Gorans Verschwinden - Pero Löwenherz - E-Book

Gorans Verschwinden E-Book

Pero Löwenherz

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Beschreibung

Leon denkt, er wird nie eine langfristige Beziehung führen können. Dafür sind Schwule in Frankfurt zu oberflächlich. Doch plötzlich meint er, seinen Traummann gefunden zu haben. Alles scheint perfekt und er ist überglücklich. Allerdings verschwindet sein Geliebter eines Tages spurlos und er fragt sich, ob er verlassen wurde. Oder ist etwas Schreckliches passiert? Er macht sich auf die Suche und kommt dabei schockierenden Geheimnissen auf die Spur.

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Freitag, 08.06.2012
Samstag, 09.06.2012
Freitag, 15.06.2012
Samstag, 16.06.2012
Montag, 18.06.2012
Sonntag, 24.06.2012
Freitag. 13.07.2012
Freitag, 27.07.2012
Montag, 30.07.2012
Mittwoch, 01.08.2012
Freitag, 03.08.2012
Freitag, 10.08.2012
Montag, 13.08.2012
Donnerstag, 16.08.2012
Freitag, 17.08.2012
Samstag, 18.08.2013
Freitag, 31.08.2012
Samstag, 01.09.2012
Mittwoch, 05.09.2012
Freitag, 07.09.2012
Freitag, 14.09.2012
Epilog

Gorans Verschwinden

von

Pero Löwenherz

www.perolicious.de

Freitag, 08.06.2012

Wow! Ich konnte es nicht fassen. Aber ich glaubte, ich wäre unsterblich verliebt. Schon lange hatte ich mich nicht mehr so gefühlt. Diesmal war ich mir sicher, es könnte etwas Ernstes daraus werden. Das ist bei Schwulen ja eine ungewöhnliche Sache. Die meisten sind ja leider nur auf einen One-Night-Stand, einen schnellen Fick ohne Bedeutung aus. Wahre Liebe gibt es selten. Ich hatte das leider bis dahin nie erleben dürfen ...

Wenn andere mich sahen, beneideten sie mich, ohne zu wissen, wie schwer ich es eigentlich hatte. Ich bin groß, sportlich, habe dunkles Haar und dunkle Augen, von denen mir meine früheren Lover immer vorgeschwärmt hatten. Ja, ich sehe gut aus. Aber gerade deshalb fand ich keinen festen Freund, keine ernsthafte Beziehung. Alle wollten mit mir in die Kiste, aber sie meinten es nicht ernst. Bisher traf ich nur auf Arschlöcher, die mich betrogen oder belogen hatten. Manchmal wünschte ich, ich gehörte zu den Dicken oder Hässlichen. Solche Schwule finden oft eine ehrlichere Beziehung als die attraktiven. Sie müssen, so fies das jetzt klingt, nicht befürchten, dass ihnen der Freund wegläuft und fremdgeht. Ja, die Szene ist leider so oberflächlich. Wer gut aussieht, hat es leicht, wird man wohl denken. Aber es ist nur leicht, einen ONS, einen One-Night-Stand, zu finden. Stattdessen wollte ich endlich eine ernsthafte, feste Beziehung. Ich wollte den Mann fürs Leben finden.

Und ich glaubte, diesmal hätte ich ihn gefunden. Diesmal würde es etwas Längeres werden, das spürte ich. Goran war unglaublich. Ich hatte ihn in einer Juni-Nacht kennen gelernt und ich fühlte mich ihm bereits dann schon nah. Vielleicht war ich naiv, aber man wird doch Träume haben dürfen. Und solange nicht das Gegenteil bewiesen war, wollte ich seinen Worten Glauben schenken. Aber erst einmal von vorn:

Ich war seit langem mal wieder in der Szene unterwegs. Eigentlich hatte ich diese Oberflächlichkeit satt. Aber mein bester und ebenfalls schwuler Freund Marc wollte mal wieder feiern gehen. Er war auch Single, aber auch nicht wirklich auf der Suche nach einer ernsthaften Beziehung. Deshalb gönnte er sich den schnellen, unkomplizierten Spaß. Zwischen uns lief nichts.

Er ist ein kleiner Vietnamese und ich muss zugeben, ich stehe nicht auf Asiaten - obwohl er für meinen Geschmack sogar ein recht hübscher Asiate ist. Er ist zwar klein, hat dunkle, kurze Haare und natürlich typische Schlitzaugen, aber sein schlanker Körper ist sehr sportlich, was eigentlich total anziehend sein kann. Aber wie schon erwähnt, stehe ich nicht auf Asiaten und ich wollte meine Freundschaft zu ihm auch nicht aufs Spiel setzen. Zwar konnte es passieren, dass wir ziemlich sexy tanzten, wenn wir betrunken feierten und einmal hätten wir uns auch beinahe geküsst, aber gelaufen war noch nie etwas und ich wollte es auch niemals darauf ankommen lassen.

Lange Rede, kurzer Sinn - wir beide waren in der Szene unterwegs. Wir trafen uns gegen 22:00 Uhr an der Konstablerwache in Frankfurt und erstatteten zunächst dem dortigen McDonald's unseren obligatorischen Besuch ab. Denn wenn wir feiern gingen, tranken wir meist auch eine Menge und daher sollte man vorher gut und fettig gegessen haben. Anschließend marschierten wir zum MyZeil, einem Einkaufszentrum in der Frankfurter Innenstadt, und deckten uns beim Rewe mit Wodka und Maracujasaft ein. Wir waren beide arme Studenten und mussten auf unser Geld achten. In den Clubs waren die Cocktails immer so teuer, dass wir uns vorher besoffen hatten und anschließend im Club selbst höchstens ein oder zwei Drinks zu uns nahmen. Ich hatte schon Plastikbecher von zuhause mitgebracht. Mit ihnen schlenderten wir in Richtung unseres Zieles. Wir wollten ins Pulse in der Nähe der Konsti. Das war quasi der Club der Schwulenszene - nicht zuletzt, weil man dort keinen Eintritt zahlte. Und wie schon gesagt, sparten wir Studenten dort, wo es nur ging. Leider gibt es die Location heute nicht mehr.

Aber bevor wir in den Club gingen, setzten wir uns in den dahinter liegenden Park, um unsere Drinks zu genießen. Wir alberten herum und tranken unsere Wodka-Mischungen, lachten viel und unterhielten uns.

Plötzlich sah ich ihn - Goran. Zu dem Zeitpunkt wusste ich seinen Namen natürlich noch nicht. Er lief an uns vorbei in Richtung Pulse. Marc stieß mich von der Seite an und flüsterte mir zu:

»Der sieht aber heiß aus.«

Und damit hatte er vollkommen recht. Er war groß und hatte breite Schultern, die man durch sein eng anliegendes, weißes Hemd sehen konnte (glücklicherweise war es ein lauer Sommerabend). Seine Haare waren etwas länger als meine und leicht gewellt. Besonders hervorstechend und sexy war sein ernster, durchdringender Blick, welcher nicht zuletzt durch seine recht buschigen Augenbrauen hervorgerufen wurden - sowie seine markante, leicht gebogene Nase. Ich erkannte sofort, dass es ein Osteuropäer bzw. ein Jugoslawe sein musste. Er war der Inbegriff der Männlichkeit. Sein Gang und allgemein seine Bewegungen waren nicht tuckig, was mir sofort gefiel.

Aber zu diesem Zeitpunkt dachte ich mir noch nichts dabei. Wir starrten ihm lediglich hinterher und sprachen über seine unübersehbare Attraktivität. Marc scherzte, dass wir ihn vielleicht später im Pulse noch treffen würden, aber für mich stand absolut fest, dass dieser Typ wohl jeden haben konnte. Warum sollte er sich mit mir abgeben? Zudem war ich der Meinung, dass solche Typen genau zu der oberflächlichen Art von Schwulen gehörten, von denen ich im Augenblick nichts wissen wollte. Nach einigen Momenten war der Schönling auch schon quasi wieder vergessen und wir tranken unsere Drinks weiter.

Als wir dann so richtig angetrunken und endlich in der richtigen Stimmung zum Feiern waren, ließen wir unsere Becher, die Wodkaflasche und die leere Saftpackung einfach auf der Parkbank stehen und machten uns auf den Weg ins Pulse.

Wir rissen uns sehr zusammen, da die Türsteher teilweise sehr streng waren und wenn sie bemerkt hätten, wie viel wir schon intus hatten, hätten sie uns sicherlich nicht reingelassen. Aber zum Glück hatte das gut geklappt. Dazu beigetragen hatte sicherlich auch, dass Marc Stammkunde war und sich quasi wöchentlich dort blicken ließ.

Sofort liefen wir in Richtung Tanzfläche - und zwar durch die Tür und dann die Treppen rechts hinunter, wo Popmusik gespielt wurde. Es gab links noch einen frisch renovierten, zweiten Dancefloor, aber dort wurde eher House gespielt, was so überhaupt nicht unserem Stil entsprach. Wir sprangen gleich in die Mitte des Raumes und tanzten los zu Britneys »Piece of me« und genossen den Abend. Wir tanzten auch wieder sehr sexy miteinander, was dann so aussah, dass mir Marc seinen kleinen Hintern entgegen streckte und ich ihn von hinten antanzte und hin und wieder auch seinen Bauch streichelte. Dies musste wahrscheinlich für die meisten um uns herum so gewirkt haben, als hatten wir was am Laufen. Aber diese Meinung ließ sich auch sehr schnell wieder revidieren, denn Marc ließ nichts anbrennen. Und wenn er einen gutaussehenden Boy erblickte, stürzte er sich sofort auf ihn und tanzte ihn ebenfalls an. So auch in der besagten Nacht.

Nach ungefähr den ersten drei Songs war Marc bei einem anderen, sehr hübschen, aber ziemlich tuckigen Blonden gelandet. Für mich wäre so ein androgyner Kerl nichts, aber mein bester Freund stand auf die eher weibischeren Boys. Oder besser gesagt, er stand auf alle Wesen mit drei Beinen ...

Jedenfalls beobachtete ich die beiden und tanzte munter weiter, als ich plötzlich von hinten geschubst wurde. Ich drehte mich leicht erschrocken um und blickte in die wohl schönsten Augen, die ich jemals gesehen hatte. Es war der Kerl, den wir draußen gesehen hatten, der mich nun mit schneeweißen Zähnen entschuldigend anlächelte. Ich konnte ihn dank der lauten Musik nicht verstehen, aber ich konnte ihm von den Lippen ein »Sorry« ablesen. Ich nickte nur verständnisvoll und schon drängte sich der Typ an mir vorbei und verschwand in Richtung Toiletten.

Ich war hin und weg. Er hatte mich berührt. Ich fühlte mich elektrisiert. Ohne großartig darüber nachzudenken, folgte ich ihm aufs Klo. Ich quetschte mich durch die Menge, vorbei an der Bar und in Richtung des Traumtypen.

Zwei Pissoirs und eine Kabine befanden sich in dem winzigen Klo. Da das Häuschen verschlossen war, musste mein Schönling darin sein. Also stellte ich mich an eines der Pissoirs und erleichterte meine Blase, was auch schon dringend nötig gewesen war.

Als ich es so laufen ließ, hörte ich neben mir in der Kabine auch die Geräusche seines Wasserstrahls. Ich war sehr aufgeregt und wusste eigentlich nicht, was ich da tat. Irgendwie dachte ich mir, ich wäre bescheuert. Ich wollte mich doch nie wieder auf so einen Typen einlassen. Wenn er hier unterwegs war, konnte er doch nur so ein eingebildeter Fatzke sein. Was ich mir nicht sehnlichster wünschte, war eine ernsthafte Bindung und keinen One-Night-Stand. Also warum lief ich ihm hinterher - und dann noch auf die Toilette eines Schwulenclubs?

»Achtung, Klischee!«, ertönten meine inneren Alarmglocken.

Ich war gerade dabei, mir den Reißverschluss meines Hosenstalls wieder hochzuziehen, als er aus der Kabine trat. Überrascht erblickte er mich und sprach mich an:

»Es tut mir nochmals leid, dich angerempelt zu haben!«

»Ach, das ist doch nicht so schlimm«, entgegenete ich, »das kann hier leicht passieren.«

»Stimmt, heute ist es für einen Freitag recht voll. Samstags ist hier normalerweise mehr los.«

Er trat zum Waschbecken und wusch sich die Hände, während ich hinter ihm stand und wartete, bis ich dran war. Gerne wollte ich mit ihm weiter reden und daher versuchte ich das Gespräch fortzuführen:

»Also bist du öfter hier?«

»In letzter Zeit schon.« Er trat zur Seite und wie ein Gentleman präsentierte er mir das Waschbecken, um mir zu zeigen, dass es jetzt für mich frei war. Dankend lächelte ich ihn an. Aber als ich mir so die Hände einseifte, schritt er nicht wieder davon, sondern schien auf mich zu warten. Mein Herz klopfte.

»Darf ich dich auf ein Getränk einladen?«, fragte er schließlich und ich hatte das Gefühl, gleich in Ohnmacht fallen zu müssen.

»Gerne«, hörte ich mich antworten, während mir meine Vernunft innerlich »Vorsicht! Billige Anmache!« zubrüllte.

Aber ich ließ es darauf ankommen. An der Theke bestellte er uns zwei Wodka-Energy und reichte mir anschließend das Glas mit dem Strohhalm. Zusammen gingen wir zurück auf die Tanzfläche, wo gerade »We found love« von Rihanna lief. Ich sah Marc noch immer mit dem schlanken Blonden tanzen und da wusste ich, dass er wahrscheinlich noch nicht mal bemerkt hatte, dass ich weg gewesen war. Meine neue Bekanntschaft stellte sich mir gegenüber und gemeinsam wippten wir zur Musik und nippten an unseren Getränken. Er lächelte irgendwie schüchtern und ich fand das sehr süß. Es passte so gar nicht zum ersten Eindruck, den ich von ihm hatte. Er kam mir anfangs so selbstbewusst, männlich und unnahbar vor. Aber gerade in dem Moment hatte ich das Gefühl, er tat das zum ersten Mal.

Irgendwann trat er an mich heran und fragte mich schreiend ins Ohr, wie ich denn überhaupt hieße.

»Leon«, antwortete ich, »und du?« Da verriet er mir, dass sein Name Goran war, was ein jugoslawischer Name ist, wie ich wusste. Ein schwuler Jugoslawe stand vor mir. Auch eine Seltenheit. Wir tanzten weiter und irgendwann trat auch Marc mit seiner blonden Errungenschaft wieder zu uns. Einige Songs lang tanzten wir gemeinsam im Kreis. Marc und der Blonde sehr umschlungen, während Goran und ich uns etwas verhaltener benahmen. Irgendwann zog Marc an dem Strohhalm meines Getränkes, nahm seinen Typen an die Hand und zog ihn von der Tanzfläche. Bevor er die Treppe nach oben verschwand, zwinkerte mir mein bester Freund noch mal zu. Das konnte entweder bedeuten, dass er nun vorhatte, etwas mit dem Blonden anzustellen, oder es war eine Geste, die an mich gerichtet war, mit der er mir zeigen wollte, dass er mich allein ließ mit meinem Schönling, damit ich freie Bahn hatte. Vielleicht war es auch beides.

Wie dem auch sei, ich tanzte noch einige Minuten mit Goran weiter, doch als irgendeine alte und langweilige Schnulze aus den Neunzigern aus den Lautsprechern ertönte, fragte mich Goran, ob wir nicht auch lieber nach oben gehen wollten. Wir könnten uns oben besser unterhalten. Natürlich stimmte ich zu.

Über dem Tanzraum war eine kleine Lounge mit mehreren Sitzecken. Schwarze Sitzwürfel aus Leder luden Pärchen zum Kuscheln oder Freunde zum Quatschen und Trinken ein. Hier oben hörte man die Musik aus dem Dancefloor noch, aber sie war nicht so laut, sodass man sich noch ohne Probleme unterhalten konnte. Eine Kellnerin bediente uns und Goran bestellte uns noch zwei alkoholische Drinks.

Es war nicht das erste Mal, dass ich jemanden im Pulse kennenlernte. Doch normalerweise lief es plumper ab. Ich wurde angetanzt, sogar teilweise unaufgefordert angegrabscht und irgendwann wurde mir mit rauchiger Stimme zugeflüstert, ob ich mit demjenigen aufs Klo verschwinden mochte. Für jemanden, der eine schnelle Nummer suchte, genau das Richtige. Doch ich wollte das schon länger nicht mehr.

Deshalb genoss ich den Moment, mit Goran in der Lounge zu sitzen und mich ohne Hintergedanken mit ihm zu unterhalten. Er machte nämlich keineswegs den Eindruck, lediglich eine schnelle Nummer mit mir schieben zu wollen. Er machte keine plumpen Annäherungsversuche und saß stattdessen einfach so neben mir. Nicht einmal die Andeutung, mir den Arm umlegen zu wollen, machte er. Es war wie in einem Traum.

Wir unterhielten uns natürlich zunächst sehr oberflächlich. Ich erzählte ihm von meinem Anglistik-Studium und dass ich nebenbei in einem Call-Center arbeitete, um mir etwas dazuzuverdienen. An dieser Stelle machten mir meine Dates meist das Kompliment, dass das mit meiner überaus erotischen Stimme perfekt zu mir passen würde. Billige Anmachsprüche eben. Von Goran kam nichts dergleichen.

Er verriet mir hingegen, dass er auch studierte - BWL - und gerade ebenfalls auf der Suche nach einem Nebenjob war. Ich bot ihm an, dass ich mal für ihn im Call Center fragen könnte und das fand er sehr nett.

Die Stimmung war super, und obwohl ich ziemlich angeheitert war, hielt ich mich sehr zurück. Früher hätte ich mich so einem Kerl quasi an den Hals geworfen, aber diesmal war es anders. Ich wollte mir einbilden, dass Goran der Mann meines Lebens werden könnte. Und ich wollte nicht, dass dieser Abend mit einer Bettgeschichte endete, die zwangsläufig dazu führte, dass danach alles vorbei war.

Glücklicherweise schien er denselben Wunsch zu haben, denn es kam zu einer Situation, die er hätte ausnutzen können, wenn er mich lediglich ins Bett kriegen wollte. Und zwar stellte sich im Laufe des Gesprächs heraus, dass er derzeit Probleme mit seinen Eltern hatte und deswegen sozusagen von zuhause rausgeworfen wurde. Sofort bot ich ihm an, dass er bei mir in der WG übernachten konnte, wenn er mochte. Dankend lehnte er ab:

»Das ist sehr lieb von dir. Aber wir haben uns erst kennengelernt. Das wäre nicht angebracht.«

»Oh, Entschuldigung«, versuchte ich meinen Faux-Pas zu retten, »ich wollte dir nicht zu nahe treten.«

»Ist schon in Ordnung. So war das auch nicht gemeint. Du willst nur nett sein. Mach dir keine Gedanken!«

»Aber wo wohnst du derzeit?«

»Ich komme bei Freunden unter. Das geht schon.« Mit seinem strahlendem Lächeln grinste er mich an und spätestens seitdem war es um mich geschehen.

Wir unterhielten uns die ganze Zeit weiter und ich merkte gar nicht, wie die Zeit verging. Goran war ein Gentleman und baggerte mich in keiner Sekunde an. Und doch bin ich überzeugt, dass er mich nicht unattraktiv oder dergleichen fand, sonst hätte er mich vollständig ignoriert und mich nicht auf ein paar Drinks eingeladen, geschweige denn so viel Zeit mit mir verbracht.

Gegen halb vier oder vier tauchte auch Marc wieder auf und forderte mich auf, mit ihm zu verschwinden, da das Pulse jetzt sowieso schließen wollte. Ich war total perplex, dass es schon so spät in der Nacht bzw. so früh am Morgen war.

Goran verabschiedete sich mit zwei Wangenküssen bei mir und versprach, dass wir das unbedingt wiederholen würden. Erst im Nachtbus fiel mir auf, dass wir ja nicht mal unsere Facebook-Namen ausgetauscht hatten, geschweige denn die Handynummern. Trotzdem war ich überzeugt, dass wir uns wiedersehen würden und es mit Goran etwas Festes werden konnte.

Samstag, 09.06.2012

Ich schwebte auf Wolke Sieben und war hin und weg von meiner Begegnung mit dem schönen Goran. Noch am nächsten Tag schwärmte ich Marc von dem Typen vor, der es auf der einen Seite ganz toll fand, dass ich mich mal wieder auf einen Mann einließ, aber auf der anderen Seite es nicht so ernst nahm, wie ich es mir gerne gewünscht hätte.

Marc saß bei mir in der WG auf der Gästecouch in unserer Wohnküche und redete mir ins Gewissen:

»Du hast doch noch nicht mal seine Nummer!«

Damit riss mich mein sogenannter bester Freund aus meiner Traumwelt.

»Ich weiß«, stimmte ich zu, »deshalb muss ich auch heute nochmal ins Pulse. Vielleicht treffe ich ihn wieder und wir können Nummern austauschen.«

»Meine Güte«, beschwerte sich Marc, »du läufst ihm ja wie ein Dackel hinterher. Nein, das geht nicht. Warte mal!«

Er kramte in seiner Umhängetasche und holte sein Tablet-PC heraus.

»Was hast du vor?«, wollte ich wissen, aber er antwortete nicht, sondern tippte auf dem Touchpad herum. Ich setzte mich zu ihm auf die Couch und blickte auf das Display. Er war auf Facebook. Und er tippte in die Suchleiste den Namen meines Traummannes ein. Anschließend fügte er noch »Frankfurt am Main« zu den Suchoptionen hinzu und wartete die Ergebnisse ab.

»Meinst du, das bringt was?«, hinterfragte ich seine Aktion.

»Mist«, antwortete mir Marc, »leider nicht. Es gibt mehr Gorans in Frankfurt als ich dachte.« Mein bester Freund seufzte.

»Natürlich«, bestätigte ich dies, »Goran ist ein häufiger jugoslawischer Name.«

»Den Arbeitsplatz kennst du aber nicht, oder? So könnten wir die Suchergebnisse weiter eingrenzen.«

»Er ist Student und auf der Suche nach einem Nebenjob. Also wird dir das auch nicht weiter helfen.« Innerlich dachte ich mir hinzu, dass es mir nicht weiter helfen würde. Meinem Freund konnte es so ziemlich egal sein.

»Tut mir leid«, entschuldigte sich Marc, »du wirst ihm wohl doch hinterher laufen müssen.«

Mir war das egal. Ich wollte Goran um jeden Preis wiedersehen, auch wenn das bedeutete, dass ich meine Besuche in der Szene zu meinem Leidwesen erhöhen musste. Das war der einzige Anhaltspunkt, den ich hatte.

In dem Moment betrat mein Mitbewohner Jan die Küche, mit nichts mehr an als einem Handtuch um die Hüften.

»Moin, Jungs«, begrüßte er uns und schritt mit nassen Haaren zur Kaffeemaschine. Ich stumpte sofort meinen asiatischen Freund in die Seite, der meinen Mitbewohner ungeniert anstarrte. Jan war ein gutaussehender, groß gewachsener Jurastudent. Er war eher schlacksig und nicht wirklich durchtrainiert, aber seine blonden, schulterlangen Haare und eisblauen Augen fand mein bester Freund sehr attraktiv. So halbnackt sah er fast selbst für mich zum Anbeißen aus. Aber Jan war hetero und darüber hinaus wusste er auch nichts von meiner sexuellen Ausrichtung. Als ich mich gerade mal zwei Monate zuvor um das WG-Zimmer beworben hatte, verschwieg ich dieses Detail - aus Angst, nicht als Mitbewohner ausgewählt zu werden.

Dabei wollte ich das Zimmer unbedingt haben. Es war günstig und die Altbauwohnung war insgesamt ein Traum. Dass meine beiden Mitbewohner zudem keine hässlichen Fratzen waren, war ein kleiner Bonus.

Neben Jan lebte auch Gökhan mit uns in der Wohnung. Gökhan war Türke und studierte wie Jan Jura. Er war kleiner als Jan und ich, trainierte aber regelmäßig im Fitnessstudio und hatte deshalb richtig breite Oberarme. Mit seinen dunklen Haaren, die er stets nach oben gegelt hatte, seinen dunkelbraunen Augen, buschigen Augenbrauen, markanten Nase, seinem Kinnbart und nicht zuletzt mit seinem solariumgefärbten, dunklen Teint sah er so aus, wie man sich einen typischen, südländischen Kanacken vorstellte. Nur von der Art war er genau das Gegenteil. Er war nett, freundlich und zuvorkommend. Seine Manieren waren vortrefflich und so hatte ich keine Bedenken, in die WG einzuziehen. Trotzdem hatte ich vor allem vor ihm Respekt, meine Sexualität offen anzusprechen. Ich glaubte, da hätte Jan sogar mehr Verständnis gehabt.

Trotzdem sollten es die beiden erst einmal nicht erfahren, da ich Angst hatte, dass sie das eventuell hätte einschüchtern können. Am Ende würden sie ihr Verhalten mir gegenüber ändern und das würde sehr unangenehm werden. Ich befürchtete sogar, dass es soweit kommen könnte, dass das gemeinsame Wohnen darunter litt und ich am Ende mein Zimmer doch wieder verlieren würde. Und daher wusste keiner meiner beiden Mitbewohner, dass ich schwul war.

Jan setzte sich mit seiner Tasse Kaffee uns gegenüber an den Küchentisch und schaute uns erwartungsvoll an. Schließlich sprach er:

»Na, was habt ihr heute vor? Geht ihr erneut auf die Piste?«

»Das überlegen wir gerade«, antwortete ich, während Marc fast anfing zu sabbern, während er meinen halbnackten Mitbewohner anstarrte.

»Da gibt es doch nichts zu überlegen«, entgegenete mir Jan schelmisch, »wir sind Studenten und das dazugehörige Dasein ist bestimmt von durchzechten Partynächten.« Er grinste, während er dies sagte. »Gestern war das erste Mal, dass du feiern warst, seitdem du hier wohnst.«

»Normalerweise ist das auch nicht meine Welt - jedenfalls nicht mehr. Früher bin ich gerne feiern gegangen, aber die Zeiten sind vorbei.«

»Mensch, du klingst ja wie ein alter Sack, Leon.« Jan schüttelte den Kopf. »Du bist doch auch erst 22.«

»Da hat dein Mitbewohner recht«, stimmte ihm Marc zu.

»Und wohin geht es heute Abend«, wollte mein Mitbwohner wissen.

»Ins P...«, setzte Marc an, doch schnellstens unterbrach ich meinen besten Freund:

»Ins Odeon!« Mit finsterer Miene blickte ich den kleinen Asiaten an.

»Oje, das ist nichts für mich«, erwiderte Jan kopfschüttelnd. »Ich gehe heute Abend zu einer Studentenparty in Bockenheim. Wollt ihr mich nicht lieber dahin begleiten.«

Marc wollte gerade schon zustimmen, da ihm der Gedanke gefiel, dorthin zu gehen. Doch auch hier musste ich wieder eingreifen und erklären, dass wir leider schon verabredet wären und nicht mehr absagen könnten.

»Weißt du denn nicht mehr, Marc«, blickte ich meinen Kumpel ernst an, »wir treffen dort doch jemanden.«

»Ach ja, stimmt! Das hätte ich beinahe vergessen«, schaltete er endlich.

»Schade, ein paar Freundinnen von mir sind heute auch bei der Party. Da hättet ihr die mal kennenlernen können.« Jan zwinkerte uns beiden vielsagend zu, nahm noch mal einen gehörigen Schluck aus seiner Tasse, stand schließlich auf und verschwand aus der Küche. Aus dem Flur wünschte er uns noch einen schönen Abend und dann hörten wir nur noch, wie seine Zimmertür zufiel.

Augenrollend schaute ich Marc an, der anscheinend nun wieder auf die Erde zurückgekehrt war und verstand, was ich meinte.

»Es tut mir leid, aber dein heißer Mitbewohner vernebelte mir gerade völlig die Gedanken«, entschuldigte sich mein Freund.

»So heiß ist er doch gar nicht«, gab ich zurück.

»Nur weil er nicht so einen durchtrainierten Körper hat wie du oder dein neuer Freund, heißt das noch lange nicht, dass er unattraktiv ist«, versuchte er ihn zu verteidigen.

»So meinte ich das auch nicht«, relativierte ich meine Aussage. »Ist ja auch egal. Jan ist sowieso hetero. Du hast keine Chance.«

»Ach«, winkte Marc mit einer Handbewegung ab, »er wäre nicht die erste Hete, der ich das andere Ufer gezeigt hätte.« Lausbubenhaft grinste Marc vor sich hin.

Schließlich bat ich ihn aber, sich mal wieder auf Goran zu konzentrieren. Wir mussten heute Abend noch einmal ins Pulse und nach meinem Traummann suchen.

Wieder tippte Marc wild auf seinem Tab herum. Ich fragte mich, ob er es erneut auf Facebook versuchte, obwohl wir vorhin besprochen hatten, dass das eine sinnlose Aktion war. Ich blickte auf das Display und sah nur, wie Marc meinem Mitbewohner eine Freundschaftsanfrage schickte.

»Marc!«, stieß ich ein klein wenig verärgert aus.

»Sorry, Leon, aber das musste noch schnell erledigt werden. Jetzt bin ich bereit und mit all meiner Energie komplett bei dir.« Marc hatte das Talent, hin und wieder zu theatralisch zu klingen. Wahrscheinlich waren alle Künstler so (sein Studienfach war Kunst).

Schließlich brachte ich ihn dazu, mit mir in mein Zimmer zu gehen und das passende Outfit für den Abend herauszusuchen. Es sollte wieder warm werden und daher entschied ich mich für ein weißes Slim-fit-Hemd mit kurzen Ärmeln. Dazu zog ich meine rote Jeans und meine weißen Vans an. Ich liebe Accessoires und sammle unter anderem Uhren. Ich hatte eine rote Ice-Watch, die perfekt zu meinen Klamotten passte. An den anderen Arm legte ich mir ein rotes Armband um. Dann stylte ich meine Frisur noch mit Haarspray und fertig war mein Look. Zufrieden blickte ich in den Spiegel. Auch Marc fand, dass ich umwerfend aussah. Er knöpfte mir noch die obersten zwei Knöpfe meines Hemdes auf, sodass ich ein wenig von meiner blank rasierten Brust zeigte.

»Du darfst dir das erlauben«, zwinkerte mir Marc zu »du hast ja einen schönen durchtrainierten Body.«

Als ich mich so im Spiegel betrachtete und mir Goran neben mir vorstellte, kamen mir die Gedanken in den Sinn, dass wir wohl das perfekte schwule Paar abgeben würden. Wir beide waren sehr attraktiv. Unter normalen Umständen hieße so eine Kombination Oberflächlichkeit, Fremdgehen und eine sehr kurz andauernde Beziehung. Beständigkeit sah anders aus. Aber ich gab die Hoffnung nicht auf, dass es diesmal anders sein würde. So wie ich Goran am Vortag kennengelernt hatte, konnte es der Mann sein, den ich suchte.

Wie das Outfit meines besten Freundes aussah, müsste gar nicht erst erwähnt werden. Marc war sowieso sehr modebewusst und ging ungestylt gar nicht aus dem Haus. Er bevorzugte allerdings knallbunte und schräge Outfits. Er trug ein weites, regenbogenfarbenes Muskelshirt, welches locker von seinen Schultern hing. Dazu trug er eine sehr enge Röhrenjeans und seltsame schwarze Schnabelschuhe. Meine Mitbwohner hatten Marc so kennengelernt und da ich ihn als Künstler vorstellte, hinterfragten sie seine sexuelle Neigung nicht weiter.

Der Abend konnte also nun beginnen. Diesmal war es noch recht früh, als wir in die Stadt fuhren. Da ich diesmal recht nüchtern sein wollte, wenn ich Goran begegnen würde, wollte ich nicht vorglühen. Also rief Marc noch ein paar Freunde an, die zu uns stoßen sollten und mit denen er dann sein Wodka-Maracujasaft-Gemisch trinken konnte und mit denen er später weiter feiern würde, falls ich mich mit Goran absetzen wollte.

Unter den eingeladenen Freunden war auch der Blonde vom Vortag. Ich hätte nicht gedacht, dass er und Marc die Nummern ausgetauscht hatten. Der androgyne Junge stellte sich als Luca vor und zum ersten Mal betrachtete ich ihn mir genauer. Er war ungefähr so groß wie ich, wirkte aber dank einer Jedward-ähnlichen Turmfrisur größer als ich. Seine Gesichtszüge waren weich und er hatte eine Stupsnase. Insgesamt sah er sehr weiblich aus - androgyn eben. Wie eine blonde Version von Bill Kaulitz. Seine Klamotten ähnelten denen von Marc. Er trug ein neongelbes, recht weites, ärmelloses Shirt und eine enge, dunkle Jeans. An den Füßen trug er gelbe Chucks. Er benahm sich auch ziemlich tuckig, was absolut nicht mein Typ gewesen wäre, aber Marc flüsterte mir später zu, dass Luca wohl gut küssen konnte.

Hinzu stießen darüber hinaus noch Phillip und Tom, unser schwules Traumpaar aus dem Freundeskreis. Sie hatten das, was ich noch unbedingt haben wollte - eine glückliche, feste Beziehung. Sie waren schon fast zwei Jahre zusammen, was für die Schwulenszene schon sehr lange war. Warum das bei ihnen so gut klappte, vermuteten wir alle zu wissen. Sie waren nicht gerade heiß. Phillip war ein stämmiger Rotschopf und Tom hatte ein großes Akne-Problem. Sie würden es schwer haben, einen anderen, besser aussehenden Kerl abzubekommen und so konnten sie überglücklich sein, sich gegenseitig zu haben. Das klingt unglaublich böse, war aber in der Szene so. Und die beiden schienen auch nicht unglücklich mit ihrer Situation zu sein. Ganz im Gegenteil: Sie waren unser Paradabeispiel einer guten Beziehung.

Als unsere Runde komplett war, verzogen wir uns an den Main. Es war einer der schönen Abende, die wir gerne am Ufer verbrachten, um uns dort ein wenig anzuheitern. Wenn wir den Alkohol vernichtet hatten, zogen wir gemeinsam in Richtung Konstablerwache, vorbei am McDonald's, wo sich das imaginäre Regenbogentor zur Schwulenszene befand.

An diesem Abend konnte ich es kaum abwarten und drängelte meine Freunde, endlich auszutrinken. Doch sie meinten, ich sollte nicht ungeduldig sein. Zusätzlich wäre um diese frühe Uhrzeit sowieso noch nichts im Pulse losgwesen. Da geht es erst nach Mitternacht richtig los und daher hatten wir sowieso noch ein paar Stunden vor uns.

Die anderen waren schon in Feierstimmung und da ich nichts getrunken hatte, setzte ich mich an den Rand des Ufers und ließ meine Beine über den Main baumeln. Hinter mir hörte ich Phillip und Tom, wie sie sich anzickten. Das war normal bei den beiden. In wenigen Minuten war das wieder vergessen und sie würden sich liebend in den Armen liegen. Marc war derweil beschäftigt, Luca mit seiner Zunge die Plomben aus den Zähnen zu holen. So sah es jedenfalls aus, da sie so eng umschlungen auf der Bank saßen und heftig rumknutschten.

»Typisch Marc«, dachte ich mir in dem Moment. Das war häufig der Fall. Er hatte ständig wechselnde Lover und nächste Woche konnte es wieder ein ganz anderer Typ sein. Dann war Luca vergessen und würde nie wieder erwähnt werden. Manchmal fragte ich meinen Kumpel, ob er sich nicht auch nach einer ernsten Beziehung sehnte. Seine Antwort war stets die gleiche:

»Natürlich möchte ich auch eine feste Beziehung. In zehn Jahren. Jetzt fühle ich mich noch zu jung. Ich möchte mein Leben genießen und es voll auskosten. Ich möchte später nicht das Gefühl haben, etwas verpasst zu haben.«

Meine Meinung war genau das Gegenteil. Ich hatte schon zu diesem Zeitpunkt das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Meine Eltern waren schon verheiratet, als sie so alt waren wie ich. Und meine ältere Schwester war auch schon in einer längeren Beziehung, für die ich sie so beneidete. Im Gegensatz zu Marc hatte ich das Gefühl, mir würde die Zeit davonlaufen. Jetzt war ich jung und attraktiv und konnte jeden Kerl haben, den ich wollte. In vielleicht zehn Jahren würde mich keiner mehr haben wollen und dann endete ich als Dauersingle. Jetzt - so war ich der Ansicht - war die richtige Zeit, um den Mann fürs Leben zu finden. Wenn nicht jetzt, wann dann? Vielleicht war es dann irgendwann zu spät.

Als mir das so durch den Kopf ging, während ich am Ufer des Mains saß und die anderen ihren Spaß hatten, beschloss ich schon mal vorzulaufen.

»Wenn ihr ausgetrunken habt, können wir uns ja im Pulse treffen.«

Ich ließ den anderen gar keine Möglichkeit zu widersprechen und schlich mich schnell davon. Mein Herz raste bei dem Gedanken, ich könnte Goran bald wiedersehen.

Ich betrat das Pulse und schaute mich überall um. Es war wirklich noch ziemlich leer dort und nirgendwo erblickte ich meinen Schönling. Enttäuscht, aber erwartungsvoll, setzte ich mich auf einen Barhocker an die Theke vor der Lounge, die zur Tanzfläche mit der eher poppigen Musik führte. Gerade spielte der DJ »What you waiting for« von Gwen Stefani. Sofort bediente mich einer der wirklich attraktiven Barkeeper. Ich bestellte mir einen süßgespritzten Apfelwein. Als ich so dasaß, konnte ich den Blick nicht von der Tür lassen, die die Location in zwei Bereiche teilte. Im Prinzip saß ich nämlich in der Piper Red Lounge. Das Pulse war lediglich der Eingangsbereich und eine Bar mit Restaurant. Die Lounge und der Dancefloor hatten eine andere Bezeichnung. Im Allgemeinen war dieser Ort aber nur unter dem Namen »Pulse« bekannt und niemand machte wirklich einen Unterschied.

Wie auch immer, ich starrte die Tür an und hoffte die ganze Zeit darauf, dass Goran durch die Tür kam. Plötzlich setzte sich ein nach Zigarettenqualm stinkender Endzwanziger oder Anfangdreißiger neben mich.

»Na du«, sprach er mich unvermittelt an. Ich reagierte nicht und wendete meinen Blick auf die Theke. Damit wollte ich mein nicht vorhandenes Interesse an einem Gespräch ausdrücken, aber der Mann ließ sich davon nicht abwimmeln.

»Wartest du auf jemanden?«, fragte er mich.

»Ja«, gab ich kurz angebunden zurück.

»Darf ich fragen, auf wen?«

»Kennst du nicht.« Ich fand den Kerl ziemlich dreist.

»Ich kenne hier jeden, glaube mir.«

Ich schaute ihn an und demonstrierte augenrollend, wie ich diese Aussage von ihm fand.

»Doch«, versuchte er sich zu verteidigen. »Teste mich!«

Um diesen schmierigen Kerl abzuwimmeln, gab ich ihm einen Versuch.

»Goran heißt er.«

»Ja, kenne ich«, sagte er.

Argwöhnisch schaute ich ihn an. Er nickte vielsagend und fuhr fort:

»Gutaussehender Jugoslawe. Dunkle Haare und markante Nase.«