Geschichte der Diakonie in Deutschland - Georg-Hinrich Hammer - E-Book

Geschichte der Diakonie in Deutschland E-Book

Georg-Hinrich Hammer

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Beschreibung

Die Einrichtungen der Diakonie in Deutschland stellen fast eine Million Betten und Plätze dem Allgemeinwohl zur Verfügung. Sie dienen der Therapie, Krankenhausbehandlung, Pflege, Rehabilitation, Förderung, Beratung, Ausbildung, Erziehung und speziellen Wohnungsangeboten. Die Träger dieser Leistungen sind über 27 000 Einrichtungen und Dienste. Fast eine halbe Million Menschen arbeiten im Dienst von Kranken, Senioren, Jugendlichen, Behinderten, Rehabilitanden, Klienten und Auszubildenden. Hinzu treten eine weitere Million ehrenamtlich tätiger Mitarbeitender. Sie alle zusammen bilden immer noch das Rückgrat unseres Sozial- und Gesundheitswesens in Deutschland. Leitfragen für diese "Geschichte der Diakonie in Deutschland" sind u. a.: Wie ist es zu diesem beeindruckenden Hilfesystem gekommen, was löste diese Bewegung der Hilfe aus? Wie ist der Zusammenhang zwischen der heutigen Diakonie, ihren neutestamentlichen Wurzeln und dem diakonischen Aufbruch im 19. Jahrhundert? Welcher "rote Faden" zieht sich durch die Geschichte der Diakonie?

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Die Einrichtungen der Diakonie in Deutschland stellen fast eine Million Betten und Plätze dem Allgemeinwohl zur Verfügung. Sie dienen der Therapie, Krankenhausbehandlung, Pflege, Rehabilitation, Förderung, Beratung, Ausbildung, Erziehung und speziellen Wohnungsangeboten. Die Träger dieser Leistungen sind über 27 000 Einrichtungen und Dienste. Fast eine halbe Million Menschen arbeiten im Dienst von Kranken, Senioren, Jugendlichen, Behinderten, Rehabilitanden, Klienten und Auszubildenden. Hinzu treten eine weitere Million ehrenamtlich tätiger Mitarbeitender. Sie alle zusammen bilden immer noch das Rückgrat unseres Sozial- und Gesundheitswesens in Deutschland. Leitfragen für diese 'Geschichte der Diakonie in Deutschland' sind u. a.: Wie ist es zu diesem beeindruckenden Hilfesystem gekommen, was löste diese Bewegung der Hilfe aus? Wie ist der Zusammenhang zwischen der heutigen Diakonie, ihren neutestamentlichen Wurzeln und dem diakonischen Aufbruch im 19. Jahrhundert? Welcher 'rote Faden' zieht sich durch die Geschichte der Diakonie?

Dr. theol. Georg-Hinrich Hammer leitete einen Verbund diakonischer Einrichtungen. Veröffentlichungen zur Praktischen Theologie, Ethik und Diakoniegeschichte.

Georg-Hinrich Hammer

Geschichte der Diakonie in Deutschland

Verlag W. Kohlhammer

Alle Rechte vorbehalten © 2013 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher Satz: Andrea Siebert, Neuendettelsau Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

ISBN: 978-3-17-022999-0

E-Book-Formate

pdf:

978-3-17-026415-1

epub:

978-3-17-027176-0

mobi:

978-3-17-027177-7

Inhaltsverzeichnis

Fast eine Million

Anstoß und Inspiration

Die Diakonie in den ersten Jahrhunderten

Hilfe als Charisma und Profession

Eine ökumenische Kollekte

Die frühe Diakonie und ihre Finanzierung

Förderung durch Kaiser

Institutionen sichern die Nachhaltigkeit der Hilfe

Die caritas in der Verantwortung des bischöflichen Amtes

Die Rolle der Klöster

Vom hospitium zum Spital

Die Entstehung der Krankenhäuser in der nahöstlichen Kirche

Die ersten Krankenhäuser in Italien

Konzile, Mönche und Regenten fördern die Krankenpflege

Neue Impulsgeber

Martin Tours

Severinus

Wohltätigkeit im mittelalterlichen Deutschland

Die Rolle der Regenten

Neue Vorbilder

Franz von Assisi (1181–1226)

Elisabeth von Thüringen (1207–1231)

Karitative Kontinuität durch Stiftungen und Bruderschaften

Der neue Aufbruch in der Krankenpflege

Die Massenarmut

Die Reformation der Diakonie

Martin Luther (1483–1546)

Martin Bucer (1491–1551)

Ulrich Zwingli (1484–1531)

Johannes Calvin (1509–1564)

Das evangelische Pfarrhaus als neue diakonische Institution

Die Auswirkungen der Reformation: Aufbruch und Abbruch

Not und Niedergang

Pioniere eines diakonischen Christentums

Philipp Jacob Spener (1635–1705)

August Hermann Francke (1663–1727)

Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760)

Johann Friedrich Oberlin (1740–1826)

Die Diakonie im Jahrhundert der Inneren Mission

Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827)

Johannes Daniel Falk (1768–1826)

Christian Heinrich Zeller (1779–1860)

Andreas Bräm (1797–1882)

Theodor (1800–1864), Friederike (1800–1842) und Caroline (1811–1892) Fliedner

Johann Hinrich Wichern (1808–1881)

Clemens Theodor Perthes (1809–1867)

Wilhelm Löhe (1808–1872)

Gustav Werner (1809–1887)

Heinrich Matthias Sengelmann (1821–1899)

Friedrich von Bodelschwingh (1831–1910)

Friedrich Zimmer (1855–1919)

Gemeinde- und Pfarrhausdiakonie im 19. Jahrhundert

Der Central-Ausschuß auf dem Weg vom Freundeskreis zur Spitze eines Verbandes

Förderung durch Regenten

Stützung des Gesellschaftssystems oder Dienst am Menschen in der Nachfolge Jesu?

Diakonie in der Ökumene – Wirkungen und Rückwirkungen

Die Innere Mission im Ersten Weltkrieg

Lesestoff und Sittlichkeit

Die Arbeit der Einrichtungen

Kriegswohlfahrtspflege als Einschnitt

Der Krieg zeigt die Schwachstellen der Inneren Mission auf

Unter veränderten Vorzeichen: Die Innere Mission in der Weimarer Republik

Die Innere Mission und der neue Staat

Innere Mission und verfasste Kirche

Die neue Satzung

Die Innere Mission und die deutschen und internationalen Verbände

Die Arbeitsgebiete der Inneren Mission

Die Lage der Einrichtungen

Die Diakonie unter der Herrschaft des Nationalsozialismus

Die Schwächung der freien Wohlfahrtspflege

Der Angriff auf den Central-Ausschuß und erster Widerstand

Der Zwiespalt in der Frage der Eugenik

Hilfeverweigerung und Hilfe für Mitbürger ohne „arische“ Abstammung

Die Euthanasie und die Innere Mission

Der Kampf ums Überleben

Diakonie in der Nachkriegszeit

Das Hilfswerk

Die Einrichtungen der Inneren Mission

Der Central-Ausschuß nach dem Krieg

Die Neukonstituierung des Verhältnisses von Diakonie und Kirche

Die Diakonie in der Bundesrepublik Deutschland

Diakonie im Gesellschaftssystem der Bundesrepublik

Absterben und Umgestalten: Die Transformation des Diakonissenmutterhauses und der Diakonenausbildung

Die Identitätsdebatte

Tendenz zu diakonischen Großunternehmen

Diakonisches Jahr und Zivildienst

Die Katastrophenhilfe

Der Zusammenschluss von Hilfswerk und Innerer Mission durch die EKD

Brot für die Welt

Dienste in Übersee, Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe und Evangelischer Entwicklungsdienst

Kindernothilfe

Die Diakonie in der Deutschen Demokratischen Republik

Von ersten Eingriffen zum Prozess der Verdrängung

Kooperation und Konfrontation

Diakonie als Modell in beschränktem Raum

Die Bilanz der Verdrängung

Einrichtungen als Orte des Asyls

Gemeinde- und Pfarrhausdiakonie im 20. Jahrhundert

Ein Prozess vielfacher Veränderung

„Mal sehn, was geht“

Literaturverzeichnis

Quellen

Sekundärliteratur

Gesamtdarstellungen, Handbücher und Lexika

Einzeldarstellungen

Verzeichnis der Abkürzungen

Verzeichnis der Namen, Einrichtungen und Dienste

Verzeichnis der Abbildungen

Danksagung

Fast eine Million

Die Einrichtungen der Diakonie in Deutschland stellen fast eine Million Betten und Plätze1 dem Allgemeinwohl zur Verfügung. Sie dienen der Therapie, Krankenhausbehandlung, Pflege, Rehabilitation, Förderung, Beratung, Ausbildung, Erziehung und speziellen Wohnangeboten. Die Träger dieser Leistungen sind 27 083 Einrichtungen und Dienste. 452 592 Mitarbeitende arbeiten im Dienst von Kranken, Senioren, Behinderten, Jugendlichen, Rehabilitanden, Klienten und Auszubildenden. Die Diakonie ist „zu einem der wichtigsten Eckpfeiler dieser Republik geworden“, wie der Diakoniewissenschaftler Johannes Degen feststellte.2 Hinzukommen die weltweiten Aktivitäten der Katastrophenhilfe, von „Brot für die Welt“, der Kindernothilfe, der Christoffel-Blindenmission, des Evangelischen Entwicklungsdienstes, die Hilfsprogramme für Osteuropa sowie kleinere Aktionen und Organisationen der „ökumenischen“ Diakonie.

Diese Statistik des Diakonischen Werkes zählt nur die Einrichtungen und Dienste auf, die Mitglied in einem der Diakonischen Werke der Landeskirchen und der angeschlossenen Freikirchen sind. Nicht angeschlossene Freikirchen und freie evangelische Gemeinden sind jedoch auch diakonisch tätig. Ein Teil von ihnen ist im Bundesverband der Sozialwerke freikirchlicher Pfingstgemeinden zusammengefasst. Ihm gehören derzeit 51 Einrichtungen mit gut 1700 Mitarbeitenden an. Auch die mit keiner Gemeinde oder Kirche verbundenen Einrichtungen, die nach ihrem Selbstverständnis als diakonisch einzuordnen sind, müssen zu den genannten statistischen Angaben hinzugezählt werden, um den gesamten Umfang diakonsicher Arbeit zu erfassen. Damit dürfte bei den Mitarbeitenden eine Größenordnung von 470–480 000 erreicht werden.

Die Arbeit der beruflich Tätigen wird ergänzt durch eine schwer genau anzugebende Zahl von Ehrenamtlichen, die zwischen 400 000 und 500 000 liegt. Dazu gehören zahlreiche Vereine mit diakonischen Aktivitäten ohne einen einzigen beruflichen Mitarbeitenden. Insbesondere gilt dies für die nicht wenigen Fördervereine, die durch ideelle und finanzielle Förderung sowie geeignete Aktivitäten vorhandene diakonische Einrichtungen oder Dienste unterstützen. Viele dieser Vereine sind nicht Mitglieder im Diakonischen Werk und werden von den Statistiken nicht erfasst. Dies gilt ebenso für nur kurzlebige diakonische Initiativen und Aktionen in den Gemeinden. Zusammengerechnet dürften wohl akut knapp eine Million Christen in der Diakonie beruflich oder ehrenamtlich tätig sein.

Die von ihnen geleisteten helfenden Dienste machen jedoch nur ungefähr die Hälfte dessen aus, was Christen in der deutschen Gesellschaft karitativ leisten. Die etwas größere andere Hälfte geschieht durch katholische Einrichtungen und Dienste unter dem Namen der Caritas.

Insgesamt kommen also die christlichen helfenden Dienste auf fast eine Million beruflich und eine weitere Million ehrenamtlich tätiger Mitarbeitender. Sie bilden immer noch das Rückgrat unseres Hilfesystems und zudem den geschichtlichen Sockel des auch von einer Reihe anderer Organisationen getragenen Sozial- und Gesundheitswesens in Deutschland.

Wie ist es zu diesem beeindruckenden Hilfesystem gekommen, was löste diese Bewegung der Hilfe aus? Und: Besteht zwischen der heutigen Diakonie, ihren neutestamentlichen Wurzeln und dem diakonischen Aufbruch im 19. Jahrhundert ein Zusammenhang? Gibt es einen roten Faden der Diakonie durch die Geschichte?

1 Die Einrichtungsstatistik 2010 des Diakonischen Werkes der EKD weist 970 018 Betten/Plätze aus.

2 Johannes Degen: Diakonie im sozialen Rechtsstaat, in: Diakonie im Sozialen Rechtsstaat, Schriftenreihe der Diakonie (Recht/Bd. 3), hg. v. Jörg Winter, Stuttgart 1990, S. 35.

Anstoß und Inspiration

Dass ihr tut, wie ich euch getan habe

Ursymbol des helfenden Handelns bildet die Erzählung vom barmherzigen Samariter. Die Hilfe, die der samaritanische Kaufmann darin dem von Räubern niedergeschlagenen Juden leistet, ist für Jesus beispielhaft für die spontane, von Herzen kommende Hilfe. Das helfende Handeln des barmherzigen Samariters bestand sowohl in der unmittelbaren praktischen Zuwendung zu dem Verletzten wie in der Finanzierung der anschließenden Pflege, die durch den Wirt einer Herberge geschieht. Dieser Hilfsdienst als Veranschaulichung des Gebotes „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ kennt keine Grenzen der Konfession. Juden und Samariter (Samaritaner) waren infolge des konfessionellen Unterschiedes trotz der gemeinsamen Basis der fünf Bücher Mose geradezu verfeindet. Das Anstößige dieser Erzählung liegt sowohl in der Forderung nach einer die traditionellen Grenzen überschreitenden Hilfe wie in der angedeuteten Kritik an den religiösen Instanzen des zeitgenössischen Judentums: Priester und Levit gehen an dem Verletzten vorbei. Ihnen ist die Reinheit für den Gottesdienst im Tempel wichtiger als die Versorgung des Verletzten. Für Jesus war aber offenbar Notfallhilfe höherrangig als Gottesdienst im Tempel.

Handeln und Predigen Jesu entsprachen dieser Erzählung. Jesus von Nazareth trat um das Jahr 30 n. Chr. als Wanderarzt und Wanderrabbi auf, zunächst in Galiläa und dann in anderen Teilen des Landes Israel und der näheren Umgebung Israels. In seiner nur kurzen Wirkungszeit von ein bis zwei Jahren prägten sich seine Taten und Worte tief in das Bewusstsein seiner Schüler und Anhänger ein. Immer wieder wird in den Evangelien berichtet, welche Aufmerksamkeit gerade seine Heilungen und sein Umgang mit Aussätzigen, Frauen, Fremden und Kindern erregte, auch wenn diese Handlungsweise vom religiösen Establishment deutlich kritisiert, ja angefeindet wurde.

Jesus knüpfte zwar an das alttestamentliche Liebesgebot an. Dieses konkretisierte sich in zahlreichen einzelnen Forderungen, die auch bei Jesus aufgenommen wurden, wie Besuche von Gefangenen und Kranken, Kleiderspenden, Aufnahme von Waisenkindern und Gastfreundschaft.3 Die Entschiedenheit der Zuwendung, die Jesus verlangte und lebte, setzte sich aber klar ab von der zeitgenössischen jüdischen Interpretation des Gebotes. Für Jesus wurde das Liebesgebot zur alles bestimmenden Dominante zwischenmenschlichen Verhaltens. Für seine jüdischen Zeitgenossen war es jedoch durch kultisch-religiöse und national-religiöse Vorgaben eingeschränkt. Selbst Jesus rang im Gespräch mit einer kanaanäischen Frau über die Hilfe für deren Tochter mit dieser national-religiösen Einschränkung des Liebesgebotes. Bei der für Juden nicht denkbaren Hilfe für den Sohn des römischen Hauptmanns, des heidnischen Offiziers einer brutalen Besatzungsmacht, erfolgte diese nach den Evangelienberichten ohne Bedenken. Das Gleiche gilt für Heilungen am Sabbat, welche die religiösen Repräsentanten Israels besonders erzürnten. Dabei ging es nicht etwa nur um einen „Normenkonflikt“, um demonstrative Heilungen gegen die religiösen Vorschriften: „Die Sabbatheilungen sind – wie andere Exorzismen und Therapien auch – eben auch schlichte Berichte über die Barmherzigkeit Jesu.“4 Keine Zurückhaltung übte Jesus auch bei dem Kontakt mit Aussätzigen, deren Erkrankung als ansteckend angesehen wurde. Für sie gab es strenge, religiös eingebettete Regeln der Ausgrenzung. Dadurch gerieten sie in eine ausweglose Notsituation, da sie von allen, auch den familiären Hilfen abgeschnitten wurden. Das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe war für Jesus die Essenz der zehn Gebote, des Dekalogs. Er machte dabei deutlich, dass er keineswegs die Regelungen des Dekalogs außer Kraft setzen möchte. Nachdrücklich kritisierte er daher die Umgehung des vierten Gebots: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit deine Tage lang seien auf dem Ackerboden, den Jahwe, dein Gott, dir geben will.“5 Zielsetzung des Gebots war der Schutz des Lebensrechts der ältesten Generation. Das zur Versorgung der alten Eltern zurückgelegte Gut konnte nach einer zum Brauch gewordenen Regel auch den Priestern als Opfergabe übergeben werden. Damit ging jedoch die Absicherung der Ernährung im Alter verloren. Diese Umgehung des Gebotes wurde offenbar vom jüdischen Tempelpriestertum gern gesehen. Mit Verweis auf Moses lehnte Jesus ein solches Vorgehen entschieden ab.6 Das Doppelgebot der Liebe setzte über die Zehn Gebote eine dynamische Motivation, welche die Regelungen desselben und alle anderen menschlichen Regelungen durchdringen und ausgestalten sollte. Jesus ergänzte das Doppelgebot der Liebe durch das Gebot der Feindesliebe und eine besondere Fassung der „goldenen Regel“, einer in verschiedenen Ausprägungen vorkommenden Grundregel für alles Verhalten. Wo wir uns in unseren Verhaltensregeln defensiv zeigen wie in dem Wort „was du nicht willst, dass man dir tu, das füge auch keinem andern zu“ oder eher aggressiv in der Formulierung „wie du mir, so ich dir“, heißt es bei Jesus: „Alles, was ihr von andern für euch getan haben wollt, das tut für sie auch.“7 Diese Form der Goldenen Regel enthält eine Aufforderung, einen inneren Motor. Die Zuwendung zu den Menschen, die uns begegnen, wird angetrieben durch die Wünsche und Vorstellungen, die wir für uns selbst haben.

Heilung des blinden Bartimäus

Jesus zeigte sein Verständnis von Hilfe und Zuwendung in seinen Krankenheilungen sowie seinem Verhalten gegenüber den gesellschaftlich Herabgesetzten (Frauen, Kindern) und Marginalisierten (Behinderten, Kranken, Prostituierten, Fremden, Zöllnern). Er nahm sich des Elends seiner Zeit an, rückte die Elenden und die Hilfe für sie ins Bewusstsein seiner Zuschauer und Hörer. Sein Hilfehandeln galt ihnen mit heilender, aufrichtender, helfender Tat und ebenso auch mit tröstendem, mahnendem, aufrichtendem Wort. Für unser Verständnis von Jesus dürfen wir uns durch das Erscheinungsbild einer Pastoren- und Predigtkirche, durch die dogmatische Hochhebung von Predigt, Sakramenten und Kultus nicht auf die falsche Fährte locken lassen. „Er beginnt seine Tätigkeit eigentlich als Arzt“ urteilt Schalom Ben-Chorin.8 Seine Heilungen sind trotz aller Ausschmückung der Überlieferungsgeschichte nicht zu bezweifeln9: „Daß Jesus Kranke geheilt und befreiende Akte an Geisteskranken vollzogen hat, ist geschichtlicher Tatbestand“ urteilt 1975 der Neutestamentler Walter Grundmann10 und ähnlich auch 2001 Gerd Theißen: „Exorzismen und Therapien lassen sich im Kern … auf den historischen Jesus zurückführen.“11 Jesus war also kein Prediger, der nur zur Veranschaulichung des Gesagten, nur mit Abzielung auf die Zuhörer gelegentlich geheilt hat, sondern es ging ihm, wie die Begegnung mit den Kranken immer wieder zeigte, um diese selbst und die ärztliche und seelsorgerliche Hilfe für sie.

Im Gleichnis vom Weltgericht gab er eine inhaltliche Zusammenfassung für das Hilfehandeln, auf das es ihm ankommt: „Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mich getränkt. Ich bin ein Gast gewesen und ihr habt mich beherbergt. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen und ihr seid zu mir gekommen.“12

Aus dieser Zusammenstellung erwachsen die sieben „Barmherzigkeiten“ als Leitlinie für das diakonische Handeln des Christen, die bis weit in die Neuzeit Bedeutung hatten. Zu den sechs von Jesus genannten Verhaltensvorgaben trat schon bald in der frühen Christenheit als siebente die Aufgabe der Bestattung von Verstorbenen hinzu, die auch bereits in der jüdischen Tradition überliefert ist. Zweifellos kam dieser „Barmherzigkeit“ eine große Bedeutung zu, auch wenn sie nicht auf Jesus zurückgeführt werden kann. Insbesondere in Zeiten von Pestepidemien lagen Tote auf den Straßen und wurden nicht bestattet. Die Aufzählung der Hilfehandlungen im Gleichnis vom Weltgericht bildet eine kunstvollindirekte und dadurch umso stärkere Aufforderung an seine Zuhörer, danach zu handeln. Jesus sah sich nicht als den an, der alle Hilfe selbst zu bewältigen hat. Er rief „Helfer in die Ernte“.13 Die Zeit und die Menschen waren „reif“ für die Hilfe, sie waren „gequält und niedergedrückt“.14 Aus dem Zusammenhang dieser Worte des Matthäusevangeliums wird deutlich, dass es hier nicht allein um die predigenden Erntehelfer gehen kann, die in der Auslegung dieses Textes immer wieder bemüht wurden. Im Vordergrund der sehr anschaulichen griechischen Wortwahl für die Beschreibung des Zustandes der Menschen, denen Jesus begegnete, stand ihre Verletztheit. Diese umfasste offenbar eine soziale und psychische Traumatisierung ebenso wie eine körperliche. Die Begriffe der aramäischen Sprache, die Jesus verwandte, sind leider nicht erhalten. Die griechische Wortwahl des Matthäustextes für die in Matthäus 9,36 beschriebene desperate Verfassung der ihm begegnenden Menschen ist drastisch. Sie seien „scyllarisiert“, d. h. verletzt, wenn nicht zerfetzt und traumatisiert wie die Opfer des Ungeheuers Scylla, von dem Homer in der Odyssee berichtet, und niedergeschmettert15 wie Schafe ohne Hirten. Sie benötigen Hilfe. Genauer gesagt: Hilfe und Hoffnung. Mit den Hilfehandlungen verband Jesus die Botschaft des Beginns einer neuen Zeit: „In ihnen beginnt eine neue Welt.“16 In der Wortwahl Jesu ist es das „Reich Gottes“ oder das „Reich der Himmel“, das mit seinem helfenden Wirken schon unter den Menschen gegenwärtig wird. Der Auftrag an seine Jünger lautete daher: „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, reinigt Leprakranke und treibt Dämonen aus.“17 Dies ist der Urauftrag, den Jesus seinen Jüngern mitgab. Die vitale Hilfe für Kranke ist dabei für Jesus offenbar die wichtigste Konkretion des neuen Lebens nach Gottes Willen, wie sein eigenes Auftreten und die Doppelung: „macht Kranke gesund“ und „reinigt Leprakranke“18 zeigen. Auch das Heilen von Geisteskranken – das Austreiben von Dämonen – kann hier noch hinzugefügt werden.

Jesus hat seinem Auftreten symbolisch und verbal in einer Handlung Ausdruck verliehen, die selbst seinen Jüngern anstößig erschien. Im Johannesevangelium wird diese Szene als bewusste Symbolhandlung dargestellt: Jesus übernimmt die Arbeit eines Sklaven oder Dieners. Es war Brauch, dass ein Diener den Gästen, die von staubigen, schmutzigen Wegen kommend das Haus betraten, die Füße wusch. In dem von Johannes dargestellten Vorgang wäscht nun Jesus seinen Jüngern die Füße und erklärt ihnen diese Handlung mit den Worten: „Wisst ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr und das zurecht, denn ich bin’s auch … Ein Beispiel habe ich euch gegeben, dass ihr tut, wie ich euch getan habe.“19 Die Fußwaschung wird dadurch zum Symbol des dienend-helfenden Handelns der Christen. Petrus, dem als ersten die Füße gewaschen werden sollten, widersetzt sich zunächst, weil eine solche Tätigkeit Sache eines Dieners war. Diese beispielgebende Handlung Jesu wirkte als Vorbild für das dienende Handeln von Christen. Der Dienst für den Nächsten wurde zum Grundbestand christlichen Verhaltens. Die Darstellung der Fußwaschung gehörte schon bald zum Kanon der christlichen Kunst. Spätestens von der Renaissance an wurde sie als Sinn gebende Illustration in Einrichtungen der Krankenpflege verwandt.

Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße

Die im klassischen und hellenistischen Griechisch nicht häufig verwandten Substantive „diakonia“ und „diakonos“ sowie das Verb „diakonein“ verfügten über eine gewisse Bedeutungsbreite, wurden aber vielfach für eine dienende Tätigkeit bzw. die Arbeit von Dienern gebraucht.20 Zwar begegnet die allgemeine Bedeutung auch im Neuen Testament21, die Begriffe erhielten jedoch durch die Botschaft und das Handeln Jesu eine besonders profilierte Bedeutung. Das mit diakonia bzw. diakonein bezeichnete Verhalten kann im Neuen Testament sowohl in einem weiten Sinn den umfassenden Dienst Jesu bezeichnen22 als auch besondere Dienste wie den der Verkündigung durch die Apostel23 und die helfende Tätigkeit in der Nachfolge Jesu.24 Dem letzteren folgt auch der frühchristliche Sprachgebrauch, der häufig mit „karitativen Werken verbunden“ wird.25 Auch wenn die Bedeutung „helfender Dienst“ nicht für das gesamte Vorkommen der griechischen Wortgruppe diakonia gilt, so ist mit dem Neutestamentler Dunderberg festzuhalten: „Es ist gerade dieser Teilaspekt von diakonia, der sich in der Geschichte des Christentums außerordentlich wertvoll erwiesen hat.“26 In der Reformationszeit wird diese Bedeutung des Begriffs prägend für die karitative Tätigkeit in den Kirchen der Reformation.

Helfendes und heilendes Handeln nach der neutestamentlichen Botschaft wird durch das uneingeschränkt gültige Liebesgebot motiviert. Diakonia bleibt dabei nach dem Vorbild Jesu Dienst, Hilfe, die nicht von oben herab geschieht, sondern von unten herauf: dienende Hilfe.

Beispiel und Auftrag Jesu zeigen bis heute nachhaltige Wirkung. Noch 1900 Jahre später antwortete ein Arzt in Afrika einem Patienten, der ihm für seine erfolgreiche Behandlung dankte, „daß es der Herr Jesus ist, der dem Doktor und seiner Frau geboten hat, hier an den Ogowe zu kommen“.27 Jesus wurde zum steten Impulsgeber helfenden und heilenden Handelns. Die Diakoniegeschichte ist in ihrer heilenden und helfenden Dimension die Wirkungsgeschichte seines Geistes. Sie bietet aber auch einen Spiegel menschlicher Schwächen und menschlicher Irrwege.

3 Siehe dazu Ulrich Luz: Biblische Grundlagen der Diakonie, in: Diakonisches Kompendium hg. v. Günter Ruddat und Gerhard K. Schäfer, Göttingen 2005, S. 18–20.

4 Horst Seibert: Diakonie-Hilfehandeln Jesu und soziale Arbeit des Diakonischen Werkes. Eine Überprüfung der gegenwärtigen Diakonie an ihrem theologischen und sozialen Anspruch, Gütersloh21985, S. 35.

5 Übersetzung Martin Noth: Das Alte Testament Deutsch, Teilband 5, das zweite Buch Mose, Göttingen21961, S. 122.

6 Markus 7,8–13//Matthäus 15,3–5.

7 Matthäus 7,12.

8 Schalom Ben-Chorin: Bruder Jesus. Der Nazarener in jüdischer Sicht, München21969, S. 59.

9 So auch Eduard Schweizer: Jesus Christus im vielfältigen Zeugnis des Neuen Testaments, München/Hamburg 1968, S. 18: „Daß allerlei Heilungen durch Jesus vollzogen worden sind, ist nicht zu bezweifeln.“ Ebenso Eduard Schweizer: Jesus, das Gleichnis Gottes. Was wissen wir wirklich vom Leben Jesu?, Göttingen 1995, S. 49–50.Vgl. auch Gerd Theißen u. Annette Merz: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen32001, S. 281.

10 Walter Grundmann: Jesus von Nazareth. Bürge zwischen Gott und den Menschen, in: Persönlichkeit und Geschichte, hg. v. Günther Franz, Göttingen/Zürich/Frankfurt 1975, S. 79.

11 In: Theißen/Merz: Der historische Jesus (s. Anm. 9), S. 275.

12 Matthäus 25,35+36.

13 Matthäus 9,38.

14 Matthäus 9,36.

15 Wie Walter Bauer in seinem Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur, 5. Aufl., Berlin 1963, Sp. 1460 angesichts des vorhergehenden escylmenoi zu der Auffassung kommt, es handle sich hier um ein Niederwerfen ohne Gewaltaspekt, bleibt rätselhaft.

16 Theißen: Der historische Jesus, S. 279

17 Matthäusevangelium 10,7 u. 8.

18 Matthäus 10,8.

19 Johannesevangelium 13, 12 u. 15.

20 Die von John Neil Collins in: Diakonia. Re-interpreting the Ancient Sources, Oxford11990; 22009 vertretene Auffassung, bei diakonia handele es sich sowohl im klassisch-griechischen wie im hellenistischen und neutestamentlichen Sprachgebrauch überwiegend um eine vermittelnde Tätigkeit oder um eine im Auftrag eines anderen zu erbringende Leistung, kann schon für wichtige Belegstellen wie Plato: Politeia 370f. nicht nachvollzogen werden. Worauf Ismo Dunderberg: Vermittlung statt karitativer Tätigkeit? Überlegungen zu John N. Collins’ Interpretation von diakonia, in: Diakonische Konturen im Neuen Testament, hg. v. Volker Herrmann u. Heinz Schmidt, DWI-INFO Sonderausgabe 9, Heidelberg 2007, S. 177 zu Recht hinweist. Zur Bedeutung des griechischen Wortstammes siehe auch: Lutz: Biblische Grundlagen, S. 17–34.

21 So für den Dienst Marthas Lukas 10,40.

22 So Matthäus 20,28.

23 Apostelgeschichte 6,4.

24 Matthäus 25,44 versuchen sich die zu rechtfertigen, die den helfenden Dienst nicht auf sich genommen haben.

25 Dunderberg: Vermittlung statt karitativer Tätigkeit? S. 182.

26 Ebd., S. 183.

27 Albert Schweitzer: Selbstzeugnisse, München 1959, S. 143.

Die Diakonie in den ersten Jahrhunderten

Hilfe als Charisma und Profession

Die neutestamentliche Überlieferung macht an mehreren Schlüsselstellen deutlich, dass helfendes Handeln keineswegs etwas Nachrangiges für die erste Gemeinde war, sondern zu ihrer wesentlichen Identität gehörte. Es war die Identität, die sich im „vernünftigen Gottesdienst“28 des Alltags bewähren musste, von dem Paulus im Brief an die Römer schreibt. Zu den dort aufgeführten Charismen, den Begabungen der Gemeindeglieder, gehört auch die Diakonie, welche die damit begabten Gemeindeglieder ausüben sollten.29 Es fällt auf, dass die Diakonie hier bereits an zweiter Stelle der aufgeführten Begabungen genannt wird. Diese Reihenfolge könnte durchaus die hohe Bedeutung diakonischen Handelns in der Gemeinde zum Ausdruck bringen. In der charismatischen Gemeindestruktur des Paulus waren alle für die Diakonie Begabte zum helfenden oder pflegenden Dienst verpflichtet. Dies schließt nicht aus, dass einzelne dafür besonders Befähigte auch eine herausgehobene Anerkennung durch die Gemeinde fanden und bestimmte Dienste regelmäßig ausübten. Manche Ausleger haben aus dieser Textstelle auf eine sich in den Gemeinde entwickelnde Tendenz zu einem diakonischen Amt geschlossen.30

Neben der Erwähnung von Diakonie als Gabe und Aufgabe begegnet bereits bei Paulus die Bezeichnung „diakonos“, Diakon. In seinem Brief an die Philipper werden Diakone in der Anrede an die Gemeinde aufgeführt.31 Die besondere Anrede spricht dafür, dass es sich bei den Erwähnten um Inhaber eines gemeindlichen Amtes handelte, auch wenn die paulinischen Gemeinden im Übrigen von der Vielfalt amtlich nicht strukturierter Träger von Begabungen geprägt wurden. Im Römerbrief erwähnt der an schwerer chronischer Krankheit leidende Paulus einen weiblichen Diakon namens Phöbe aus Kenchreä,32 deren Hilfe er in eigener Person erfahren hat: „sie ist vielen und auch mir selbst zum Beistand (wörtlich: Beschützerin) geworden.“33 Nach dem Philipperbrief besaßen die Diakone offenbar in den „episkopoi“ Vorgesetzte, denen die Aufsicht über die Gemeinde anvertraut war. Der griechische Begriff „episkopos“ bedeutet Aufseher. Aus ihm ist das deutsche Lehnwort Bischof hervorgegangen. Weiteres erfahren wir jedoch über die Diakone und ihre Tätigkeit bei Paulus nicht. Allerdings verwendet er in seinen Briefen den Begriff „diakonos“ noch nicht als festen terminus technicus ausschließlich für das Diakonenamt, sondern u. a. auch für die Obrigkeit als „diakonos“, als Diener des Guten, oder für sich selbst in einer allgemeinen Dienstrolle. So muss es offen bleiben, ob es sich im Philipperbrief bereits um die Bezeichnung eines festen Amtes mit den Aufgaben der späteren Diakone handelt und im Römerbrief um die erste Erwähnung eines weiblichen Diakonenamtes.34 Es liegt aber nahe, dass die bei Paulus mit dem Wort „diakonos“ Bezeichneten vorwiegend Hilfe für Arme und Kranke leisteten35, neben allgemeiner Hilfe im Gemeindeleben.

In der Apostelgeschichte weisen die Apostel ihre Apostolizität nicht nur durch Predigt, sondern auch durch Heilungshandeln nach, so am Beispiel der Heilung des Gelähmten auf dem Weg zum Tempel.36 Diese Umsetzung des Heilungsauftrages geschah durch die Apostel jedoch nur ansatzweise – von ihnen werden nur wenige „Demonstrationsheilungen“ berichtet. Im Gegensatz zu dem ihnen von Jesus in aller Deutlichkeit vermittelten Vorbild und Auftrag verstanden die Apostel ihre Aufgabe vornehmlich als Berufung zum Weitersagen der Botschaft in der sich bildenden Gemeinde und in der Öffentlichkeit. Die Apostelgeschichte berichtet, wenn auch in beschönigender Darstellung, dass sie der sozialen Herausforderung in der Gemeinde nicht gewachsen waren. Selbst in der immer noch kleinen Jerusalemer Urgemeinde wurde die durch Armut und Hunger bedrängte Lage der griechischsprachigen Witwen von den Aposteln als Leiter der Gemeinde übersehen. Erst ein Aufbegehren der zugewanderten Griechen gegen die „Hebräer“ machte auf diese Vernachlässigung aufmerksam. Die Initiative, welche die Apostel daraufhin ergriffen, führte jedoch nicht zu einem eigenen, direkt helfenden Handeln im Sinne des Auftrages Jesu. Die Apostel halfen sich durch die Einsetzung eines zusätzlichen Amtes. Zusätzlich zum „Dienst des Wortes“ (durch die Apostel) wurde der „Dienst des Tisches“ zur Versorgung der griechisch sprechenden Witwen geschaffen. Gewählt wurden in dieses Amt „Griechen“, wie ihre Namen zeigen. Dahinter mag auch gestanden haben, dass sich die „hebräischen“ Apostel ein direktes Handeln für die „griechischen“ Witwen nicht vorstellen konnten. In der dargestellten Begründung für die Notwendigkeit des neuen Amtes distanzieren sich die Apostel ausdrücklich vom helfenden „Dienst des Tisches“ zugunsten der alleinigen Ausübung des Wortdienstes. Sowohl die offenbar fehlende Bereitschaft, den griechischen Witwen selbst zu helfen, als auch die Trennung von Wort- und Hilfsdienst stehen im klaren Gegensatz zu dem Verhalten und dem Selbstverständnis Jesu sowie zu seinem Auftrag. Am Beispiel seiner Hilfe für den Sohn des römischen Hauptmanns und die Tochter der kanaanäischen Frau praktizierte er ein Hilfehandeln, das religiöse und nationale Grenzen überwand. Auf Vorschlag der Apostel wird ein zweites Amt neben, genauer gesagt – da es bei diesem nicht um Gemeindeleitung ging – unter dem Apostelamt eingerichtet. Nicht der Auftrag Jesu schafft unmittelbar dieses „diakonische“ Amt, sondern eine praktisch-organisatorische Überlegung zur Bewältigung einer besonderen Anforderung, verbunden mit einem klaren hierarchischen Gesichtspunkt. Der Umgang mit dem Wort wird klar über den helfenden Dienst gestellt: Eine Bewertung, welche das Verhältnis zwischen Wort und Dienst, zwischen Amtskirche und Diakonie bis heute in eine Schieflage bringt.

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