Fixed 1 - Verrückt nach dir - Laurelin Paige - E-Book

Fixed 1 - Verrückt nach dir E-Book

Laurelin Paige

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  • Herausgeber: Lago
  • Kategorie: Erotik
  • Serie: Fixed
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Stalking und einstweilige Verfügungen gehören Alayna Withers Vergangenheit an. Sie will ein ganz neues Leben beginnen. Den Master frisch in der Tasche, hat sie nur ein Ziel vor Augen: im Nachtclub, in dem sie arbeitet, möglichst schnell aufzusteigen und sich von allen Typen fernzuhalten, die sie wieder zu einer Liebespsychopathin machen. Eigentlich der perfekte Plan doch Alayna hat die Rechnung ohne Hudson Pierce gemacht, den heißen Besitzer des Nachtclubs. Er ist klug, reich und sieht verdammt gut aus. Genau die Art von Mann, von dem sich Alayna besser fernhalten sollte, um nicht in alte Muster zurückzufallen. Und Hudson hat ein Auge auf sie geworfen. Er will Alayna und er macht kein Geheimnis daraus. Als er ihr schließlich ein berufliches Angebot macht, das Alayna nicht ablehnen kann, wird es ihr unmöglich, ihm aus dem Weg zu gehen. Immer tiefer wird sie in sein Universum hineingezogen. Als sie erkennt, dass auch Hudson einige dunkle Kapitel in seiner Vergangenheit hat, ist es passiert: Sie ist dem schlimmsten Mann verfallen, den sie sich hätte aussuchen können. Oder können die beiden sich vielleicht gerade wegen ihrer finsteren Vergangenheit gegenseitig heilen und endlich die Liebe finden, nach der die beiden so lange gesucht haben?

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2015

© 2015 by LAGO, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Copyright © 2013 by Laurelin Paige

Published in cooperation with the D4EO Literary Agency. www.d4eoliteraryagency.com

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2013 bei Mandevilla Press unter dem TitelFixed on You.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Ramona Marten

Redaktion: Carina Heer

Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt

Satz: FotoSatz Pfeifer GmbH

Druck: CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

ISBN Print 978-3-95761-013-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95762-031-6

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95762-032-3

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Kapitel eins

Ich fühlte mich lebendig.

Dunkelheit und das Aufblitzen gedämpfter Lichter wechselten sich ab, die Klänge eines Ellie-Goulding-Liedes hämmerten als Club-Mix über verschwitzte Leiber, die tanzten, sich aneinander rieben und sich miteinander amüsierten. Der Sky-Launch-Nachtclub ging mir direkt ins Blut und machte mich auf eine Art an, wie es seit einiger Zeit nichts und niemand mehr getan hatte. Wenn ich hier war, wenn ich an der Bar jobbte, den Kellnern zuarbeitete und mich um die DJs kümmerte, dann fühlte ich mich so frei wie sonst den ganzen Tag über nicht. Der Club hatte etwas Magisches.

Und für mich etwas Heilendes.

Denn mit seiner Lebendigkeit, seinem prallen Leben war der Club für mich ein Zufluchtsort. Hier konnte ich mich festhalten und brauchte keine Sorge zu haben, dass ich über Bord gehen würde. Niemand warf mir vor, ich würde mich zu sehr oder zu lange auf meine Arbeit konzentrieren. Aber es ging das Gerücht, dass die Sky Launch, die schon seit einiger Zeit zum Verkauf stand, jetzt tatsächlich verkauft würde. Und mit einem neuen Eigentümer konnte sich alles ganz schnell ändern.

»Laynie!« Sasha, die Kellnerin, die für den oberen Bereich zuständig war, riss mich aus meinen Gedanken und holte mich zurück zu meinem Job. »Ich brauche einen Wodka Tonic, einen White Russian und zwei Butterballs.«

»Alles klar.« Ich griff nach der Wodkaflasche auf dem Regal hinter mir.

»Ich fass es nicht, wie voll es für einen Donnerstag ist«, sagte sie, während ich ihre Bestellung fertig machte.

»Das ist der Sommeransturm. Warte noch eine Woche, dann geht’s hier erst richtig rund.« Ich konnte es kaum erwarten. Sommer im Club, das war der absolute Wahnsinn.

»Dann wird’s lustig.« David Lindt, der Manager des Clubs, mischte sich in unsere Unterhaltung ein. Im hellen Licht der Bar funkelten seine Augen.

»Und wie!« Ich grinste breit und zwinkerte David zu, während ich die Getränke auf Sashas Tablett stellte, und in meinem Magen flackerte kurz die Begierde auf.

Er zwinkerte zurück, und das Flackern wurde zu einer kleinen Flamme.

David war nicht gerade die Liebe meines Lebens – eigentlich war er nicht mal der richtige Mann für den Augenblick –, aber wir teilten unsere Begeisterung für den Club miteinander, und das löste etwas in mir aus. Mein Interesse daran, etwas dazuzulernen und von der Barkeeperin zu Höherem aufzusteigen, hatte offenbar auch sein Interesse geweckt. Mehr als einmal waren wir nach dem Club noch woanders hingegangen, und das hatte in heftigen Knutschereien und Fummeleien geendet. Obwohl ich mich nicht sofort zu ihm hingezogen gefühlt hatte, war er mir mit seiner kleinen Statur, dem lockigen blonden Haar und den blauen Augen ans Herz gewachsen. Außerdem waren sein ausgeprägter Geschäftssinn und sein außergewöhnlicher Stil, wie er den Club als Manager leitete, genau das, was ich bei einem Mann brauchte. Und ganz ehrlich: Dass er kaum an meine Gefühle rührte, war kein unwesentlicher Aspekt. Wir passten ganz gut zusammen, aber ich flippte vor Begeisterung über ihn nicht aus, wie ich das bei anderen Kerlen getan hatte. David war sicher und solide, und das war meine Definition von einem perfekten Mann.

Ich tippte Sashas Bestellung in die Kasse, und David füllte ein paar Schnapsgläser – eine Bestellung von Todd, dachte ich, einem anderen Kellner, der neben Sasha stand. David stand nur selten selbst hinter der Bar, aber heute Abend waren wir knapp besetzt, und für seine Hilfe war ich sehr dankbar. Besonders jetzt, da der Laden immer mehr Fahrt aufnahm. Ein Stammkunde und seine Freunde lehnten schon an der Bar und warteten, dass ich sie bediente, und aus dem Augenwinkel sah ich, dass sich am hinteren Ende der Theke ein Typ im Anzug niederließ.

Ich reichte Sasha ihren Kassenbon, aber David hielt sie zurück, ehe sie verschwinden konnte. »Einen Moment noch. Wo wir jetzt wenigstens zu ein paar Leuten hier sind, sollten wir auf Laynie anstoßen.« Er reichte die vollen Schnapsgläser herum. Es war Tequila – mein Lieblingsshot.

Ich schaute ihn misstrauisch an. Es war zwar nicht ungewöhnlich, dass man während einer Schicht an der Bar ein oder zwei Kurze trank, aber das machte man diskret und nie vor dem Manager und ganz sicher nicht, wenn er einen dazu aufforderte.

»Keine Sorge«, sagte David und stupste mich mit der Schulter an. »Das ist ein besonderer Anlass.«

Mit einem Achselzucken lächelte ich und nahm das Glas, das er mir hinhielt. »Du bist der Boss.«

»Es ist zu viel los, als dass ich einen langen Trinkspruch halten möchte, also: Auf Laynie! Wir sind stolz auf dich!«

Ich wurde rot und stieß mit allen an, die in der Nähe standen, auch mit dem Stammkunden und seinen Freunden, die »Hört, hört!« und »Prost!« riefen.

»Juhu!«, schrie ich meine Erregung hinaus. Für mein Examen hatte ich wirklich hart gearbeitet und ich war stolz auf mich. Ich kippte den Tequila runter und genoss das Brennen, als er durch meine Kehle rann und sich in meinem Körper ausbreitete. »Verdammt, ist der gut!«

Sasha merkte, dass ihre Gäste unruhig wurden, und verschwand mit ihren Drinks, während David sich um Todds Bestellung kümmerte. Ich schaute nach dem Stammkunden, dessen Namen ich vergessen hatte. Er lehnte sich über die Bar, um mich zu umarmen, und ich umarmte ihn zurück. Auch wenn ich seinen Namen nicht wusste, weiß ich genau, wie ich mir mein Trinkgeld verdiene!

»Vier Gläser von dem, was ihr im Zapfhahn habt«, rief er, um die Musik zu übertönen. Sie schien in den letzten Minuten lauter geworden zu sein. »Wo ist denn Liesl?«

Ich reichte ihm die ersten beiden Bierkrüge rüber und nahm die nächsten beiden in Angriff. »Sie vertritt mich die ganze nächste Woche über, deswegen hat sie heute Abend frei.« Ach ja – das war der Typ, der immer mit Liesl flirtete, einer anderen Barkeeperin.

»Das ist ja toll. Was machst du denn mit deinem Urlaub?« Da Liesl nicht da war, ließ er jetzt bei mir seinen Charme spielen. Seine Augen wanderten zu meinen Brüsten, die man zugegebenermaßen nur schwer übersehen konnte. Besonders bei meinem tiefen Ausschnitt. Ich habe schöne Brüste, da kann man’s mir nicht verdenken, wenn ich sie auch zeigen will, oder?

»Absolut gar nichts.« Ich hoffte, das klang so, als würde ich mich auf meinen Urlaub freuen. In Wirklichkeit hatte ich mir freigenommen, um nach Hause zu fahren und mich mit meinem älteren Bruder zu treffen. Aber gerade heute Vormittag hatte Brian abgesagt, er sei zu sehr mit Arbeit eingedeckt und würde es nicht mal zu meiner Abschlussfeier schaffen.

Ich unterdrückte die Gefühle, die sich fast auf meinem Gesicht gezeigt hätten. Ich war nicht nur enttäuscht, ich hatte richtig Angst. Wenn ich nichts zu tun hatte, war ich nicht ich selbst. Ich war schon ein paarmal kurz davor gewesen, David zu bitten, mich doch für die nächste Woche einzuteilen, aber immer, wenn ich den Mund aufmachen wollte, fühlte ich mich wie der totale Loser. Vielleicht würde mir eine Woche Urlaub ja guttun. Das würde ich ja wohl noch hinkriegen, oder?

Es war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um sich Gedanken über die kommende Woche zu machen. Ich machte die Bestellung fertig und ging hinüber, um mich um den Anzugtypen zu kümmern, der sich am Ende der Bar niedergelassen hatte.

»Was kann ich Ihnen ...?« Ich verstummte, als mein Blick und der des Anzugtypen sich trafen. Es war, als würde mir bei seinem Anblick die Luft aus den Lungen gesogen. Dieser Mann ... war ... umwerfend.

Schlicht und einfach umwerfend.

Ich konnte meinen Blick nicht von ihm losreißen, seine ganze Erscheinung zog mich geradezu magnetisch an. Und das bedeutete, dass er genau der Typ von Mann war, dem ich aus dem Weg gehen sollte.

Nach so manchem Liebeskummer, der mich in meiner Vergangenheit gequält hatte, hatte ich begriffen, dass ich die Männer, von denen ich mich angezogen fühlte, in zwei Kategorien einteilen konnte: Die erste Kategorie konnte man beschreiben mit: »ficken und vergessen«. Das waren die Männer, bei denen ich im Schlafzimmer abging, die ich aber leicht hinter mir lassen konnte, sobald es nötig wurde. Das waren die sicheren Männer, und in diese Kategorie fiel auch David.

Und dann gab es da noch die Männer, die genau das Gegenteil davon waren. Das war nicht »ficken und vergessen« – diese Männer gehörten in die Kategorie »Oh, fuck!«. Ich wurde von ihnen so intensiv angezogen und war so von ihnen besessen, dass sie mich regelrecht aufzehrten. Ich war nur noch auf das konzentriert, was sie sagten, taten, waren, und vor dieser Art von Männern rannte ich davon, so schnell und so weit ich nur konnte. Und nur Sekunden nachdem ich dem Blick dieses Mannes begegnet war, wusste ich, dass ich rennen sollte.

Er schien sich hier auszukennen – er musste schon einmal im Club gewesen sein. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich ihn vergessen hätte. Er war der atemberaubendste Mann auf diesem Planeten: kantige Wangenknochen und ein starker Kiefer unter glattem, braunem Haar und so intensiv blickende graue Augen, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Bei dem leichten Anflug von Bartstoppeln begann meine Haut zu jucken, ich sehnte mich danach, sie an meinem Gesicht zu spüren – und an den Innenseiten meiner Schenkel. Nach allem, was ich erkennen konnte, war sein teurer marineblauer Dreiteiler gut geschnitten und zeugte von ausgezeichnetem Geschmack. Und sein Geruch – ein schwacher Duft von unparfümierter Seife, von Rasierwasser und reiner Männlichkeit – hätte fast dazu geführt, dass ich in der Luft vor ihm herumgeschnüffelt hätte wie eine läufige Hündin.

Aber es war nicht nur seine Schönheit, die ihresgleichen suchte, und die Ausstrahlung seiner Männlichkeit, die dazu führte, dass es mir zwischen den Beinen brannte und ich mich nach dem nächstgelegenen Ausgang umschaute. Es lag daran, wie er mich ansah: auf eine Weise, wie mich noch nie ein Mann angeschaut hatte. In seinem Blick lag ein hungriger Besitzanspruch, als hätte er mich im Geiste nicht nur ausgezogen, sondern für sich beansprucht, sodass ich in Zukunft nur noch von ihm befriedigt werden würde und von sonst niemandem.

Ich begehrte ihn auf der Stelle, und in meinem Bauch spürte ich den Stachel der Fixierung – ein mir wohlbekanntes Gefühl. Aber dass ich ihn begehrte, war nicht von Bedeutung. Der Ausdruck auf seinem Gesicht besagte, dass er mich besitzen würde, ob ich es wollte oder nicht. Dass es so unausweichlich war, als wäre es bereits geschehen.

Es machte mir wahnsinnige Angst, und in meinem Nacken stellten sich meine Haare auf.

Aber vielleicht auch nur aus reiner Lust.

Oh, verdammt!

»Einen Single-Malt-Scotch pur, bitte.«

Ich hatte fast schon vergessen, dass ich ihn ja eigentlich bedienen sollte. Und die Vorstellung, ihn zu bedienen, erschien mir so sexy, dass ich fast über meine Füße stolperte, um ihm seinen Drink zu servieren, als er mich an meinen Job erinnerte. »Ich habe einen zwölf Jahre alten Macallan.«

»Sehr schön.« Das war alles, was er sagte, aber wie er es sagte, mit einer tiefen, heiseren Stimme, ließ mein Herz flattern.

Als ich ihm seinen Scotch reichte, berührten seine Finger die meinen, und mich überlief ein Schauer. Ein unübersehbarer Schauer. Er hob ganz leicht die Augenbrauen, als würde es ihn freuen.

Ich riss die Hand zurück und legte sie auf das Mieder meines Kleides, als könnte der Stoff die Hitze auslöschen. Doch die war bereits von dort, wo wir uns mit den Händen berührt hatten, bis zwischen meine Beine gewandert, wo mein bedürftiges Zentrum lag.

Ich berührte nie die Finger eines Kunden – warum hatte ich es jetzt getan?

Weil ich es nicht ertragen hätte, ihn nicht zu berühren. Ich fühlte mich so zu ihm hingezogen, so begierig nach etwas, wofür ich keine Worte fand, dass ich alles an Berührung nehmen würde, was ich bekommen konnte.

Nicht das schon wieder. Nicht jetzt!

Überhaupt nie mehr.

Ich ging von ihm weg, rasch und weit weg, das heißt, so weit ich eben konnte, also zum entgegengesetzten Ende der Bar. David sollte den Typen bedienen, wenn er noch irgendwas wollte. Ich wollte wirklich nicht mehr in seine Nähe kommen.

Und dann, wie aufs Stichwort, kam Sasha zurück, und ich hatte mein übliches Pech. »David, die Gruppe in Nummer fünf belästigt mal wieder die Kellnerin.«

»Bin schon unterwegs.« Er wandte sich an mich. »Du kommst doch einen Moment allein zurecht?«

»Ich hab alles im Griff.« Ich hatte überhaupt nichts im Griff. Nicht wenn Mr Ich-ziehe-Laynie-um-jeden-Preis-an-und-wenn-sie-dabei-verrückt-wird am anderen Ende der Bar saß.

Aber ich hatte überzeugend genug geklungen, David glitt hinter der Theke hervor und ließ mich mit dem Anzugtypen allein. Der Stammkunde und seine Freunde hatten sich zu einer Gruppe kichernder Mädchen an einen Tisch in der Nähe gesellt. Ich ließ den Blick über die Tanzfläche gleiten und hoffte, dass ich aus dem Meer der Gesichter einen Kunden anlocken konnte. Ich brauchte dringend neue Bestellungen, sonst würde der Anzugtyp denken, ich ginge ihm extra aus dem Weg und verstecke mich hier in meiner Ecke – was natürlich stimmte. Aber ehrlich gesagt trug der Abstand zwischen uns nichts dazu bei, den festen Knoten der Begierde, der sich in meinem Magen gebildet hatte, aufzulösen. Es war völlig sinnlos, dem Mann aus dem Weg zu gehen.

Ich seufzte und wischte die Theke ab, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre, nur, um mich zu beschäftigen. Als ich einen Blick hinüber zu meinem heißen Typen wagte, sah ich, dass sein Glas fast leer war.

Ich bemerkte auch, dass er die Augen fest auf mich gerichtet hielt. Sein durchdringender Blick fühlte sich anders an als der typische Blick eines Kunden, der versucht, die Aufmerksamkeit des Barkeepers auf sich zu lenken. Aber ich weiß, dass ich ohnehin dazu tendiere, die Bedeutung von dem zu überschätzen, was andere Menschen tun, also ließ ich diesen Gedanken wieder fallen. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und zwang mich, zu ihm hinüberzugehen und nach ihm zu schauen.

Wem wollte ich eigentlich was vormachen? Ich musste mich nicht dazu zwingen, zu ihm zu gehen – ich glitt zu ihm hinüber, als würde er mich an einem unsichtbaren Seil zu sich ziehen. »Noch einen Scotch?«

»Nein danke.« Er reichte mir einen Hunderter. Das war ja klar. Ich hatte gehofft, er würde mir seine Kreditkarte geben, damit ich seinen Namen herausfinden konnte.

Nein, das hoffte ich nicht! Es war mir völlig egal, wie er hieß. Und es fiel mir auch nicht auf, dass er keinen Ring trug. Oder dass er noch immer jede meiner Bewegungen verfolgte, als ich den Geldschein entgegennahm und die Kasse bediente.

»Ein besonderer Anlass?«, fragte er.

Ich runzelte die Stirn, und dann erinnerte ich mich, dass er ja gesehen hatte, wie wir miteinander anstießen. »Ähm, ja. Mein Abschluss in Betriebswirtschaft. Morgen ist die Verabschiedung.«

Sein Gesicht leuchtete in ehrlicher Bewunderung auf. »Herzlichen Glückwunsch. Auf Sie und Ihre Erfolge!« Er hob sein Glas, prostete mir zu und kippte den Rest hinunter.

»Danke schön.« Ich war wie gebannt vom Anblick seines Mundes und seiner Zunge, die hervorschoss und den letzten Tropfen von seinen Lippen leckte. Zum Anbeißen.

Als er sein Glas abstellte, streckte ich ihm die Hand mit dem Wechselgeld hin und machte mich bereit für den Wonneschauer darüber, erneut seine Hand zu berühren, denn das würde unweigerlich passieren, wenn er das Geld von mir entgegennahm.

Aber es kam zu keinem Kontakt. »Der Rest ist für Sie.«

»Das kann ich nicht annehmen.« Er hatte mir einen Hunderter gegeben. Für ein Glas Scotch! Das ging wirklich nicht.

»Das können Sie, und Sie werden es auch.« Sein Kommandoton hätte mich ärgern sollten, aber stattdessen geriet mein Innerstes noch mehr in Aufruhr. »Betrachten Sie es als Geschenk zum Examen.«

»Na gut.« Sein Auftreten lähmte meinen Willen, mit ihm zu diskutieren. »Danke schön.« Ich drehte mich um und steckte das Geld in mein Trinkgeldglas im hinteren Bereich der Bar. Gleichzeitig war ich sauer auf mich selbst, dass dieser Fremde so einen starken Eindruck auf mich machte.

»Ist das gleichzeitig eine Abschiedsparty?«, fragte seine Stimme hinter mir, und ich drehte mich wieder zu ihm um. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mit einem Abschluss in Betriebswirtschaft weiter hinter der Bar stehen werden.«

Natürlich würde ein Typ im Anzug das denken. Er war wahrscheinlich irgend so ein Businesstyp, der genau der gleichen Meinung war wie mein Bruder: Es gab Jobs, die sich lohnten, und es gab Jobs für die anderen. Und Barkeeperin gehörte in die zweite Kategorie.

Aber ich liebte es, hinter der Bar zu stehen. Mehr noch: Ich liebte diesen Club. Ich hatte das Studium nur begonnen, um mehr zu tun zu haben. Ich hatte etwas gebraucht, das mich »beschäftigt« hielt, wie mein Bruder Brian es nannte, als er mir angeboten hatte, alle Ausgaben zu übernehmen, die nicht durch mein Stipendium und den Studienkredit abgedeckt wurden.

Es war eine gute Entscheidung gewesen – die richtige Entscheidung, denn sie verhinderte, dass mein Leben völlig außer Kontrolle geriet. In den letzten drei Jahren hatte ich mich voll und ganz auf die Uni und den Club konzentriert. Dumm war nur, dass der Abschluss mich sehr viel Zeit kostete, die ich nicht arbeiten konnte. Und jetzt versackte ich in den Schulden des Studienkredits und musste schauen, wie ich über die Runden kam, ohne dass ich dafür die Sky Launch aufgeben musste.

Aber ich hatte schon einen Plan: Ich wollte befördert werden. Im vergangenen Jahr hatte ich bereits Führungsaufgaben übernommen, aber ich hatte keinen offiziellen Titel bekommen, denn als Manager musste man Vollzeit arbeiten. Jetzt, da ich die Uni beendet hatte, konnte ich mehr arbeiten. David hatte mich schon auf den neuen Job vorbereitet. Die einzige Unbekannte in dieser Gleichung war der neue Eigentümer. Aber darüber machte ich mir keine Gedanken – noch nicht.

Einem Fremden meine Absichten zu erklären war allerdings nicht leicht. Wie vernünftig war es, einen MBA-Abschluss von der Stern, der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der New York University, für eine Karriere im Management eines Nachtclubs zu benutzen? Wahrscheinlich war es sehr unvernünftig. Also schluckte ich, ehe ich dem Anzugtypen antwortete. »Ich möchte mich gerne hier hocharbeiten. Ich liebe die Nachtclub-Szene.«

Zu meiner Überraschung nickte er, und seinen Augen schimmerten, als er sich in das grellweiße Licht der Bar vorbeugte. »Man fühlt sich so lebendig.«

»Ganz genau.« Ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Woher wusste er das?

»Das sieht man.«

Sexy, reich und genau auf meiner Wellenlänge. Er war genau die Art von Mann, von dem ich besessen sein konnte, und das auf eine sehr ungesunde Art.

»Laynie!« Der Ruf des Stammkunden von eben zog mich von den intensiven grauen Augen des Fremden weg. »Ich bin jetzt weg, wollte dir nur noch mal gratulieren und dir alles Gute wünschen. Ach, und hier ist meine Nummer, meld dich doch mal! Ich kann gerne behilflich sein, wenn du in deinem Urlaub was erleben willst.«

»Tja, vielen Dank ...« – Ich las den Namen, den er auf die Serviette geschrieben hatte – »Matt.« Ich wartete, bis er weg war, dann warf ich sie in den Mülleimer unter der Theke und fing dabei einen Blick des Anzugtypen auf.

»Machen Sie das immer so, wenn Ihnen jemand seine Nummer gibt?«

Ich schwieg. Es war nicht so, dass ich mich noch nie mit einem Kunden eingelassen hätte, aber noch nie mit einem Stammkunden. Das gehörte zu den Regeln. Ich wollte die Männer hinterher nicht wiedersehen. Die Versuchung war zu stark, dass ich verrückt nach ihnen werden würde.

Aber ich hatte keine Lust, mich mit dem Anzugtypen darüber zu unterhalten. Seine Augen hingen die ganze Zeit an mir, und ich glaubte allmählich, dass mein Interesse an ihm nicht ganz einseitig war. Immerhin hatte er mir ein außerordentlich großzügiges Trinkgeld gegeben. »Versuchen Sie gerade rauszukriegen, ob ich Ihre Nummer auch wegwerfen würde?«

Er lachte. »Vielleicht.«

Ich musste über seine Reaktion lächeln und wurde immer feuchter. Es machte Spaß, mit ihm zu flirten. Zu dumm, dass ich dem ein Ende machen musste. Ich stützte die Hände auf die Theke und beugte mich zu ihm, sodass er mich bei der lauten Musik besser hören konnte. Und ich versuchte, mich nicht über den begehrlichen Blick zu freuen, den er dabei auf meinen Busen warf. »Ihre Nummer würde ich nicht wegwerfen. Ich würde sie gar nicht erst entgegennehmen.«

Er kniff leicht die Augen zusammen, aber das Lachen von vorhin tanzte noch immer darin. »Ich bin wohl nicht Ihr Typ?«

»Nicht unbedingt.« So zu tun, als fände ich ihn nicht attraktiv, war sinnlos. Es musste ihm aufgefallen sein, wie ich auf ihn reagiert hatte.

»Und warum sonst?«

»Weil Sie nur einen Zeitvertreib suchen. Ein bisschen Spaß. Sie wollen nur herumspielen.« Ich lehnte mich noch weiter zu ihm, um meine Pointe gut zu platzieren – und die schreckte stets auch noch den allergeilsten Mann ab. »Und ich bin eine sehr anhängliche Frau.« Ich richtete mich wieder zu meiner vollen Höhe auf, sodass ich seine Reaktion betrachten konnte. »Und, macht Ihnen das jetzt nicht ganz entsetzlich Angst?«

Ich hatte erwartet, einen Anflug von Panik auf seinem Gesicht zu sehen. Stattdessen sah er amüsiert drein. »Sie, Alayna Withers, machen mir alles andere als Angst.« Aber trotz seiner Worte stand er auf und knöpfte sein Jackett zu. »Nochmals meine Glückwünsche. Da haben Sie ganz schön was erreicht.«

Ich schaute ihm viel zu lange nach, während er ging, und ich war über seinen abrupten Aufbruch niedergeschlagener, als ich zugeben wollte.

Nachdem er fort war, brauchte ich gut und gern fünf Minuten, bis mir auffiel, dass ich ihm meinen Namen gar nicht genannt hatte.

Kapitel zwei

Hast du den neuen Eigentümer schon kennengelernt?«

Ich schaute von meinem Klemmbrett hoch auf Liesls Hinterteil. Sie inspizierte gerade den Inhalt des kleinen Kühlschranks hinter der Bar, ihr wasserfallartiges rotes Haar bewegte sich mit ihr. Ich runzelte die Stirn. Dass es einen neuen Eigentümer der Bar gab, hatte ich nicht vergessen, aber ich hatte versucht, nicht an ihn zu denken, denn ich wusste, ich würde mir dann die ganze Zeit Gedanken darüber machen.

Ich war irritiert, dass Liesl mich jetzt an ihn erinnerte, und antwortete: »Wann sollte ich ihn denn kennengelernt haben?« Ich war seit meinem Abschluss nicht mehr im Nachtclub gewesen, und das war über eine Woche her.

Liesl machte die Kühlschranktür zu und zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht. Vielleicht hast du ja mal kurz vorbeigeschaut oder so.«

Sie kannte mich einfach zu gut. Ich hatte mich während der vergangenen Woche mehrmals zurückhalten müssen, um nicht einfach einmal hereinzuspazieren. Es war ein Kampf gewesen, aber ich war dem Club ferngeblieben. »Nee. Ich war den Großteil der letzten Woche in einem Wellnesshotel in der Nähe von Poughkeepsie.«

»Da schau mal einer an!« Liesl hob eine ihrer dichten Augenbrauen. »Hast du etwa im Lotto gewonnen, als ich gerade nicht aufgepasst hab?«

»Wohl kaum – es war ein Geschenk von Brian.« Er hatte sich nicht damit aufgehalten, mir eine Glückwunschkarte zu schreiben. Er schickte mir nur einen Umschlag mit der Zugfahrkarte und dem Buchungsbeleg für das Hotel. Das Ganze hatte mir der Portier unseres Hauses am Morgen meines Abschlusses überreicht. Es war sehr aufmerksam und sah meinem Bruder überhaupt nicht ähnlich. Vielleicht war es die Idee seiner Frau gewesen.

»Wie ... nett.« Liesl konnte Brian nicht ausstehen und gab sich keine Mühe, diese Tatsache zu verbergen. Sie war einer der wenigen Menschen in meinem Leben, die meine Geschichte kannten, und sie war unglaublich loyal und stets auf meiner Seite. Mein Bruder hingegen weniger, und so konnten die beiden wenig miteinander anfangen.

»Das brauchst du gar nicht so fies zu sagen. Es war wirklich schön! Ich hab einen Haufen Sachen gemacht, die ich noch nie ausprobiert hatte: Reiten und Klettern. Und ich habe jede Menge Wellnessanwendungen gemacht – hier, fühl mal meine Haut!« Ich streckte ihr meine Hand hin. »Ich habe noch nie so weiche Hände gehabt.«

»Du hast recht – zart wie bei einem Baby.«

»Es hat mir wirklich gutgetan, es war genau das, was ich brauchte. Entspannend, aber ich war noch beschäftigt genug.«

»Wow. Endlich hat Brian mal was richtig gemacht. Vielleicht wird er tatsächlich erwachsen.« Ihre Stimme wurde heller. »Und wie war die Zeit, die du nicht im Wellnesshotel verbracht hast?«

Mies. Die fünf Tage im Hotel waren perfekt gewesen, aber nachdem die Reise vorbei war, hatte ich ins wirkliche Leben zurückkehren müssen, das hieß, in ein leeres Apartment und zu einem Verstand, der nicht stillstehen wollte. »Ich bin froh, dass ich wieder hier bin, falls du das meinst. Und ich habe möglicherweise so vier, fünf Aktenordner voll neuer Ideen für den Club.«

Sie lachte. »Na, das ist wenigstens mal eine gesunde Besessenheit.«

Ich lächelte verlegen. »Na ja, einigermaßen gesund.« Ich suchte nach dem Skyy Wodka, der laut meiner Liste im Regal stehen sollte, und hakte ihn auf der Liste ab, als ich ihn entdeckt hatte. Es hatte auch seine Vorteile, wenn man einen aktiven Geist hatte. Meine Inventurlisten waren immer perfekt in Ordnung und sahen tadellos aus. Nur im Zusammenhang mit Menschen – mit Männern, um genau zu sein – hatte die Besessenheit ihre Nachteile.

Ich lehnte mich an die hintere Theke und schaute auf die Uhr: noch fünfzehn Minuten, bis der Club öffnete. Das hieß, es würde noch fünfzehn Minuten dauern, bis die Lichter gedimmt wurden und nur noch im Club-Modus leuchteten. Jetzt waren alle Lichter an, und ich fühlte mich nackt und verwundbar und fehl am Platze. Sogar Liesls freches Mundwerk war verstummt, als hätte jemand ihr die Lautstärke heruntergedreht. Unsere Unterhaltung hätten wir nie so geführt, wären wir im Club-Modus gewesen.

Mein Blick glitt über die Bar und verweilte dort, wo der Anzugtyp gesessen hatte, als ich das letzte Mal hier gearbeitet hatte. Es war nicht das erste Mal, dass ich seit jener Nacht an ihn dachte. Er hatte meinen Namen gekannt. Hatte er ihn zufällig irgendwo aufgeschnappt? Meinen Vornamen vielleicht, aber nicht meinen Nachnamen. Er musste jemanden gefragt haben, obwohl ich nicht gesehen hatte, dass er sich mit jemandem unterhalten hätte. Vielleicht, ehe ich seine Bestellung aufgenommen hatte ... da hatte ich noch nicht auf ihn geachtet. Vielleicht hatte ihm da jemand meinen Namen verraten.

»Woran denkst du?«, unterbrach Liesl meine Gedanken und lehnte sich neben mich an die hintere Theke.

Ich zuckte mit den Schultern. Sie würde ausflippen, wenn ich ihr sagte, dass irgendein Kerl meinen Namen kannte, und würde annehmen, ich sei möglicherweise in Gefahr. Ich dagegen konnte Leute gut verstehen, die das Bedürfnis hatten, mehr Informationen über andere Menschen zusammenzutragen, als es sich eigentlich gehörte. Ich wollte mir keinen Vortrag über Möchtegern-Stalker anhören. Über Stalking wusste ich alles.

Aber ich konnte ihr etwas anderes über den geheimnisvollen Fremden erzählen. »Als ich zuletzt gearbeitet habe, hat mir ein Typ ...« Ich machte eine Pause und dachte daran zurück, was für eine geradezu magnetische Anziehung der Anzugtyp auf mich ausgeübt hatte. »Ein unglaublich scharfer Typ, um genau zu sein, hundert Dollar für drei Finger Macallan gegeben und mir gesagt, der Rest wäre Trinkgeld.«

»Und, wollte er, dass du ihm nach deiner Schicht einen bläst?«

»Nein. Ich dachte, es ginge ihm darum, aber ...« Was hatte er gewollt? Es hatte ausgesehen, als würde er total auf mich stehen – oder hatte ich mir das nur eingebildet, weil ich selbst so heiß auf ihn war? »Ich weiß es nicht. Er ist gegangen, ohne dass er irgendwas versucht hätte.« Ich hatte ihn abschrecken wollen, aber das schien nicht der Grund, aus dem er verschwunden war. »Es war ... irgendwie merkwürdig.«

»War er das Richtige für Selbstbefriedigung um Mitternacht?«

»Das sag ich nicht.«

»Dein Gesicht verrät es ohnehin schon.«

In der vergangenen Woche war er mir tatsächlich im Kopf herumgegeistert, und dabei trug er entschieden weniger Kleidung als an dem Abend, an dem ich ihm in der Bar begegnet war. Während sexuelle Fantasien für die meisten Leute ganz normal waren, war es für mich gar nicht gut, zu viel an einen Mann zu denken, und das wusste Liesl genau. Aber sie brauchte mir keinen Vortrag zu halten. Solange ich ihn nicht wiedersah – und die Chancen dafür, dass ich ihn wiedersehen würde, standen nicht besonders gut –, wäre alles in Ordnung.

Ich rückte ein paar Dinge auf der Theke zurecht, die es nicht nötig gehabt hätten, und wechselte das Thema. »Was ist jetzt mit dem neuen Eigentümer ... du hast ihn also schon kennengelernt? Wie ist er denn so?«

Liesl zuckte mit den Schultern. »Ganz in Ordnung. Jünger, als man meinen würde, vielleicht siebenundzwanzig oder achtundzwanzig. Und verdammt reich. Er ist allerdings ziemlich pingelig, was Sauberkeit angeht. Wir haben ihn Bar-Nazi getauft. Er inspiziert absolut alles, wischt mit dem Finger über alle Oberflächen, um sicherzugehen, dass es auch wirklich sauber ist, als hätte er eine Zwangsneurose oder so. Ach, und wo wir gerade von passenden Vorlagen für Selbstbefriedigung sprechen: Er ist einfach wahnsinnig scharf.«

Liesl hielt jeden Kerl mit einer dicken Brieftasche, der noch einigermaßen Haare auf dem Kopf hatte, für scharf, also war das nicht besonders aussagekräftig. Aber über die Bemerkung mit dem Bar-Nazi musste ich lächeln. Das Team war schon eine ganze Weile ein bisschen nachlässig, was die Standards fürs Saubermachen betraf, und ich fand, sie konnten ein bisschen liebevolle Strenge ganz gut gebrauchen. Zumindest würde ich das sagen, wenn ich der Manager wäre. Das machte mir Hoffnung, dass der neue Eigentümer und ich gut miteinander auskommen würden.

Ich fragte mich, was für ein Mann das war, der letztendlich den unvernünftig hohen Preis geblecht hatte, der für den Club verlangt worden war. Nicht dass die Sky Launch das nicht wert gewesen wäre, aber sie konnte doch eine gründliche Überholung gebrauchen, um unter den vielen Clubs in New York City wieder hervorzustechen. Würde der neue Eigentümer das Potenzial des Clubs erkennen? Wie aktiv würde er ins Geschäft einsteigen? Würde er den Laden weiterhin unter Davids Aufsicht laufen lassen?

»Du wirst ihn heute Abend sehen.« Liesl spielte mit dem Piercing an ihrer Unterlippe herum. »Ich glaube, er ist ein großes Tier in der Businesswelt. Du hast bestimmt schon von ihm gehört – Houston Piers oder so ähnlich.«

Mir blieb der Mund offen stehen. »Meinst du etwa Hudson Pierce?« Ich wartete, bis sie nickte. »Liesl, Hudson Pierce ist ja auch bloß der erfolgreichste Unternehmer unter dreißig in Amerika. Er ist ein wahrer Unternehmergott!« Hudson war in seinen Reichtum hineingeboren worden, seine Familie waren die Rockefellers von heute. Er war der älteste Sohn und hatte den Reichtum der Pierce-Familie in etwa verzehnfacht. Als Wirtschaftsstudentin war ich fasziniert von einigen seiner Deals gewesen.

»Du weißt doch, dass ich mich mit diesem ganzen Who’s-who-Quatsch nicht auskenne.« Liesl richtete sich zu ihrer vollen Größe von eins fünfundfünfzig auf, plus sieben Zentimeter Absatz. »Obwohl es mich nicht überraschen würde, wenn er unter den Top Ten der schärfsten, sexysten und schönsten Männer der Welt ist.«

Ich biss mir auf die Lippen und versuchte, in meinem Kopf ein Bild heraufzubeschwören. Ich hatte sicher irgendwo ein Foto von Pierce gesehen, aber ich konnte mich einfach nicht erinnern. Ich achtete normalerweise nicht so sehr darauf. Irgendwas regte sich in meinem Kopf, aber ich kam nicht drauf, mein Gehirn schaffte es nicht, die richtige Verbindung herzustellen.

»Auf jeden Fall glaube ich«, sagte Liesl und lehnte sich wieder gegen die Theke, »dass er heute da ist. Ich hab ihn ins Büro gehen sehen, vorhin, als du die Servietten aus dem Lager geholt hast.«

Ich nickte und war nicht sicher, ob ich mich freuen sollte, Hudson Pierce zu begegnen oder nicht. Einerseits hätte ich mich gern wie ein Fan benommen und über einige seiner berühmten Unternehmensentscheidungen gejubelt. Und es könnte wirklich spannend werden, ihm neue Ideen vorzustellen.

Oder auch einschüchternd. Was, wenn ich nichts vorzuschlagen hatte, worauf er nicht selbst schon gekommen war? Hudson Pierce brauchte meine lahmen Ideen nicht, um ihm zu helfen, damit der Club Erfolg hatte.

Es sei denn, er hatte nicht vor, sich selbst mit dem Laden zu befassen.

Aber warum hätte er den Club kaufen sollen, wenn er nicht vorhatte, etwas damit zu tun zu haben? Und in diesem Fall ...

Mist. Ehe meine Vorstellungen von der Zukunft, wie ich sie mir erträumte, in meiner überdrehten Fantasie verpufften, musste ich Pierce kennenlernen und bei ihm ein bisschen vorfühlen, egal ob ich eingeschüchtert von ihm war oder nicht.

Ich machte unauffällig mehrere beruhigende Atemzüge, dann wandte ich mich wieder meiner Aufgabe zu, den Bestand der Bar zu prüfen. Ich konzentrierte mich auf meine Aufgabe, wippte gedankenverloren zu den Elektro-Beats und vergaß meine ganzen Bedenken.

Die Musik war leise, weil der Club noch geschlossen war – wir konnten uns in normaler Lautstärke bequem unterhalten –, aber sie war so laut, dass ich nicht hörte, wie die Bürotür aufging, die zur Linken der Bar lag. Deshalb bemerkte ich Hudson auch zuerst nicht. Ich stand mit dem Rücken zu ihm, hatte meinen Blick nach oben gerichtet und griff nach dem Tequila Gold auf dem oberen Brett hinter der Bar. Sogar nachdem ich die Flasche heruntergeholt und untersucht hatte, erblickte ich zunächst nur David. Er checkte mich von oben bis unten ab, und ich lächelte und war erfreut, dass ihm mein enges Mieder nicht entgangen war. Seinetwegen hatte ich das verdammte Ding schließlich angezogen. Ich steckte darin wie in einem Schraubstock und bekam kaum Luft. Aber der begehrliche Blick, den David mir zuwarf, war die Sache wert und brachte meine Erregung auf schwacher Stufe zum Köcheln.

Dann begegnete ich Hudsons Blick, und es passierten zwei Dinge gleichzeitig. Erstens schoss meine Erregung hoch auf den Siedepunkt, und zweitens stellte mein Gehirn endlich die Verbindung her, die es zuvor nicht hinbekommen hatte. Hudson Pierce war der Anzugtyp.

Ohne dass ich es wollte, ließ ich meinen Blick über seinen Körper gleiten. Wenn man ihn komplett sah, sah er sogar noch schärfer aus, besonders jetzt, wo das Licht besser war. Er trug wieder einen Anzug, diesmal einen Zweiteiler in Hellgrau, beinahe silbern, der sich auf eine so sexuelle Art an seinen schlanken Körper anpasste, dass ich mir schon fast obszön vorkam, wenn ich ihn nur anschaute.

Als mein Blick es bis zu seinem Gesicht geschafft hatte – sein starker Kiefer war stärker ausgeprägt, als ich ihn in Erinnerung hatte, und schrie geradezu danach, abgeschleckt, geküsst und zärtlich gebissen zu werden –, merkte ich, dass er mich ebenfalls abcheckte, und mein ohnehin schon warmes Gesicht wurde noch röter. Obwohl sein Blick nicht so intensiv war wie beim ersten Mal, als wir uns begegneten, war die Anziehungskraft, die von ihm ausging, genauso stark wie damals, und ich wusste – absolut unmissverständlich –, dass er mich genauso sehr begehrte wie ich ihn.

David sprach als Erster, und seine Worte drangen wie durch einen Nebel zu mir: »Das ist Laynie.« Ich vermutete, dass er seinen Blick die ganze Zeit nicht von meinem Busen abgewandt hatte. »Ähm, ich meine Alayna Withers.« Normalerweise wäre ich hingerissen gewesen, dass ich David so den Kopf verdrehen konnte und dass seine Hose sichtlich enger zu werden schien, aber der neue Eigentümer hatte mich völlig aus dem Konzept gebracht. Genauer gesagt die Tatsache, wie ungeheuer er mich erregte.

»Hudson Pierce.« Bei Hudsons sanftem, tiefem Murmeln presste ich die Schenkel zusammen, mein Höschen war schon ganz feucht. Und wenn ich gedacht hatte, er hätte mich mit seinem Blick für sich beansprucht, als wir uns neulich abends begegnet waren, so wurden jetzt seine Besitzansprüche noch stärker, als er mir die Hand gab. Als würden mich fortan unsichtbare Handschellen dauerhaft an ihn fesseln. »Wie schön, Sie jetzt richtig kennenzulernen, Ms Withers.«

»Alayna«, korrigierte ich ihn und war überrascht von dem leisen Schmerz in meiner Stimme. »Oder Laynie.«

Er ließ meine Hand los, aber ich spürte seinen Händedruck weiterhin auf meiner Haut und in meinen Adern.

Die Puzzlestücke fielen an ihren Platz. Daher hatte er also meinen Namen gekannt! Er war an diesem Abend wahrscheinlich vorbeigekommen, um sich seine Mitarbeiter in spe einmal anzuschauen. Aber das erklärte noch nicht, warum er mich so besitzergreifend angestarrt hatte. Vielleicht war er der Typ Mann, der Frauen als Gegenstände betrachtete. Vielleicht maß er dem Begriff Eigentümer noch eine ganz andere Bedeutung bei. Bei diesem Gedanken bekam ich Gänsehaut am ganzen Körper.

Und dann kroch mir die Panik in die Eingeweide.

Ich durfte von diesem Mann nicht so hin und weg sein. Er war mein Boss, der neue Verantwortliche, der Typ, der mein weiteres Schicksal in diesem Club in der Hand hatte. Wenn ich bei ihm durchdrehte, dann würde das ernsthafte Konsequenzen haben.

Ich legte mir ganz leicht die Hand auf den Bauch und atmete tief durch, um meine wachsende Angst zu beruhigen.

Hudson legte den Kopf schief und betrachtete mich. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Und Ihre Arbeit begutachtet.« Er machte eine Pause und schaute mich noch einmal von oben bis unten an. Ich spürte, wie meine Haut zu brennen begann. »Aber nichts, was ich gehört oder gesehen habe, hat mich auf das vorbereitet, was Sie da heute Abend tragen.«

Ich wurde blass. Ich war nicht sicher, worauf er mit seiner Bemerkung hinauswollte, aber bei seinem Tonfall fühlte ich mich getadelt. »Wie bitte?«

»Ich würde doch annehmen, dass eine Absolventin der NYU Stern School of Business, die eine Karriere im Management anstrebt, angemessener gekleidet wäre.«

Genauso schnell, wie ich gerade blass geworden war, errötete ich nun. Ich war sowohl verlegen als auch verärgert. Klar, mein Oberteil enthüllte so einiges, aber das hatte ihm doch einen Moment zuvor, als er mich angestarrt hatte, nichts ausgemacht.

Aber vielleicht war das auch nur Wunschdenken gewesen.

Scheiße. Ich hatte mir das alles nur eingebildet, oder? Das ganze Wissen, dass er mich begehrte – du liebe Zeit, wie hatte ich das nur so völlig falsch deuten können?

Doch trotz meines Irrtums konnte ich seine Kritik nicht widerspruchslos hinnehmen. Ich hatte keine Ahnung, ob Hudson andere Nachtclubs besaß oder nicht, aber er lag ganz klar falsch, was die passende Bekleidung in dieser Branche anging. In einem Club erwarteten die Leute etwas zum Anschauen. Heiße Mädels lockten Kundschaft an. »Was ich trage, ist für die Mitarbeiterin eines Clubs sehr wohl angemessen.«

»Das gilt nicht für jemanden, der Clubmanager werden möchte.«

»Doch, sogar für Manager. Sex sells, Mr Pierce.«

»Nicht in einem Club der Spitzenklasse. Nicht in einer Art von Club, wie ich ihn führen möchte.« Sein autoritärer Tonfall hallte in meinem Kopf nach, aber dann senkte er die Stimme, und seine Worte fuhren mir regelrecht in die Knochen. »Sie müssen wissen, dass Frauen es in der Geschäftswelt nicht leicht haben. Sie müssen an sich arbeiten, um ernst genommen zu werden, Alayna. Kleiden Sie sich sexy, aber nicht wie ein Flittchen.«

Ich presste die Lippen zusammen. Normalerweise diskutiere ich gerne noch über den Punkt hinweg, an dem man recht oder unrecht hat, und ich hatte in mehr als einem Kurs an der Uni oft hitzige Debatten geführt – aber jetzt war ich verwirrt, und mir fehlten die Worte. Hudson hatte recht. Ich hatte Ideen für den Club – Ideen, bei denen es nötig war, dass man meinem Geschäftssinn vertraute. Ich hatte auf der Stern gelernt, wie ich Menschen beeindrucken konnte, und zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich beim Kauf des Oberteils kurz gezögert hatte. Es war ein Korsettmieder, dessen Schnürung sehr viel sehen ließ, von den Innenseiten meiner Brüste bis hinunter zum Nabel, und ich hatte mich gefragt, ob es nicht zu offenherzig wäre. Hudsons Worte bestätigten diese Befürchtung.

Schlimmer noch, ich merkte, dass das, was ich für Begierde gehalten hatte, etwas völlig anderes gewesen war. Er beanspruchte mich nicht für sich, er beurteilte mich.

Mir sank der Mut. Jede Chance auf eine Beförderung war dahin! Wie hatte ich nur so dumm sein können? Mich für einen Kerl anzuziehen, anstatt an meine Karriere zu denken? Dumm, dumm, dumm!

Ich warf David einen Blick zu und merkte, dass er wie versteinert dastand. »Tja, Laynie«, sagte er in einem Versuch zu retten, was zu retten war. »Hast du das Oberteil neu?«

Es war völlig egal, was David sagte. Das Glitzern in seinen Augen verriet mir, dass er mein Outfit zu schätzen wusste. Aber er stand neben seinem neuen Boss und musste seine Professionalität wahren.

Und ganz ehrlich, in diesem Moment war mir die Meinung von Hudson wichtiger als die von David. David war einfach nur ein Typ der Kategorie eins. Die Art Mann, bei dem ich mich emotional nicht verausgabte. Hudson dagegen war ...

Nein, so würde ich nicht über ihn denken!

Ich fuhr mir mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Ja, es ist ganz neu.« Ich hoffte, das klang nicht so beschämt, wie ich mich fühlte. »Es tut mir leid, ich habe es falsch eingeschätzt.« Ich hasste Hudson Pierce irgendwie, obwohl er recht hatte. Er war ein Arschloch mit herumschweifenden Augen, genau wie alle anderen Anzugtypen, die ich kannte.

»In meinem Spind liegt noch der Pullover mit Spitzenbesatz«, bot Liesl mir an. »Der könnte dein Erscheinungsbild etwas abmildern.«

»Danke, den nehm ich gern.«

Während Liesl an mir vorbei in den Pausenraum glitt, flüsterte sie mir zu: »Wenn du mich fragst, du siehst verdammt gut aus!«

»So, wo das jetzt geklärt ist ...« Hudson wandte seine Aufmerksamkeit wieder auf David. »Ich habe mich inzwischen anders entschieden und werde am Wochenende nicht kommen.« David entspannte sich sichtlich. Aber bei Hudsons nächster Bemerkung erstarrte er gleich wieder. »Ich komme morgen schon, werde es allerdings nicht vor neun schaffen. Können Sie es einrichten, dass Sie dann Zeit haben?«

Obwohl sie bereits frisch aufgefüllt waren, fummelte ich an den Serviettenhaltern herum. Ich war nicht sicher, ob diese Unterhaltung für meine Ohren bestimmt war oder ob ich mich lieber wieder meinen Aufgaben zuwenden sollte.

»Natürlich«, sagte David, obwohl der Club um neun öffnete und das nun wirklich keine besonders gute Zeit für eine geschäftliche Besprechung war.

»Gut.« Hudson wandte sich an mich, und ich erstarrte mit meinen Servietten. »Alayna, Sie werden auch dabei sein.«

Ich war noch immer durcheinander von dem katastrophalen Fehler, den ich gemacht hatte, und war nicht gerade scharf darauf, der Einladung zu folgen – oder vielmehr der Aufforderung. Aber ich würde diesen schlechten Start wettmachen müssen, wenn ich weiterhin mit ihm zusammenarbeiten wollte. Ich war nicht einmal sicher, ob er überhaupt eine Antwort erwartete, aber ich antwortete: »Ja, Sir.«

Hudson kniff die Augen zusammen, und ich war mir nicht sicher, aber seine Pupillen schienen erweitert zu sein. Er musterte mich, als würde er etwas entscheiden – vielleicht, ob er mich feuern würde oder ob er mir noch eine Chance gab. Nach einigen Sekunden nickte er schlicht. »Morgen also.« Dann drehte er sich um und ging.

David und ich schauten schweigend zu, wie er auf den Ausgang des Clubs zuging. Ich zumindest schaute, war aber zu sehr abgelenkt von der Andeutung eines knackigen Hinterns unter Hudsons Jackett, um zu sehen, was David tat. Verdammt, er sah von hinten genauso gut aus wie von vorne. Wenn er häufiger im Club auftauchte, würde ich anfangen müssen, Slipeinlagen zu tragen.

In dem Augenblick, da Hudsons hinreißender Hintern verschwunden war, seufzte David und erinnerte mich daran, dass er auch noch da war.

Ich starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. »Was war denn das?«

David schmunzelte. »Keine Ahnung. Ich habe Pierce vorher erst ein einziges Mal gesehen, und wir haben noch nicht besonders viel miteinander gesprochen. Ich habe ihm heute gerade mal das Konzept unseres Clubs vorgestellt. Er ist wirklich ein merkwürdiger Typ.«

»Was hast du denn von jemandem erwartet, der in so einem Reichtum aufwächst und Erfolg haben muss?« Warum zum Teufel verteidigte ich ihn? Der Mann hatte mich geängstigt, eingeschüchtert und gedemütigt. Und vielleicht hatte er mich auch ein kleines bisschen erregt. Und mich so fickrig gemacht, wie ich nur sein konnte. Ich würde mir nicht einmal eingestehen, dass ich mich sehr bald auf ihn fixieren würde, wenn ich mich nicht unter Kontrolle kriegte.

Ich holte tief Luft und hoffte, der merkwürdige Knoten in meinem Bauch, der jedes Mal entstand, wenn ich an Hudson dachte, würde sich bald lösen. »Ich rede einfach nur so daher. Wir müssen wohl einfach abwarten, wie es mit ihm so läuft.«

»Mach dir keine Sorgen, Laynie.«

Ich erinnerte mich daran, dass ich mehr oder weniger mit David zusammen war, und blickte in seine blauen Augen. Aber ich musste mich anstrengen, um mir klarzumachen, dass dieser Mann perfekt für mich war.

Er hatte meine Beunruhigung falsch verstanden und bezog sie auf meinen Job, deswegen fuhr er fort: »Pierce hat andere hochkarätige Projekte, er wird sich nicht besonders um den Club kümmern. Ich bin sicher, er lässt alles mehr oder weniger so laufen wie jetzt, vielleicht mit der einen oder anderen kleinen Änderung. Und solange ich hier was zu sagen habe, wirst du in diesem Laden bald eine größere Rolle spielen.«

David grinste und schaute mir dabei mehr auf die Brust als ins Gesicht. »Willst du heute Abend dableiben und mir helfen, den Laden zu schließen?«

Seine spielerische Art, das Thema zu wechseln, gab mir die Sicherheit, die ich brauchte. »Das hatte ich gehofft.«

Um vier Uhr früh machte der Club zu, und David und ich arbeiteten schnell und effizient und teilten uns die organisatorischen Aufgaben. Als die Kasse abgerechnet und das Geld im Safe deponiert war, schickte er die Belegschaft nach Hause und setzte sich an seinen Schreibtisch, um die Abrechnungen fertig zu machen. Ich hockte mich auf die Schreibtischkante und ließ die Beine baumeln, während ich ihn beobachtete.

David warf mir einen Blick zu und lächelte, ehe er sich wieder dem Bildschirm zuwandte. »Ein Glück, dass du vorhin hinter der Theke gestanden hast. Wer weiß, was Hudson noch über dein Outfit gesagt hätte, wenn er erst deine Hose gesehen hätte!«

Ich schaute hinunter auf meine Hose, die so eng war, dass sich die Schamlippen darunter abzeichneten. Ich fühlte mich sexy darin, und aus irgendeinem Grund musste ich an den Gesichtsausdruck denken, mit dem Hudson mich beim ersten Mal angestarrt hatte. Den Ausdruck, von dem ich inzwischen überzeugt war, ich hätte ihn mir nur eingebildet.

»Na toll. Willst du mir etwa sagen, dass ich die jetzt auch aussortieren muss?«

»Zieh sie einfach bei der Arbeit nicht mehr an.« Er stand auf und beugte sich hinüber zum Drucker, der hinter mir auf dem Schreibtisch stand. »Nur dass du’s weißt«, sagte er, während sein Arm meine Taille streifte, »ich habe an deinem Outfit nicht das Geringste auszusetzen.«

Ich dagegen hätte das Outfit am liebsten verbrannt. Es hatte mir den ganzen Abend nur Ärger eingebracht – betrunkene Kunden, die mich antatschen wollten und mir Dinge zuflüsterten, die sie sonst niemals gesagt hätten.

Aber ich hatte die Sachen für David angezogen – für den Augenblick, in dem wir endlich allein wären. Und dieser Augenblick war jetzt gekommen.

Ich setzte einen gespielten Schmollmund auf. »Nur dumm, dass deine Meinung hier keine Rolle spielt.«

David lehnte sich ganz zu mir hin. »Meine Meinung spielt keine Rolle?«

»In Wirklichkeit«, sagte ich und packte ihn am Aufschlag seines Jacketts, »spielt deine Meinung eine riesige Rolle.«

Er senkte die Stimme. »Dann sage ich, dass du verdammt sexy aussiehst.«

Er küsste mich und schob seine Zunge tief in meinen Mund. Ich schlang ihm die Arme um den Hals und schob ihm meinerseits die Zunge zwischen die Lippen. Der erhitzte Blick von Hudson Pierce hatte Stunden zuvor eine Erregung in mir geweckt, die ich die ganze Nacht über in Schach gehalten hatte. Jetzt, wo David mich küsste, kehrte sie mit voller Macht zurück.

Ich ließ die Hände über seinen Oberkörper und hinunter zu seiner Hose gleiten. Aber als ich begann, an seinem Gürtel herumzuspielen, machte er sich von mir los.

Ich öffnete die Augen und schreckte zusammen. Einen Augenblick hatte ich erwartet, die grauen Augen von Hudson zurückstarren zu sehen und nicht Davids trübe blaue Augen. Was stimmte bloß nicht mit mir? Mann, dieser Hudson konnte aber auch wirklich ein Fluch sein.

David streichelte meine Schulter. »Wir müssen damit aufhören, Laynie.«

Ich blinzelte verwirrt. »Wie meinst du das? Warum?«

»Schau mal, ich hab dich gern. Ich hab dich wirklich gern. Aber ...« Er schien mit sich zu kämpfen und ließ den Arm von meiner Schulter gleiten. »Wenn es dir ernst damit ist, hier eine Position im Management zu bekommen, glaubst du wirklich, dann sollten wir hier herumalbern? Wie würde das denn aussehen? Ich bin sicher, das würde Pierce nicht gefallen.«

So hatte ich die Sache noch nicht gesehen. In meiner Fantasie führten David Lindt und Alayna Withers-Lindt die Sky Launch als Paar zu neuem und unglaublichem Erfolg. In dieser Fantasie war es nie ein Thema gewesen, dass der Rest der Belegschaft und der Eigentümer des Clubs mich beschuldigten, ich hätte mich hochgeschlafen.

»Wir könnten unsere Beziehung geheim halten«, sagte ich sanft, denn ich wollte diesen wichtigen Teil meines Traumes nicht einfach so aufgeben. Ich wollte mein Sicherheitsnetz nicht verlieren.

»Es muss ja keine Trennung für immer sein. Aber fürs Erste, vor allem jetzt, da ich nicht weiß, wie die Pläne von Pierce in Bezug auf mich und den Club aussehen. Ich finde, wir sollten eine Pause einlegen.«

»Klar.« Ich zwang mich zu einem Lächeln. Er sollte nicht merken, wie enttäuscht ich war. Wir waren streng genommen nicht mal richtig zusammen, wir hatten bloß so herumgespielt. Wieso fühlte ich mich dann so niedergeschmettert?

Ich überlegte, was mich in erster Linie zu David hingezogen hatte. Er war nicht der Hellste, und es gab durchaus schärfere Männer. Ich kannte ihn nicht mal besonders gut. Und es war nicht so, als hätte ich keine Gelegenheit, andere Männer kennenzulernen. Ich war eine attraktive Frau und arbeitete in einem Nachtclub der Spitzenklasse – ich hatte jede Menge Gelegenheit, in dieser Stadt jemanden zum Sex aufzutun. Und zwar echt knackige Exemplare. Zwar nicht so knackig wie Hudson Pierce, aber immer noch knackig genug.

Ich schüttelte den Kopf, als ich von Davids Schreibtisch hinuntersprang. Warum kehrten meine Gedanken immer wieder zurück zu Hudson? Sogar beim Schlussmachen dachte ich an ihn. Und Hudson war genau die Art Mann, an den ich nicht denken sollte. Überhaupt nicht. Nie. Nicht, wenn ich das Mindestmaß an Kontrolle aufrechterhalten wollte, das ich mir in den letzten paar Jahren angeeignet hatte.

»Alles in Ordnung, Laynie?«, holte mich Davids Stimme zurück in die unbehagliche Gegenwart.

Verdammt noch mal. Ich war mir einer Beziehung mit David so sicher gewesen, dass ich mir schon vorgestellt hatte, wie wir zusammen Weihnachtskarten schrieben. Nun gut, vielleicht hatte ich mich stärker auf ihn fixiert, als ich zugeben wollte, aber nicht so sehr, dass ich ausflippte, wenn Schluss war. Der größte Mist bei dem Ganzen war, dass ich jetzt keinen sicheren Mann mehr hatte, hinter dem ich mich verstecken konnte. Jetzt war ich gefährdet und konnte wieder andere, nicht so sichere Männer wahrnehmen. Männer wie Hudson.

Oh Gott, war das etwa der Anfang einer neuen obsessiven Episode?

Nein, das würde schon gut gehen. Ich musste mich auf meine Beförderung konzentrieren. Ich war stärker als meine Obsession.

»Ja, alles in Ordnung. Wenn du fast fertig bist, kann ich mich ja schon mal umziehen.«

David nickte. Ich eilte zum Pausenraum am anderen Ende des Flurs und zog das Korsett und die enge Hose aus. Dann stieg ich in meine kurze Trainingshose, zog meinen Sport-BH an und stopfte das unheilbringende Outfit in die Tasche. Da es von Columbus Circle keine durchgehende U-Bahn-Verbindung zu meiner Wohnung an der Ecke Lexington Avenue/Fünfzigste Straße gab, joggte ich die Strecke normalerweise. Manchmal, nach einer langen Schicht, nahm ich den Bus oder ein Taxi, aber mit dem ganzen Stress heute brauchte ich das Training, um den Kopf klar zu kriegen.

Eine Viertelstunde später rannte ich schon und sog die frische Morgenluft ein, gemeinsam mit den anderen Leuten, die in New York City früh am Morgen joggten. Ich liebte das Gefühl der Einigkeit, das mich durchströmte, obwohl die meisten anderen Läufer ihren Tag begannen und ihn nicht beendeten wie ich.

Ich kam schnell in meinen Rhythmus und rannte das südliche Ende des Central Park entlang, aber der gleichmäßige Rhythmus meines Körpers reichte nicht aus, um die Gedanken an David und meine Zukunft in der Sky Launch zu verdrängen. Er reichte nicht aus, um meine Gedanken an den irre gut aussehenden neuen Eigentümer zu verdrängen, der verlangt hatte, dass ich heute Abend beim Treffen mit ihm dabei sein sollte. Meine Sorgen kehrten zurück. Wollte Hudson mich feuern? Oder hatte ich noch eine Chance auf eine Beförderung?

Eines zumindest war sicher – in Zukunft würde ich mir bei der Auswahl meiner Kleidung wesentlich mehr Gedanken machen.

Kapitel drei

An diesem Abend nahm ich ein Taxi zum Club, und das war ein Fehler. Durch den ungewöhnlich starken Verkehr kam ich erst um drei Minuten nach neun an und hastete in Richtung Büro, aber bei der oberen Bar hielt Liesl mich auf.

»David und der sexy Eigentümer sind schon drinnen«, sagte sie über die Musik hinweg und spielte mit einer Strähne ihres roten Haares. »Hudson lässt ausrichten, du sollst hier warten, er sagt Bescheid, wenn er dich sehen will.«

»Verdammt! So spät bin ich doch gar nicht dran, oder?«

»Nein, sie sind schon vor zehn Minuten reingegangen, sie haben überhaupt keine Ahnung, wann du gekommen bist.«

Ich entspannte mich und war dankbar, dass mein Ausschluss vom Meeting nichts mit meiner Verspätung zu tun hatte. Ich stieg auf den Barhocker, der der Tür zum Büro am nächsten war, und stellte meine Computertasche auf den Boden.

»Warte mal, Laynie«, sagte Liesl und kam um die Bar herum, »lass dich mal anschauen.«

Ich stand wieder auf, drehte mich um die eigene Achse und führte mein figurbetontes Kleid vor. Ich hatte es ausgewählt, weil es einen weißen Kragen hatte, der nach Business-Style aussah, aber der enge schwarze Rock sagte nicht »Sekretärin«, sondern ganz deutlich »Nachtclub«.

»Verdammt, Mädchen, du siehst gut aus!« Liesls Bestätigung beruhigte mich mehr, als sie ahnte. Oder vielleicht wusste sie das auch. Sie war eine gute Freundin.

»Danke, das höre ich gern. Besonders nach dem Auftritt von Mr Missbilligung gestern Abend.«

»Er ist mittlerweile nicht nur als Bar-Nazi, sondern auch als Kleider-Nazi bekannt.«

Ich lachte und hüpfte wieder zurück auf meinen Stuhl. Den gleichen Hocker, auf dem Hudson am ersten Abend gesessen hatte. »Hey, weißt du, dass er der Anzugtyp ist, von dem ich dir erzählt hab? Derjenige, der mir den Hunderter gegeben hat!«

»Willst du mich verarschen?«

»Nein, ganz sicher nicht. Ob ich ihm wohl einen blasen muss, damit ich befördert werde?«

»Wäre es so schlimm, wenn er das verlangen würde?«

»Ja. Es wäre auf wunderbare Art absolut schrecklich.« Am schrecklichsten war wohl, dass diese Idee gar nicht so übel klang.