmorton, nehmen Sie Haltung an, wenn ich mit Ihnen rede, Mann!“) und besann sich auf die Aufgabe, die ihn an diesen Ort gebracht und dieser Frau gegenübergestellt hatte.

„Wenn ich richtig verstanden habe, dann haben Sie den toten Sir Travis heute Morgen entdeckt?“

„Genau, das haben Sie richtig verstanden“, antwortete Miss Lionell schnippisch.

Verdammt, jetzt macht sich die Hausmaid auch noch lustig über mich!, ärgerte sich Fitzmorton hilflos. Dabei war er sich vollkommen im Klaren darüber, dass er dies durch Unfreundlichkeit und vorübergehende geistige Absenz selbst herausgefordert hatte.

„Na schön.“ Er räusperte sich noch mal energisch. „Und wie ging das nun genau vor sich?“ 

Miss Lionell war von Neuem verwirrt und verärgert. Schon wieder so eine dumme Frage! Musste sie alles zum dritten Mal erzählen?

„Das ist doch klar“, meinte sie spitz. „Ich sah ihn da sitzen …“ Ihr Finger deutete auf den Sessel.

„Ja, ja“, korrigierte sich Fitzmorton schnell, „ich meine, wie kam es, dass Sie als Erste die Bibliothek betraten? Waren Sie denn überhaupt die Erste? War die Bibliothek nicht verschlossen?“

„Natürlich! Ich bin in diesem Haus immer die Erste, die auf den Beinen ist!“, meinte sie stolz.

„Donnerwetter, lobenswert!“, entfuhr es dem Inspector, der ein notorischer Langschläfer und in seinem Leben noch nie am Morgen der Erste auf den Beinen gewesen war.

„Aber … nun ja“, er erkannte, dass er seine Fragen präziser formulieren musste. „Also, wie ging das nun genau vor sich?“

Miss Lionell warf sich in Positur, als ob sie die Geschichte der Verteidigung ihrer Jungfräulichkeit berichten wollte. Fitzmorton wich vorsichtig einen Schritt zurück und lehnte sich an die Tür.

„Punkt sechs stand ich auf und eilte ins Bad. Dort …“

Hastig unterbrach Fitzmorton sie: „Äh, lassen wir doch die, äh, Einzelheiten!“

Miss Lionell errötete züchtig. Fitzmorton überkam bei der Vorstellung der „Miss Lionell im Bade“ ein leichtes Zittern. Vor seinem geistigen Auge erschien sie in schlotternden Wollstrümpfen und einem geblümten Nachthemd. Nein! Da wäre ihm in dieser Situation die freche kleine Lilly MacIntosh aus der Zentrale lieber … hübsch, schlank … und wirklich alles dran, wirklich alles …

„Nun, um halb sieben begab ich mich nach unten, denn mein Zimmer liegt im zweiten Stock. Ich wollte wie immer die Zimmer lüften und das Frühstück vorbereiten.“

„Wann betraten Sie denn nun die Bibliothek?“ unterbrach Fitzmorton ungeduldig.

Doch Miss Lionell ließ sich nicht ablenken. „Zuerst ging ich deshalb in die Küche und setzte das Teewasser auf. Dann öffnete ich im Esszimmer die Fenster, denn Mylady liebt es, bei frischer Luft zu frühstücken … Sodann begab ich mich zurück in die Küche, um selbst erst einmal etwas zu mir zu nehmen.“

Fitzmorton kniff die Augen zusammen und beherrschte sich. Mit müder Stimme wiederholte er seine Frage. „Und wann gingen Sie nun zur Bibliothek?“

„Oh, das war nach meinem Frühstück … genau um sieben Uhr“, versicherte sie mit einer Überzeugung, als wäre gar nichts anderes möglich.

„Wieso genau um sieben Uhr? Was veranlasst Sie zu dieser exakten Zeitangabe?“

„Erstens beende ich mein Frühstück stets um diese Zeit und zweitens schlug die Kirchturmuhr.“ Miss Lionell brachte für Zweifel daran kein Verständnis auf. Es war doch klar, dass sie einen geregelten Tagesablauf hatte und sich jeder im Dorf nach dem Läuten der Turmuhr richtete.

Fitzmorton, der von dieser Gepflogenheit natürlich nichts ahnte, begann den ganzen Fall nun noch lähmender zu finden. Oh Gott, wenn nun jeder Zeuge behauptete: „Es war genau um sieben … schließlich läutete die Kirchturmuhr!“, würde es schwer werden, auch nur ein Alibi zu erschüttern. Gut, dann eben exakt sieben Uhr. Er beschloss, diesen Punkt nicht weiter zu vertiefen.

„Bitte, fahren Sie fort“, bat er Miss Lionell, die ihn schweigend beobachtet hatte, höflich.

„Ich drückte die Klinke, aber die Tür ging nicht auf.“

„War das etwa ungewöhnlich?“

„Ja und nein.“ Miss Lionell zuckte die Achseln und strich mit der rechten Hand eine Falte ihres Kleides glatt.

„Was soll das heißen?“

„Na ja, sie klemmte oft. Sir Travis schloss sich auch schon mal ein, wenn er nicht gestört werden wollte.“

„Auch morgens um sieben?“

„Das war ja eben das Ungewöhnliche“, gab Miss Lionell zu.

„Und was machten Sie dann?“

„Ich ging hinaus in den Garten und blickte durchs Fenster, das nur angelehnt war. Ich sah Sir Travis im Sessel sitzen und rief ihn an. Als er sich gar nicht rührte, machte ich mir doch Sorgen. Ich kletterte durchs Fenster, ging zum Kamin, ja, und da bemerkte ich, dass Sir Travis am Abend nicht in seinem Sessel eingeschlafen war, sondern …“

„War das nicht ein Schock für Sie?“

„Nein, das ist schon öfter vorgekommen“, antwortete sie kühl.

„Wie bitte?“, wunderte sich Fitzmorton.

„Ja, Sir Travis hat abends oft sehr lange …“, dabei errötete sie leicht und dachte an den einen, diesen besonderen Abend, als sie mit Sir Travis ganz allein geblieben war. Sie hatten nie wieder ein Wort darüber verloren, doch in Miss Lionells Herz brannte seitdem ein Verlangen. Aber sie hatte gelernt, nie über ihre Gefühle zu sprechen. Ihre Schwester Clarissa, die bei einem Fabrikanten diente, hatte sie deswegen oft gescholten.

„Er hat viel gelesen und geschrieben und dabei ist er manchmal eingeschlafen.“

„Ach so. Und da fiel es wohl niemandem im Haus auf, wenn er nicht zu Bett ging?“, wollte Fitzmorton wissen.

„Nein, nur mir.“ Rasch fügte sie hinzu: „Ich will damit sagen, daran waren wir alle gewöhnt!“

„Nur Sie? Sie allein?“, wunderte sich der Inspector. „Was ist mit seiner Frau?“

„Die Herrschaften haben getrennte Schlafzimmer“, erklärte Miss Lionell ruhig. „Darum war ich ja auch nicht erstaunt, als ich ihn da sitzen sah. Er ist schon öfter in … in seinem Sessel eingeschlafen. Als er sich gar nicht rührte, war ich sofort beunruhigt.“

„Wie bitte?“, staunte Fitzmorton.

„Er erwachte sonst immer sofort, wenn ich die Bibliothek betrat.“

„Aha, und dieses Mal öffnete er die Augen nicht?“, vergewisserte sich Fitzmorton, seltsam berührt von der unbefangen zur Schau gestellten Ruhe des Hausmädchens. Ruhig und doch manchmal stockend sprach sie, als würde sie gelegentlich eine kleine Unwahrheit oder etwas Peinliches sagen.

„Nein, er hatte sie schon offen, er rührte sich jedoch nicht. Jedenfalls schien er tot zu sein … er war ja auch schon in vorgerücktem Alter.“

„Nun ja, mit 69 stirbt man doch nicht so ohne Weiteres … außer man wird erschossen!“, bemerkte Fitzmorton grimmig.

„Richtig. Das dachte ich mir dann auch“, pflichtete ihm Miss Lionell etwas freundlicher bei. Gemeinsame Gedankengänge verbinden sogar in den ungewöhnlichsten Situationen.

Fitzmorton dagegen starrte sie entgeistert an. „Eben meinten Sie doch noch, sein Alter …“

„Sicher, das war ja nur mein erster Gedanke.“ Sie klang seltsam erleichtert, so als wäre sie ohne größeren Schaden über einen heiklen Punkt im Gespräch gekommen. Sergeant Miller, der das bemerkt hatte, öffnete den Mund, um sofort nachzuhaken, doch Fitzmorton, der die weiteren Gedanken von Miss Lionell auch noch erfahren wollte, war schneller.

„Und was dachten Sie weiter?“

„Nun, jedenfalls war mein zweiter Gedanke, dass er zum Sterben vielleicht doch noch nicht das rechte Alter hatte. Dann entdeckte ich das Loch in der Schläfe und war deswegen wieder beruhigt.“ 

Fitzmorton griff sich an den Kopf und fragte verblüfft: „Sie waren was? Beruhigt? Also … ich verstehe Sie wohl nicht ganz richtig? Wie meinen Sie denn das nun wieder?“

„Ja, also, wer stirbt denn schon mit 69, wie Sie ganz richtig feststellten, Sir“, fuhr sie unbefangen fort. „Da er aber durch einen Schuss umgekommen war, war das ja nun wieder etwas anderes … jedenfalls wäre er sonst sicher weit über 70 geworden. Ich meine, er war ja noch in jeder Hinsicht kerngesund.“

„Ach ja, tatsächlich?“, fragte Fitzmorton.

Miss Lionell errötete und stotterte: „Das … das wird Ihnen hier jeder bestätigen!“ Eine Träne quoll aus ihrem Augenwinkel.

Da sieh mal einer an, das ist ja interessant, dachte Fitzmorton. Hat’s der alte Schwerenöter etwa mit der Hausmaid getrieben?

„Jedenfalls hat ihm das nicht viel genützt!“, bemerkte Miller sarkastisch.

Fitzmorton spürte instinktiv, dass in diesem Haus etwas nicht stimmte, er wusste nur noch nicht, in welche Richtung ihn sein Instinkt lenken wollte.

„Haben Sie in der Nacht einen Schuss gehört?“

„Nein, Sir.“ Sie schüttelte energisch den Kopf. Mit blitzenden Augen fuhr sie fort: „Hätte ich ihn gehört, ich hätte mir den Einbrecher schon geschnappt!“

„Ohne Zweifel“, murmelte Fitzmorton, von Miss Lionells Tatendrang sichtlich beeindruckt. „Wie kommen Sie darauf, dass es ein Einbrecher gewesen ist?“

Mit niederschmetternder Logik stellte sie sofort fest: „Das ist doch klar, Sir! Wer sonst als ein Einbrecher sollte Sir Travis so übel mitgespielt haben?“

„Vielleicht eine eifersüchtige Ehefrau?“ 

Miss Lionell wurde blass. „So ein Unsinn!“

„Oder eher eine Geliebte?“

Darüber lächelte sie, zeigte aber weiter keine Reaktion. Der Versuchsballon war lautlos geplatzt. Der Inspector nickte und dachte verblüfft, dass diese Miss Lionell vielleicht gar nicht so harmlos war, wie sie tat, sondern möglicherweise ziemlich schlau.

Plötzlich sagte sie mit Nachdruck: „Sir, das Fenster war doch angelehnt und die Haustür von innen verschlossen. Das kann doch nur ein Einbrecher gewesen sein.“

So unrecht könnte sie gar nicht haben, dachte Fitzmorton. Wenn der Einbrecher gewusst hatte, wonach er suchen musste, brauchte er keine Unordnung zu machen. Ein Einbrecher, warum nicht? Fitzmorton fühlte sich jetzt schon bedeutend wohler, er war wieder auf vertrautem Terrain. Aber Sir Travis musste den Täter gekannt haben, und das passte eben nicht zu einem Einbrecher.

„Haben Sie in der Bibliothek etwas angerührt, nachdem Sie Sir Travis entdeckt hatten?“

„Nein, Sir!“, schüttelte sie sofort energisch den Kopf. „Ich weiß doch, dass man das nicht darf, Sir!“

Vermutlich aus einem Fernsehkrimi, der ständigen Geißel der wirklichen Kriminalbeamten.

„Stand das Fenster weit offen?“

„Nein, es war angelehnt.“

„Und die Haustür?“

„Die war zu, genauso wie der Hintereingang. Wir haben vorne und hinten ein Sicherheits-schloss, das einschnappt. Man kann nur mit einem Schlüssel ins Haus.“ Miss Lionell war dabei so bestimmt, dass es daran wohl keinen Zweifel geben konnte.

„Und wenn jemand von innen öffnet?“, meinte Fitzmorton harmlos.

„Ja, das könnte sein“, gab sie zu. „Ich glaube das dennoch nicht. Wozu auch?“

„Sie meinen, nachts haben alle geschlafen“, half ihr Fitzmorton auf die Sprünge.

„Ja, genau das wollte ich auch sagen. Außerdem war das Haus doch abgeschlossen“, bekräftigte sie ihren Standpunkt.

„Wer war gestern Abend im Haus?“, fragte Miller, der den Inspector endlich auf das Naheliegende bringen wollte.

„Nun, Lady Judith, Lady Gladys und später kam noch Pe … Sir Peter.“

„Später?“ Fitzmorton war plötzlich hellwach.

„Ja, er war doch ausgegangen und kam erst in der Nacht zurück.“

„Wann?“, wollte Fitzmorton wissen.

Sie zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung.“

„Haben Sie ihn denn nicht gehört?“

„Nein … nein, ich hörte nichts. Ich schlief bereits.“ Sie wirkte dabei jedoch so unsicher, dass es selbst Miller auffiel.

„Wann genau sind Sie schlafen gegangen?“

„Zwischen zehn und halb elf“, antwortete Miss Lionell ausweichend. „Ich hab nicht so darauf geachtet.“

Na gut, Sir Peter würde ihm dann noch selbst Rede und Antwort stehen müssen, nahm sich Fitzmorton vor. Immerhin ganz interessant, dass wenigstens ein Hausbewohner erst später in der Nacht das Haus betreten hatte. Vielleicht löste sich der Fall doch schneller als gedacht.

„Seit wann sind Sie hier angestellt?“ Sie warf Fitzmorton einen eigentümlichen Blick zu und presste die Lippen aufeinander.

„Seit einem Jahr genau.“

„Wo haben Sie vorher gearbeitet?“

„In London“, informierte sie ihn kurz angebunden.