Gefangen in meinem Selbst - Marya Hornbacher - E-Book

Gefangen in meinem Selbst E-Book

Marya Hornbacher

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Beschreibung

Ein Sturm, der tief in das Innere einer bipolaren Störung führt und alles verändert, was man weiß In Marya Hornbachers Kopf ist alles anders: Plötzliche Euphorie wird von einer Flut dunkler Gedanken abgelöst, seit ihrer Kindheit wird sie von wahnhaften Episoden verfolgt. Verzweifelt versucht sie, ihre heftigen Stimmungsschwankungen zu kontrollieren, doch weder Hungern, gefühlloser Sex, Selbstverletzen durch Ritzen oder übermäßiger Alkoholkonsum verschaffen ihr die gewünschte Erleichterung. Der Wahnsinn zerstört sie fast. Erst als sie längst erwachsen ist, erhält sie endlich die richtige Diagnose: bipolare Störung. Marya Hornbacher kämpft sich langsam aus ihrem Tief und es gelingt ihr, ein zugleich schwieriges und schönes Leben zu führen, in dem sie auch Liebe und Geborgenheit findet. Schonungslos offen und eigenwillig erzählt sie, wie es ist, im eigenen Selbst gefangen zu sein – und trotzdem zu kämpfen. »Humorvoll, scharfsinnig und selbstbewusst ... Eine Geschichte, die man unmöglich aus der Hand legen kann.« The New York Times »Mit [einer] intimen Offenheit und schockierenden emotionalen Kraft […] führt uns Hornbacher durch ihr Labyrinth der psychologischen Dämonen.« Elle

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Seitenzahl: 494

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Marya Hornbacher

GEFANGEN in meinem SELBST

Marya Hornbacher

GEFANGEN in meinem SELBST

Mein Leben mit einer bipolaren Störung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

1. Auflage 2021

© 2021 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2008 bei Houghton Mifflin Company unter dem Titel Madness. © 2008 by Marya Hornbacher. Published by special arrangement with Houghton Mifflin Harcourt Publishing Company. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Franziska Brech

Redaktion: Iris Rinser

Umschlaggestaltung: Karina Braun

Umschlagabbildung: Shutterstock.com/LILAWA.COM

Satz: Christiane Schuster | www.kapazunder.de

Druck: CPI books GmbH, Leck

ISBN Print 978-3-7474-0281-8

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-633-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-634-5

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de.

Für meine Eltern

Inhalt

Prolog

Der Schnitt

Teil I

Der Ziegenmann

Sie sind im Bilde

Depression

Gebet

Essen

Die Flasche unter der Spüle

Zusammenbruch

Flucht

Minneapolis

Kalifornien

Minneapolis

Washington, D. C.

Ausbruch

Teil II

Neuanfang

Die Diagnose

Einschnitt

Station 47

Unterwegs

Hypomanie

Jeremy

Therapie

Durchgedreht

Crazy Sean

Oregon

Ambulante Behandlung

Mansarde, Keller

Valentinstag

Zum Leben erweckt

Jeff

Fülle des Lebens

Die Stadtzeitung

Teil III

Die verlorenen Jahre

Klinikaufenthalt #1

Klinikaufenthalt #2

Klinikaufenthalt #3

Klinikaufenthalt #4

Klinikaufenthalt #5

Klinikaufenthalt #6

Klinikaufenthalt #7

Entlassen

Teil IV

Epilog

Bibliografie

Danksagung

Über die Autorin

Prolog

Der Schnitt

5. November 1994

Ich fühle NICHTS. Ich bin im Bad meiner Wohnung in Minneapolis, 20 Jahre alt, betrunken und von Sinnen, und schneide Muster in meinen Arm, ein Blatt und eine Schlange. An einer schmutzigen Kordel hängt eine Glühbirne, die in der vom offenen Fenster herüberwehenden Brise hin- und herschaukelt. Die Straße unten und die schäbigen Backsteingebäude nebenan sind mit Ruß überzogen. Durch das Fenster sehe ich im Wohnblock gegenüber eine Frau in Slip und Hausschuhen auf ihrem durchgesessenen geblümten Sofa sitzen. Sie sieht fern und lacht mit den Lachsalven aus der Konserve, und ich halte inne, um das Blut mit einem Lappen aufzuwischen. Das Blut gerinnt zu einer kleinen Lache auf dem Boden (nicht vergessen: Boden putzen), während unten auf der Straße ein Waschbär mit dem Deckel einer Abfalltonne klappert. Ich verstehe die Zeit nicht mehr, sie läuft davon und scheint doch stehen zu bleiben. Ich betrachte mein Werk, sehe, wie das Blut an meinem Arm entlangläuft, sich um mein Handgelenk windet und von meinen Fingern auf die versifften weißen Fliesen tropft.

Seit Monaten schneide ich mich, denn das beruhigt die rasenden Gedanken, verringert den Druck des Wahnsinns, der mein Gehirn in einen Schraubstock zwängt, schon fast mein ganzes Leben lang, aber noch intensiver in den letzten Tagen. Über Jahre hinweg haben sich die Stimmungsschwankungen gehäuft; die himmelhochjauchzenden und zu Tode betrübten Gedanken folgten einander in immer schnellerem Tempo. In meinem Kopf leuchteten schillernde Farbblitze, wie Stromstöße der Erkenntnis – plötzliche Euphorie, dann wieder eine Flut dunkler, blutiger Gedanken, die mich kopfüber hinfallen ließen und mich platt auf den Wohnzimmerboden drückten, voller anschwellender Verzweiflung, die von der Mitte meiner Brust nach außen drang und drohte, meine Rippen zu sprengen. Seit ich ein Kind war, kenne ich diese Gefühlsausbrüche, dieses Scheppern einer Achterbahn, das in meinen Ohren dröhnt, während ich mich an meinem kleinen Wagen festklammere. Aber jetzt, an der Schwelle zum Erwachsenwerden, bricht der Wahnsinn voll aus. Was ich mein ganzes Leben lang befürchtet und wogegen ich angekämpft habe – der komplette Kontrollverlust über meinen Verstand –, ist jetzt eingetroffen und ich gebe auf.

Und zertrenne meine Pulsschlagader.

Halt – da musste doch zuerst ein Gedanke gewesen sein, eine Entscheidung, gerade das jetzt zu tun, eine Sequenz der Ereignisse, eine gewisse Logik. Und die wäre? Einen Augenblick lang starre ich auf den blanken Knochen, dann spritzt das Blut an die Wände. Mir wird schummrig; das wollte ich nicht, ich wollte es doch nur ausprobieren. Zuckend und taumelnd krieche ich auf dem Boden entlang, auf meinen rechten Ellenbogen gestützt, den eingeschnittenen linken Arm in die Höhe gestreckt, und rutsche auf dem Bauch zum Telefon in meinem Schlafzimmer. Die Sekunden ticken im Zeitraffer. Die Minuten zerrinnen wie Sand zwischen den Fingern. Die Katze stupst meine Nase an, drückt sich an mich und miaut. Mit der rechten Hand reiße ich den Hörer von der Gabel und halte den Kopf darüber. Der Klang der eindringlichen Stimme erstaunt mich. »Haben Sie ein Handtuch? – binden Sie den Arm ab – halten Sie ihn hoch – gleich ist jemand bei Ihnen.« Plötzlich bricht die Tür auf und dunkle Schatten aufgeregter Männer schwirren um mich herum. Ich lasse das Telefon fallen und gebe der Flutwelle nach, die mein Bewusstsein überrollt. Die Münder der Männer bewegen sich wie unter Wasser, ihre Stimmen gurgeln: »Spürst du einen Puls?« Und dann schlagen Metalltüren zu und ich falle durch die Endlosigkeit des Raums, während sich das Sirenengeheul immer weiter entfernt.

Neonlampen flitzen über mir vorüber. Ich liege auf dem Rücken. Ein kurzer, schriller, sich immer wiederholender Ton dringt zu mir: Räder auf dem Boden. Ich bin in Bewegung und werde vorwärts befördert. Die Lichter blitzen in meine Augen wie ein Stroboskop. Und dann bin ich an einem hellen Ort und kann mich nicht bewegen, denn das Bett verschlingt mich. Aber es ist kein Bett; ein Bett hat doch keine Gitter. Wir rasen den Gang entlang. Menschen zu beiden Seiten schieben rennend den Käfig vorwärts. Wieso diese Eile? Mein linker Arm fühlt sich komisch an, so schwer. Erstaunliche Schmerzen durchschießen ihn, wie Blitze von meiner Hand bis hin zu meiner Schulter. Von dort breiten sich die Schmerzen über meinen ganzen Körper aus. Ich versuche, meinen Arm zu heben, aber er wiegt 500 Kilo. Ich versuche, meinen Kopf zu heben, um zu sehen, wo ich bin, aber ich schaffe es nicht, denn der ist auch schwer, so schwer wie Blei. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, wie die Menschen mich vorbeifliegen sehen.

Ich stehe unter Schock. Das haben sie gesagt, als sie mich fanden. »Sie steht unter Schock,« sagte der eine zum andern. Wer sind die denn? Sie haben meine Türe eingeschlagen. Und wer zahlt jetzt dafür? Empört verliere ich das Bewusstsein.

Ich komme wieder zu mir. Ich trage meinen neuen weißen Pullover. Es tut mir leid, dass er jetzt rot gefärbt ist. So eine Geldverschwendung. Wir halten an. Leute stehen um mich herum und schauen auf mich herunter. Sie sehen aus wie eine Baumgruppe, und ich liege unbeweglich auf dem Waldboden. »Wann ist das passiert? Was haben Sie benutzt?«, fragen sie, ihre Stimmen unendlich weit entfernt. »Keine Ahnung – aber beruhigen Sie sich, ich geh jetzt nach Hause – Kann ich heimgehen? Mir ist etwas schlecht …« Ich übergebe mich in ein Ding, das mir für diesen Zweck entgegengehalten wird. »Es tut mir so leid,« sage ich. »Es war ein Unfall, ein Versehen. Ich geh jetzt wohl besser nach Hause. Wo sind meine Schuhe?«

Sage ich das alles wirklich? Niemand hält an, alle eilen herum. Ich bin wohl in einem Krankenhaus. Herumrennen, das macht man in einem Krankenhaus. Aber eigentlich ist es dafür zu laut. Jemand schreit. Das Herumrennen ist ungewöhnlich hektisch. »Warum diese Eile, Leute?« Mein Arm bringt mich um, so wie er ist, igittigitt. Obwohl ich ihn eigentlich gar nicht spüre, weiß ich doch, dass er da ist. Und jetzt fühle ich nur die armförmige Schwere, da, wo er einmal gewesen ist. Haben sie mir meinen Arm abgenommen? Okay, auch in Ordnung. Ich mochte ihn sowieso nicht, igittigitt.

Niemand versteht meinen Witz.

Mir wird klar, dass ich es bin, die schreit, und ich höre augenblicklich auf, verlegen über mein Verhalten. Ich muss vorsichtig sein, sonst denken sie noch, ich wäre verrückt.

Ich erwache und verliere das Bewusstsein. Ich erwache wieder und verliere wieder das Bewusstsein. Eine Ewigkeit lang oder vielleicht nur eine Minute, eine Sekunde, eine Millisekunde lang. Es geht so schnell, dass es überhaupt nicht passiert. Wie kann man sich sonst bewusst sein, sein Bewusstsein zu verlieren? Fühlt es sich so an, den Verstand zu verlieren? Wenn dem so ist, verliere ich meinen Verstand selten. Mein Arm fühlt sich scheiße an. Einspruch. Ich wende meinen Kopf zu dem Gesicht, das mir am nächsten ist, und sage ihm, dass ich Einspruch erhebe. Aber plötzlich sind da nur Hände und ein riesiges aufklaffendes Ding, da, wo mal mein Arm gewesen ist. Es ist so blutig, es sieht aus wie ein rohes Steak. Es sieht aus wie das Wort Fleisch, fies und brutal. Der Händebastard umklammert mit einer Hand meinen Unterarm, seine Finger und sein Daumen auf den Seiten des aufklaffenden roten Dings drücken alles zusammen und er sticht mit einer Nadel in das Innere dieses Dings – »Ruhig halten! Haltet sie ruhig, Herrgott noch mal!« – und er sticht wieder und wieder in das Innere des Dings. Ich höre jemanden schreien, vielleicht bin ich das. Es tut nicht wirklich weh, aber diese blitzende Nadel, die sich in dem rohen Fleisch versenkt, erschreckt mich. Ich stelle fest, ich bin ein Steak. Sie tranchieren mich, um mich zu servieren. Sie werden mich auf einer silbernen Platte servieren. Die Hände des Mannes sind riesig und jetzt nähen diese Hände das zerschnittene Fleisch wieder zusammen. Absurd. Können sie das nicht einfach zusammenkleben? So viel Tamtam um nichts. – »Oh, um Gottes willen!«, schreie ich (vielleicht oder denke es nur), jetzt erinnere ich mich und schreie (ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das jetzt tue): »Können Sie sich vorstellen, dass ich das getan habe? Was für eine fucking Idiotin! Das wollte ich nicht!« Ich flehe sie an, mir zu glauben. »Ich hab mich doch nur ein bisschen geritzt, ich wollte es wirklich nicht. Es tut mir leid, dass ich so eine Sauerei gemacht habe, so viel Blut! Und mein Pullover!« Ich verliere wieder das Bewusstsein und komme zu mir, immer wieder. »Sie stehen unter Schock. Können Sie mich hören? Können Sie mich hören, Maria? Sie ist völlig weg«, sagt der eine zum anderen. Sie stehen über mir wie Riesen. Sie können meinen Namen nicht aussprechen. »MAR-ya,« sage ich, die erste Silbe betonend. »Ja, Maria, ich weiß.« »Es ist wirklich Marya,« sage ich. »Natürlich, ich weiß, so ist es. Jetzt ruhen Sie sich erst mal aus.« Vor Wut tobend ruhe ich mich aus. Wie können sie nur mein Leben retten, wenn sie nicht einmal wissen, wie man meinen Namen ausspricht? Da retten sie doch jemanden ganz anderen! Eine Frau mit Namen Maria. Warum, denke ich plötzlich, müssen sie mein Leben retten – oh, um Gottes willen! Jetzt erinnere ich mich wieder. Ich hab’s tatsächlich getan. Das Paar Hände hat das innere Fleisch zusammengenäht und macht sich jetzt an eine zweite Naht. Eine tut’s nicht? »So eine Dummheit«, sagt der Händebastard. Ich sehe ihn den Kopf angeekelt schütteln und schnell weiternähend. »So eine verdammte Dummheit.«

Damit er nicht denkt, dass ich dumm bin, will ich ihm noch mal sagen, dass ich das nicht wollte. Ich beobachte, wie Blut aus einem Beutel über meinem Kopf in einen dünnen Schlauch tropft, der, glaube ich, zu mir führt. Ich verliere wieder das Bewusstsein und komme zu mir. Vor mir ist ein riesiger Bauch, der an die Bettkante stößt. Ich sehe an dem Bauch empor bis zu einem sehr schönen Gesicht. Aha, schwanger. Jetzt verstehe ich. Aber warum steht eine Schwangere neben mir? Wo ist der Händemann? »Glauben Sie, dass Sie in die Psychiatrie müssen?« Um Himmels willen, nein! Ich lache über diesen Vorschlag, damit man glaubt, ich sei normal. Ich richte mich auf, habe aber meinen Arm vergessen und breche vor Schmerzen schreiend wieder zusammen. Anmerkung für mich selbst: den Arm nicht benutzen. »Warum glauben Sie, dass Sie nicht in die Psychiatrie sollten?«, fragt sie. »Ich wollte es nicht!«, schreie ich. »Es war ein blöder Unfall, ich habe Abendessen gemacht und das Messer ist ausgerutscht, bloß keine Panik, ich hab’s nicht absichtlich getan.« (Ich bring mich nicht dazu, das Wort zu sagen.) (Da ist ein Leere zwischen den Worten, die ich fülle) (mit netten, sicheren Worten). Mir ist unglaublich schwindlig und ich möchte, dass sie fortgeht, damit ich nach Hause gehen kann – aber wer lässt eine Frau, die sich gerade den Arm entzweigeschnitten hat, nach Hause gehen? »Können Sie versprechen, dass Sie vorsichtig sein werden?«, fragt die schwangere Psychiaterin. Wer konnte ahnen, dass Psychiater schwanger werden? »Kann ich«, sage ich ganz ernsthaft. »Können Sie mir versichern, dass Sie sich nicht wieder verletzen, wenn Sie nach Hause gehen?« »Hundertprozentig,« sage ich. »Schließlich kann ich ja schlecht den anderen Arm aufschneiden – der hier tut viel zu weh.« Ich lache hysterisch und falle fast aus dem Bett. Aber sie findet das überhaupt nicht lustig. Sie hat einfach keinen Humor.

Sie lässt mich nach Hause gehen. Die Krankenhausordnung schreibt das vor. Nehmen die Ärzte an, dass der Patient seine eigene Sicherheit gewährleisten kann, und wenn auf diese Weise ein Bett in der Psychiatrie freigehalten werden kann, dann wird man heimgeschickt. Ich bin total überzeugend. »Ich gewährleiste meine eigene Sicherheit.« Ich schwöre, dass ich mich nicht mehr ritzen werde. Ich rufe ein Taxi und steige benommen ein, meinen Arm in einen dicken Verband gehüllt. Zu Hause erwartet mich ein Blutbad. Während die Dämmerung das Zimmer erhellt, nehme ich mir vor, die Sauerei später aufzuwischen.

Seit ich 16 Jahre alt bin, bin ich immer wieder in Kliniken und Psychiatrien gewesen. Zuerst diagnostizierte man eine Essstörung. Jahrelang war ich in einem Kreislauf von Fasten, Fressexzessen und Erbrechen gefangen, einem Teufelskreis, der mich fast umbrachte. Aber seit einem Jahr geht es mir beständig besser und jetzt ist es überstanden (ehrlich). Die Ärzte nehmen an, ich habe leichte Depressionen – jedenfalls ist das die gängige Annahme bei Anorexie –, also verschreiben sie mir Prozac, einen neuen Wirkstoff, der als Allheilmittel für alle psychischen Krankheiten gefeiert und wie Süßigkeiten ausgeteilt wird. Aber ich leide nicht unter Depressionen und Prozac macht mich völlig verrückt und stumpf. Einer der Gründe, warum ich überhaupt erst meinen Arm aufgeschnitten habe, ist, dass ich mit etwas vollgestopft bin gegen etwas, das ich überhaupt nicht habe.

Wahrscheinlich bin ich in einer gespaltenen Phase. Während manischer oder gespaltener Perioden – das sind Episoden, in denen die Verzweiflung der Depression und die wahnsinnige Erregung und Impulsivität der Manie zusammenfallen und zum Auftreten einer unbändigen, tollwütigen Energie führen, die von rasenden, grausamen Gedanken begleitet wird – werden einige zum Selbstmord gezwungen, nur um diese Gedanken loszuwerden. Diese Energie kann allerdings bei schwersten Depressionen fehlen, egal, ob es sich um bipolare Störungen oder herkömmliche Depressionen handelt. Fehlt sie nicht, kann es ironischerweise so aussehen, als ob sich der Zustand der Patienten bessere. Sie haben dann ein erhöhtes Suizidrisiko, weil sie jetzt die Energie haben, den Selbstmord auszuführen. Erschreckend viele der bipolaren Suizide sind unbeabsichtigt. Diese Manie löst wildes, impulsives Verhalten aus, ein gewaltiges Verlangen, bis zum Äußersten zu gehen, die gefährlichsten Dinge zu tun – schnelles Autofahren, Drogen- und Alkoholorgien feiern, zum Fenster hinausspringen, sich ritzen und so weiter. Dieses krasse Verhalten endet oft mit dem ungewollten Tod.

Wer kann schon wissen, was zu dem plötzlichen unkontrollierbaren Verlangen, mich zu ritzen, geführt hat? Ich kann es nicht. Ist der Selbstmordversuch willkürlich oder geplant? Er ist bestimmt nicht geplant. Die Manie, verstärkt durch die falschen Medikamente, veranlasst mich, etwas zu tun, ohne dass mir im entscheidenden Augenblick die Konsequenzen bewusst sind. Ich beobachte, wie meine rechte Hand mit der Rasierklinge in meinen linken Arm schneidet. An den Tod denke ich dabei überhaupt nicht.

Niemand kommt auf bipolare Störung – ich nicht, keiner meiner vielen Ärzte, Therapeuten, Psychiater und psychologischen Berater –, weil niemand genug darüber weiß. Später erscheint das unglaublich, weil mein Krankheitsbild so auffällig und fast mein ganzes Leben lang so gewesen ist. Aber wie konnte man das damals erkennen? Es gab wenig wissenschaftliches Material über psychische Krankheiten im Allgemeinen, und niemand wusste, wie diese genau diagnostiziert werden sollten. In den 80er Jahren wurde das Krankheitsbild der bipolaren Störung überhaupt erst benannt, und erst Jahre später wurde dies ein gängiger Begriff. In den 70er Jahren stellte man bei den meisten Menschen mit bipolaren Störungen die Diagnose Schizophrenie, und in den 90er Jahren nannte man es Unipolare Depression. Niemand wusste, was man mit meinem Krankheitsbild anfangen sollte. Jeder, und auch ich, dachte, ich sei einfach ein Desaster, eine Neurotikerin, eine Chaotin. Bis heute ist die Diagnose bipolare Störung bei Kindern umstritten. Kein Psychiater hätte sie in den 70ern gestellt – sie wussten gar nicht, dass das möglich ist. Man stempelte Kinder mit diesen Verhaltensmustern ab als wild, gestört und außer Kontrolle – aber nicht als Kinder im Würgegriff einer ernsten Krankheit. Mein Großvater fragte am Telefon immer, ob mein Kopf auch richtig festsitzen würde. Igittigitt, Spaßvogel, besoffener Trottel. Aber man kann ihm die Frage nicht verübeln. Seit meiner Kindheit stellt jeder diese Frage. Das gibt sich schon wieder, hieß es dann.

Es gab sich nicht. Es wurde schlimmer. Es fraß mich auf. Die Krankheit und ich verschmolzen, verwandelten uns in ein gestaltloses, tropfendes, krabbelndes Etwas.

Teil I

 

Der Ziegenmann

1978

Auf keinen Fall werde ich schlafen. Ich schlafe nicht! Solange ich nicht aus meinem Zimmer komme, darf ich aufbleiben, sagen meine Eltern, die immer ins Bett gehen. Ich bin vier Jahre alt und oft die ganze Nacht wach. Ich singe gedämpft meine Lieder und halte Wache. Niemand kann mir etwas tun, solange ich wach bin.

Am Tag schlafe ich bei heruntergezogenen Rollläden wie eine Fledermaus und dann kommen sie heim. Ich höre, wie sie die Türe aufschließen, und schalte die Lichter an und galoppiere den ganzen Abend und die ganze Nacht durch das Haus, in den höchsten Tönen kreischend, die Tote wecken würden. »Lasst uns ein Theaterstück machen«, rufe ich. »Ein Ballett! Eine Lesung! Ein Wettrennen! Sagt mir nicht, was ich tun soll, lasst mich in Ruhe, ich hasse euch, ihr versteht keinen Spaß, ihr lasst mich nie tun, was ich will. Ich will in die Oper gehen! Ich brauche einen Operngucker! Ich werde mal eine Forscherin werden! Ist mir egal, ob ich mit matschigen Schuhen durchs Haus laufe. Wir brauchen noch einen Hund. Ich will einen Irish Setter! Ich will ein Kamel! Ich will ein Kleid für Ostern! Ich will Schlittschuh laufen. Jetzt, sofort! Wo sind die Autoschlüssel? Natürlich kann ich Auto fahren! Okay, geht ins Bett! Ist mir doch egal.«

Und ich schlage meine Zimmertüre zu, springe auf mein Bett, schlage um mich und brülle. Dann wird das langweilig, und ich lese ein Buch und schreie aus vollem Hals. Ich plaudere mit meinen imaginären Freunden Susie, Sackie, Savvy und Cindy, die mir all ihre Geheimnisse anvertrauen. Sie bleiben die ganze Nacht bei mir, während ich aufpasse und das Schloss bewache. Weil da draußen so viele furchtbare Kreaturen sind, die nur darauf warten, mich umzubringen, spreche ich die ganze Nacht mit mir selber. Ich schreibe ein Theaterstück und spiele es mit den tausend kleinen Porzellanfiguren, die ich jeden Tag ein-, zweimal abstaube, denn alles muss picobello sein, jede an seinem magischen Platz, denn sonst passiert etwas ganz Schreckliches. Sonst springt der iranische Schah unter meinem Bett hervor und nimmt mich unter seinen Arm und trägt mich weit fort.

Ich muss mich anziehen. Dass es draußen stockfinster ist, ist egal. Ich gehe zum Schrank, nehme ein Trägerkleidchen und eine weiße Bluse heraus, hole weiße Socken und weiße Unterwäsche aus der Kommode. Ich hole meine Lieblingsschuhe mit dem farbigen Einsatz und ziehe mich an. Ich muss ganz leise sein, sonst hören es meine Eltern. Ich binde meine Schuhe mit einem Doppelknoten, damit ich nicht herausschlüpfe. Ich krieche auf Händen und Knien durch das ganze Zimmer und glätte den Teppich. Endlich zwinge ich mich dazu, damit aufzuhören, und lege mich in die Mitte auf den Boden, die Tür für alle Fälle im Auge behaltend. Ich überkreuze meine Füße, falte meine Hände über dem Bauch und schließe die Augen. Ich schlafe ein oder ich sterbe.

»Mom«, flüstere ich laut und rüttle an ihrer Schulter. Im Zimmer meiner Eltern ist es finster, und in meinem weißen Nachthemd sehe ich aus wie ein Gespenst. »Mom,« sage ich noch einmal und rüttle sie wieder. Ich wippe auf den Zehenspitzen, neige mich zu ihr hinunter, so dass mein Mund ganz nah an ihrem Ohr ist. »Mom, ich muss dir was sagen.«

»Was ist los?«, murmelt sie und schlägt die Augen auf.

»Der Ziegenmann«, flüstere ich aufgeregt. »Er ist in meinem Zimmer. Er kam rein, als ich geschlafen habe. Du musst ihn fortschaffen. Ich kann nicht schlafen. Liest du mir was vor?« Ich hüpfe herum und stoße an den Nachttisch. »Können wir einen Kuchen backen? Ich will einen Kuchen backen. Morgen kann ich einfach nicht in den Kindergarten gehen. Ich habe Angst vor Fräulein Jackie. Sie schreit uns an und sie mag mich nicht. Mom, der Ziegenmann! Musst du morgen in die Arbeit? Liest du mir was vor?«

»Marya, es ist mitten in der Nacht«, antwortet sie und stützt sich auf den Ellbogen. Neben ihr schnarcht der Koloss meines Vaters. »Wir lesen morgen, ja?«

»Ich kann nicht in mein Zimmer gehen!«, schreie ich und renne in engen Kreisen herum. »Der Ziegenmann kriegt mich sonst! Wir könnten auch Plätzchen backen. Ich will ein Pferd kaufen, ein graues! Ich will zum Strand gehen und Muscheln sammeln. Gehen wir jetzt zum Strand? Ich verspreche dir, ich schlafe …«

Meine Mutter schwingt ihre Beine über die Bettkante und nimmt mich bei den Schultern. »Kleines, kannst du dich beruhigen? Komm her, beruhig dich.«

Außer Atem stehe ich da, alles dreht sich in meinem Kopf.

»Was wolltest du mir sagen?«, fragt sie. »Aber sag nur eins. Sag mir das Wichtigste, das du mir erzählen wolltest.«

»Der Ziegenmann«, sage ich und fange an zu weinen. »Mom, ich kann nicht …«

»Pst«, sagt sie und hebt mich auf. Sie trägt mich im Gang auf und ab. Auf diese Weise beruhigt sie mich immer. Sie hält mich ganz fest, und alles beruhigt sich ein wenig. Aber ich bin zu aufgeregt. Ich lege mein Kinn auf ihre Schulter und schluchzte und fasele vor mich hin. »Alle gehen weg, ihr vergesst mich mitzunehmen, ich habe mich verlaufen. Ich bleibe im Geschäft und werde dort eingesperrt. Was ist, wenn Schlangen in meinem Zimmer sind? Warum geht der Ziegenmann nicht weg? Was passiert, wenn nicht alles aufgeräumt ist? Was, wenn es gruslig ist? Was passiert, wenn du und Daddy sterben? Wer kümmert sich dann um mich? Was passiert, wenn du mich weggibst? Ich will nicht, dass du mich weggibst. Ich möchte Polizistin werden. Warum tragen Polizisten einen Hut …?«

»Marya, pst. Es ist alles in Ordnung. Es wird alles gut werden.«

»Ich will Oma besuchen, komm, lass uns Oma besuchen. Ich will rausgehen und spielen. Warum kann ich nicht draußen spielen, wenn es dunkel ist? Ich will den Mond angucken …«

Wir gehen im Gang auf und ab. Ich werde immer aufgeregter, zwischen schrecklicher Angst und Euphorie hin- und hergerissen, bis ich mich aus ihrer Umarmung herauswinde und zu rennen anfange. Ich galoppiere durch das Haus, meine Mutter mir dicht auf den Fersen, bis ich über mein Nachthemd stolpere und auf dem Boden liegen bleibe, heule und den Teppich mit meinen Fäusten bearbeite. »Ich bin da, Schatz«, sagt sie. »Ich bin doch da.«

Schniefend und glucksend atme ich und seufze. Sie ist da. Sie ist genau neben mir. Sie hebt mich auf. Sie trägt mich ins Badezimmer und lässt die Badewanne einlaufen. Während das Wasser rauscht, rutsche ich hin und her, schlage mit Händen und Füßen um mich, schreie, lache, schluchze. »Ich kann nie wieder in mein Zimmer gehen. Der Ziegenmann. Ich will eine Weihnachtsfeier machen. Ich will in einem Baumhaus leben. Was passiert, wenn ich ins Meer falle und ertrinke? Wohin geht man, wenn man stirbt …?«

Sie zieht mir das Nachthemd über den Kopf und setzt mich in die Wanne. Plötzlich bin ich ruhig. Wasser macht alles besser. Im Wasser fühle ich mich sicher. Sie kniet neben mir. Nur mein Kopf schaut aus dem Wasser. Sie erzählt mir eine Geschichte. Langsam beruhigt sich alles. Ich fühle mich geborgen. Ich schaukle im Wasser, warm und eingehüllt. Meine Glieder gleiten durch das Wasser. Der Krach in meinem Kopf wird leiser und die rasenden Gedanken verlangsamen sich, bis sie sich in Zeitlupe bewegen. Mein Kopf fühlt sich an, als wäre er mit Watte ausgestopft. Ich höre ein leises Summen. Mein Kopf wird schwer. Ich nehme nur das Wasser und die Stimme meiner Mutter wahr.

Wieder im Bett, wickelt sie mich fest in die Decke, bis unters Kinn zugedeckt, Arme, Beine und Füße fest eingeschnürt, damit sie nicht herausschlüpfen. Wie ein Paket bin ich zusammengeschnürt, wie eine Raupe in einem Kokon. Ich bin ein Ei. Jetzt ist der Ziegenmann weg. Meine Mutter sitzt auf der Bettkante und streichelt mein Haar und bleibt bei mir, bis ich im Morgengrauen einschlafe.

Sie sind im Bilde

1979

Alle wissen, dass ich anders bin. Um mich zu schonen, sagen sie, ich würde in meinem Kopf leben. Ich bin verrückt. Die anderen Kinder sagen es und tippen sich mit dem Finger an die Stirn. »Du spinnst ja!«, rufen sie, und ich lache mit und verdrehe die Augen, denn eine leibhaftig verrückte Person verdreht die Augen. Damit sie auch wirklich kapieren, dass ich ihren Witz verstehe, rudere ich mit Armen und Beinen. Ich gehöre zu ihnen und bin absolut nicht verrückt. Sie jedoch sagen das immer nach einem meiner Anfälle in der Schule oder im Hort, wenn ich wie eine Verrückte herumrenne und kichere oder mich in meinen eigenen Worten verheddere und meine Zunge über meine Worte purzelt, oder wenn ich die wildesten und grellsten Geschichten, die mir gerade einfallen, erzähle, oder wenn ich einen Tobsuchtsanfall habe, der in hysterischen Tränen ausartet, während ich mit den Fäusten auf meinen Kopf, den Tisch oder meine Knie schlage. Wenn ich dann plötzlich wieder aufstehe, starren mich alle an. Dann strahle ich, lache mein fröhlichstes Lachen, um ihnen zu zeigen, dass alles nur gespielt war. Ich bin tatsächlich nicht so und die Kinder lachen mit.

Ich liege auf dem Bett und höre, wie sich meine Eltern nebenan streiten. Das ist üblich. Sie keifen oder werfen sich Sachen an den Kopf oder beides gleichzeitig. »Du Arschloch!« (Rums) »Du ruinierst mein Leben!« (Rums, Klirr, Rums) Wenn sie sich nicht anschreien, sind wir eine fröhliche, gemütliche und glückliche Familie, wie die kleine Bärenfamilie aus dem Kinderbuch The Three Little Bears von Robert Southey. Wir haben uns lieb und umarmen uns, aber es ist immer schwer zu sagen, was danach passieren wird. Zwischen dem Gebrüll und meinen verrückten Phasen dröhnt mein Kopf.

Und ich fühle mich wie betäubt. Das ist ein seltsames, immer wiederkehrendes Gefühl. Die Welt um mich herum verschwindet, und irgendetwas beginnt in meinem Kopf zu summen. Von weit her versuchen Stimmen zu mir zu dringen, aber ich wehre sie ab. Meine Ohren füllen sich mit Wasser und ich konzentriere mich auf die Melodie in meinem Kopf.

Ich krieche in meinen Schädel, denn dort ist eine kleine Höhle, in der ich mich verstecken kann. Unter mir baumelt mein Körper haltlos. Ich habe das Gefühl zu fallen und stelle mir vor, dass meine Seele nach oben gezogen wird. Ich schließe die Augen und lasse los.

Meine Füße fliegen. Ich hasse es, wenn meine Füße fliegen. Ich setze mich auf und halte sie mit beiden Händen fest. Es ist dunkel und ich fixiere den schmalen Spalt unter der Tür, durch den ein kleiner Lichtstreifen in das Zimmer dringt.

Das Licht beginnt sich zu bewegen. Es pulsiert und verschwimmt. Ich versuche es aufzuhalten, indem ich es finster anstarre. Mein Herz schlägt schneller, aber ich bin an meinem Bett angefroren und halte meine Füße fest. Das Licht schiebt sich langsam über den Boden auf mein Bett zu. Ich will es zum Anhalten zwingen und presse mein Gehirn dagegen, in der Hoffnung, dass es stehen bleibt, aber vergebens. Der Lichtstreifen kriecht über den lila Teppich. Ich versuche zu brüllen und mache den Mund auf und höre, dass ich etwas sage, aber ich kann die Worte nicht verstehen und auch nicht, wer gesprochen hat. Der kleine Mann in meinem Kopf muss es gesagt haben, entscheide ich, plötzlich seine Gegenwart bemerkend.

Der Lichtstreifen schleicht jetzt am Bett empor. Ich befehle ihm, zu verschwinden. Meine Füße festhaltend rutsche ich zur Wand, während der Druck in meinem Kopf zunimmt. Ich lasse meine Füße los und halte die Ohren zu, ganz fest, um mich zu beruhigen. Der Lichtstreifen hat die Bettkante erreicht und wandert über die geblümte Decke. Ich springe vom Bett herunter und sehe, wie der Streifen vom Bett gleitet, auf mich zukommt und mich bis in die Zimmerecke verfolgt.

Am liebsten würde ich mich unter dem Bett verstecken, aber ich weiß, dass er mir dorthin folgen wird. Ich springe auf das Bett und hüpfe wieder herunter, renne in meinen Einbauschrank und wieder heraus, während das Summen in meinem Kopf unerträglich laut wird. Das Licht wird mir weh tun und ich kann ihm nicht entkommen. Es holt mich ein, umschlingt mich, fesselt meinen Körper. Ich bin so gelähmt, dass ich keinen Ton herausbringe. Also schließe ich meine Augen und spüre, wie es meine Wirbelsäule emporkrabbelt bis in mein Gehirn hinein. Dort explodiert es wie die Sonne.

Ich gleite in meinen Kopf. Wie in einer Vision erscheint der Ziegenmann mit seinen schrecklichen Hufen. Jede Nacht kommt er und versucht mich umzubringen. Sie sagen mir, das sei ein Albtraum, aber er ist Wirklichkeit. Wenn er kommt, kitzelt mich sein Fell.

Tagelang verlasse ich mein Zimmer nicht. Ich sage ihnen, ich sei krank, und ziehe den Rollladen herunter. Selbst der Schein des Mondes schmerzt. Die Außenwelt presst gegen die Wände, versucht mich zu fangen, um mich bei lebendigem Leib aufzufressen. Ich muss unbedingt in meinem Bett unter meinen Bettdecken versteckt bleiben, um die rasenden, verrückten Gedanken aufzuhalten.

Ich drehe und wende mich, bis ich ganz im Bett versinke.

Solche Wahnsinnsanfälle passieren ab und zu. Oft. Immer öfter. Aber ich spreche nie darüber. Ich lache und tue so, als ob ich ein ganz normales Mädchen wäre und nicht das Fantasiegebilde meiner eigenen Einbildungskraft oder gar eine Irrsinnige. Ich lasse mir nie etwas anmerken, sonst werden die anderen bemerken, dass ich tatsächlich verrückt bin und sperren mich in eine Anstalt.

Mein Vater hat jetzt einen seiner Anfälle. Er schreit und weint und stolpert mir nach. Er versucht mich zu fassen und auf den Arm zu nehmen, damit ich nicht weggehe, aber ich mache mich ganz klein und verstecke mich zwischen den Beinen meiner Mutter. Wir sind im Begriff, zu meiner Großmutter zu fahren – mit dem Zug. Ich habe einen kleinen karierten Koffer. Ich zwänge mich wieder hervor, stehe unentschlossen zwischen den Eltern und sehe von einem zum anderen. Meine Mutter ist ruhig, aber gemein. Je ruhiger sie wird, desto zorniger wird sie. Sie hasst ihn, das weiß ich. Sie faucht ihn an: »Jay, um Himmels willen, hör auf! Hör endlich auf! Du bist ja verrückt! Hör auf zu schreien! Beruhig dich! Wir gehen jetzt, du kannst uns nicht halten.« Aber mein Vater ist außer sich. Er faucht und greift nach meiner Mutter. Er zerrt an ihrer Kleidung, als sie versucht, sich von ihm loszumachen. »Geh nicht weg!« Er brüllt, als ob man ihn foltern würde, und erstickt fast an seinen Worten. »Geh nicht weg, ohne dich kann ich nicht leben, du bist der einzige Grund, warum ich überhaupt noch hier bin, ohne dich bin ich gar nichts.« Sein Gesicht ist verzerrt und rot angelaufen und Tränen laufen ihm über die Wangen. Er wirft sich auf den Boden, rollt sich zusammen und weint und schreit. Ich gehe zu ihm und streichle sein Haar. Er hält mich fest, zieht mich so eng an sich, dass ich Angst bekomme und versuche zu entkommen, aber ich bin nicht kräftig genug. Endlich entwinde ich mich ihm und er rappelt sich wieder auf. Ich stehe zwischen meinen Eltern, reiche ihnen bis zur Hüfte, und versuche sie auseinanderzuhalten. Er kniet nieder und ergreift meine Arme. »Ich hab dich so lieb, mein Kleines. Du hast mich doch auch lieb, ja? Sag, dass du mich lieb hast …« Ich streichle seine nassen Wangen und sage, dass ich ihn lieb habe, aber ich will fort von ihm und seinen Anfällen und seiner schwarzen Traurigkeit und den Tagen, an denen er weinend auf dem Sofa liegt, wenn ich von der Vorschule heimkomme. Ich schließe meine Augen und schreie so laut ich kann, dass beide aufhören sollen. Mein Vater beruhigt sich so weit, dass er uns zum Bahnhof fahren kann. Aber auf halber Strecke fängt er wieder an und baut fast einen Unfall. Endlich lassen wir ihn heulend am Bahnsteig zurück.

»Warum benimmt er sich so?«, frage ich meine Mutter. Ich sitze am Fenster mit baumelnden Beinen und höre dem Geratter der Zugräder zu und beobachte, wie die Bäume rasch vorüberziehen. Ich schaue meine Mutter an, aber sie starrt vor sich hin.

»Ich weiß nicht,« antwortet sie. Ich stelle mir vor, wie mein Vater durch unser leeres Haus zum Sofa geht, sich hinlegt und aus dem Fenster starrt, wie er es manchmal tut. Dann sage ich ihm immer wieder, dass ich ihn lieb habe. Wieder und wieder und auch, dass alles in Ordnung kommen wird. Aber er glaubt mir nicht und ich kann ihn nie gesund machen.

Solch verrücktes Benehmen ist nichts Ungewöhnliches in unserer Familie. So sind wir halt. Es gehört zu unseren Eigenheiten, ist eine sich immer wiederholende Geschichte – die verrückten Dinge, die jemand gemacht hat, der Urgroßvater, der ab und zu mit dem Zirkus umhergezogen ist, der Onkel, der einmal ein Pferd angemalt hat, Onkel Frank sowieso, mein Vater, ich. In meiner Familie sprach niemand über »Geisteskrankheit«. Die Erwachsenen wussten, dass Onkel Joe unter manischer Depression litt, aber das war ihnen egal und sie machten sich auch keine Sorgen um ihn – das war eben eine weitere Eigenheit, ein bisschen Wahnsinn, Stoff für den Familienklatsch.

Meine Lieblingsgeschichte geht so: Onkel Joe verbrachte ziemlich viel Zeit in der Irrenanstalt. Seine regelmäßigen Fahrten zu dieser Einrichtung störte meine Familie nicht. »Da geht er halt wieder hin«, sagten sie achselzuckend, setzten ihn ins Auto und brachten ihn hin. Eines Tages fuhr Onkel Frank (von dem alle wissen, dass er verrückt ist – meine Cousins und Cousinen und ich versteckten uns an Weihnachten immer unterm Bett vor ihm) Onkel Joe zu der Irrenanstalt. Als sie ankamen, bat Joe Frank, ihn vor dem Eingang rauszulassen, bevor er das Auto parkt. Frank dachte sich nichts dabei und ließ ihn aussteigen.

Joe ging hinein, lächelte eine Krankenschwester an und sagte: »Guten Tag, ich bin Frank Hornbacher und möchte Joe einweisen. Er parkt so gern das Auto, also lass ich ihn das machen. Er kommt gleich.« Die Schwester nickte zustimmend. Als der richtige Frank dann hereinkam, nahm sie ihn unter den Arm und führte ihn fort, während sie sanft auf ihn einsprach, wie Schwestern das halt so machen. Frank legte laut Widerspruch ein und beteuerte, er sei Frank und nicht Joe. Joe grinste selbstzufrieden, winkte Frank zu und ging fort.

Depression

1981

Vielleicht setzte es ein, als ich sieben Jahre alt war. Ich liege im Bett. Weil es draußen zu sonnig ist, kann ich nicht hinausgehen. Die Rollläden sind heruntergezogen, aber ein kleiner Lichtstrahl fällt ins Zimmer und sticht in meine Augen. Ich drehe mein Gesicht auf mein Kissen und vergrabe mich zwischen den Laken, denn dort ist es kühl und ich bin außer Gefahr. Mein Vater kommt ins Zimmer herein.

»Zeit zum Aufstehen, Kleines.«

(Schweigen.)

»Kleines.«

(Ich ziehe das Kissen über meinen Kopf, um das aufdringliche Licht abzuhalten.)

»Stehst du jetzt auf, Kleines?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Heute schwänze ich.«

»Ist heute etwas Besonderes los?«

Ich seufze. Ich befürchte, ich kann nie wieder aufstehen. Ich kann und will mich nicht bewegen. Alles ist so schrecklich und ich will nur eins, schlafen.

»Ich kann heute nicht in die Schule gehen«, sage ich.

»Warum nicht?«

Ich schlage meinen Kopf gegen die Matratze und stoße einen Schrei aus. Ich seufze wieder und drehe mich auf meinen Rücken und verdecke meine Augen.

»Heute haben wir Kunst und wir machen ein Projekt.« Ich fange an zu heulen.

»Ah«, sagt mein Vater gelassen. »Ist es kompliziert?«

»Es ist sehr kompliziert«, jammere ich. »Ich kann es nicht machen. Ich will es nicht machen. Also bin ich krank.« Ich wische den Rotz von der Nase und die Tränen laufen in meine Ohren.

»Okay«, sagt mein Vater.

»Ich bleibe zu Hause.«

»Okay.«

Okay. Okay. Jetzt ist alles wieder in Ordnung. Kein volles Klassenzimmer, keine Schere, kein Kleber, keine anderen Kinder, kein Essen in der Mensa, keine Pause, kein unendlicher Himmel mit greller Sonne.

Die Außenwelt dehnt sich immer mehr aus und drückt mich gegen die Wand, um mich zu erreichen, um mich bei lebendigem Leib aufzufressen. Ich muss unbedingt zwischen den Laken bleiben, zusammen mit meiner Steppdecke und meinem Buch. Ich kann der Welt nicht ins Auge blicken mit all ihrem Licht und ihrem Krach, ihrem Trubel, in dem ich mich verliere. Ich bin ein unsichtbares Mädchen. Ich bin ein Fantasiegebilde. Ich bin nicht wirklich da.

Ich komme tagelang nicht aus meinem Zimmer. Die Tage verschmelzen zu Wochen. Ich liege im Dunkeln in meinem Bett.

Gebet

1983

Niederknien. Beten. Flehen. Der eisige Kellerboden unter meinen Knien. Ich komme hierher, um mich und meine Gebete zu verstecken, denn meine Mutter würde sich nur über mich lustig machen. Gott ist eine Krücke für Menschen, die irgendeinen Glauben brauchen. Sie würde nie verstehen, dass ich zur Fürsprecherin aller Qualen der Welt auserwählt wurde.

Ich bin nicht verrückt. Gott hat mich erwählt, und ich habe keine andere Wahl, als ihm zu folgen, oder ich muss in die Hölle. Alles hängt von mir ab. Und so bete ich mich in den Schlaf und fange gleich nach dem Erwachen wieder an. Ich bete den ganzen Tag lang aus Angst, dass Gott mich schwer bestrafen würde, sobald ich mit dem Beten nachlasse.

Meine Knie schmerzen und mein Herz schlägt rasend schnell. Panik breitet sich aus. Ich hechle wie ein Hund. In meinem Kopf schwirren die Dinge herum, für die ich vergessen habe zu beten, schlimme Sachen, die ich getan habe. Ein Licht leuchtet in meinem Gehirn auf, wie der vordere Scheinwerfer eines Zuges in der Dunkelheit, und die Dunkelheit ist mein Verstand, in dem sich die Sünden auftürmen und mich mit ihrem Geflüstere quälen. Die Sünden wispern mir zu. Sind sie in meinem Kopf oder direkt neben meinen Ohren? Sind sie im Keller? Kommen sie vom Boiler her? Von der Waschmaschine? Endlich antwortet Gott. Du kannst jetzt aufstehen, höre ich ihn sagen. Seine Stimme hallt von den Betonwänden wider und erfüllt den ganzen Raum.

Auf der Treppe ermahnt mich Gott erneut zum Beten. Ich knie nieder und bete. Er ruft mich in der Küche und ruft mich in meinem Schlafzimmer. Auch in der Schule. Ich hebe meine Hand, renne zum Bad und knie auf dem Boden vor dem Klo nieder. Das Bad ist leer, mein panischer Atem rasselt laut und hallt wider wie das Kreischen und Stampfen in meinem Kopf. Ich bete während des Unterrichts. Ich bete im Auto, nach dem Abendessen, die ganze Nacht lang – stundenlang, nachdem sich die Stille über unser Haus legt, bewegen sich meine Lippen in schnellstem Gebet.

Gott beobachtet mich, sieht alle meine Fehler, jede Sünde. Gottes Stimme dröhnt in meinem Kopf, mich mal als seine Auserwählte lobend, mich mal verachtend, und manchmal schickt er eine Schlange in meinen Kopf. Sie rollt sich zusammen und presst ihren Körper an die Wände meines Schädels. Ich liege im Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und drehe ihn von Seite zu Seite, während die Zunge der Schlange meine Augäpfel berührt. Sie versenkt ihre Zähne in die graue, feuchte Masse meiner Gehirnzellen. Ich presse meinen offenen Mund in die Matratze und schreie.

Essen

1984

Gott hat mich verlassen. Mir raucht der Kopf. Ich habe die Kontrolle verloren und kann mich nicht mehr beherrschen. Etwas treibt mich vorwärts; etwas Drastisches muss unbedingt sofort geschehen. Ich stürze mich auf alles, was diese Gedanken beruhigt. Und plötzlich finde ich es. Dieses Etwas ist schockierend intensiv. Ich muss mich unbedingt bis zum Platzen vollstopfen und dann diese Völle wieder loswerden. Essen. Es geht tatsächlich nur ums Essen.

Ich finde meinen Körper abstoßend. Nackt stehe ich vor dem Spiegel in meinem Schlafzimmer und zwicke meine Haut, diese bedürftige, hungrige, schreckliche Haut, deren Weichheit die einwandfreien, weißen Knochen verbirgt. Ich kneife mich ganz fest, bis rote Striemen zurückbleiben. Mit all seinen Tricks, seinem Verrat, seinen Lügen ekelt mich dieser Körper an. Ich hungere und hungere und dann passiert es ganz unvermutet – das schwarze Loch in meiner Brust bricht auf und ich bin plötzlich in der Küche am Küchentisch und stopfe alles, was ich finden kann, in den Mund, alles, was mich vollmacht. Die Nahrungsmittel beschmutzen mein Gesicht, und die Backen füllen sich, aber ich kann es einfach nicht ändern. Meine Hände hasten immer wieder mit dem Essen zu meinem Mund. Ich hasse mich dafür, denn ich möchte dünn sein, nur Knochen, ich möchte den Hunger ausrotten, die Weichheit, das Bedürfnis zu essen.

Ich bin in der vierten Klasse. Jeden Tag, wenn ich aus der Schule komme, versuche ich die Küche zu vermeiden. In meinem Zimmer sitze ich auf dem Stuhl und halte mich daran fest. Die Stille des Hauses hallt durch die leeren Räume. Ich sitze und beiße meine Zähne zusammen, und dann zwingt mich das Verlangen doch in die Küche. Ich esse. Die Reste vom Vortag, die gefrorenen TV Dinners, was immer ich finde, muss ich verschlingen.

Im Bad beuge ich mich über die Toilette, den Finger tief im Hals. Ich übergebe mich, bis ich Blut hochwürge und mein ganzer Körper ächzt. Dann richte ich mich auf. Ich bin wieder leer. Gereinigt. Meine Hände streicheln meinen flachen Bauch und meine Finger spielen auf meinen Rippen Xylofon. Zufrieden und versöhnt öffne ich die Tür, laufe ganz ruhig in die Küche und die ganze Prozedur beginnt von vorn.

Das ist mein Geheimnis und meine Rettung. Darauf kann ich mich verlassen. Es schützt mich vor meinem Kopf, in dem die Gedanken eine Senkgrube bilden, in der sie hin- und herschwappen. Wenn ich hungere, löst sich die alles erdrückende Traurigkeit auf, und ich fühle mich schwerelos, leer, so unendlich leicht. Keine rasenden Gedanken, keinen Drang zum Rennen, Rennen, Rennen, keinen Grund, mich im Dunkeln zu verstecken. Wenn ich mich übergebe, verlassen mich die Ängste, die Paranoia, die Gedanken. Die Essstörung gibt mir Sicherheit. Ich könnte nicht aufhören, selbst wenn ich es wollte.

Das ist es, was ich so nötig habe, einen hausgemachten Ersatz für das, was Psychiater einen Stimmungsstabilisator nennen würden. Die Essstörung ist das erste Mittel, das ich finde, das funktioniert. Von Anfang an kann ich nicht mehr darauf verzichten. Im Hungern bin ich ruhig und alle Ängste bündeln sich. Es gibt keinen Grund, meine Gedanken zu steuern, denn ich beherrsche meinen Körper und bin ausgeglichen. Ich habe nur noch eines im Sinn: dünn sein, tot sein. Damit habe ich ein Ziel und die nötige Disziplin. Ich bin frei.

Meine Eltern fragen sich, wohin bloß all die Nahrungsmittel verschwinden, und ich sage ihnen, dass ich wachse.

Die Flasche unter der Spüle

1985

Nichts geht schnell genug. In der Schule sprechen die Lehrer, als ob ihre Münder mit Wattebäuschen gefüllt wären, und zugleich bewegen sie sich in Zeitlupe. Wenn die Lehrerin jemanden aufruft, hebt sie ihren Arm so langsam, als ob Sandsäcke dranhängen würden. Bei Gott, diese Langsamkeit macht mich noch verrückt! Meine Gedanken hingegen stürmen so schnell vorbei wie der Wind, ich komme fast nicht mit. Ich sehe sie mit meinem inneren Auge. Sie stehen unter Strom, knacksen, spritzen und sprühen rote Funken.

Die Mitschüler sind langsam, dumm und verschlafen. Im Gang schieben sie sich zum Ausgang wie eine Horde nasser, unförmiger Schnecken. Ich werde förmlich aus der Schule herausgeschleudert und tanze so schnell ich kann zum Spielplatz, renne im Kreis um die Tetherball-Stange1, hetze über den Pausenhof, um diese unglaubliche Energie, diese ganz erstaunliche Energie loszuwerden. Ich bin zehn Jahre alt und benehme mich, als hätte ich Speed genommen.

Meine Eltern sind fast zur Tür hinaus, da rufen sie: »Vergiss dein Abendessen nicht!« Aber ich bin zu schnell für sie, und ihre Stimmen verhallen in der Ferne, weil ich durch das Haus renne und völlig ausraste. Ich habe so lange gebettelt, alleine zu Hause bleiben zu dürfen, bis sie nachgegeben haben und ohne mich zu ihrer Besprechung oder einer Einladung zum Abendessen oder sonstigen Verabredung gehen. Wahrscheinlich ist es keine so gute Idee, eine Zehnjährige allein zu Hause zu lassen, aber ich jammere so lange, bis sie es doch tun. Meine Eltern gehen vollkommen in ihrer Arbeit auf und sind in ihrer albtraumhaften Ehe gefangen, so dass sie alles tun, um sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen, um Streit zu vermeiden und um Gründe zu finden, das Haus zu verlassen. Sie arbeiten zwanghaft, und wenn sie nicht arbeiten, besuchen sie Freunde und tun so, als ob sie ein glückliches Paar seien. Wir sind eben die perfekte kleine Familie. Das sagt jeder.

Und so bin ich allein zu Hause mit einem blutigen Steak auf dem Küchentisch, hüpfe auf und ab, und ein Wirbelwind fegt durch meinen Kopf. Zeit für die Hausaufgaben! Ich lange in meine Schultasche und werfe die Bücher und Hefte in die Luft. Hahaha! Schauen Sie mich an, meine Damen und Herren, die unglaubliche Marya! Sehen Sie nur, wie schnell sie ist! Können Sie diese Geschwindigkeit begreifen? Meine Hausaufgaben liegen auf dem ganzen Küchenboden verstreut. Ich krabble herum, um sie aufzulesen, während ich mit mir selber rede: Hopphopp, liebe Freunde, ich mochte Hasen noch nie, will lieber einen Tiger, der in meinem Bett schläft und mit dem ich Gassi gehe. Ich brauche neue Schuhe, fantastische Schuhe. Ich werde es allen zeigen. Hark, the angles sing! Weihnachten ist super! Liebt Weihnachten, liebt es doch einfach – ich hüpfe hoch, haue mir auf die Brust, salutiere dem Kühlschrank, schlage meine Hacken zusammen, drehe mich rasch um und stolziere steif zum Küchentisch. Hier sehe ich schnell meine Aufgaben durch und lege sie in einem perfekt ausgeklügelten System nebeneinander. Jedes Blatt berührt das nächste genau an den Ecken. Danach galoppiere ich den Gang auf und ab, schlittere in die Küche, als ob ich die dritte Base beim Baseball gerade noch mit den Fingerspitzen erreichen würde, reiße den Kühlschrank auf, nehme ein paar Pilze heraus, schneide sie klein, mein Messer bewegt sich in Windeseile, werfe sie in eine Pfanne, brate sie – aber da fehlt noch etwas. Nur ein kleiner Schuss. Ich öffne den Schrank unter der Spüle, nehme die Brandy-Flasche heraus, gieße etwas davon in die Pfanne. Und weil ich gerade dabei bin, frage ich mich, was in all den anderen Flaschen ist.

Ich drehe die Flamme ab, hüpfe auf und nieder und öffne den Schrank noch einmal.

Alkohol.

Ich nehme eine riesige Flasche Wein der Marke Gallo heraus und breche fast unter ihrem Gewicht zusammen. Ein Gläschen Wein zum Abendessen wäre doch jetzt gerade das Richtige, nicht? Ich schenke den Wein in eine große Plastiktasse mit dem Emblem der Minnesota Twins und nehme die Pilze und meinen Kelch mit dem Wein mit zum Esstisch, wo ich fast auf den Stuhl falle.

Ich werde total betrunken. Ich bin blau und aufgeregt und zehn Jahre alt. Es ist die beste Zeit meines Lebens.

Ich hüpfe den Gang entlang, singe Simon-und-Garfunkel-Songs, jongliere mit Orangen. Ich mache meine Hausaufgaben in Windeseile, brillant und total effizient, während das Stromnetz in meinem Gehirn Lichtimpulse sendet. Ich bin in meinem Element. Eine perfekte Balance zwischen Betrunkensein und manischem Zustand. Ich bin sanft, ich bin cool, so cool wie eine Katze. Ich habe eine Antwort gefunden, die die Spitze nimmt, den Wahnsinn besänftigt, mich gleiten lässt, mich aufrichtet und fliegen lässt.

Es ist Alchemie, der Alkohol und mein Gehirn. Noch so ein selbstgemachtes Hausmittel, noch ein Gemütsstabilisator, der mich so fantastisch beruhigt. Ich liebe diese Welt, bin gesellig und voller Freude und Großzügigkeit meinen Mitmenschen gegenüber. Meine Gedanken schwirren umher, aber nicht mehr unglaublich hoch und nieder, sondern sie fliegen vorwärts in einem fesselnden Sog der Ideen, in erweitertem Bewusstsein und unglaublicher Kreativität, so dass jeder Gedanke dem nächsten fast ins Wort fällt. Das ist sogar besser, als sich mit Essen vollzustopfen, um dann alles gleich wieder herauszuwürgen.

Damit beginnt meine lange und katastrophale Geschichte mit dem Alkohol. Aber zunächst funktioniert es wunderbar. Es lässt keine Tiefund Hochfahrten mehr zu. Man bleibt immer am Ball, voller Energie und Inspiration. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Alkohol hilft. Ich glaube jahrelang felsenfest daran, trotz aller gegenteiliger Beweise.

Endlich schwanke ich ins Bett und schlafe ausnahmsweise einmal ein.

Zusammenbruch

1988

Die Stimmungsschwankungen kommen im Minutentakt. Ich nehme Drogen, um mich noch mehr zu pushen, und Beruhigungsmittel, um wieder runterzukommen. Kokain, Speed, Valium, Percocet – all das erhalte ich von den Jungs, die um die städtischen Malls herumschleichen und Jagd auf minderjährige Mädchen machen. Ich bin leichte Beute, weil ich ihre Drogen brauche und alles tue, um sie kostenlos zu kriegen. Die Jungs sind auch zu. Sie haben, was ich will, und werden nach Gebrauch fallen gelassen. Der Trick ist, sie einzufangen und sie so anzumachen, dass sie sich vor Verlangen nach mir winselnd auf dem Boden im Staub wälzen. Dann mache ich sie total fertig, schaue zu, wie sie wie ein Fisch an der Angel zappeln, und schließlich schmeiße ich sie weg. Oft lande ich in ihren Kellern auf Kissen, zerdrückt unter ihren Körpern, ihren stockenden Atem im Ohr. Sie sind schwer, feucht, in Eile, jung und meistens fast ganz angezogen. Nie weiß ich, wie ich dorthin kam, und ich möchte nur fort und wiederhole still in ihrem Rhythmus Du bist eine Schlampe, du bist eine Nutte. Ich möchte mich duschen, um sie von mir herunterzuschrubben. Warum passiert das immer wieder? Warum sage ich nie nein? Wenn sie mich wollen, und sie wollen mich immer, haben sie es eilig, und wenn wir dann halb auf dem Sofa liegen, in jedem Keller, jeder Junge, jedes Mal, kann ich nicht mehr denken, der Drang ist vorbei, ich bin wie gelähmt und will nur noch nach Hause. Das impulsive Aufeinanderstürzen, der enorme Druck in meinem Kopf endet immer gleich: Ich hasse sie und hasse mich selbst. Ich schwöre, es nie wieder zu tun. Aber ich tue es wieder, immer und immer wieder.

Und dann bin ich zu Hause in meinem Zimmer mit der blau geblümten Tapete und den Stofftieren auf dem Bett und verstecke meine Tütchen mit Pulver und Pillen. Wenn ich die richtige Mischung aus den verschiedenen Drogen treffe, habe ich die Energie, die ganze Nacht durchzuschreiben, und kann mit knapper Not die Junior Highschool überleben, in der von mir kreierten Persona der wilden, melodramatischen Rebellin – schwarzer Kajal um die Augen und schwarz gefärbtes Haar, zerrissene Kleidung, ein Clown und zugleich eine Kriminelle, schmollend und freche Antworten gebend. In meiner Klasse nimmt mir das jeder ab.

Aber wenn ich aus der Schule in unser leeres, stilles Haus komme, rolle ich mich auf dem Sofa zusammen und drücke mich in die Ecke mit einem Gefühl, das mir die Brust abschnürt. Nichts hat mehr Bedeutung und nichts wird je wieder in Ordnung kommen. Ich werde wegen nichts und wieder nichts wütend, schmeiße Dinge an die Wand, verbringe die Nächte draußen, und meine Füße knirschen auf dem zugefrorenen See. Ich kralle mich fest am Maschendrahtzaun der Brücke, die über die Autobahn führt, und sehe die Nachtfahrer vorbeiflitzen, während mein Atem weiße Wolken in die Dunkelheit bläst.

Wie die Leere in meiner Brust reihen sich die Tage gähnend aneinander. Ich liege im Dunkeln in meinem Zimmer, die Rollläden heruntergezogen und die Fenster zusätzlich mit Decken verhüllt. Ich wiege eine Million Kilo. Ich spüre meinen Körper, wie sich seine schweren Knochen und all das Extrafleisch in die Matratze drücken, die bestimmt bis zum Boden sinkt. Mein Vater klopft mehrmals an die Tür und ruft: »Frühstück!«

Ich krieche aus dem Bett und ziehe die Schublade meines Nachttisches ganz heraus, drehe sie um und reiße das Tütchen Kokain, das an der Unterseite klebt, ab. Kniend schütte ich kleine Reihen auf den Tisch und schnupfe sie mit einem Strohhalm, den ich in einer Tüte aufhebe. Ich sitze auf meinen Fersen und schließe die Augen. Da kommt es schon, das Gefühl, als ob Glassplitter in mein Gehirn dringen. Ich stelle mir vor, wie die Droge die graue Masse in gleichmäßige Scheiben schneidet. Mein Herz gerät wieder in Fahrt, als ob es einen Elektroschock erhalten hätte. Ich öffne meine Augen, schlecke Finger und Strohhalm ab und räume das Tütchen und die Schublade an ihren Platz. Ich hebe ab, die Achterbahn klappert auf ihren Schienen, und ich hänge kopfüber dran.

Summend dusche ich mich und tanze in meine Kleidung – einen lächerlich kurzen Rock mit einem Loch, das noch mehr Oberschenkel zeigt, schwarze Nylons, eine zerrissene Bluse. Ich packe meine Schulsachen, hole noch ein Tütchen, dieses Mal voller Pillen, aus der hintersten Ecke einer Schreibtischschublade. Ich wähle ein paar aus und stecke sie in meine Hosentasche. Dann beginne ich den Tag, diesen glorreichen Tag, an dem es sich lohnt, am Leben zu bleiben. »Guten Morgen«, rufe ich und setze mich an den Tisch. Mein Knie wippt mit Lichtgeschwindigkeit auf und ab.

»Du bist heute aber gut gelaunt.«

»Bin ich, bin ich wirklich.« Ich sehe meinem Vater zu, wie er Rühreier macht, und breche in Panik aus. Was habe ich mir nur gedacht? Ich kann jetzt nichts essen. Ich springe auf. »Muss weg. Keine Zeit zum Essen.« Auf dem Weg nach draußen remple ich meinen Vater aus Versehen an.

»Du musst aber essen!«, ruft er mir nach. »Komm sofort zurück! So angezogen kannst du nicht gehen!«

»Wiedersehen«, rufe ich und renne die Straße hinunter, während meine Tasche immer wieder gegen mein Bein stößt. Die Bäume blühen in voller Pracht. Die Sonne pulsiert. Ich kann ihre Wärme auf meiner Haut spüren. Meine Haut ist wach und kribbelt. Plötzlich bleibe ich stehen. Meine Haut steht in Flammen. Ich lasse meine Tasche fallen und reibe meine Haut. Weg damit! Ich tanze in der Mitte des Gehwegs. Käfer krabbeln auf meinen Armen, auf meinem Nacken, meinem Gesicht und in meinem Haar. Tut sie weg! Wo um Himmels willen kommen die bloß her? Ich falle am Straßenrand ins Gras, rolle hin und her und versuche sie loszuwerden. Mein Haar ist zerzaust, Dreck klebt an meiner Kleidung. Endlich sind die Käfer weg. Ich stehe auf, streiche mein Haar glatt. Jetzt geht es mir wieder besser und so sprinte ich zur Schule. Es ist total ärgerlich, wenn das passiert. Aber ich denke nicht daran, mit dem Kokain aufzuhören.

Niemand weiß von den Pulvern, den Tabletten, der mit Wodka gefüllten Wasserflasche in meiner Tasche. Meine Freundinnen sind brave Mädchen. Ich bin das Flittchen. Ich verstehe überhaupt nicht, warum sie sich mit mir abgeben. Ich schleiche zu meinem Stuhl hinten im Klassenzimmer, verschränke die Arme und verstecke mein Gesicht hinter meinen Haaren. Die Lehrer sind Idioten. Ich hasse ihre Kleidung, ihren starken, weinerlichen Minnesota-Tonfall, den Kleinstadtgeruch, der ihnen anhaftet: Staub und Thunfischauflauf. Die ganze Stadt ist voll von vorstädtischen Klonen, blond, blauäugig, alle gleich sauber gekleidet. Alle sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Alle werden heiraten und in den Minivillen mit dem ausladenden, manikürten Rasen wohnen. Es wird kleine, süße, gleich aussehende Kinder geben und die Männer werden Golf spielen, trinken und sich gegenseitig auf den Rücken klopfen, »Hey, Kumpel«, und die Frauen werden im Country Club frühstücken und sich Vorträge über die armen, obdachlosen Kinder im Stadtzentrum anhören, die etwas Besseres verdient haben. Sie schütteln besorgt die Köpfe und treten dem Elternbeirat bei und helfen in der evangelischen Kirche, sammeln lächerliche Kunst und wählen die republikanische Partei und hassen Leute wie mich.

Ich muss raus aus dieser Stadt.

Nach dem Mittagessen beuge ich mich über das WC der Mädchentoilette und übergebe mich. Ich wasche meinen Mund ab, schrubbe meine Hände, schnüffle an ihnen, um sicherzugehen, dass sie nicht riechen, wasche sie abermals, trockne sie ab, schaue in den Spiegel, trage noch mal Lippenstift auf und studiere mein Gesicht. Ich schminke meine Augen, setze ein Lächeln auf und gehe zurück zu den anderen Jugendlichen, die sich im Gang versammeln.

Und das sollen die besten Jahre meines Lebens sein.

In Hauswirtschaftslehre falle ich durch. Ich weigere mich, einen Stoff-Flamingo zu nähen. Ich frage, warum ich lernen soll, wie man Jell-O-Parfait macht. Ich bringe es fertig, den Herd in die Luft zu jagen – ich vergesse Muskatnuss in den Teig eines Pfannkuchens zu geben, und als er schon im Ofen ist, werfe ich eine Handvoll hinein, was den ganzen Ofen in Flammen aufgehen lässt.

Ich schikaniere die Kunstlehrerin, Tag für Tag muss ich bis in den Abend hinein nachsitzen. Wenn ich nicht nachsitze, bin ich in der Redaktion der Schülerzeitung und verfasse Texte, die nur dazu da sind, die Leser zur Weißglut zu bringen. Ich verschwinde unter meinem Tisch, um Wodka aus der Wasserflasche zu süffeln. In der Bibliothek zwischen den hintersten Regalen schnupfe ich Kokain, das ich auf die Dante-Ausgabe gestreut habe.

In Ekstase galoppiere ich den Gang der Schule entlang, zwänge mich zwischen den Schülern hindurch und grüße sie. »Hi!« Sie lachen. Ich bin übermütig. »Du spinnst!«, sagen sie. Ich bin verrückt! Ich bin fantastisch! Der Tag und die ganze Welt sind fantastisch!

»Drück mal auf die Bremse«, ruft ein Lehrer mir nach. »Rennen im Gang ist verboten!«

Ich wende mich um und galoppiere zu ihm zurück. »Ich renne nicht!«, rufe ich fröhlich. »Wie Sie sehen, galoppiere ich!« Und ich galoppiere weiter.

Am Ende des Gangs krache ich in die Wand und pralle zurück in den Kreis meiner Freunde, die sich um mein Schließfach versammelt haben. »Ist es nicht wunderschön?«, rufe ich, öffne meine Arme weit und strecke sie in die Höhe.

»Was ist wunderschön?«, lacht Sarah.

»Alles! Absolut alles! Du, der heutige Tag, der ganze heutige Tag ist wunderbar! Ist das Leben nicht toll?«

»Bist du nicht heute Morgen ausgerastet?«, fragt Sandra. Ich stürze die Treppe hinunter, so schnell, meine Beine kommen fast nicht mit. Ungeheuerlich! Einfach herrlich! Es ist eine so spektakuläre Geschwindigkeit, eine prächtige und herrliche Geschwindigkeit. Ich erreiche das Ende der Treppe und schlittere den Gang entlang. Meine Freunde lachen. Ich mache sie glücklich. Ich lasse sie ihre häusliche Misere vergessen. Ich liebe sie, ich liebe sie so sehr, sie sind mir so wichtig, dass ich bestimmt sterben würde ohne sie.

»Nein!«, rufe ich. »Ich bin nicht ausgerastet. Und wenn, dann ist das jetzt vorbei.« Ich laufe rückwärts vor ihnen zum Mittagessen. Ich nehme ein Eiscreme-Sandwich und eine fettige Minipizza. Nach dem Mittagessen werde ich beides wieder erbrechen, garantiert – einfach fantastisch! Ich lache entzückt, selbstzufrieden. »Aha!«, rufe ich, und die Leute vor mir drehen sich zu mir um. »Hallo alle zusammen!«, rufe ich und winke. »Ist heute nicht ein schöner Tag?« Irgendjemand zischt: »Die ist verrückt!« Aber das kümmert mich nicht. Jeder kann seine eigene Meinung haben. So ist das eben in der Welt. In dieser Welt gibt es so viele unterschiedliche Meinungen und Ansichten. Jedem das Seine.