Heidewut - Angela L. Forster - E-Book
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Heidewut E-Book

Angela L. Forster

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Beschreibung

Trügerische Idylle in der Lüneburger Heide. Ein rasanter Kriminalroman mit viel Lokalkolorit und Tiefgang. Die Schneverdinger Heidekönigin verschwindet nach ihrer Krönung spurlos. Auch die Suche in der Hütte im Pietzmoor, ihrem letzten Aufenthalt, ist vergebens. Zwei Wochen später wird ein Ratsvorsitzender auf dem Naturistenweg in Wehlen erschossen aufgefunden. Wem war der Mann ein Dorn im Auge? Und wie hängen beide Fälle zusammen? Als geheime Unterlagen auftauchen und ein zweiter Toter mit einem Schweineschädel auf dem Kopf gefunden wird, stoßen Inka Brandt, Hauptkommissarin aus Hanstedt, und ihr Team auf Zusammenhänge, die die Morde in ein völlig neues Licht tauchen.

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Der Roman spielt hauptsächlich in bekannten Regionen, doch bleiben die Geschehnisse reine Fiktion. Sämtliche Handlungen und Charaktere sind frei erfunden.

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über https://www.dnb.de© 2024 CW Niemeyer Buchverlage GmbH, Hamelnwww.niemeyer-buch.deAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: Carsten RiethmüllerDer Umschlag verwendet Motiv(e) von 123rf.comEPub Produktion durch CW Niemeyer Buchverlage GmbHeISBN 978-3-8271-9767-2

Angela L. ForsterHeidewut

Für Richard– Tempus fugit, amor manet –Die Zeit vergeht, die Liebe bleibt

Prolog

Heideblütenfest in Schneverdingen Ende August –

zwei Wochen zuvor

Suchend fuhren Vanessa Schönfelds Finger über die Rille in der Holzleiste der Hüttentür.

Wo zum Teufel steckte der Schlüssel? Sie sah unter den Blumentopf mit den dunkellila Petunien, die Gießkanne, den Aschenbecher auf dem Verandatisch und den sitzenden Keramikfrosch mit dem „Willkommen“-Schild auf der Brust. Nichts. Verdammt! Wo hatte Vater den Schlüssel nur hingelegt? Das ist eine Sicherheitsmaßnahme, hatte er ihr beim letzten monatlichen Kontrollgang, als sie Wasservorräte und Lebensmittel ausgetauscht hatten, erklärt.

Pah, Sicherheitsmaßnahme. Wer in diese abgelegene Hütte am Pietzmoor reinwollte, kam auch rein. Und warum tauschte er ständig Wasser und Lebensmittel, als würde er einen Krieg erwarten?

Die Fünfundsechzig-Quadratmeter-Hütte gehörte ihren verstorbenen Großeltern. Als Vanessas Mutter vor zwölf Jahren von heute auf morgen verschwand, behielt Vater die Hütte. Oft fuhr er mit der damals Siebenjährigen ins Moor, zeigte ihr die Schönheit wie die Gefahren, die das dunkle, alles verschlingende Gewässer barg.

Als Heranwachsende bekam Vanessa nicht genug von dem faszinierenden Spielplatz. Viele Nachmittage verbrachte sie mit Schulfreunden im Moor. Sie alberten, lernten für die Schule und feierten in der Hütte Geburtstage. Mit zunehmendem Alter avancierte die Hütte für Vanessa zu einem Fluchtpunkt, um heimliche Verehrer zu treffen.

Nur die Schlüsselsuche nervte.

Vanessas Blick blieb an der zitronengelb lackierten Laterne hängen, die am Holzbalken der Veranda baumelte. Auf Zehenspitzen hangelte sie sich in die Höhe und öffnete die Glastür der Laterne. Neben der halb heruntergebrannten Kerze lag der Schlüssel. Endlich.

Ein Lächeln legte sich über ihre Lippen. Mit dem Feuerzeug zündete sie die Kerze an. Schon vom Parkplatz aus würde Jonas, ihr Freund, sehen, dass sie auf ihn wartete. Vanessa raffte den langen weißen Rock, rutschte auf die Porch-Swing-Schaukel und stieß sich mit den Zehenspitzen vom Verandaboden ab. Der laue Sommerwind erfrischte ihr erhitztes Gesicht. Zweiundzwanzig Uhr, noch eine Stunde, dann war sie mit Jonas verabredet.

Wäre da nur nicht dieser Streit gewesen, der beinahe diese wichtige kommende Nacht verhindert hätte. Aber Daniel und Christian, Jonas’ beste Freunde, hatten nicht aufgehört, sie zu bedrängen. Dreimal war sie ihnen höflicherweise auf die Tanzfläche gefolgt, doch sie hatten nicht eingesehen, dass sie, als neue Heidekönigin, nicht für ihr alleiniges Vergnügen zuständig war. Da waren der Bürgermeister, die sieben Herren des Stadtrats, voran Jonas’ Vater, der Ratsvorsitzende Gerd Knöppel, Optiker Beinlich, Erich Lindenlaub aus der Tourismuszentrale, Heiner Wildberg aus dem Reisebüro, der seine Tanzrunde als Erster nach ihrer Krönung angemeldet hatte, und Apotheker Karl-Heinz Lohfinger. Oh je, wenn sie nur an den und seine krummen Beine dachte. Ein Mann wie ein mittelalterlicher Alchemist. Schlabberkleidung, Monokel, Glatze und ein Atem, der nach Gülle stank, als hätte er nicht genug Wässerchen im Arzneischrank, um dem entgegenzuwirken.

Besonders Daniel Nissen, Jonas’ Busenfreund, ein drahtiger Zwanzigjähriger, führte sich auf, als sei Vanessa sein Eigentum.

Du bist das hübscheste Mädchen aus Schneverdingen, hatte er ihr auf der Tanzfläche ins Ohr geflüstert.

Seit der Schulzeit stellte Daniel ihr nach. Allerdings hatte er sich bisher immer zurückgehalten. Hier und da eine Andeutung, ein unverhohlenes Lächeln, eine zufällige Berührung. Einige Male waren Jonas und er deswegen aneinandergeraten. Heute Abend war er zu weit gegangen.

Als er seine Hände auf Vanessas Hinterteil gelegt und nicht daran gedacht hatte, diese zu entfernen, hatte Jonas seinem Freund einen kräftigen Kinnhaken versetzt, sodass der die Treppen des Tanzpodests mit Purzelbäumen hinuntergesegelt war. Nur mit Mühe gelang es Jonas’ und Daniels Vater, die Raufbolde zu trennen, die mit Fäusten auf den Gegner eingehämmert hatten, als hätten sie dafür tagelang geübt.

Das Heideblütenfest galt als Höhepunkt jedes Sommers in Schneverdingen. Touristen, Wochenendurlauber und Einheimische aus den umliegenden Dörfern waren auf den Beinen. Tausende Menschen, die dem viertägigen Fest beiwohnten und die Fest- und Motivwagen, Fußgruppen, Musik- und Spielmannszüge, die durch die Straßen zogen, bestaunten. Seit Tagen füllten sich Hotels, Pensionen und Ferienzimmer auf Bauernhöfen. In den Vorgärten und Stadtrabatten tauchten Kränze, Herzen, Ranken und allerlei künstlerische Gebilde aus gebundener Heide Schneverdingen in ein lilafarbenes Heideblütenmeer.

Vanessa schob eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht, die aus ihrer Hochsteckfrisur gerutscht war. Die Heidekrone hatte sie abgelegt und im Fahrradkorb verstaut, als sie Richtung Moor aufgebrochen war, ebenso den bodenlangen rubinroten Samtumhang. Jetzt musste sie nur noch aus dem weißen Kleid heraus, doch das konnte warten.

Vor neun Stunden hatte ihr die amtierende Heidekönigin auf der Freilichtbühne die lilablühende Heidekrone aufgesetzt und sie zur Nachfolgerin gekrönt. Nun hieß es für Vanessa, zwölf Monate quer durch Deutschland zu reisen und Interessierten die Heideregion näherzubringen. Sie würde Touristik-Messen besuchen, Einweihungen und Empfängen beiwohnen und auf Festen umliegender Dörfer im Mittelpunkt stehen. Für Vanessa wurde ein Mädchentraum wahr. Seit ihrem fünften Lebensjahr wollte sie, wie ihre Mutter in jungen Jahren, Heidekönigin werden.

Pfirsichfarben versank der Tag über der Hochmoorlandschaft und schenkte der Wasseroberfläche eine silbrig glänzende und bizarre Spiegelung aus Grüppchen von Birkenstümpfen, Glocken- und Besenheide, Sonnentau und Torfmoosen. Ein seidiger Schleier wanderte vor den Vollmond, verdeckte sein lachendes Gesicht, während Moorfrösche mit Sumpfohreulen ihr Abendlied anstimmten.

Vanessa atmete tief ein. Der Geruch feuchter Torferde und süß duftender Jasminblüten mischte sich mit warmer Abendluft und ihrer Erwartung auf die kommende Nacht. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und verzog sich, als sie an das Gespräch dachte, das sie mit Jonas führen musste und das keinen weiteren Aufschub duldete. Viel zu lange hatte sie geschwiegen, und sie hoffte inständig, dass es noch nicht zu spät war.

Aus der Stadt wehte der Wind die Töne der Musikzüge herüber, die die Kinder mit ihren kerzenlichtscheinenden Laternen sowie zahlreiche Fackelträger der Freiwilligen Feuerwehr vom Rathaus bis Ortsausgang Verdener Straße geleiteten.

Erneut sah Vanessa auf ihre Armbanduhr. Noch eine halbe Stunde. Erwartungsvoll blickte sie über den Steg zum Parkplatz. Kein Auto in Sicht.

Als sie von der Schaukel aufstehen und in die Hütte gehen wollte, entdeckte sie ein rundes Licht ähnlich einer Fahrradlampe zwischen den Bäumen auftauchen. Unwirklich flackerte der gelbe Schein in der Dunkelheit. War das Jonas? Er wollte doch mit dem Auto fahren und Wein, Baguette und gegrilltes Huhn mitbringen, so wie sie es im vergangenen Jahr in der Bretagne an der Küste bei La Mine d Or in den Dünen im warmen Sand gegessen hatten.

Das Licht flackerte heller, und Vanessa erkannte deutlich ein Fahrrad, das über die Holzbohlen Richtung Hütte rumpelte. Nur wer war das? Ein einziger Steg führte zur Hütte, und der war ein Privatweg. Hatte sich jemand verfahren? Durch das Pietzmoor führte ein fünfeinhalb Kilometer langer Rundweg aus Holzbohlenstegen. Die Gegend war ein Anziehungspunkt für Naturliebhaber, vor allem bei Sonnenaufgang und in den Abendstunden.

Seit Jahrhunderten galt das Moor als Sitz von Geistern und Göttern und als Pforte zum Jenseits. Viele unterschiedliche Rituale waren hier vollzogen und unzählige Menschen- und Tieropfer dargebracht worden. Immer wieder loderten alte Geschichten durch die Lüneburger Heide. Anhänger verschiedener Religionen streiften bei Vollmond durch das Moor, tanzten in weiten weißen Gewändern und sangen in merkwürdig fremder Sprache Leierlieder.

Vanessa erschauderte. Sie war weder abergläubisch noch ein Angsthase, und sie kannte das Moor von Kind auf. Aber heute, in später Abendstunde, allein im Moor, mit einem Unbekannten, der immer näher kam, wurde es ihr doch etwas unheimlich. Vor allem, da es nicht Jonas war, der da auf dem Fahrrad saß. Die Gestalt trug keine farbenprächtige Tracht wie ihr Freund, der auf dem Motivwagen die Jugendgruppe der Schützen aus Schneverdingen präsentiert hatte, sondern war von Kopf bis Fuß dunkel gekleidet.

Vanessas Herz begann zu rasen, und Schweißtropfen bildeten sich auf ihrer Haut. Ihre Finger schlossen sich fest um den Schlüssel in ihrer Hand. Ob sie in die Hütte gehen und die Tür versperren sollte? Vielleicht hatte der Fahrer sie ja noch nicht gesehen und würde umkehren, wenn er merkte, dass es nicht weiterging, dass die Hütte am Ende des Stegs lag. Oder hatte jemand von ihrem Hofstaat geplaudert und ihrem Vater das Treffen mit Jonas verraten? Und jetzt war er auf dem Weg zu ihr? Nein. Er würde, wie er es immer tat, mit dem Auto zum Parkplatz fahren und zu Fuß zur Hütte gehen. Und er hätte sie auf ihrem Handy angerufen oder ihr eine WhatsApp-Nachricht geschickt. Außerdem hatte sie ihm gesagt, sie würde bei ihrer Freundin Martina schlafen. Nicht, dass sie das in ihrem Alter müsste, doch für ihren Vater war Vanessa sein Ein und Alles, und manchmal verhielt er sich wie eine Glucke mit Scheuklappen, die nicht sah, dass ihr Küken flügge geworden war. Und Jonas, dem Sohn von Gerd Knöppel, dem Schneverdinger Ratsvorsitzenden, traute er kaum über den Weg, was auf einem zurückliegenden Missverständnis beruhte.

Vanessa hasste Schwindeleien gegenüber ihrem Vater, heute mussten sie sein. Was sie erfahren hatte, durfte sie Jonas nicht vorenthalten, und sie brauchte diese kleine Notlüge. Und sie brauchte Martina, ihre beste Freundin, die ihr heute aus der Patsche half.

Mit zusammengekniffenen Augen starrte sie auf das Fahrrad und die Gestalt, die ihr in Entfernung von zwanzig Metern entgegenradelte.

„Schatz, bist du es?“, rief sie dem Fahrradfahrer entgegen, ohne Antwort zu erhalten.

Noch fünfzehn Meter, zehn Meter, fünf Meter, dann sah sie, wer sich ihr über die Bohlen in der Dunkelheit näherte.

Kapitel 1

Zwei Wochen später

Die Lüneburger Heide erwachte zum Leben.

Der leichte Nebeldunst, der ihn noch vor einer halben Stunde auf seinem Weg von Wehlen über den Naturistenweg begleitet hatte, verzog sich. Er liebte es, sich bei Anbruch der Morgendämmerung in seinen Wagen zu setzen, von Schneverdingen nach Wehlen zu fahren und den Naturistenweg mit dem Fahrrad, das er immer im Kofferraum transportierte, abzufahren. Die Stille der Wegstrecke, das Gefühl, allein in Gottes freier Natur zu sein, genoss er. In einer Stunde, um acht Uhr, würde er bereits wieder im Schneverdinger Rathaus sitzen und sich launische Bürgerproteste anhören.

Und dann war da ja noch die für zehn Uhr von Ruth Jankowitz, der zweiten Ratsvorsitzenden, einberufene außerplanmäßige Sitzung, an der Gremiummitglieder des Ausschusses von Asendorf und Schneverdingen teilnahmen. Gestern hatte er Ruth angerufen und nach dem Thema gefragt. Es sei wichtig für die Gemeinden und die gesamte Lüneburger Heide, hatte sie knapp geantwortet. Sie wolle nicht alles doppelt und dreifach erzählen. Er solle geduldig die Sitzung abwarten.

Ruth Jankowitz war nicht nur zweite Ratsvorsitzende im Schneverdinger Ausschuss, sondern auch Mitglied im Asendorfer Gremium, das mit der Gemeinde Dierkshausen und einem eigenen Ratsausschuss verbunden war. Darum kam ihm diese Heimlichtuerei besonders merkwürdig vor. Bisher hatte es nie gemeinsame Gemeinderatssitzungen gegeben. Ein mulmiges Gefühl kroch in seinen Magen. Denn wenn es um das ging, was er vermutete, würde es im Sitzungssaal heiß hergehen. Er musste sich seine Antworten genau überlegen.

Schnaufend erreichte Gerd Knöppel seinen Wagen. Er stieg vom Fahrrad ab, stützte sich auf den Lenker, verharrte einen Augenblick und zwang sich, ruhig einzuatmen. Ein paar Kilo weniger wären nicht schlecht. Dennoch war er ein gesunder Zweiundfünfziger, der als alles andere als unsportlich galt. Er atmete noch einmal kräftig durch, nahm den Duft trockener Erde und herben Wacholders wahr, der erahnen ließ, wie die Sonne den Tag weiter aufheizen würde. Seit Tagen warnte die örtliche Feuerwehr vor erhöhter Waldbrandgefahr und bat, keine Zigaretten wegzuwerfen oder Lagerfeuer anzuzünden. Doch immer wieder kam es zu kleineren Bränden, weil jugendliche Wildcamper die herausgegebenen Warnungen missachteten.

„Guten Morgen, Herr Ratsvorsitzender Knöppel“, hörte er eine Stimme hinter seinem Rücken, als er die Halterung des Klapprades entriegelte, um es im Kofferraum zu verstauen.

Gerd Knöppel richtete sich auf und betrachtete die Gestalt in Jägerkleidung, die hinter dem Informationsglaskasten und der ausgeschilderten Wandertafel mit einem Gewehr in der Hand hervortrat.

„Guten Morgen. Haben Sie Interessantes vor die Linse gekriegt?“ Knöppel nickte zum Fernglas, das der Gestalt um den Hals hing. Ein schäbiges Lachen kroch ihm aus der Kehle. Es war nichts Neues, dass Neugierige beiderlei Geschlechts den Naturistenweg beobachteten, ob auf dem Wanderweg oder verborgen hinter Sträuchern und Bäumen.

„Nein. Ich bin auf der Jagd.“

„Ach ja. Ich dachte, die Treibjagd beginnt heute Morgen erst um zehn Uhr.“ Knöppel drehte sich gelangweilt um, verstaute das Pedelec-Rad im Kofferraum und verdeckte es mit einer rot-blau karierten Wolldecke. Es scherte ihn nicht, dass er bis auf seine Wanderschuhe nackt war. Man kannte ihn und seine Vorliebe für die Freikörperkultur. Schließlich hatte er im Rathaus dafür gekämpft, damit die Zehn-Kilometer-Strecke von und zurück nach Wehlen nach langem Für und Wider für Anhänger der Naturismuskultur freigegeben wurde.

„Ich bin auf Menschenjagd.“

„Soll das ein Scherz sein?“

Gerd Knöppel lachte laut und kräftig auf. Im Fahrradspiegel sah er, dass die Gestalt auf ein paar Meter an ihn herangetreten war. Er richtete sich auf und drehte sich der Stimme entgegen. Ein Gewehrlauf zielte auf seinen Brustkorb. Er war zu verwirrt, um die Gefahr, in der er schwebte, sofort zu erkennen. Während er seine Gedanken ordnete und in die starren Augen seines Gegenübers sah, verstand er allmählich, dass er als Hauptperson in diesem Schauspiel agierte.

„In dir steckt der Teufel höchstpersönlich.“

Das waren die letzten Worte, die er hörte, bevor er auf dem Waldboden zusammensank.

Kapitel 2

Inka Brandt schielte auf die digitale Anzeige ihres Radioweckers, der Al Stewarts Song „Year of the Cat“ spielte. Kurz nach sieben. Sie streckte die Arme in die Luft und gähnte. Als die erste Sequenz eines Piano-Solos eingespielt wurde, stürmte Paula ins Schlafzimmer.

„Mama, Mama, wir fahren heute Schiff.“

„Ja, Paula“, entgegnete Inka, zog die Vierjährige zu sich ins Bett und strich ihr die blonden Locken aus dem Gesicht. „Und ich freue mich schon sehr, sehr, sehr.“ Sie drückte die Kleine an sich und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. „Wir gehen an den Strand baden, beobachten Seerobben, essen ganz viel Eis und …“ Bevor Inka aussprechen konnte, klingelte ihr Handy. Ihr Arm hangelte über Paulas kleinen Körper hinweg zum Nachttisch. „Brandt“, sagte sie, ohne auf die Anruferkennung zu sehen.

„Ich bin es, Inka. Mark. Was ein Glück, dass du noch zu Hause bist. Wir brauchen deine Hilfe.“

„Nein, Mark, was ihr auch immer braucht, ich bin es nicht. Ich hab vier Wochen Urlaub und Paula versprochen, diesen mit ihr am Meer zu verbringen. Unsere Koffer sind gepackt“, Inka schielte über Paulas Köpfchen zu den mit Schmetterlingen bedruckten Glanzlackkoffern, „und nichts hält uns davon ab, in zwei Stunden mit dem Katamaran von den Hamburger Landungsbrücken nach Helgoland zu tuckern. Und weil wir uns beeilen müssen, werde ich jetzt auflegen.“ Sie zog die Bettdecke über Paula und ihren Kopf und kuschelte sich an ihre Tochter.

„Inka, wir haben einen Leichenfund“, hörte sie ihren Kollegen genau das sagen, was sie vier Wochen lang nicht hören wollte.

„Ich sollte mir ernsthaft überlegen, mit Paula auf der Insel zu bleiben“, warf sie ihm durch den Hörer entgegen.

„Hör auf zu witzeln, wir brauchen dich. Wir haben einen Toten.“

„Wer ist er?“ Fragen konnte sie ja.

„Ratsvorsitzender Gerd Knöppel. Er liegt in Wehlen, erschossen. Darum rufe ich dich an.“

„Gerd? Ach du Scheiße! Entschuldigung“, setzte sie hinterher, als Paula ihre Stirn krauszog und ihren Zeigefinger drohend an Inkas Mund drückte. „Aber ich wollte …“ Sie schob die Hand der Kleinen von ihrem Mund, deren zierlicher Zeigefinger sich zusätzlich in ihre Nase bohrte.

Der Schneverdinger Ratsvorsitzende Gerd Knöppel galt als einflussreichste Persönlichkeit, wenn es sich um die Belange der Höfe auf umliegenden Dörfern handelte. Für den Sundermöhren-Biohof, den ihre Schwester Hanna mit deren Ehemann Tim seit vier Jahren, nach Übernahme von ihren Eltern, bewirtschaftete, übernahm er alle Formalitäten. Er war der Jagdkumpan ihres Vaters und ihr Patenonkel. Ein Amt, das er in den letzten zehn Jahren allerdings nur auf dem Papier ausgefüllt hatte, da zwischen den elterlichen Geschwistern Funkstille herrschte.

„Ich komme, Mark. Aber ich verspreche nicht, zu bleiben.

Verstanden?“ Sie kroch unter der Decke hervor.

„Verstanden. Ich warte auf dich in Wehlen am Naturistenparkplatz“, sagte Mark und: „Danke.“

Nachdem Inka ihre Tochter angezogen und ihr erklärt hatte, wie wichtig es sei, dass sie später losführen, rief sie Tilly, die Tagesmutter an. Sie könne Paula bringen, aber solle die Badesachen nicht vergessen, da sie mit den Kindern frühzeitig zum Baden an den Baggersee wolle, bevor das Wetter umschlug. Es solle Regen geben.

Inka atmete auf und sah in den strahlend blauen Himmel. Auf dem Sundermöhren-Hof herrschte Hochbetrieb. Eine Busgruppe Gäste war für elf Uhr angekündigt. Hanna, Inkas Schwester, reinigte die letzten Ferienzimmer, und Tim, ihr Schwager, war dabei, einen Wilseder Roten aus seiner Herde zu schlachten. Beide hätten Paula weder beaufsichtigen noch hätte sie ihre Tochter zu einem Leichenfundort mitnehmen können. Inka hob Paula in den Kindersitz, schnallte sie an und fuhr los. Die Sonne brannte schon jetzt am frühen Morgen durch die Frontscheibe und blendete sie, als sie die Heimbucher Straße hinunterfuhr. Sie hielt vor Tillys Haustür im Stiller Weg, wo Tilly und alle anderen vier Kinder sehnsüchtig auf sie warteten. Von Undeloh bis Wehlen war es über die Gemeindestraße ein Katzensprung. Sie lenkte den Golf auf die rechte Abzweigung über den einspurigen geteerten Weg, vorbei an leuchtend grünen Maisfeldern, deren Ernte in den nächsten Tagen bevorstand.

Am Anfang der Parkplatzschneise des Naturistenwegs hielt sie hinter Teresas neuem Wagen an. Sie hatte ihren Jeep, der ständig mit Kinderkrankheiten kämpfte und einer Werkstatt, die unmotiviert war, diese zu beseitigen, endlich verkauft. Auch der VW-Bus der Spurensicherung war eingetroffen. Wie mannsgroße weiße Käfer schwirrten Fridolin Kärcher und sein Team in ihren Schutzanzügen durch das Unterholz.

Inka stieg aus und registrierte Marks biergelben Mini hinter dem VW-Bus. Fritz Lichtmanns Wagen konnte sie nicht entdecken.

„Morgen, Mark“, sagte sie und hob grüßend die Hand zu Fridolin und seinem Team. „Morgen, Terry.“ Inka bückte sich zu der Rechtsmedizinerin und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.

„Morgen, Süße. Na, das war’s dann mit deinem Urlaub. Oder?“

„Wir werden sehen. Auf welcher Seite liegt er, noch in unserem Zuständigkeitsbereich oder gehört er schon den Soltauer Kollegen? Was meint ihr?“ Inkas prüfender Blick ruhte auf dem Toten, der nackt, auf dem Rücken ausgestreckt, nur mit Socken und braunen Trekkingschuhen bekleidet auf dem Waldboden hinter seinem Wagen lag.

„Keine Ahnung, aber ich denke, es wird unser Fall. Oberhälfte bis Bauchnabel liegt in unserem Bereich“, antwortete Oberkommissar Mark Freese.

Ein Auto rollte heran, hielt hinter Inkas Golf. Fritz Lichtmann, der Chef der Hanstedter Wache, stieg aus.

„Morgen, Fritz. Wie siehst du das? Gehört mein Onkel uns oder den Soltauer Kollegen? Wer bekommt das größte Stück?“, wollte Inka von ihrem Chef wissen, der schwungvoll aus seinem Wagen gestiegen war und inzwischen in Kopfhöhe neben der Leiche stand.

Fritz Lichtmann sah man seine dreißig Dienstjahre nicht an, vielleicht, weil ihn keine Grausamkeit mehr erschütterte. Mit seiner Gelassenheit hätte er auch als Klempner, Schornsteinfeger oder Bäcker durchgehen können, der vor seinem Ofen in der Backstube stand und wartete, bis der Butterkuchen Bräune zeigte. Dennoch war Inka dankbar, dass ihr Chef sich nicht nur hinter den Schreibtisch verkrümelte, Anweisungen durch den Raum schleuderte und aussah, als ließe er die Welt an sich vorbeiziehen.

„Morgen, allesamt.“ Lichtmann nickte Inka, Mark und der Rechtsmedizinerin Teresa Hansen zu, die in der Hocke am Toten ihre Arbeit verrichtete. „Was für eine Ruhe hier im Wald am frühen Morgen“, sagte er und holte tief Luft. „Uns gebührt die größte Hälfte, die mit dem Loch in der Brust.“ Er warf einen schnellen Blick auf die Leiche und stapfte über nebelfeuchten Waldboden zum geöffneten Kofferraum des Wagens. Mit Schwung zog er die Wolldecke vom Fahrrad, schob seine randlose Brille mit dem dünnen Titangestell auf die Stirn und betrachtete mit zusammengekniffenen Brauen die Reifen des Rades.

„Wer hat meinen Onkel gefunden?“, wollte Inka von Mark wissen.

„Ein Tourist, oder nennen wir ihn einen neugierigen Touristen, der zufällig am Parkplatz der Naturisten vorbei geschlendert ist.“

„Diese dämlichen Gaffer“, sagte Inka. Warum der Naturistenweg ein Anziehungspunkt für heimliche Zuschauer war, entzog sich ihrer Vorstellung. „Und wo steckt dieser Tourist, der sich zufälligerweise zu den Nackten verirrt hat?“

„Er sitzt im Hotel ‚Ferien auf der Heid‘, unten Anfang Wehlen. Kollege Amselfeld ist bei ihm.“

„Was macht ein Zeuge im Hotel? Warum ist er nicht hier?“ Mark zuckte die Schultern.

„Was ist mit der Tatwaffe und dem Projektil?“

„Tatwaffe ist ein Gewehr, welches Fabrikat, sagen dir die Kollegen der KTU, wenn ich das Projektil habe, das noch im Körper steckt“, antwortete Teresa und drehte den Toten seitwärts.

„Und Fridolin und sein Team suchen die Hülse“, ergänzte Mark und wandte den Blick zu den Kollegen der Spurensicherung, die mit gesenkten Köpfen in ihren Schutzanzügen durch das Naturschutzgebiet streiften.

„Hier, seht“, sagte Fritz Lichtmann. „Auf den Fahrradreifen kleben Erde und Blattzeug. Das heißt, er hatte seine frühmorgendliche Runde hinter sich, als er erschossen wurde.“

„Und er hat nicht nur eine Ladung abgekriegt“, ließ Teresa verlauten. Sie drehte den Toten ein Stückchen weiter. „Die erste Kugel aus dem Gewehr erwischte ihn über dem linken Rippenbogen, ein Streifschuss, gewaltig, aber nicht tödlich. Die Hülse müsste dort hinten liegen, falls der Täter sie nicht mitgenommen hat.“ Teresa hob den Arm Richtung Knöppels Wagen. „Aber erst der zweite Schuss traf ihn ins Herz. Genaueres nach meiner Untersuchung.“

„Was bedeutet, er hat nur einen Warnschuss erhalten, oder der Täter traf nicht zielsicher. Wer mag das getan haben, ein anderer FKKler?“, überlegte Inka laut und sah sich um.

Der Parkplatz war kein üblicher Parkplatz, sondern ähnelte einer größeren Waldschneise, eingewachsen von Bäumen und Büschen. Ein schmaler, geteerter Weg führte ein Stück geradeaus, und ein sandiger, teils mit Gras verwucherter Pfad führte rechts und links in den Wald hinein.

„Können wir einen Raubmord ausschließen?“, fragte sie an Mark gewandt.

„Ich denke, ja. Seine Kleidung und Aktentasche liegen im Wagen.“

„Was ist drinnen?“

„Das, was ein Ratsvorsitzender für die Arbeit braucht. Papiere, Brotdose, Handy. Wir nehmen die Tasche mit und werten sie auf der Dienststube aus.“

„War das Handy an?“

„Nein. Ich schick es in die KTU.“

„Gut. Hat einer von euch weitere Naturisten gesehen, die unterwegs waren?“

„Bisher ist keiner aufgetaucht. Ist ja gerade acht Uhr“, antwortete Mark. „Aber was nicht ist, kann ja noch werden.“ Er grinste.

„Heute kommt keiner mehr. Es ist eine Treibjagd angesetzt, habt ihr die Warnschilder nicht gesehen?“, fragte Fritz Lichtmann.

„Natürlich.“ Mark nickte zum Anfang des Waldwegs, wo ein kniehohes weißes Dreieck mit rotem Rand und schwarzer Schrift mahnte, den Wald zu Treibjagdzeiten nicht zu betreten.

„Aber die Jagd beginnt erst ab zehn Uhr.“

Inka winkte einen Spusikollegen heran. „Sperrt alles ab. Ab hinten beim Knick bis unten zu den Maisfeldern auf der linken und rechten Seite.“ Ihr Arm wies über die Parkplatzschneise hinunter nach Wehlen über die Maisfelder und die Weide.

„Klar, sofort“, sagte der Kollege.

Inka wandte sich an Mark. „Sag mal, Mark, die Jäger fahren doch hier am Parkplatz nur vorbei und biegen dann hinten, fern des Naturistenwegs, rechts ab. Ab da verteilen sich die Reviere.“

„Wenn du es sagst.“

„Weiß ich von meinem Vater. Wer von den Jägern hat die Schilder heute Morgen aufgestellt?“

„Keine Ahnung, muss ich fragen. Meinst du, es war ein Jagdunfall?“

Inka ging in die Hocke und gab Marks Frage an die Rechtsmedizinerin weiter.

Teresa Hansen nickte nachdenklich, dann sagte sie: „Die Schüsse sind aus höchstens drei bis fünf Metern abgefeuert worden. Einen Jagdunfall schließe ich aus. Wer seinem Gegenüber so nah ist, der weiß, dass sich kein Wildschwein oder Sechsender vor der Flinte befindet. Außerdem sollte die Treibjagd erst um zehn Uhr beginnen. Und da die Körpergröße …“ Teresa legte ihr Maßband an die Schuhspitze des Toten. „Halt fest, Mark“, sagte sie und zog das weiße Band bis zu Knöppels Scheitel. „Er war einen Meter fünfundsiebzig.“ Sie winkte Enrico von der Spurensicherung heran. „Stell dich hierher, Enrico. Wie groß bist du?“

„Einen Meter fünfundsiebzig. Warum?“

„Frag nicht, mach. Also“, setzte sie fort, „gehen wir davon aus, der Tote hatte die gleiche Größe wie Enrico, es wurde aus drei bis fünf Metern Entfernung geschossen, dann ist euer Täter ebenso groß wie das Opfer oder höchstens drei Zentimeter kleiner oder größer. Die Schussrichtung, beachten wir den Winkel, dürfte von da drüben gekommen sein. Niemals war das ein Jagdunfall.“ Teresa wies mit dem Arm zu dem hölzernen Infokasten, der Wanderern auf ihrem Heideweg Hilfestellung bot.

„Braucht ihr eine Laseranalyse?“, fragte Enrico, als Teresa ihre Messung beendet hatte.

Teresa sah zu Inka. „Entscheide du, ich bin mir zu neunundneunzig Prozent sicher, dass der Täter nur am Infokasten gestanden haben kann.“

„Danke, Enrico. Wir haben alles“, sagte Inka und nickte zu dem Kollegen der Spusi hinüber.

„Ich bin hier fertig.“ Teresa stand aus der Hocke auf. „Der Rest ist eure Sache.“

„Unsere Sache, ja.“ Inka stützte die Hände auf die Oberschenkel und erhob sich ebenfalls. Sie sah in die Waldschneise. Hinter den Sträuchern und Bäumen hatte der Täter ein gutes Versteck. Wer hier platziert auf Gerd Knöppel gewartet hatte, blieb unbeobachtet. „Ich verstehe nicht, warum ein Mord immer in unserem Zuständigkeitsbereich passieren muss. Als läge ein Fluch auf Undeloh und Umgebung.“ Inka stöhnte. „Wie sieht’s aus mit Fußspuren, Enrico?“

„Genügend. Einmal von dem Toten, haben wir verglichen, ebenso die zweiten Abdrücke des Touristen. Die dritten Abdrücke könnten vom Täter stammen. Sie führen hinter dem Infokasten und den Brombeersträuchern weiter bis zur Weide. Ab da …“ Er zuckte die Schultern. „Ist nichts mehr zu machen, die Kühe haben alles platt getrampelt. Weitere Ergebnisse kriegt ihr morgen von Fridolin.“

„Und was meinst du, Terry? Wie lange liegt er auf dem Waldboden?“

Teresa Hansen wickelte das Maßband zusammen, verstaute es in ihrem Köfferchen und stellte sich neben ihre Freundin. „Höchstens eine Stunde, Süße. Aber was ist mit dir, kommst du klar? Immerhin war er dein Onkel.“

„Wir hatten wenig Kontakt. Hochzeiten und Beerdigungen. Das Übliche. Ich schaff das.“

„Und warum brichst du dann deinen Urlaub ab? Wolltest du nicht mit Paula nach Helgoland?“

„Wollten wir.“ Inka sah auf ihre Armbanduhr. „In einer Stunde an den Hamburger Landungsbrücken den Katamaran besteigen. Aber wie es aussieht, kann ich mir das abschminken.“

„Weil er dein Patenonkel war.“ Inka nickte und zog eine Flunsch.

„Wissen sie Bescheid? Ich meine, deine Eltern.“

Teresa warf einen kurzen Blick auf Finn Reuscher, den Polizeifotografen, der den Toten aus jeder Position fotografierte.

„Ja. Ich hab sie auf dem Weg hierher angerufen.“ Inka blickte ihrer Freundin in die wachen braunen Augen. Eine hochgewachsene, sportliche Einundvierzigjährige, deren lange Beine in einer knallengen Jeans steckten und die ihre weiße kurzärmelige Baumwollbluse bis kurz vor Brustansatz geöffnet hatte. Schon seit der Schulzeit waren sie beste Freundinnen. Teresa, eine Klasse über Inka, war ein ehrliches, lustiges Mädchen gewesen, mit dem sie um die Häuser gezogen war. Die aber ebenso zäh und penibel mit Feinfühligkeit hantierte, wenn es um ihren Beruf als Rechtsmedizinerin ging.

„Kommen sie nach Hause?“

„Ich glaube nicht.“ Inka schüttelte den Kopf. „Seit sieben Monaten kurven sie durch die Weltgeschichte. Vor einer halben Stunde saßen sie in ihrem Wohnmobil beim Frühstück auf einem Campingplatz in Sevilla. Und nach meinem Gespräch mit ihnen haben sie nicht die Kaffeetassen eingepackt und sind Richtung Deutschland gefahren. Zumindest hörte es sich an, als wenn sie sich nicht mehr als nötig beunruhigten.“

„Liegen sie noch im Clinch?“

„Ja. Meine Mom sagt immer: Ich vermisse meinen Bruder nicht. Meinetwegen kann Gerd tot im Wald liegen.“

„Nur gut, dass sie in Sevilla ist …“ Teresa grinste verhalten.

„Du vermisst deine Eltern.“

„Ja. Aber ich bin froh, dass sie wie die Backfische ausgebrochen sind. Wurde Zeit, sie haben es verdient.“

Einen vierwöchigen Urlaub mit Paula hatte sie sich auch verdient. Es kam ihr vor, als wäre ihr letzter Urlaub eine Ewigkeit her. Fabian, ihr Lübecker Noch-Ehemann, hatte sie vor fünf Jahren mit zwei Wochen Malediven überrascht. Ein exklusives Häuschen, auf Pfählen im Meer gebaut. Wo die bunte tropische Fischvielzahl durch Sicherheitsglas sogar auf der Toilette zu beobachten war. Ein Traumurlaub, aus dem sie mit der Nachricht der Schwangerschaft zurückkehrte.

„Sie kommen nach Hause. Mach dir keine Sorgen.“

„Ja. Paula fragt oft nach Oma und Opa. Wann kriege ich deinen Bericht?“ Inka kehrte zum Fall zurück.

„Wie ich dich kenne, hättest du ihn gern gestern auf dem Tisch.“ Teresa Hansen schmunzelte.

„Ich weiß schon, warum wir Freundinnen sind“, entgegnete Inka und küsste sie auf die Wange.

„Verzieh dich“, sagte Teresa scherzhaft und ließ die Latexhandschuhe von den Händen knallen.

Inka ging an zwei Kollegen der Spurensicherung vorbei, die einen Schuhabdruck aus Gips aus dem Waldboden ernteten. Sie nahmen keine Notiz von Inka, lediglich Enrico und Fridolin, die an dem Baumstamm einer Kiefer Rinde abschabten, nickten ihr hinter Schutzmasken zu.

„Ich bin bei Kollege Amselfeld und dem Zeugen unten im Hotel, falls mich jemand sucht“, gab sie Fritz und Mark kurz zu verstehen.

„Wer geht zu seiner Frau?“, wollte Lichtmann wissen. Sein Blick ging von Mark zu Inka.

„Ich. Wer sonst.“ Sie war die Überbringerin schlechter Nachrichten. So war es in Hanstedt gewesen, bevor sie nach Lübeck übersiedelte, und so hatte es sich eingebürgert, als sie nach Undeloh zurückgekehrt war. Wobei sie es in diesem Falle als ihre Pflicht ansah, Anne Knöppel persönlich mitzuteilen, was ihrem Ehemann geschehen war.

An vier Presseleuten vorbei, allen voran Wolfgang Kohlhase vom „Hanstedter Heideblatt“, schob sich Inka zu ihrem Wagen. Der übereifrige Lokalreporter lag hinter der Polizeiabsperrung auf dem Waldboden. In Sand und Blättern liegend, versuchte er, ein Bild des toten Ratsvorsitzenden zu schießen. Eine erfolglose Bemühung, da eine aufgestellte Plane die Sicht auf den Tatort verdeckte.

Kapitel 3

„Guten Morgen. Inka Brandt, Hauptkommissarin der Wache Hanstedt“, stellte Inka sich vor, nickte ihrem Kollegen Jacob Amselfeld zu und rutschte dem Zeugen gegenüber auf einen Eichenstuhl im übersichtlichen Restaurantbereich des Hotel- und Gasthauses „Ferien auf der Heid“.

Vier wuchtige Eichentische mit gedrechselten Beinen, deren Holz lindgrüne Tischtücher knapp verdeckten, besetzten den Raum. Auf jeweils sechs weißen Tellern standen aufrecht wie Segelfahnen weinrote Papierservietten. Essig- und Ölflaschen wie Salz- und Pfefferstreuer gruppierten sich daneben. Es war ein dunkel gehaltener und provisorisch wirkender Gastraum mit tief hängenden hölzernen Deckenbalken, der durch Quer- und Stützbalken weitere Enge vermittelte.

„Sie haben den Toten gefunden.“

„Ja, das habe ich. Peters ist mein Name. Werner Peters. Ich ging spazieren. Wobei ich nicht wusste, dass es der Parkplatz der Nackten … ich meine, dass die sich da ausziehen, um …“ Peters stockte.

„Ein sehr früher Spaziergang.“ Inka verkniff sich ihr Schmunzeln. „Also, Herr Peters“, begann sie neu, senkte den Blick auf Kollege Jacob Amselfelds schriftliche Eintragungen, „wie ich lese, kommen Sie aus Dortmund zu Besuch in die Lüneburger Heide.“

„Das ist richtig. Geboren wurde ich in Königsmoor bei Schneverdingen. Die alte Heimat vergisst man nicht, wie man so schön sagt.“

Der Zeuge wirkte nervös. Es konnte an dem Leichenfund liegen, den er vor einer Stunde gemacht hatte. Nicht jeder Normalbürger, der einen erschossenen Menschen fand, nackt und mausetot wie Gerd Knöppel, war in der Lage, übergangslos die Tagesordnung abzuarbeiten. Peters musste an die siebzig sein, war sportlich schlank mit weißem Haar, das er vom Oberkopf aus zu einem dünnen Pony in die Stirn gekämmt hatte. Auf seinen wachen, grauen Augen lag ein leichter bläulicher Schimmer.

„Ich war seit fünfzehn Jahren nicht mehr in der Heide. Und besser wäre gewesen, ich wäre nicht zurückgekommen an den Ort, von dem ich weggegangen bin“, sagte Peters.

„Ach ja, und warum nicht?“

Peters zögerte kurz, die Antwort preiszugeben, dann sagte er: „Die Menschen, die hiergeblieben sind, haben sich nicht vorteilhaft geändert. Ein Mord, das ist …“

„Morde geschehen nicht nur bei uns in der Heide“, mischte sich Amselfeld ein.

„Und warum sind Sie in der Heide?“ Inka sah Peters in die trüben Augen.

„Mein Vater ist verstorben. Ich kümmere mich um das Erbe.“ Inka nickte. „Mein Beileid.“

„Danke, aber dafür kommen Sie achtundsechzig Jahre zu spät. Mein Vater ist für mich gestorben, als ich drei war. Er war ein Arschloch, das weder Mitgefühl noch eine Träne verdient. Früher nicht und heute erst recht nicht. Zwischen uns gab es nur Streit.“

Aus Peters’ Worten sprachen Verbitterung und Wut.

Klare Worte, die Inka einen Augenblick nachdenklich stimmten. Nach kurzer Pause sagte sie: „Sie sind vor einer Woche angekommen.“ Inka wartete auf die Zustimmung des Mannes.

„Darf ich fragen, warum Sie in das Hotel am Naturistenweg eingecheckt haben und nicht in Schneverdingen, Ihrem früheren Wohnort?“

„Warum nicht, Frau Kommissarin? Es ist ruhiger als in den überlaufenen Orten der Heide, wo es von Touristen um diese Jahreszeit wimmelt.“ Er versuchte, den Klang seiner Stimme so ruhig wie möglich zu halten, dennoch vibrierte sie leicht. Ob es an Inkas Frage lag oder es der Tod seines Vaters war, der zu dem aufgeregten Ton beitrug, konnte Inka momentan nicht klären.

„Wie ich lese, sind Sie Junggeselle.“

„Eine Frau war mir nicht vergönnt. Ich bin ein Eigenbrötler.“

„War das der Zwist mit Ihrem Vater?“

„Ich denke, das gehört hier nicht her.“

„Noch nicht, Herr Peters. Manchmal ändert sich die Sachlage aber schlagartig. Was ist mit Ihrer Mutter?“

„Sie lebt im Sauerland in einem Seniorenstift. Sie will das Haus … das Erbe nicht annehmen. Schlechte Erinnerungen.“

„Haben Sie Geschwister?“ Kopfschütteln.

„Kommen wir auf heute Morgen zurück, Herr Peters.“

Peters nickte. Ihm war anzusehen, dass es ihm recht war, seine Familiengeschichte nicht weiter auszuführen. „Wer war der arme Teufel, der da im Wald erschossen wurde? So ohne …“

„Kleidung?“, platzte Inka heraus. Nicken. „Ja, wie peinlich.“

„Es ist der Naturistenweg, Herr Peters. Ein unbekleidetes Wandern oder Radfahren ist dort üblich.“

„Mag sein, für mich …“ Er stoppte im Satz, als der Wirt, mit abstehenden großen Ohren, einem Kopf, der ohne Hals auf dem Körper saß, anschlurfte und fragte, ob er noch Kaffee bringen solle. Die Holzdielen ächzten unter seinen Schritten und gaben bei jeder kleinsten Bewegung ein hässliches, knarrendes Geräusch von sich.

„Für mich gern eine Tasse“, bat Inka. Peters und Amselfeld lehnten ab. „Sie meinen, für Sie ist das Nacktwandern nichts, Sie beobachten lieber oder jagen“, sagte Inka, als der Wirt in der Küche verschwunden war. Sie griff zum Fernglas und der Kamera, die am Tischende hinter einem künstlichen, rot blühenden Azaleentopf wie versteckt lagen, und zog beides über das lindgrüne Tischtuch heran.

Werner Peters öffnete den Mund und wollte gerade ansetzen, als Inka ihm zuvorkam: „Dann erzählen Sie uns doch: Wie war Ihr Tagesablauf, bis Sie den Toten fanden? Haben Sie den Schuss gehört? Warum sind Sie Richtung Naturistenweg gewandert, wenn Sie kein Anhänger dieser Freikörperkultur sind, zumindest nicht in diesem Sinne?“

„In gar keinem Sinne, Frau Kommissarin, das sagte ich schon Ihrem Kollegen. Und ich jage auch nicht. Im Gegenteil. Ich verabscheue die Jagd. Und einen Schuss habe ich nicht gehört“, empörte sich Peters. Er warf einen unsicheren Blick zu Amselfeld hinüber, der abgelenkt mit der Kuchengabel aus seinem gedeckten Apfelkuchen die Rosinen herauspulte.

Apfelkuchen zum Frühstück. Ungewöhnlich. Inka fiel ein, dass sie ohne Frühstück aus dem Haus gegangen war.

„Sie kannten den Toten“, stellte sie fest. Dankend nickte sie dem Wirt zu, der aus der Küche zurück in den Gastraum kam und ihre Tasse bis an den Rand mit dampfendem Kaffee aus einer silberfarbenen Thermoskanne füllte. „Bitte“, sagte sie und zeigte auf Amselfelds Kuchen. „Ich möchte auch einen.“

„Nein, woher denn? Hätte ich sonst gefragt, wer er war?“, fragte Peters scharf.

Inka zuckte die Schultern. „Zeugen kommen mit unterschiedlichen Fragen. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Es war der Schneverdinger Ratsvorsitzende Gerd Knöppel.“ Sie schlürfte am Kaffee, bis Zucker und Sahne in der überfüllten Tasse Platz fanden.

„Tatsächlich. Ein Ratsvorsitzender, der …“ Werner Peters tat erstaunt.

„Ja, tatsächlich. Es gibt Bankangestellte, Hausfrauen und Männer, Ärzte, Pfarrer, Klempner und sogar Hobbyfotografen, die sich dieser Kultur anschließen“, sagte Inka und hatte das Gefühl, sie müsse das unbekleidete Handeln ihres Patenonkels verteidigen. „Das Nacktsein in freier Natur macht vor keiner Gesellschaftsschicht halt und eben auch nicht vor Ratsvorsitzenden. Und als ehemaliger Schneverdinger Einheimischer sollte Knöppel Ihnen bekannt gewesen sein.“ Sie rührte mit dem Löffel in der Tasse, ohne den Blickkontakt mit ihrem Gegenüber zu verlassen.

„Dorfpolitik hat mich nie interessiert, und mit achtzehn bin ich nach Dortmund gezogen.“

„Die Landwirtschaft war nichts für Sie?“ Sie dankte dem halslosen Wirt, der ihr ein handgroßes Stück Gebäck neben die Kaffeetasse stellte. Ob er ihr ansah, dass sie am Verhungern war?

„Nein. Ich wollte in die Stadt. Bis vor drei Jahren arbeitete ich an der dortigen Staatsoper als Beleuchter, dann bin ich in Rente.“

„Schön. Und nun beginnen wir erneut: Was taten Sie, bis Sie den Toten fanden?“ Inka schüttete Zucker aus der Streudose in ihren Kaffee nach, während sie weiter mit dem Löffel in der Tasse rührte.

„Um sechs Uhr bin ich aufgestanden, hab gefrühstückt und bin Richtung Heide losmarschiert.“

„Sie meinen, Sie sind Richtung Naturistenweg losmarschiert. Wir sind in Wehlen von Heidelandschaft umgeben. Sie hätten auch Richtung Wesel oder weiter Richtung Undeloh oder außerhalb wandern können. Die Heidelandschaft ist rundherum präsent. Warum also in diese Richtung?“

Mit der Gabel stach sie ein Stück Apfelkuchen ab und steckte es in den Mund.

„Woher soll ich das wissen? Ein Impuls. Ich bin einfach los und … Warum ist das wichtig? Verdächtigen Sie etwa mich, Gerd Knöppel umgelegt zu haben?“, erboste sich Werner Peters.

„Das ist reine Ermittlungsarbeit.“ Inka schluckte das Stück Apfelkuchen hinunter, das mit einer kräftigen Portion Zimt abgeschmeckt war. Sie mochte das Gewürz nicht. Obwohl es sie an ihren Freund und Kollegen Oberkommissar Mark Freese erinnerte, dem ständig ein Zimthauch hinterherschwebte. „Allerdings beschäftigt mich die Frage, warum Sie nicht am Tatort geblieben, sondern zurück in Ihre Unterkunft gegangen sind.“ Sie lutschte eine festgeklebte Rosine von der Kuchengabel.

„Ich hatte mein Handy im Hotel vergessen, und Ihr Kollege sagte, ich solle da bleiben, wo ich jetzt bin.“

„Damit meinte er den Parkplatz. Oder?“ Inka warf einen Blick zu Amselfeld, der lediglich mit den Schultern zuckte und eine ständig gelangweilte Miene aufsetzte, sobald Inka ihn ansprach. „Fangen wir noch einmal an: Sie sind um sieben Uhr losmarschiert. Sind Sie auf den geteerten Weg oder den Grasweg eingebogen?“

„Erst auf den geteerten Weg, weiter hinten bin ich dann tief ins Dickicht.“

„Und kam Ihnen jemand entgegen? Mit dem Fahrrad oder zu Fuß? Vielleicht mit dem Auto?“

„Nein, niemand.“

„Hatten Sie Ihren Fotoapparat dabei?“

„Ja.“

„Was für Motive fotografieren Sie in der Heide?“

„Alles, was es zu sehen gibt. Die Heideblüte, Tiere, Wacholderanordnungen. Die Landschaft.“

„Und heute Morgen fotografierten Sie auch die Landschaft und ihre Bewohner.“ Inka würgte ihr Grinsen mit einem weiteren Bissen Kuchen hinunter.

„Ja, das habe ich getan.“ Peters’ Gesichtszüge verkrampften.

„Ich brauche die Speicherkarte“, sagte Inka.

Peters griff zur Kamera, um die seitliche Klappe des Apparats zu öffnen.

„Moment, das erledige ich.“ Inka zog eine transparente Beweistüte und ein Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche und warf den Chip hinein.

„Es ist einfacher, wenn Sie die Bilder gleich ansehen. Es ist eine Digitalkamera, falls es Ihnen entgangen ist. Die Bilder können angesehen und gelöscht werden.“

Inka überhörte die zynischen Worte des Hobbyfotografen und sagte: „Nennen Sie die Ausleihe Bürgerpflicht, Herr Peters. Ich verspreche, sobald die Bilder ausgewertet sind, bekommen Sie die Karte zurück.“ Sie steckte das Tütchen mit der Speicherkarte in ihre Handtasche. „Sind Sie mit dem Wagen angereist?“

„Ja.“

„Mein Kollege wird einen Blick in Ihren Kofferraum und in Ihr Hotelzimmer werfen.“ Sie blickte Amselfeld an, um sich zu vergewissern, dass er ihre Anordnung verstanden hatte.

„Wozu?“

„Um auszuschließen, dass Sie der Täter sind“, sagte Inka knapp. „Außerdem erwarte ich Sie morgen Vormittag auf der Wache. Wir brauchen Ihre Fingerabdrücke und werden Ihre Hände nach Schmauchspuren untersuchen.“

„Was? Das ist ja wohl nicht Ihr Ernst! Ich bin doch nicht zum Spaß in der Heide.“

„Es ist durchaus kein Spaß, Herr Peters, und auch wir würden lieber in den Urlaub fahren. Wie lange bleiben Sie in der Heideregion?“

„Noch mindestens zwei Wochen. Leider.“

„Genießen Sie die beginnende Blüte. Sie ist nie so schön wie zu dieser Jahreszeit.“

„Ich weiß“, antwortete Werner Peters.

Nachdem die Aussage des Zeugen aufgenommen worden war, wandte sich Inka vor dem Hotel an ihren Kollegen. Jacob Amselfeld war mit neununddreißig Jahren in ihrem Alter. Er trug die Haare, die zwischen dunkelblond und hellbraun nuancierten und einige graue Strähnen verrieten, kurz und stoppelig frisiert.

Kurz bevor Inka nach fünf Jahren Lübeck auf die Hanstedter Wache zurückgekehrt war, hatte er sich um den Posten des Hauptkommissars beworben. Dass Inka ihren alten Posten erhielt und ihn somit aus dem Feld gedrängt hatte, war ihm mehr als ein Dorn im Auge. Und selbst nach einem Jahr Zusammenarbeit ließ er Inka seinen Unmut über die, wie er es nannte, verpatzte Chance deutlich spüren. Inka konnte es ihm nicht verdenken. Bei der Beförderung übergangen zu werden war nie angenehm. Vor allem dann nicht, wenn der angestrebte Posten an eine Frau ging, die gerade erst in ihr Heimatdorf zurückgekehrt war.

„Kollege“, begann Inka, „wenn Sie nachgesehen haben, ob kein Gewehr in Peters’ Kofferraum oder Hotelzimmer liegt, befragen Sie die Jäger, die heute Morgen an der Treibjagd teilnehmen wollen, nach ihren Personalien und Alibis. Wäre ja möglich, dass einer seine Jagd vorverlegt hat. Die Treibjagd wird gecancelt. Die Gewehre sind einzusammeln und der Technik zu übergeben. Außerdem fahren Sie mit Mark ins Rathaus, bringen die Akten aus Knöppels Büro in die Dienststube. Und die Aktentasche, die wir im Wagen des Toten fanden, muss ebenfalls auf die Dienststube. Zudem will ich wissen, wer zur Tatzeit im Rathaus anwesend war und wer nicht. Und zwar von Gremiummitglied, Bürgermeister, Putzfrau bis Hausmeister. Dann fahren Sie ins Forstamt nach Sehlhorn und lassen sich schriftlich geben, wer von Schneverdingen bis Wehlen über eine Jagdlizenz verfügt.“

Amselfeld hob den Kopf, nachdem er alle gestellten Aufgaben aufgeschrieben hatte, und fragte so unbeteiligt, dass es Inka sauer aufstieß: „Und wie geht’s dann weiter?“

„Morgen früh um neun Uhr erwarte ich Sie bei der Besprechung. Ach, und richten Sie Fritz und Mark aus, ich fahre zu Frau Knöppel und komme erst später ins Büro, weil ich Paulas Unterbringung organisieren muss. Ich weiß nicht, ob Tilly einverstanden ist, immerhin hab ich ja auch bei ihr meinen Urlaub angekündigt.“

„Was alles nicht hätte sein müssen. Sie hätten gut und gern mit dem Katamaran nach Helgoland schippern können. Der Mord ist ein Kinderspiel, den löst jeder Polizeischüler am Wochenende.“ Jacob Amselfeld grinste Inka spöttisch an.

Inka holte tief Luft. Der Ton des Streifenpolizisten gefiel ihr nicht. „Stimmt, das hätte ich machen können, doch der Tote war mein Patenonkel. Aber das ist einzig und allein mein Bier“, sagte sie in dem ruhigsten Ton, den sie zur Verfügung hatte, und wischte Amselfelds Kampfansage somit vom Tisch.

Der Tod des Ratsvorsitzenden Gerd Knöppel verbreitete sich über die Dörfer der Lüneburger Heide wie ein Lauffeuer. Kaum ein Landwirt, Geschäftsinhaber oder eine sonstige Einrichtung vernahm nicht innerhalb von zwei Stunden nach Knöppels Tod die Neuigkeiten aus Wehlen vom Naturistenweg.

In den Wartezimmern der Arztpraxen blieben die Klatschzeitschriften unangetastet, fremde Menschen vereinten sich zu schnatternden Grüppchen. An Bushaltestellen und im Supermarkt sortierten sich Kunden und Verkäuferinnen, um weitere Einzelheiten klebrig auszuliefern. Das Dorfgetratsche hielt die Lüneburger Heide rund um Wehlen und Schneverdingen im Griff. Spekulationen wurden angestellt, wer den bedeutenden Ratsvorsitzenden auf dem Gewissen hatte.

Die Rede war von Unfall, Neid eines Kollegen, Selbstmord, einem Streit unter Nudistenwanderern, sogar ein Eifersuchtsdrama schaffte es auf die Liste der Gerüchte.

An der Haustür von Familie Gerd Knöppel hing ein Kranz aus gebundener Besenheide, dessen lila Blüten zusätzlich eine fingerbreite lila Seidenschleife zierte. Als Inka läutete und Anne Knöppel öffnete, brauchte es kaum Worte, um der Ehefrau zu verstehen zu geben, was geschehen war.

„Wir haben deinen Mann auf dem Parkplatz des Naturistenwegs gefunden“, begann Inka vorsichtig.

Anne Knöppel war eine schlanke, elegante Endvierzigerin mit schulterlangen blonden Haaren, die sie seitwärts hinter den Ohren mit Strasskämmchen zurückgesteckt trug. Als Ehefrau des Ratsvorsitzenden Knöppel war sie alles andere als nur Hausfrau. In jüngeren Jahren hatte sie in der Touristikbranche am Hamburger Flughafen gearbeitet, heute bekleidete sie ehrenamtliche Ämter. Caritaseinrichtungen, Kindergärten, die Tafel und Altenheime schätzten es, wenn Anne Knöppel die Verantwortung für einzelne Positionen übernahm.

„Komm rein“, sagte sie schwach. Sie ging voran ins Wohnzimmer. „Setz dich zu mir.“ Anne nahm auf einem dunkelblauen Ledersofa Platz und klopfte mit der flachen Hand auf den Nebensitz. „Was ist passiert?“ Ihre Augen bekamen einen feuchten Glanz. „Hat er sich übernommen, beim …?“

Inka ersparte Anne weitere Fragen. „Nein. Gerd ist erschossen worden.“

„Was? Das …“ Anne Knöppel schluchzte auf und legte die Hände vor das Gesicht.

Inka wartete, bis Anne sich gefangen hatte, dann fragte sie: „Kannst du mir ein paar Fragen beantworten?“ Inka wartete auf Annes Nicken.

„Hatte er Ärger? Im Büro oder …?“

„Nein, nicht dass ich wüsste, Inka. Alles war wie immer. Du weißt doch, wie er war. Eigentlich mochten sie ihn alle. Aber Männer in seiner Position machen sich nicht überall Freunde.“

Nicht alle mochten ihn. Inka fiel der Geschwisterstreit zwischen ihren Eltern und Gerd ein, der bereits Jahre andauerte.

„Und bei euch beiden, ich meine …“ Inka griff zu Annes Händen.

Anne Knöppel sah auf. Ihre grünbraunen Augen glänzten. „Es ging uns gut. Die üblichen Meinungsverschiedenheiten unter Eheleuten.“

„Anne, ich muss dich fragen, wo …“, begann Inka, als Anne sie unterbrach.

„Ich war hier, falls es das ist, was du fragen wolltest. Ich habe den Kirchenflohmarkt für nächsten Sonntag vorbereitet. Heidelinde hat abgesagt. Ihr Sohn ist krank und ich …“ Anne schluchzte erneut auf.

„Tut mir leid, Anne. Hast du eine Ahnung, wer das getan haben könnte?“ Inka griff zu ihrer Handtasche und suchte nach dem Paket Papiertaschentücher.

„Da fällt mir nur einer ein.“

„Ja?“

„Der verrückte Clemens Handke vom Handke-Hof. Schräg hinter der Weide. Der sitzt oft mit dem Fernglas am Fenster, und wenn ein FKK-Wanderer oder -Radler vorbeikommt, hat Gerd erzählt, dann reißt er das Fenster auf und schimpft: Ihr verfluchten Nackten, zieht euch endlich was an. Ihr solltet euch schämen. Angeblich stand er sogar schon mit einem Gewehr am Zaun und hat in die Luft geballert. Gerd meinte, ihm, dem Handke, hätte es nicht gepasst, dass an seinem Hof der Naturistenweg nur ein paar Meter entfernt vorbeiführt, und dass er irgendwann einem vom Rad, Pferd oder Wanderweg den nackten Arsch wegschießt.“

„Du meinst, er hat Gerd erschossen?“

„Ich weiß es nicht, Inka. Aber Gerd hat sich dafür eingesetzt, dass der Weg für die FKKler freigegeben wurde.“

„Ist gut, Anne. Wo ist sein Waffenschrank?“

„Im Keller.“

„Hast du einen Schlüssel?“

„Nein. Ja. Ich glaube, der liegt in Gerds Arbeitszimmer in der Schreibtischschublade.“

„Gibt es noch mehr Waffen?“

„Nicht dass ich wüsste. Alle, die wir besitzen, stehen im Schrank.“

„Warum war Gerd heute Morgen nicht auf der Jagd in Wehlen? Eine Treibjagd lässt er sich doch nie entgehen.“

„Er wäre auch dabei gewesen, aber um zehn Uhr war eine Besprechung im Rathaus angesetzt, an der er unbedingt teilnehmen musste.“

„Und um was ging es in der Besprechung?“

Schulterzucken. „Weiß nicht. Seine Arbeit war seine Arbeit. Er hat nie viel erwähnt. Heute Morgen auch nicht. Nur Bruchstücke, es gäbe eine Konferenz, die ihm auf die Nerven ginge. Er war nervös, das hab ich bemerkt. Er trank ein paar Schluck Kaffee, hat das Brötchen kaum aufgegessen und verschwand eilig, weil er noch … Du weißt ja. Er und seine Kultur. Für mich ist das nichts. Wie oft hab ich gesagt, als Ratsvorsitzender könne er nicht öffentlich … nackt und … ungeniert durch den Wald radeln. Ausgelacht hat er mich und prüde Schnepfe genannt. Na ja, das ist ja jetzt …“ Anne schniefte ins Taschentuch.

Inka nickte. „Hast du was dagegen, wenn ich in sein Arbeitszimmer gehe?“

„Geh nur, du weißt ja, oben links. Mich entschuldige, ich muss Jonas anrufen. Er …“ Anne schluchzte wieder auf und griff zum Telefon.

Inka hörte, wie Anne ihrem Sohn mitteilte, was geschehen war, bevor sie die Tür zu Knöppels Arbeitszimmer schloss.

Kapitel 4

Sicherlich hatten Fridolin und sein Team jedes Blättchen, Tannenzweigchen und Stöckchen aufgenommen, begutachtet und protokolliert. Auf die Kollegen der Spurensicherung konnte sie sich verlassen. Dennoch machte Inka erneut einen Abstecher zum Naturisten-Parkplatz. Irgendein Gefühl ließ ihr keine Ruhe. Es war ihre Pedanterie, die sie antrieb, die Tatorte noch einmal ganz allein für sich aufzusuchen. Sie schaute sich auf dem Waldboden nach Gegenständen um, die der Täter vergessen oder übersehen hatte. Manchmal war es nur ein Knopf, ein Stofffetzen, eine Faser, ein weiterer Schuhabdruck, ein abgebrochener Zweig. Wonach sie suchte, wusste sie selbst nicht. Sie hoffte nur auf irgendwelche Hinweise, hier auf diesem Waldboden, zwischen Tannenzapfen und den Resten der Gipsabdrücke der Kollegen, die auf Laubblättern klebten wie frühmorgendlicher Raureif. Sie nahm ihre Taschenlampe aus dem Handschuhfach und leuchtete auf jeden Baumstamm und Zweig der Umgebung und auf jeden Millimeter der Wanderinfotafel, hinter der sich der Täter versteckt und auf Knöppel gewartet haben musste.

Die Sonne schlich sich verstohlen durch einzelne Baumwipfel und versprach die Dreißig-Grad-Marke zu sprengen. Dieses Sommerwetter verwandelte die Lüneburger Heide in ein überlaufendes Touristenparadies, obwohl die Heideblüte und die Hochsaison erst Ende des Monats begannen. Inka hätte jetzt überall auf der Welt sein können. In Wien, wo sie mit einem Fiaker durch die Stadt führe, oder in Paris, wo sie eine Schiffsrundfahrt auf der Seine unternähme. Sie stöhnte auf. Helgoland, die Nordsee und eine frische Meeresbrise würden ihr genügen.

Ihre leichte Baumwollbluse klebte ihr am Körper. Es war noch nicht einmal Mittag, und schon war die Hitze selbst im Schatten der Bäume erdrückend. Sie lehnte den Rücken an die Informationstafel, schloss die Augen und atmete tief ein. Hier hatte der Täter auf ihren Onkel gewartet. Sie versuchte zu hören, wie der Schlagbolzen des Gewehrs wachsam gespannt wurde, der Finger des Täters sich um den Abzug legte, das Atmen immer schwerer wurde. Wieso hatte er ihren Onkel hier auf dem Waldparkplatz erschossen? Warum nicht auf dem Naturistenweg? Dort hätte es ein weitaus sichereres Gebiet gegeben, um unerkannt seine Tat auszuführen und Gerd im Wald abzulegen. Auf dem Parkplatz stellten FKKler ihre Autos ab, um wandern zu gehen. Zudem war eine Treibjagd genau an diesem Tag in diesem Waldgebiet angesetzt, und die Jäger fuhren keine drei Meter entfernt mit ihren Autos am Parkplatz vorbei.

Inka öffnete die Augen. Vögel zwitscherten. Ein staubiger, grüner Pick-up rumpelte über den schmalen, unebenen Asphaltweg heran. Am Steuer saß ein bärtiger Mann, der sie mit mürrischer Miene durch das Seitenfenster anblickte. Auf der Ladefläche lag ein Rehbock, dessen Hinterläufe über die linke Außenseite der Laderampe ragten wie braune steife Stöcke und bei jeder Straßenunebenheit auf und ab federten. Inka tat ein paar Schritte über den Parkplatz auf den Weg zu, doch bevor sie dem Mann signalisieren konnte, stehen zu bleiben, drückte der aufs Gas. Sie warf einen Blick auf das Nummernschild und notierte das Kennzeichen in ihrem Handy. HK–27 … HK stand für Heidekreis, den Rest verdeckte die Schmutzschicht.

Zehn Meter hinter dem Pick-up holperte Inka ein zweiter Geländewagen entgegen. Er war größer als der Vorgänger, schwarz und kaum mit Staub und Erdresten beschmutzt.

Inka hob die Hand.

Die Fahrerin stoppte, öffnete die Fahrertür und stieg aus.

„Ruhe“, rief sie den zwei mahagoniroten Irish Settern zu, die auf dem Rücksitz zu bellen anfingen und ihre nassen Nasen an die Fensterscheibe drückten.

Die Hunde verstummten.

Die Frau war einen halben Kopf größer als Inka, sicher einen Meter fünfundsiebzig, trug eine schwarze Jeans, eine dunkelbraune kurzärmlige Baumwollbluse und eine tannengrüne Steppweste. Ihre schulterlangen, brünetten Haare wickelte ein schwarzes Samtband stramm auf dem Oberkopf zu einem Dutt zusammen. Alles, was an ihrem Körper an freier Hautfläche zu sehen war, war braun gebrannt, als käme sie aus einem sechsmonatigen Südseeurlaub. Ihre Haut wirkte frisch und natürlich, wie ihr leichtes Make-up, das aus einem dünnen seegrünen Kajalrand um die Augen, Wimperntusche und dem zartrosa Lippenstift bestand.

„Was soll das? Warum halten Sie mich an?“, fragte sie kaum freundlicher, als ein Terrier geknurrt hätte.

„Inka Brandt, Hanstedter Wache.“ Aus der Hosentasche zog Inka ihren Ausweis und hielt ihn der Frau vor das Gesicht.

„Ich weiß, wer Sie sind, Frau Brandt. Ich lese Zeitung.“ Sie wehrte mit der Hand den Ausweis ab, als wolle sie eine Mücke vertreiben.

Leyla Marie Freifrau von Falkenstein war Inka ebenfalls nicht unbekannt. Jede Lüneburger-Heide-Zeitung berichtete mindestens einmal in der Woche über die Familie, die am Schneverdinger Stadtrand ihren Landsitz hatte. Ging es um Wohltätigkeitsorganisationen, standen Einweihungen bevor, wurde eine neue Kirchenglocke benötigt, der Spatenstich eines Kindergartens gesetzt, eine unbekannte Pflanzenart in der Heide mit Namen bedacht, fiel der Name Falkenstein.

Während Leyla Marie Freifrau von Falkenstein in den Adel eingeheiratet hatte, war ihr Ehemann, Georg Alexander Freiherr von Falkenstein, mit blaublütigem Löffelchen geboren worden. Eine Familien-Dynastie, die bis ins 16. Jahrhundert reichte und mit unzähligen Nachkommen, weltweit verstreut, reich gesegnet war. Leyla Marie und Georg Alexander unterstützten die Familiengalerie mit den Sprösslingen Lisa Marie und Anton Alexander von Falkenstein, die gehorsam den Fußstapfen ihrer Eltern folgten. Lisa Marie beschritt den Weg ihrer Mutter, die als Malerin eindrucksvolle Erfolge feierte. Leyla von Falkenstein besaß Galerien in Hamburg, Düsseldorf, Berlin, Amsterdam und London, in denen sie nicht nur eigene, sondern auch Bilder namentlich noch unbekannter Künstler ausstellte und diese als Mäzenin großzügig unterstützte. Der einundzwanzigjährige Anton hängte sein Herz, wie sein Vater, an die Reitpferde auf dem Schneverdinger Landsitz.

„Schöne Hunde haben Sie“, sagte Inka bewundernd.

„Es sind rote Irish Setter mit edlem Stammbaum, Frau Brandt. Lady Elisabeth und Lady Eleonora von Falkenstein. Die besten Jagdhunde überhaupt, mit außergewöhnlichem Erfolg versprechenden Instinkt. Sie besaßen einen Münsterländer, wenn ich mich entsinne.“

„Ja. Kalli. Es war der Hund meines Vaters. Er war ein sogenannter Schwarzschimmel unter den Münsterländern, weiß mit schwarzen Tupfen. Ein wundervolles Tier.“

„Na ja, immerhin ein Hund, so wie es sich auf der Jagd gehört. Ganz nach Alexander Schmook“, betonte die Freifrau. Sie spannte die Mundwinkel an und hob die Nase, als teste sie die Windrichtung.

„Wer will zu den Jägern zählen, lässt kein Wild zu Tode sich quälen, jagt allein nicht durch die Weite, führt den guten Hund zur Seite!“, sagte Inka. „Ich kenne das Zitat des mecklenburgischen und städtischen Berliner Grunewald-Oberförsters und Autors Alexander Schmook, Frau von Falkenstein. Aber mir ist entfallen, dass Sie jagen. Wie war die Ausbeute?“ Inka lugte zur Ladefläche des Wagens, hob die graue Plane und verzog das Gesicht, als sie in geöffnete, starre Augen blickte.

„Zwei Kaninchen, ein Fasan“, zischte die Freifrau zwischen erneut aufloderndem Gebell der Hunde. Sie riss Inka die Plane aus der Hand und zog sie über die Tiere.

„Sie haben mit Schrot geschossen? Ich dachte, es war eine Treibjagd angesetzt, die ich gecancelt hatte.“ Ungeniert lehnte sich Inka an die Seite der Wagenrampe und kreuzte die Füße, als erwarte sie eine nachbarschaftliche Gartenzaunplauderei.