Galgenäcker - Marion Forster-Grötsch - E-Book

Galgenäcker E-Book

Marion Forster-Grötsch

4,6

Beschreibung

Eilsbrunn 1919: Als man dem einfachen Bauern Jakob und seiner Marei den geliebten Sohn Vitus tot auf den Hof bringt, bricht für die Eltern eine Welt zusammen. Jakob spürt, dass das Kind umgebracht worden ist, aber niemand will ihm Glauben schenken. Seit der Beerdigung hat der Vater jede Nacht dieselbe Erscheinung, die ihn dazu zwingt, den toten Buben wieder auszugraben. 'Galgenäcker' ist die Geschichte zweier Bauernfamilien, die so miteinander verwoben sind, dass beide an dem Schicksal zerbrechen.

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Leseprobe eBook Ausgabe 2014
©2014 SPIELBERG VERLAG, Regensburg
Umschlagbild: ©Svetoslav Sokolov, mimadeo - fotolia.com
Umschlaggestaltung: Spielberg Verlag
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung
Marion Forster-Grötsch
Für Anita, Maria und Rosa
Gegen das Vergessen

Inhaltsverzeichnis

Karte

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Epilog

Prolog

Als er den Körper des Jungen entdeckte, schrie er entsetzt auf. Er wich zurück, kam ins Straucheln, konnte sich gerade noch am Mauerwerk festkrallen. Er griff sich an den Hals, riss die obersten Knöpfe seines Hemdes auf, denn er drohte zu ersticken. Er schaffte es nicht, seine Augen abzuwenden. Wie ein Stück Abfall lag das Kind auf dem Haufen. Entsorgt wie Gülle. Tränen rannen über seine Wangen.

»Aber…das ist doch…« japste er, als er sich auf das Gesicht des Buben konzentrierte. »Was sucht denn…?«

Ihm versagte die Stimme. Sein Magen begann zu rebellieren. Er schluckte bitter, schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie kommt denn der hierher?«

Das Gelächter des Irren, der sich von hinten angeschlichen hatte, drang in seine Ohren und zwang ihn, den Blick abzuwenden. Er suchte das Gesicht des Mannes, dessen Grinsen ihm die Wahrheit über den Tod des Buben verriet. Unsäglicher Zorn keimte in ihm auf.

»Was hast du g´macht? Was hast du nur g´macht?«, stammelte er zunächst leise. Dann brüllte er wie von Sinnen: »Du Sauhund! Was hast du dem Kind angetan?«

Mit erhobener Faust stürzte er auf den Alten zu. Wollte ihm das Maul stopfen. Aber ein markerschütterndes Schreien ließ ihn zusammenzucken und stoppte ihn in seinem Vorhaben. Er wandte den Kopf und entdeckte sie. Sah ihr in die Augen. Und daraus konnte er lesen, dass nichts mehr so sein würde wie vorher… 

Kapitel 1

20. April 1919 am Vormittag gegen 10 Uhr

Jakob ächzte auf. Nur noch ein letztes Stück, dann hätte er es geschafft. Müde reckte er seine alten Glieder und streckte das Kreuz durch. Die Augen hatte er unwillkürlich gen Himmel gerichtet. Kein Wölkchen war am tiefblauen Himmel zu sehen. Der glühende Ball am Firmament belächelte ihn hämisch.

»So eine Hitz`n!«, schimpfte er vor sich hin und zupfte an seiner zerschlissenen, braunen Hose, die ihm dicht am dürren Leib klebte. 

Das Leinen hatte im Laufe der Jahre stark nachgegeben, sodass das gute Ding nicht mehr richtig sitzen wollte. Der Bund jedoch umfasste seine knochigen Hüften, als ob er sich verbissen dagegen wehrte, diese zerschlissene Hose für immer dem Verfall preiszugeben. Seine Marei hatte sie bei Kerzenschein in mühevoller Arbeit bis tief in die Nacht hinein geschneidert, obwohl sie in keinerlei Hinsicht eine Gabe für diese Art der Handarbeit hatte. 

»Meine Marei«, lächelte Jakob müde und zog ein Stück Leinen, das vor Feuchtigkeit triefte, aus der Tasche. »Die Leute haben sie kaputt gemacht. Mit ihrem lästerhaften Geschwätz!«

Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Kein Lüftchen wollte ihm den Gefallen tun, seine müden Glieder ein wenig zu kühlen.

»Wenn sie sich doch nur um ihren eigenen Kram kümmern würden!«

Jakob warf einen Blick auf den schmutzigen Lappen, der in seinen alten, zerfurchten Händen lag. Er war ein Arbeiter. Schon immer gewesen. 

»Jokei, was du kannst mit deiner Hände Arbeit erledigen, das kann dir keiner mehr nehmen. Darum lasse das Denken anderen über. Davon wirst du nicht satt«, hatte sein Vater immer zu ihm gesagt.

Der Blick des Mannes strich liebevoll über das Stück Land, in das er so viel Arbeit und Mühe gesteckt hatte. Es gehörte ihm. Dafür hatte er lange buckeln müssen. Aber es hat sich gelohnt. Es war ein guter Boden, südlich des Emmeramforsts nahe Unteralling gelegen. Ein Südhang, immer von der Sonne beschienen, eine leichte Neigung, gerade so fein, dass das Regenwasser sich nirgendwo sammeln und die Saat überfluten konnte. Am Fuß des Feldes vereinte sich das Fließwasser zu kleinen, stehenden Weihern, von denen kleine Bäche in die Schwarze Laber führten, die sich wie ein gefräßiger Wurm in das Tal gefressen hatte. Die Nachmittagssonne streichelte den Acker stets mit ihren behutsamen Strahlen. Jakob liebte dieses Tal. Die Sonne zauberte vor allem im Spätherbst geheimnisvolle Schattenspiele an die Hänge, während der Wind das Laub der Bäume des stattlichen Emmeramforstes gemächlich zum Tanzen brachte. Nun war April. Der Frühling hatte den Winter in die Knie gezwungen. Mit solch einer unermüdlichen Kraft, dass eine momentan ungewohnte Hitzewelle auf den kommenden Sommer schließen ließ. Wie heißt es so treffend: Bauen um Markus schon die Schwalben, so gibt's viel Futter, Korn und Kalben. Jakob liebte den Frühling, da die Felder und Äcker nach Samen lechzten. Endlich hieß es wieder: raus aus den dunklen und engen Stuben hinaus aufs Land. Sein Stück Land!

»Es hat sich gelohnt. Trotz der Feindschaft mit Franz«, murmelte Jakob und trieb den müden Gaul an, der vor die einfache, hölzerne Egge gespannt war.

Der trockene Boden war geglättet, die Feuchtigkeit im Inneren eingeschlossen. Das Saatgut wollte er so bald wie möglich ausstreuen und grubbern. Je eher, desto besser. Schon seit den frühen Morgenstunden war er auf den Beinen. Seine Marei hatte gesagt:

»Geh` zeitig los und verricht` dein Tagwerk. Morgen wird die Hitze auf dem Acker stehen. Komm dann beim Elfeläuten wieder heim.« 

Sie hatte wie immer recht behalten. Es musste gegen zehn Uhr sein und schon jetzt staute sich die Hitze in dem kleinen Tal. Die Nüstern des Pferdes hoben und senkten sich schnell. Auch für das Tier wurde diese Wärme allmählich unerträglich. 

»Auf geht`s, meine Gute!«, krächzte der Alte, während er die Egge wieder mühsam in Position schob. »Es ist, wie`s ist«, dachte er und gab dem Pferd mit einem lauten »Hüh!« das Zeichen, dass die kurze Pause vorbei war.