Gefahr für unser Geld? - Hanno Beck - E-Book

Gefahr für unser Geld? E-Book

Hanno Beck

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Beschreibung

Wie ruiniert man eine Währung?
Geld kann nicht Unrecht tun, heißt es – doch Politiker, die für unser Geld verantwortlich sind, schon. Im vergangenen Jahrzehnt wurde im Namen der Banken- und Staatenrettung Geld gedruckt, als gäbe es kein Morgen mehr. Und da Politiker nie um eine Erklärung für ihr politisch motiviertes Verhalten verlegen sind, haben sie sich die Ideen der Modern Monetary Theory auf die Fahnen geschrieben, die postuliert, dass der Staat so viel Geld drucken kann, wie er braucht. Infrastruktur, grüne Wende, Arbeitsbeschaffungsprogramme – das alles kann, darf, soll der Staat mittels Druckerpresse finanzieren.
Schaut man sich die aktuelle Lage in der Euro-Zone an, so zeigt sich, dass die Ideen dieser Theorie bereits dabei sind, sich in den wirtschaftspolitischen Alltag einzuschleichen. Aber ist es wirklich so einfach? Ist die Druckerpresse unsere Rettung? Und wie soll das funktionieren?
Dieses Buch deckt die Schwachstellen, sowie die beträchtlichen Risiken und Nebenwirkungen dieser Politik auf und zeigt, dass sich die Eurozone bereits gefährlich nahe an einen Punkt bewegt hat, an dem unser Geld- und Finanzsystem droht, ernsthaften Schaden zu nehmen.
Prof. Dr. Hanno Beck ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Pforzheim.

Prof. Dr. Aloys Prinz ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

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Zum Inhalt:

Geld kann nicht Unrecht tun, heißt es – doch Politiker, die für unser Geld verantwortlich sind, schon. Im vergangenen Jahrzehnt wurde im Namen der Banken- und Staatenrettung Geld gedruckt, als gäbe es kein Morgen mehr. Und da Politiker nie um eine Erklärung für ihr politisch motiviertes Verhalten verlegen sind, haben sie sich die Ideen der Modern Monetary Theory auf die Fahnen geschrieben, die postuliert, dass der Staat so viel Geld drucken kann, wie er braucht. Infrastruktur, grüne Wende, Arbeitsbeschaffungsprogramme – das alles kann, darf, soll der Staat mittels Druckerpresse finanzieren.

Schaut man sich die aktuelle Lage in der Euro-Zone an, so zeigt sich, dass die Ideen dieser Theorie bereits dabei sind, sich in den wirtschaftspolitischen Alltag einzuschleichen. Aber ist es wirklich so einfach? Ist die Druckerpresse unsere Rettung? Und wie soll das funktionieren?

Dieses Buch deckt die Schwachstellen, sowie die beträchtlichen Risiken und Nebenwirkungen dieser Politik auf und zeigt, dass sich die Eurozone bereits gefährlich nahe an einen Punkt bewegt hat, an dem unser Geld- und Finanzsystem droht, ernsthaften Schaden zu nehmen.

Zu den Autoren:

Prof. Dr. Hanno Beck ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Pforzheim.

Prof. Dr. Aloys Prinz ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Gefahr für unser Geld?

Die neuen Propheten des Geldes und die Zukunft unseres Währungssystems

von

Prof. Dr. Hanno Beck

Prof. Dr. Aloys Prinz

VInhaltsverzeichnis

Einleitung: Angst essen Geld auf

Kapitel 1 – Wie ruiniert man eine Währung?

Pech gehabt

2000 Jahre steigende Preise

Alle 15 Stunden verdoppeln sich die Preise

Auf der Suche nach Schuldigen

Die Mutter aller Preissteigerungen

Das Geldmengenrätsel

Kapitel 2 – Geld als Geschöpf von Banken, Zentralbank und Staat

Der Staat als Geldschöpfer

Zentralbanken und Geldschöpfung

Geldschöpfung der Banken

Geldschöpfung des Staates in der Modern Monetary Theory (MMT)

Kapitel 3: MMT: Finanz- und Geldpolitik in einer Hand

Das Kernprogramm der MMT: Steuern, Geld und Staatsschuldtitel

Eine gefährliche Ehe: Die Verschmelzung von ­Finanz- und Geldpolitik

Warum es immer noch Zentralbanken gibt

Kapitel 4: Geld, Schulden und die Herrschaft der ­Finanzpolitik

Die schöne neue Welt der Staatsschulden

Die Macht des Geldes

„Ausweitung der Kampfzone“79: der Euro

Fiskalische Dominanz

Vermögenspreisinflation

Kapitel 5: Gefahren einer MMT-Politik

Der heilige Gral: Vollbeschäftigung

Das Gespenst der 30er Jahre: Deflationsbekämpfung

Das Monster zähmen: Finanzstabilität als geldpolitisches Ziel

Geld wird grün: Grüne Geldpolitik

Zweimal Inflation

Kapitel 6: Zum Abschluss: Wie modern soll Geldpolitik sein?

„Bisher ist ja noch alles gut gegangen“: Willkommen in der neuen Welt der Geldpolitik

Ein paar einfache Ideen

Anmerkungen

Sachverzeichnis

VIIEinleitung: Angst essen Geld auf

Wenn Sie dieses Buch in die Hand genommen haben und begonnen haben, zu lesen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie sich Sorgen machen, Angst haben oder sich gar fürchten – Sorgen um den Zustand der Weltwirtschaft oder auch der deutschen Wirtschaft, Angst vor einer Vernichtung Ihrer Ersparnisse, Furcht vor der möglicherweise daraus resultierenden politischen Radikalisierung. Die vergangenen Jahre, ja fast Jahrzehnte, sind Zeuge eines historisch einmaligen Experiments geworden: Weltweit haben Notenbanken die Wirtschaft mit immer mehr Geld geflutet, haben Zentralbanken die Schulden ihrer Staaten finanziert – ohne genaue Kenntnis darüber, welche Folgen das haben könnte.

Es wird Zeit, sich diesen Ängsten zu stellen, und der erste Schritt ist dabei zu verstehen, was da geschieht, die Argumente der Befürworter dieser Politik zu kennen und zu würdigen. Denn es gibt auch Befürworter dieser Politik, manche gehen sogar noch weiter in ihren Forderungen: Sie wollen dem Staat die Gewalt über die Geldpolitik, über die Notenpresse geben und sehen darin die Lösung all unserer Probleme. Die Vertreter dieser Position sprechen von der Modernen Monetären Theorie (MMT). Diese Theorie, so sagen sie, erlaubt die Lösung vieler Probleme. Ist das so? Vertreter der herkömmlichen Theorien hingegen teilen die Befürchtungen der Bevölkerung, teilen ihre Sorgen, Ängste und Furcht und sehen in der MMT einen gefährlichen Irrweg. Wie so oft gilt auch hier: zwei Experten, drei Meinungen.

Wir wollen Ihnen mit diesem Bändchen die Möglichkeit bieten, sich Ihr eigenes Urteil zu bilden. Wir wollen Sie erstens darüber informieren, wie unser Geldsystem funktioniert, Ihnen zweitens zeigen, welche Neuerungen die MMT den traditionellen Konzepten der Geldpolitik entgegensetzt, und drittens ausloten, inwieweit die Ideen der MMT bereits Eingang in die geldpolitische Praxis gefunden haben. Wir wollen Ihnen dabei aber nicht verhehlen, dass wir uns eher als Vertreter der traditionellen Geldtheorie und -politik sehen, und wir haben auch gute Gründe dafür.

VIIIEs sind also drei Grundthemen, die sich durch dieses Buch ziehen:

(1) Thema Nummer eins ist unsere Geldordnung, die Frage, was Geld ist und wie es funktioniert. In der heutigen Zeit, so glauben wir, ist es unerlässlich, wenigstens in Grundzügen zu verstehen, wie Geld funktioniert, wie und wann Inflation entsteht und welche Wirkungen Geld in einer Volkswirtschaft entfalten kann.

(2) Das zweite Thema sind die Ideen der MMT, die derzeit aus den USA über den Atlantik nach Europa schwappen. Die Grundidee der MMT ist, dass ein Staat nie pleitegehen und so viel Geld bereitstellen kann, wie er zur Bewältigung aller seiner Aufgaben benötigt. MMT verspricht so etwas wie ein wirtschaftspolitisches Schlaraffenland: Arbeitsbeschaffungsprogramme, ökologische Modernisierungsprogramme, Sozialprogramme – all das kann der Staat mittels neu geschaffenen Geldes finanzieren. Ist es wirklich so einfach? Wir wollen in den folgenden Kapiteln die Ideen der MMT erklären und ihre problematischen Schwachstellen aufzeigen.

(3) Das dritte Thema ist die aktuelle geldpolitische Lage und Politik in Europa, die in einigen Teilen eine gefährliche Nähe zu den Ideen der MMT aufweist. Wir wollen Ihnen zeigen, wo und wie sich die Europäische Zentralbank auf das glatte Eis einer inflationären Geldpolitik begeben hat – ein Experiment mit ungewissem Ausgang.

Im Folgenden finden Sie zunächst einen Überblick über das, was wir Ihnen in den einzelnen Kapiteln dieses Buches bieten, samt einer Zusammenfassung der wichtigsten Thesen. Das abschließende Kapitel 6 bildet dabei eine Abschlussdiskussion. Also, was können Sie von diesem Buch mitnehmen?

Kapitel 1: Ein paar Begriffe und Grundlagen

Wir starten mit einem kleinen Ausflug in die Geschichte der Inflation, beschreiben deren Ursachen und Folgen. Dann erläutern wir eine der wichtigsten, grundlegenden Ideen der Geldtheorie, die sogenannte Quantitätsgleichung. Sie soll den elementarsten Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation beschreiben. Zudem zeigen wir Ihnen, welche Löcher diese Theorie hat. Und das können Sie im Einzelnen aus diesem Kapitel mitnehmen:

1. IXInflation ist der Anstieg aller Preise, des Preisniveaus, auf breiter Basis und nicht nur der Anstieg einzelner Preise. In ihrer extremen Form, der Hyperinflation, führt sie zu einem Zusammenbruch des gesamten Wirtschaftssystems. Selbst in moderaten Formen aber bewirkt sie wirtschaftliche Verwerfungen, schadet dem Wachstum und geht vor allem zulasten ärmerer Bevölkerungsschichten. Zudem reduziert ein Anstieg des Preisniveaus die reale Schuldenlast des Staates, weshalb der Staat von Inflation profitieren kann.

2. Ursachen der Inflation sind vielfältig. Wenn beispielsweise der Staat Schulden aufnimmt und mit Hilfe dieser geliehenen Gelder die Nachfrage im Inland stimuliert, obwohl die Produktionskapazitäten ausgelastet sind, führt das zu einem Anstieg des Preisniveaus. Diese Politik nennt man „defizitfinanzierte Ausgabenpolitik“. Bekommt der Staat das Geld, das er für diese Ausgabenprogramme benötigt, direkt von der Notenbank, so steigen die Inflationsgefahren deutlich. Ebenfalls zu Inflation führt eine Lohn-Preis-Spirale: Steigende Preise führen zu höheren Lohnforderungen durch die Gewerkschaften, und sind diese Forderungen erfolgreich, führt das wiederum zu steigenden Preisen. Bisher kaum beachtete Gründe für Preisniveausteigerungen können auch auf der Güterangebotsseite einer Volkswirtschaft liegen. Eine Pandemie wie die gerade erlebte Coronavirus-Pandemie und ein Krieg wie der gerade tobende Ukraine-Krieg können zu einem Rückgang der Produktion führen. Bei konstanter gesamtwirtschaftlicher Nachfrage bewirkt das sehr wahrscheinlich eine höhere Inflationsrate.

3. Eine steigende Geldmenge kann eine weitere wichtige Ursache von Inflation sein: Zu viel Geld jagt eine zu geringe Gütermenge. Das ist die Kernaussage der sogenannten Quantitätstheorie. Steigt die Geldmenge bei unverändertem Bruttoinlandsprodukt, und wechselt das Geld auch nicht langsamer als bisher den Besitzer, so steigt das Preisniveau. Allerdings sind dabei mehrere Dinge unklar: Es gibt nicht „die“ Geldmenge, sondern verschiedene Definitionen der Geldmenge, und die Notenbank kann die meisten Geldmengen nicht exakt oder sogar kaum steuern. Nicht zuletzt gibt es auch einen Zusammenhang zwischen Geldmenge und Vermögenspreisen, der wiederum den Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation beeinflusst.

XKapitel 2

Im zweiten Kapitel widmen wir uns dem Mysterium Geld – was ist es, wo kommt es her, wie funktioniert Geld? Das sind die wichtigsten Erkenntnisse dieses Kapitels:

1. Geldist alles, womit man bezahlen kann. Es muss drei Funktionen erfüllen: Man muss damit seine Schulden begleichen können, man muss damit bezahlen können. Zugleich darf Geld im Lauf der Zeit nicht seinen Wert verlieren. Und man muss mit Geld feststellen können, welchen Wert Güter haben: Geld ist eine Recheneinheit.

2. Geld ist nicht notwendigerweise ein staatliches Geschöpf. Banken haben schon oft ohne den Staat Geld geschaffen, und Kryptowährungen wie Bitcoin zeigen, dass es auch nichtstaatliche Währungen gibt. Der Staat kann zwar festlegen, mit welchem Geld Steuern gezahlt werden müssen, darüber hinaus aber ist die Existenz von nichtstaatlichem Geld möglich.

3. Geld entsteht regelmäßig durch Verschuldung. Der Staat gibt Schuldscheine, Staatsanleihen genannt, aus, und leiht sich mittels dieser Schuldscheine Geld von den Banken. Die Banken erhalten das Geld, das sie dem Staat leihen, wiederum, indem sie die Staatsanleihen, die sie vom Staat bekommen, an die Notenbank weiterreichen, die den Banken dafür im Gegenzug Geld gibt. Eine weitere Quelle der Geldschöpfung sind Unternehmen, die sich bei Banken verschulden: Sie nehmen Kredit bei den Banken auf und geben den Banken im Gegenzug einen Schuldschein (den man Unternehmensanleihe nennt). Die Banken reichen diesen Schuldschein weiter an die Notenbank und erhalten im Gegenzug von der Notenbank Geld, das sie an die Unternehmen weiterleiten (das ist dann der Kredit). Darüber hinaus können Notenbanken (sowie Ausgeber von Kryptowährungen) Geld aus dem Nichts schaffen. Bei Notenbanken wird dieses Geld allerdings als Schuld der Notenbank in ihrer Bilanz verbucht.

4. Auch Banken schaffen Geld. Das Geld, das die Kunden der Bank auf ihren Girokonten deponieren, verleihen die Banken weiter an andere Kunden, dadurch entsteht zusätzliches Geld, das sogenannte Giralgeld.

5. XIGeldschöpfung in der Modern Monetary Theory. Die Modern Monetary Theory (MMT) geht davon aus, dass der Staat sich grundsätzlich und ausschließlich über jeweils neu geschaffenes Geld finanziert. Der Staat kauft mit dem von ihm geschaffenen Geld Waren und Dienstleistungen bei den Unternehmen und Bürgern ein. Damit kommt das Geld in Umlauf, und damit finanziert der Staat seine Ausgaben. Die Bürger akzeptieren dieses Geld, weil sie damit ihre Steuerschulden bezahlen können. Folglich hat der Staat immer genügend Geld, um seine Ausgaben zu finanzieren – schließlich druckt er dieses Geld selbst. Steigt nun aber die Inflationsrate, weil die Wirtschaft überhitzt, erhebt der Staat Steuern, um auf diesem Weg Kaufkraft und damit Nachfrage abzuschöpfen. Dadurch wird Inflation gebremst oder sogar verhindert. Nach den Vorstellungen der MMT erhebt der Staat also nicht Steuern, um sich zu finanzieren, sondern um Inflation zu bekämpfen.

6. Staatsschulden und Geldschöpfung. Wenn der Staat sich bei den Banken durch Ausgabe von Anleihen verschuldet (siehe Punkt Nummer 3) und die Banken diese Schulden an die Notenbank weiterreichen, entsteht neues Geld. Aber das ist nicht zwangsläufig so: Werden die Anleihen von privaten Haushalten oder Unternehmen mit bestehendem Geld gekauft, wird kein neues Geld geschaffen. Wenn mit der Aufnahme neuer Schulden nicht automatisch neues Geld geschaffen wird, sind Geldpolitik und Fiskalpolitik (so wird die Politik der Staatsverschuldung genannt) getrennte Politikbereiche. Werden Staatsschulden durch die Schaffung neuen Geldes finanziert, so spricht man von einer Monetisierung der Staatsschuld. Genau das ist in der Eurozone und in anderen Ländern in den vergangenen Jahren geschehen mit der Folge, dass Zentralbanken zu den wichtigsten Gläubigern der Staaten geworden sind.

Kapitel 3

Im dritten Kapitel wollen wir uns etwas näher anschauen, wie die Welt der Modernen Monetären Theorie funktioniert. Was muss man von dieser Theorie wissen? Unserer Meinung nach sind das folgende Ideen:

1. XIIGeld besteht aus staatlichen Schuldscheinen mit einer unendlichen Laufzeit und einem Zins von Null. Geld ist ein Schuldschein, eine Forderung gegen den Staat, der das Geld in Umlauf bringt. „Gedeckt“ ist diese Forderung durch die zukünftigen Steuereinnahmen des Staates. (Staatliches) Geld wird dadurch wertvoll, dass man damit seine Steuern bezahlen kann.

2. Geld ist kein Nettovermögen. Eine Volkswirtschaft wird nicht dadurch reicher, dass man mehr Geld schafft. Jedem Geldschein, den der Staat in Umlauf bringt, steht eine entsprechende Forderung gegenüber – Geld entsteht in einem Verschuldungsprozess. Da die Geld-Forderungen den Geld-Verbindlichkeiten entsprechen, ist der Nettowert des Geldes insgesamt Null.

3. Staatsschuldtitel sind aufgeschobene Steuerzahlungen; sie können für die jeweiligen Inhaber als Steuergutschriften angesehen werden. Allerdings haben Staatsschuldtitel einen Zusatznutzen über den Betrag hinaus, der auf ihnen gedruckt ist: Wenn sie sicherer und liquider sind als andere Anlageobjekte, bieten sie einen Zusatznutzen – dann ist der abgezinste Gegenwartswert der Staatsschulden mehr wert als die abgezinsten Steuerzahlungen, welche die Bürger leisten müssen, um diese Schulden zu begleichen. Vereinfacht gesagt: Staatsverschuldung kann einen Zusatznutzen für die Finanzbranche erbringen, wenn die Staatsschuldpapiere, mit deren Hilfe sich der Staat verschuldet, begehrte Investmentobjekte sind (eben weil sie liquide und sicher sind).

4. Geld und Staatsschuldtitel haben große Gemeinsamkeiten. Beide können als Staatsschulden angesehen werden, die dazu dienen, Steuern zu zahlen oder Steuerzahlungen aufzuschieben. Unter idealen Bedingungen stellen weder Geld noch Staatsschulden Nettovermögen für eine Volkswirtschaft dar. Geld und Staatsschuldpapiere unterscheiden sich dennoch in einem wichtigen Punkt: Mit Geld kann man sofort alles bezahlen (Steuern oder Güter). Staatsschuldtitel hingegen müssen erst in Geld umgetauscht werden, bevor man damit etwas bezahlen kann.

5. Fiscal Stance. Eine zentrale Hypothese der MMT ist die sogenannte Fiscal Stance, die besagt, dass die Staatsausgaben gleich dem realen BIP multipliziert mit dem durchschnittlichen Steuersatz sind. Das heißt, dass letzten Endes Staatsausgaben real mit Steuern finanziert werden. Grundsätzlich gilt diese Gleichung XIIIin allen makroökonomischen Theorien, aber im Unterschied zu anderen Theorien postuliert MMT, dass diese Gleichung eine Wirkungsrichtung hat: Indem der Staat die Staatsausgaben festlegt, kann er das BIP so fixieren, dass Vollbeschäftigung herrscht. MMT unterstellt hier also, dass durch die Festlegung der Staatsausgaben Vollbeschäftigung erreicht werden kann. Bei Arbeitslosigkeit erhöht der Staat seine Ausgaben so lange, bis Vollbeschäftigung herrscht. Entsteht dabei Inflation, erhöht er einfach die Steuern – fertig ist das wirtschaftspolitische Programm.

6. Sicherung der alleinigen staatlichen Geldschöpfung. Damit dieses Programm funktioniert, muss die institutionelle Trennung von Geld- und Finanzpolitik aufgehoben werden; Staat und Zentralbank bilden dann eine Einheit. Die Geldpolitik ordnet sich damit den staatlichen Finanzierungsbedürfnissen unter; dies wird auch fiskalische Dominanz genannt. Damit der Staat darüber hinaus vollständige Kontrolle über das Geld hat, muss die Schaffung von Giralgeld auf der Bankenebene unterbunden werden. Das politische Programm der MMT fordert also in letzter Konsequenz ein sogenanntes Vollgeldsystem, in dem die Geschäftsbanken alle Kundeneinlagen bei der Zentralbank hinterlegen müssen und damit kein eigenes Geld (Giralgeld) schaffen können. Die gesamte Geldschöpfung läge damit in der Hand der Zentralbank. Man hofft, auf diesem Weg den Konjunkturzyklus besser steuern zu können, weil dieser von der Kreditvergabe des Bankensystems beeinflusst wird. Zudem geht man davon aus, dadurch die Gefahr von Bankenzusammenbrüchen und die Kosten der Staatsverschuldung zu reduzieren, da der Staat dann keine Zinsen auf seine Schulden mehr zahlen muss – er schafft je nach Bedarf neues Geld.

7. Risiken eines Vollgeldsystems. Ganz so problemlos ist ein solches Vollgeldsystem allerdings nicht. Einmal abgesehen davon, dass man das gesamte Finanzsystem neu aufstellen müsste, ohne Erfahrungen darüber, wie das neue System (auch in Extremsituationen) funktioniert, bedeutet ein solches System eine große Machtkonzentration auf Seiten der Zentralbank. Darüber hinaus würde ein solches System, in dem letztlich die Zentralbank über die Kreditvergabe entscheidet, die Anreize zur Auslandsverschuldung erhöhen, und ein System, in dem der Staat sich quasi unbegrenzt Geld schaffen kann, um Wählerwünsche zu bedienen, führt mutmaßlich zu Verschwendung und Inflation.

8. XIVUnabhängige Zentralbanken. Will man die Ideen der MMT umsetzen, so erfordert das eine Verschmelzung der Notenbank mit dem Finanzministerium; die Notenbank verliert also ihre Unabhängigkeit. Das hat zur Folge, dass die Regierung die Möglichkeit hat, ihre Schulden über die Ausgabe neuen Geldes zu finanzieren und zu Wahlterminen sich die Wählerschaft mit billigem Geld gewogen zu machen.

9. Die Unabhängigkeit Zentralbanken ist in Gefahr. Zwischen 1970 und bis zur Großen Rezession ab dem Jahr 2008 sind Zentralbanken durchgehend unabhängiger geworden, aber zwischen 2010 und 2018 wurden etwa 10 Prozent der Zentralbanken in einem durchschnittlichen Jahr mit politischem Druck konfrontiert. Gaben die Zentralbanken diesem Druck nach, resultierte daraus regelmäßig eine lockerere Geldpolitik mit andauernd höheren Inflationsraten. Der Druck auf die Zentralbanken kam in der Regel von linksgerichteten oder nationalistischen Regierungen, in Kombination mit weniger Kontrollinstanzen oder geringem politischen Wettbewerb bei Wahlen. Seit 2009 sind in den wichtigsten und wirtschaftlich stärksten Staaten die Zentralbanken stillschweigend dazu übergegangen, die stark angestiegene Staatsverschuldung mit neuem Geld zu finanzieren. Mit diesem Schritt haben die Zentralbanken die Kontrolle über ihre eigene Geldmenge und damit auch ihre Unabhängigkeit verloren. Das ist ein realpolitischer Schritt in Richtung eines Geldwesens, wie es die MMT fordert – mit allen potentiellen Konsequenzen.

Kapitel 4

In diesem Kapitel wollen wir uns etwas genauer anschauen, welche Folgen es hat, wenn der Staat die Herrschaft über die Geldpolitik an sich reißt – fiskalische Dominanz wird das genannt. Dazu wollen wir uns auch ein wenig Gedanken darüber machen, wozu Staatsverschuldung gut und nützlich ist und wo sie gefährlich wird. Im Einzelnen:

1. Staatsverschuldung ist nicht per se schlecht. Es gibt ökonomische Argumente, warum und wofür sich der Staat verschulden kann und soll: Im Fall von Katastrophen und Krisen helfen Schulden weiter. Auch Großprojekte mit langer Laufzeit kann man mittels Kredits finanzieren. Hier sagt die sogenannte goldene XVRegel, dass ein Staat nur solche Projekte mit Krediten finanzieren sollte, mit deren Erträgen – Steuermehreinnahmen – man die Kredite später zurückzahlen kann. Ebenfalls sinnvoll sind staatliche Schulden im Falle der Konjunkturpolitik, bei der es darum geht, mittels Staatsschulden die Wirtschaft aus der Rezession zu holen.

2. Schulden sind oft politisch motiviert. Oft sieht man, dass Politiker nicht aus ökonomischen Gründen, sondern aus politischem Kalkül Schulden machen: Schulden erleichtern es Politikern, den Bürgern Wahlgeschenke zu machen, die erst viel später zurückgezahlt werden müssen – das erhöht ihre Chancen, wiedergewählt zu werden.

3. Schulden in der Welt der MMT. In der MMT übernimmt das Geld die Funktion der Staatsschulden. Der Staat kauft Güter gegen Geld, und das Geld nutzen die Bürger später, um ihre Steuern zu zahlen. Die Geldscheine sind also nichts anders als unverzinste Kredite, mit denen sich der Staat bei den Bürgern sozusagen einen Vorschuss auf die späteren Steuereinahmen leiht. Im Unterschied zu Geld gibt es bei Staatsanleihen allerdings ein Rückzahlungsversprechen. Staatsanleihen sind Schulden mit einem Rückzahlungsversprechen, Geld ist ebenfalls eine Schuld, aber ohne Rückzahlungsversprechen. Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Geld und Staatsanleihen: In der Welt der MMT kann der Staat unbegrenzt Geld schaffen. In einer Welt, in der sich der Staat über Anleihen verschuldet und es eine unabhängige Notenbank gibt, entscheidet die Notenbank, wie viel Geld in Umlauf kommt – jedenfalls dann, wenn die Notenbank sich gegen einen Staat stellt, der zu viele Schulden macht.

4. Es existieren Wechselwirkungen zwischen dem staatlichen Ausgabenverhalten, der Fiskalpolitik und der Geldpolitik der Notenbank. Der Staat wählt das Niveau an Staatsverschuldung, indem er Geld ausgibt und Schulden aufnimmt, während die Notenbank die Geldmenge und die Zinsen steuert, was wiederum die Bedingungen beeinflusst, zu denen der Staat Schulden aufnehmen kann. Die staatliche Ausgabenpolitik beeinflusst die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit die Inflationsrate, was wiederum die Notenbank berücksichtigen muss. Geld- und Fiskalpolitik beeinflussen sich also gegenseitig.

5. XVIMonetäre versus fiskalische Dominanz. Geld- und Fiskalpolitik beeinflussen sich gegenseitig, allerdings besteht die Möglichkeit, dass eine der beiden Politiken die andere dominiert. Bei monetärer Dominanz entscheidet die Notenbank frei und unabhängig, welche Geldpolitik sie verfolgt. Die Risiken, die dem Staat aus seiner Verschuldung erwachsen – steigende Zinsen und Staatsinsolvenz – muss er dann allein tragen. Er wird bei knappen Mitteln Ausgaben kürzen oder Steuern erhöhen müssen. Im Falle fiskalischer Dominanz wird die Notenbank direkt oder indirekt dazu gezwungen, mittels der Geldpolitik zu verhindern, dass die Staatsverschuldung zu einem Problem wird. Inflation ist dann kein rein monetäres Problem mehr, sondern ein politisches und fiskalisches. Die MMT setzt fiskalische Dominanz voraus beziehungsweise postuliert sie. Sie spricht der Geldpolitik damit jegliche Eigenständigkeit ab.

6. Monetäre Dominanz auf dem Vormarsch. Weltweit sind Zentralbanken zu den wichtigsten Gläubigern vieler Staaten geworden. Sie geraten zunehmend in den Sog der Fiskalpolitik, immer mehr Staatsschulden werden durch die Schaffung neuen Geldes finanziert. Die EZB beispielsweise hält mittlerweile etwas mehr als 20 Prozent der deutschen Staatsverschuldung. Die Folgen dieser Entwicklung sind steigende Inflationsgefahren, versteckte Staatsfinanzierung durch die Notenbanken, und Staaten, die immer mehr am Tropf billigen Geldes hängen.

7. Finanzielle Repression. Als finanzielle Repression bezeichnet man alle Methoden, mit denen sich der Staat der Kosten seiner Verschuldung lautlos entledigen kann, beispielsweise mit künstlich niedrig gehaltenen Zinsen sowie Steuern, die alternative Investments im Vergleich zu Staatsanleihen verteuern, oder sonstige Maßnahmen, die den staatlichen Einfluss auf den Finanzsektor erhöhen. Mittlerweile gibt es deutliche Anzeichen für finanzielle Repression in der Eurozone.

8. Sovereign-Bank Nexus. Banken und Versicherer (also große Finanzinstitutionen) werden im Rahmen der finanziellen Repression zunehmend dazu gedrängt, in Staatsschulden zu investieren. Die Folge dieser Entwicklung ist ein sogenannter „Sovereign-Bank Nexus” (Banken-Staatsschulden-Verbund). Die Folge dieser zunehmenden gegenseitigen Abhängigkeit von Banken und Staaten kann ein sogenannter Doom Loop (Teufelskreis) XVIIsein: Gehen Staaten pleite, geraten die Banken, die den Staaten Geld geliehen haben, und damit das Finanzsystem in Schieflage. Diese Schieflage zwingt den Staat zu teuren Banken-Rettungsaktionen, was ihn noch stärker verschuldet und Banken noch mehr in Bedrängnis bringt.

9. Vermögenspreisblasen. Das zweite Problem finanzieller Repression ist die Gefahr von Vermögenspreisblasen. Auf der Suche nach Alternativen zu Zinsprodukten und Staatsanleihen fliehen die Bürger in Aktien, Immobilien sowie andere Vermögensgegenstände und treiben dadurch deren Preise in die Höhe. Solche spekulativen Blasen platzen in der Regel, was zu politischen Unruhen, Buchverlusten und realen Vermögensverlusten führt, die wiederum das Banken- und Finanzsystem destabilisieren können. Langfristig kann diese Entwicklung zu Zombie-Banken und Zombie-Unternehmen führen, die nur noch überleben, weil sie am Tropf des billigen Zentralbankgeldes hängen.

Kapitel 5

In diesem Kapitel wollen wir die Leistungsfähigkeit der Geldpolitik auf den Prüfstand stellen. Verfechter der MMT haben eine klare Vorstellung davon, was Geldpolitik leisten soll und kann – aber was kann Geldpolitik wirklich? Was nehmen wir aus diesem Kapitel mit?

1. Die Aufgabe der EZB. Die gesetzlich festgelegte Aufgabe der EZB, ihr oberstes Ziel, ist es, Preisniveaustabilität zu garantieren. Das widerspricht der Auffassung von MMT, dass „der Staat mittels Steuern“ Inflation bekämpfen soll. Sie hat zwar die Nebenaufgabe, die allgemeine Wirtschaftspolitik zu unterstützen, aber nur soweit diese Unterstützung nicht ihr Kernziel gefährdet. Diese Nebenaufgabe ist allerdings nur schwer zu bewältigen, weil die EZB letztlich nur den Zentralbankzins als politisches Instrument hat. Sobald sich das Ziel Preisniveaustabilität, das sie mit dem Zins zu steuern versucht, nicht mit weiteren Nebenzielen verträgt, wird es deswegen zu Schwierigkeiten kommen.

2. Lastenesel Geldpolitik. Mittlerweile wird von der Geldpolitik in Gestalt der EZB mehr erwartet als nur die Bekämpfung der Inflation. Geldpolitik soll für Vollbeschäftigung sorgen, Deflation bekämpfen, für Finanzstabilität sorgen und mittels grüner Geldpolitik die Umwelt retten. Das sind viele ambitionierte Ziele für XVIIIeine Institution, die letztlich nur ein Instrument an der Hand hat, nämlich die Veränderung des Zentralbankzinses.

3. Vollbeschäftigung. Das Ziel Vollbeschäftigung verträgt sich nicht sonderlich gut mit dem Ziel Preisniveaustabilität. Erhöht die Notenbank die Zinsen, um Preisniveaustabilität zu sichern, so droht aufgrund der steigenden Zinsen eine Abschwächung der Konjunktur, was das Beschäftigungsziel gefährden kann. Mehr Preisniveaustabilität geht ab einem bestimmten Punkt nur zulasten der Beschäftigung – und umgekehrt.

4. Deflation. Die in den vergangenen Jahren grassierende Angst vor Deflation war allenfalls in Japan gerechtfertigt, in der Eurozone und in den USA wohl kaum. Die zur Bekämpfung der Deflation aufgeblähten Notenbankbilanzen – Folge der Ausweitung der Geldmengen weltweit – führte zu einem Anstieg der Vermögenspreise. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder geplatzte Finanzblasen mit einer Geldpolitik bekämpft, die die nächste Finanzblase verursacht.

5. Finanzstabilität. Wenn es an den Finanzmärkten zu Exzessen kommt, gerät das Finanzsystem als Ganzes in Gefahr. Die Politik hat in den vergangenen Jahren zunehmend erkannt, dass Finanzstabilität ein eigenständiges Ziel ist. Zu den wichtigsten Gefahrenherden für die Finanzstabilität zählen Immobilien- und Aktienpreisblasen, Banken, die in Schieflage geraten, und Staaten, deren Staatsverschuldung zu einer Schuldenkrise führt. Kursrutsche an den Immobilien- und Aktienmärkten würden viele Banken mit in den Abgrund reißen, überschuldete Staaten würden das Finanzsystem – vor allem Banken – ebenfalls vor eine dramatische Belastungsprobe stellen. Je mehr die EZB bei einer aufgeblähten Zentralbankbilanz Inflationsgefahren bekämpft, umso eher riskiert sie zumindest kurzfristig eine Instabilität des Finanzsystems, weil Zinserhöhungen dazu führen, dass Spekulationsblasen platzen und hochverschuldeten Staaten die Insolvenz droht.