Hochschullehre variantenreich gestalten - Heinz Bachmann - E-Book

Hochschullehre variantenreich gestalten E-Book

Heinz Bachmann

4,9

  • Herausgeber: hep verlag
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Zwischen Wissen und Handeln besteht eine Diskrepanz. Spätestens seit der viel diskutierten Wissensexplosion wird die Kluft grösser. Darauf reagiert die Hochschullehre, indem sie sich nicht mehr nur auf reine Informationsvermittlung, sondern verstärkt auch auf die Vermittlung überfachlicher Kompetenzen konzentriert. Studierende bekommen die Gelegenheit, Problemlösungsfähigkeit zu üben und das eigene Lernen zu thematisieren. Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen also die lernenden Studierenden, nicht mehr die lehrenden Dozierenden. Diese Neuausrichtung der Lehre bedeutet, dass das an Hochschulen traditionelle Format der Vorlesungen durch Lernarrangements ergänzt wird, die den Studierenden erlauben, sich aktiv ins Unterrichtsgeschehen einzubringen. Der neue Band der Reihe "Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung" versammelt Beiträge zur Diskussion, wie solche Lernarrangements aussehen können. Die Autorinnen und Autoren des Buches stellen Methoden vor zur Förderung von überfachlichen Kompetenzen wie Handlungsfähigkeit, Problemlösungsfähigkeit, Forschungsorientierung, Arbeitsweltorientierung, Wissensorientierung und Kooperationsfähigkeit bei Studierenden.

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Heinz Bachmann (Hrsg.)

Hochschullehre variantenreich gestalten

Kompetenzorientierte Hochschullehre – Ansätze, Methoden und Beispiele

Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung, Band 4

Eine Publikation des ZHE – Zentrum für Hochschuldidaktik

und Erwachsenenbildung der Pädagogischen Hochschule Zürich

ISBN Print: 978-3-0355-0020-2

ISBN E-Book: 978-3-0355-0027-1

1. Auflage 2013

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.com

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur Reihe Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung

Heinz BachmannAktivierende Hochschullehre – kompetenzorientierte Hochschullehre variantenreich gestalten

Einführung – kompetenzorientierte Hochschullehre

Aktivierende Unterrichtsmethoden

Mehrwert von aktivierenden Methoden auch beim Schulen des Denkens

Literaturverzeichnis

Petra HildKooperatives Lernen im Hochschulbereich

1Einleitung

2Wofür steht der Begriff «Kooperatives Lernen»?

2.1Kooperatives Lernen, Kollaboratives Lernen oder Gruppenarbeit?

2.2Eine alte Idee neu verpackt?

3Merkmale Kooperativen Lernens

3.1Heterogene Gruppen und Ressourcenorientierung

3.2Jede/r kann etwas gut und niemand ist gut in allem

3.3Austausch im Dialog

3.4Direkte Interaktion

3.5Gegenseitige positive Abhängigkeit (Interdependenz)

3.6Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit

3.7Denk- und Lernprozessorientierung

3.8Die Reflexion

3.9Vier Hauptfragen der Reflexion

4Beispiele für Instruktionen

4.1Die Jigsaw- bzw. Gruppenpuzzle-Methode nach Aronson

4.2Student-Teams-Achievement-Divisions (STAD) nach Slavin

4.3Die komplexe Instruktion nach Cohen

4.4Aufbau eines Gruppenauftrags (komplexe Instruktion)

5Wo beginnen, was tun? Hinweise und Impulse für die Praxis

5.1Zur Planung

5.2Zur Beurteilung

6Schlussgedanken

Claude Müller WerderProblem-based Learning erfolgreich gestalten

1Einführung in Problem-based Learning

1.1Geschichte des Problem-based Learning

1.2Merkmale des problembasierten Lernens

1.3Lernzyklus des Problem-based Learning

1.4Ziele von Problem-based Learning

2Die Problemsituation – der Dreh- und Angelpunkt von PBL

2.1Bedeutung der Problemsituation in PBL

2.2Arten von Problemsituationen

2.3Gestaltung von Problemsituationen

3Lernen in Kleingruppen – die Achillesferse von PBL

3.1Bedeutung des Lernens in Kleingruppen in PBL

3.2Gestaltung effektiver studentischer Zusammenarbeit

4Assessment – das Steuerungselement von PBL

4.1Bedeutung der Leistungsbewertung im PBL-Lernprozess

4.2Bedingungen und Methoden der Leistungsbewertung in PBL

5Gestaltung von Lernumgebungen mit PBL

Christine Bieri Buschor, Reto Luder und Esther KammElfenbeinturm ade! Forschungsorientiertes Lernen und Lehren an pädagogischen Hochschulen

1Einleitung

2Vom alten und neuen Spannungsverhältnis von Theorie und Praxis in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern

3Typen von Forschung in verschiedenen Lehr-Lern-Settings

4Beispiele für forschungsorientiertes Lernen in spezifischen Lernsettings

4.1Fallbasiertes Lernen – ein Beispiel für Forschungstyp 2b

4.2Durchführung eines Forschungsprojekts in der Ausbildung – ein Beispiel für Typus 2a

4.3Forschungsorientiertes Lernen durch ein Aktionsforschungs­projekt in der Masterarbeit – ein Beispiel für Typus 3a

5Forschungsorientiertes Lernen zwischen Kompetenzerwerb und Verunsicherung

6Konsequenzen im Hinblick auf die Begleitung forschungsorientierten Lernens

Willy KrizErwerb von Systemkompetenz mit Planspielmethoden

1Einleitung

2Systemkompetenz

2.1Personale Systemkompetenz

2.2Fachlich-methodische Systemkompetenz

2.3Teamkompetenz/Sozialkommunikative Handlungskompetenz

2.4Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen

2.5Reflexionskompetenz

3Planspiele

3.1Simulation – Ressourcen

3.2Spiel – Regeln

3.3Akteure – Rolle

4Lernen mit Planspielen zur Förderung von Systemkompetenz

5Evaluationsforschung zu Lerneffekten von Planspielen

6Trainerkompetenz als Erfolgsfaktor für Planspielqualitäten

7Spieldurchführung

7.1Briefing

7.2Debriefing

8Zusammenfassende Übersicht über Erfolgskriterien beim Einsatz von Planspielen

9Schlussfolgerungen aus der Planspielforschung

Roman Banzer, Pia Scherrer, Peter StaubDas Projektstudio als Grundlage der Studienganggestaltung und Fachdidaktik Architektu

1Einleitung

2Lehr- und Forschungsansätze, Architekturausbildung

2.1Lehrkonzepte des Entwerfens

2.2Institutionalisierung der Architekturausbildung

3Impulse aus der Hochschuldidaktik

3.1Hochschullehre aktuell

3.2Projektbasiertes Lehren und Lernen

3.3Disziplin und Didaktik

4Berufsbild und Studienganggestaltung

4.1Kompetenzbeschreibungen

4.2Einführung in die Studienganggestaltung

4.3Empfehlungen zur Studienganggestaltung

5Projektstudio und Fachstudio

6Fazit

Christian AdlhartProblembasiertes Chemie-Grundlagenpraktikum – verändertes Menschenbild als Ausgangspunkt zur Neugestaltung der Lehre

1Einleitung

2Theorie X von McGregor

3Hintergrund: vom Chemielaboranten zum Chemie­studenten

4Das traditionelle erklärende Chemie-Grundlagen­praktikum

5Das problembasierte Chemie-Grundlagenpraktikum

6Umsetzung eines projektbasierten Chemie-Grundlagenpraktikums

6.1Fragestellung/Projektwahl

6.2Schritt 1: Verstehen/Übersetzen

6.3Schritt 2: Konzeption

6.4Schritt 3: Umsetzung

6.5Schritt 4: Auswerten

6.6Bericht/Vortrag

7Erfahrungen bei der Umsetzung

7.1Regelmäßige Evaluationen ergeben ein heterogenes Bild

7.2Learning Outcomes

7.3Teambuilding

7.4Die Rolle der Assistierenden und Dozierenden

7.5Organisation und Ressourcen

8Zusammenfassung

Margot TannerNon-Technical Skills for Engineers (NoTechS) – Ganzheitliche Kompetenzförderung für die reale Arbeitswelt

1Einführung – Vorbereitung auf komplexe Arbeitswelten

2Grundannahmen des NoTechS-Ansatzes

2.1Sozial- und Selbstkompetenz – alles bloß gesunder Menschenverstand?

2.2Sozial- und Selbstkompetenz – dynamisch veränderbar oder statisch gegeben?

2.3Eine kompetente Person

2.4(Selbst-)Reflektieren im ingenieurtechnischen Denk- und Handlungsmuster

2.5Kompetenzentwicklung

2.6Leistungsnachweis der Kompetenzentwicklung

3Das konsolidierte NoTechS-Konzept im konkreten Studienalltag

3.1NoTechS-Grundsätze

3.2Lernziel- und Kompetenzenkatalog NoTechS

3.3Stoßrichtung und Schwerpunkte der NoTechS-Förderung

3.4Integration des NoTechS-Ansatzes in die Projektschiene

4NoTechS-Fortbildung der Dozierenden

Johannes Breitschaft, Rita TuggenerGroßgruppenveranstaltungen erfolgreich gestalten

1Einleitung

2Die Vorlesung als besondere Form des Lernens in Großgruppen

2.1Kritischer Blick auf die Vorlesung

2.2Aussagen aus der Praxis zu gelungenen Vorlesungen

2.3Grundlegende Erkenntnisse in Bezug auf das Lernen: vom Begreifen zum Behalten

2.4Das Fundament: Planung einer Vorlesungsreihe

2.5Das Detail: Planung und Durchführung einer Vorlesung

2.6Blended Dialog als Gefährte der Vorlesung

2.7Dozierendenverhalten in Vorlesungen

3Alternative Großgruppenmethoden im Kontext der Hochschuldidaktik

3.1Allgemeines zu Großgruppen in diesem Kontext

3.2Open Space Technology

3.3Das World Café

3.4Checkliste für die Vorbereitung und Durchführung einer Großgruppenveranstaltung

4Methodenkoffer im Rahmen eines Großgruppensettings

4.1Kreative Vorlesungsmethoden

4.2Kreative Kleingruppenmethoden im Rahmen eines Großgruppensettings

5Zusammenfassung

Heinz BachmannZündende Ideen – eine Website für Good Practices in der Hochschullehre

1Einleitung

2Warum eine Website?

3Prämierte Lehre – Nutzung in hochschuldidaktischen Veranstaltungen

4Prämierte Lehre – ein Ausgangspunkt zur Reflexion der Hochschullehre

4.1Aussagen von Studierenden zu ihren Dozierenden

5Schlussfolgerungen

Autorenspiegel

Vorwort zur Reihe Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung

Dozierende an Hochschulen lehren, prüfen, beraten, forschen, organisieren Wissens- und Technologietransfer durch Weiterbildung und Dienstleis­tungen, betreiben Projektmanagement und engagieren sich in der Qualitätsentwicklung der eigenen Hochschule.

Lehre und Unterricht an Hochschulen und die Hochschulentwicklung sind zudem durch die Umsetzung der Bologna-Deklaration besonders herausgefordert: Dozierende gestalten gemeinsam Curricula oder einzelne Module, planen Leistungsnachweise, integrieren Phasen von selbstorganisiertem Lernen oder implementieren Konzepte wie Problem-based Learning in ihren Lehrveranstaltungen.

Das ZHE Zentrum für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung wurde 2009 an der Pädagogischen Hochschule Zürich gegründet und unterstützt Hochschulen und ihre Dozierenden bei den oben beschriebenen Herausforderungen durch Weiterbildung und Beratung.

Themenschwerpunkte des ZHE sind u.a. Studierendenorientierung, Rollenvielfalt bei Dozierenden, kompetenzorientierte Lehre, erwachsenenbildnerisches Handeln in der Lehre an Hochschulen und Hochschulentwicklung.

Mit der Reihe Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung haben wir uns zum Ziel gesetzt, Diskussionen und Auseinandersetzungen um aktuelle und praxisrelevante hochschuldidaktische Fragen anzuregen sowie Dozierenden an Fachhochschulen sowie Aus-/Weiterbildungsverantwortlichen in weiteren Institutionen der Erwachsenenbildung nützliche Reflexions- und Handlungsinstrumente zur Verfügung zu stellen.

Jeweils eine Person oder ein Team aus dem ZHE oder dessen Umfeld verantwortet als Herausgeber einen Band; wir planen mindestens zwei Publikationen pro Jahr.

Wir haben uns für den vierten Band dazu entschieden, aus diversen Disziplinen verschiedene methodische Zugänge der Hochschullehre zu beleuchten und dadurch mögliche Umsetzungen von kompetenzorientierter Lehre aufzuzeigen.

Herausgeber dieses Bandes ist Heinz Bachmann, langjähriger Leiter des Lehrganges für Hochschuldidaktik am ZHE.

Als nächster Band (5) geplant ist für das Jahr 2014:

Leadership in der Hochschullehre: Denkanstösse für die Bewältigung an­spruchsvoller Aufgaben an der Schnittstelle von Didaktik und Management

Beste Grüsse

Prof. Dr. Geri Thomann, Leiter ZHE Zentrum für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung

[email protected]

http://hochschuldidaktik.phzh.ch/

Heinz Bachmann Aktivierende Hochschullehre – kompetenzorientierte Hochschullehre variantenreich gestalten

Einführung – kompetenzorientierte Hochschullehre

Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.

Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)

Was offensichtlich schon Goethe umtrieb – die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln – ist bis heute ein Thema geblieben, das in den letzten Jahren verstärkt auch die Hochschulen beschäftigt. In der Sprache der Lernpsychologie verwendet man dafür den Begriff des trägen Wissens. Die Psychologen Gabi Reinmann und Heinz Mandl (2006) umschreiben dabei die Erfahrung, dass Studierende immer mehr wissen, aber zunehmend weniger in der Lage sind, das Gelernte in der Praxis anzuwenden. Diese Kluft zwischen Wissen und Handeln hat sich nicht zuletzt mit der Verbreitung des Internets verschärft. Die ungeheure Menge an verfügbarer Information führt zu einem Stoffdruck in der Hochschullehre, der die Studierenden zu oberflächlichem Lernen verführt. Beim Oberflächenlernen konzentrieren Lernende sich darauf, in kurzer Zeit möglichst viel Stoff auswendig zu lernen und vernachlässigen dabei das Verstehen, Anwenden und Vernetzen mit bereits gelerntem Wissen und Können. Die Überlegungen im nächsten Abschnitt sind dem Band «Kompetenz­orientierte Hochschullehre» (Bachmann 2011) entnommen.­

Die vielfach diskutierte Wissensexplosion und die damit verbundene zunehmend kürzere Halbwertszeit von Spezialwissen führen zu einer Schwerpunktverschiebung in der Hochschullehre. Zusätzlich zur reinen Informationsvermittlung, der nach wie vor noch sehr wichtigen Schulung von Fachkompetenz, geht es mehr und mehr darum, neben dem fachlichen Denken auch Problemlösefähigkeiten zu üben und das eigene Lernen zu thematisieren (überfachliche Kompetenzen). Die wachsende Komplexität in der Forschung und Arbeitswelt hat zur Folge, dass Problemstellungen immer häufiger nur in Zusammenarbeit mit Personen aus anderen Fachbereichen gelöst werden können. Team-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Ausdauer, Belastbarkeit und Selbstorganisation spielen dabei eine zunehmend wichtigere Rolle. Die genannten überfachlichen Kompetenzen können bei den Studierenden nicht einfach vorausgesetzt werden. Sie sind gezielt zu fördern. Im ECTS Users’ Guide heißt es zur Kompetenzschulung (2009, S. 15):

Kompetenzen stellen eine dynamische Kombination aus Wissen, Verständnis, Fertigkeiten und Fähigkeiten dar. Die Förderung von Kompetenzen ist das Ziel jeglicher Bildungsprogramme bzw. Studiengänge. Learning out­comes werden vom akademischen Lehrkörper verfasst. Sie geben Aufschluss über den Grad der vom Studierenden erlangten Kompetenzen.

Im Zuge der Bologna-Reform spricht man häufig von einem shift from teaching to learning. Nicht mehr der lehrende Dozent oder die Dozentin, sondern die lernende Studentin respektive der lernende Student steht im Fokus der Aufmerksamkeit. Huba und Freed (2000, S. 33) nennen sieben zentrale Merkmale für studierendenzentrierten Unterricht:

➤Learners are actively involved and receive feedback.

➤Learners apply knowledge to enduring and emerging issues and problems.

➤Learners integrate discipline-based knowledge and general skills.

➤Learners understand the characteristics of excellent work.

➤Learners become increasingly sophisticated learners and knowers.

➤Professors coach and facilitate intertwining teaching and assessing.

➤Professors reveal that they are learners too.

Studierendenzentriertes Lernen war auch ein Thema der Bildungsminister anlässlich der Bologna-Ministerkonferenz im Jahre 2009. Im Abschlusscommuniqué steht:

Wir bekräftigen die Bedeutung des Lehrauftrags der Hochschulen und die Notwendigkeit einer fortlaufenden Reform der Studienpläne, die auf eine Weiterentwicklung der Lernergebnisse abzielt. Studierendenzentriertes Lernen erfordert eine Befähigung der einzelnen Lernenden sowie neue Lehr- und Lernansätze, wirksame Unterstützungs- und Beratungsstrukturen und auf allen drei Stufen Curricula [bachelor, master, doctorate], die verstärkt auf die Lernenden ausgerichtet sind … Wir fordern die Hochschulen auf, der Verbesserung der Qualität der Lehre in den Programmen aller Stufen besondere Beachtung zu schenken (S. 3).

Dieser Forderung nach neuen Lehr- und Lernansätzen sowie der Förderung der Qualität der Lehre will dieses Buch nachkommen. Kompetenzorientierte Hochschullehre zu gestalten, bedeutet, dass die Studierenden immer wieder Gelegenheit erhalten müssen, ihr Wissen anwenden zu können. Das bedingt eine Neuausrichtung in der Hochschullehre. Das Format der traditionellen Vorlesung wird mehr und mehr ergänzt durch Lernarrangements, die den Studierenden erlauben, sich aktiv ins Unterrichtsgeschehen einzubringen. Wie solche Lernarrangements aussehen können, wird in diesem Buch diskutiert. Die Autoren und Autorinnen versuchen dabei immer wieder, auch Bezüge zwischen der beschriebenen Methode und lerntheoretischen Überlegungen herzustellen.

Aktivierende Unterrichtsmethoden

Ich höre und vergesse. Ich sehe und erinnere. Ich tue und verstehe.

Konfuzius (551–479 v. Chr.)

Im Hauptteil dieses Bandes stellen verschiedene Autorinnen und Autoren Methoden vor, wie die oben genannten Forderungen nach Handlungsfähigkeit, Problemlösefähigkeit, Forschungsorientierung, Arbeitsweltorientierung, Wissensorientierung und Kooperationsfähigkeit eingelöst werden können. Zur Sprache kommen dabei:

➤Kooperatives Lernen

➤Problem-Based Learning

➤Forschungsorientiertes Lernen

➤Simulation Games

➤Projektstudio

➤Problembasiertes Praktikum

➤Überfachliche Kompetenzschulung

➤Großgruppenveranstaltungen

➤Best-practice-Beispiele

Der zweitletzte Punkt mag erstaunen – Großgruppenveranstaltungen oder, allgemeiner formuliert, Vorlesungen sind in der letzten Zeit etwas in Verruf geraten. Sie gelten gerade nicht als handlungsorientiert. Tatsache aber ist, dass noch viele Dozierende vor der Herausforderung stehen, große Gruppen von Studierenden gleichzeitig zu unterrichten. Des Weiteren gilt, dass Fachwissen durchaus in Vorlesungen effizient einer größeren Anzahl von Studierenden nähergebracht werden kann. Großgruppenveranstaltungen eignen sich auch, den Studierenden einen Überblick über ein Fachgebiet zu geben oder sie für ein Fach zu begeistern durch einen mitreißenden Experten, der von seinem Fach überzeugt ist. Die Vorlesung hat als eine Methode unter anderen nach wie vor ihre Berechtigung. Darum wurde ganz bewusst auch dieses Lehrformat in diesen Band integriert (Beitrag von Johannes Breitschaft und Rita Tuggener zu Großgruppenveranstaltungen).

Gegen den Schluss des Buches zeigt der Herausgeber dieses Bandes, wie Preisvergaben für gute Lehre an Hochschulen vermehrt auch als Ressource genutzt werden können, den Unterricht variantenreicher zu gestalten. Dozierende können sich inspirieren lassen von spannenden Lernarrangements anderer Dozierenden. Unter der Überschrift «Zündende Ideen» wird eine Website des Zentrums für Hochschuldidaktik an der Pädagogischen Hochschule Zürich vorgestellt, die prämierte Lehrveranstaltungen an verschiedenen schweizerischen Hochschulen einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich macht. Hier wird auch aufgezeigt, was aus Sicht von Studierenden und der Forschung einen guten Dozenten oder eine gute Dozentin ausmacht. Aus diesen Erwartungen lassen sich direkt Rückschlüsse für die Gestaltung von Lernarrangements an Hochschulen ziehen.

Im Beitrag von Christian Adlhart zum problembasierten Chemie-Grundlagenpraktikum wird das Menschenbild der Dozierenden über die Studierenden thematisiert. Dieses Beispiel illustriert eindrücklich, dass es bei der Neuausrichtung in der Lehre nicht nur um methodisches Handwerk geht, sondern zentral eben auch um Einstellungsänderungen bei Dozierenden und Studierenden. Das Resultat der Bemühungen darf sich sehen lassen: ­Orientiert sich die Lehre an den Bloom’schen Taxonomiestufen (siehe hier), erbringen die Studierenden plötzlich viel anspruchsvollere Leistungen als im herkömmlichen Laborpraktikum. Dieser Mehrwert hat allerdings auch seinen Preis: Statt zwei Dozierenden sind nun plötzlich sieben in das Unterrichtsgeschehen involviert. Dies ist übrigens nicht untypisch für diese neuen Lernformen. Die Dozierenden haben oft nicht weniger, sondern eher mehr zu tun, was ja auch vertretbar ist, wenn dadurch ein Mehrwert erzeugt wird. Dabei verschiebt sich die traditionelle Rolle des Dozierenden vom Stoffvermittler in Richtung eines Coachs, Beraters und Organisators von Lern­arrange­ments. Für Interessierte sei an dieser Stelle auf «Zwischen Beraten und Dozieren» (Thomann et al. 2011), den zweiten Band dieser Buchreihe, hingewiesen.

Mehrwert von aktivierenden Methoden auch beim Schulen des Denkens

Es ist nicht genug, einen guten Kopf zu haben; die Hauptsache ist, ihn richtig anzuwenden.

René Descartes (1596–1650)

Ein zentrales Anliegen in jedem Studienfach ist die Fähigkeit, das kritische Denken zu schulen. Neugier, die Dinge zu hinterfragen, Sachverhalte zu analysieren und kreativ neue Ideen zu entwickeln, gehören zu den Kernkompetenzen jeder Fachrichtung. In der Sprache des Erziehungswissenschaftlers Benjamin Bloom (1913–1999) geht es dabei um das Rezipieren, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Erschaffen und Beurteilen von Sachverhalten. In Abbildung 1 sind mögliche verschiedene Ebenen des Denkens beim Lernen illustriert, so wie Bloom sie in seiner berühmt gewordenen Taxonomie beschrieben hat.

In Vorlesungen wird oft nur das Denken auf den untersten Ebenen der Taxonomie – Memorieren und Verstehen – geschult. Bei den in diesem Buch vorgestellten Methoden können, wenn richtig angewendet, zusätzlich die oberen Ebenen der Taxonomie involviert werden.

Die Autorin Petra Hild geht der Frage nach, wie Kooperatives Lernen an Hochschulen aussehen kann. Sie zeigt, dass die Anwendung dieser Methode weit über die allgemein praktizierte Gruppenarbeit hinausgeht. «Jede/r kann etwas gut und niemand ist gut in allem» ist eine zentrale Prämisse. In der gemeinsamen Arbeit wird auch das lerntheoretisch begründete Aushandeln und Abgleichen individueller Lernkonstruktionen gefördert.

Der Autor Claude Müller Werder thematisiert das problembasierte Lernen (PBL). Studierende bearbeiten authentische Fragestellungen und erhalten so die Möglichkeit, Problemlösestrategien und Wissenserwerb in möglichst realen Kontexten zu erarbeiten und damit die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu verringern.

Die Autorinnen Christine Bieri und Esther Kamm sowie der Autor Reto Luder zeigen, wie forschungsorientiertes Lernen an einer pädagogischen Hochschule aussehen kann. Abhängig vom gewählten Forschungstyp werden die verschiedenen Stufen der Bloom’schen Taxonomie abgedeckt. Erfahrungen zeigen, dass dieses Lernsetting vermehrt auf Autonomie und Selbstverantwortung bei den Studierenden setzt. Zusätzlich wird klar, dass ein solches Vorgehen auf Kosten der Breite in die Tiefe geht. Nicht das oberflächlich-additive «Abarbeiten» vereinzelter und als kleine Einheiten konzipierter «Module» ist gefragt, sondern eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem Thema über einen längeren Zeitraum.

Bei der Planspielmethode geht es zum Beispiel darum, vernetztes Denken mit mehreren Variablen im System zu üben. Dabei werden Systeme analysiert und relevante Variablen identifiziert und evaluiert. Neben dem Spielen entsprechender Spiele können Studierende auch angehalten werden, selbst Planspiele zu entwerfen. Geschieht das, haben wir die höchste Stufe der Bloom’schen Taxonomie – das Gestalten – erreicht. Ein zusätzlicher Gewinn resultiert aus der Tatsache, dass beim Spielen auch Gefühle angesprochen werden, was für nachhaltiges Lernen von zentraler Bedeutung ist (Beitrag von Willy Kriz).

Abbildung 1: Bloom’sche Taxonomie für den kognitiven Bereich – verschiedene Ebenen des Denkens beim Lernen (übernommen von der Louisiana State University, Center for Academic Studies)

In der zweiten Hälfte des Buches kommen vor allem Autoren von technischen Fachrichtungen zu Wort. Das Projektstudio im Architekturstudium an der Universität Liechtenstein oder das problembasierte Grundlagenpraktikum für angehende Chemiker an der Fachhochschule Wädenswil in der Schweiz sind ganz auf Handlungsorientierung und employability ausgerichtet. Banzer, Scherrer und Staub zeigen in ihrem Beitrag anhand des Architekturstudiums auf, wie eine kompetenzorientierte Studiengangentwicklung aussehen kann. Dabei gehen sie unter anderem der Frage nach, inwieweit neben der Fachdisziplin auch didaktische Gesichtspunkte bei der Studiengangsgestaltung eine Rolle zu spielen haben.

Die Autorinnen und Autoren der verschiedenen Hochschulen und Fachrichtungen demonstrieren überzeugend, dass die Kompetenzorientierung nichts mit der Fachrichtung oder der Institution zu tun haben muss. Dass das Schulen überfachlicher Kompetenzen – oft auch soft skills genannt – durchaus auch ein Thema in den sogenannten harten Wissenschaften ist, zeigt der Beitrag von Margot Tanner. Als verantwortliche Leiterin des Projektes No-TechS(non technical skills) an der School of Engineering der Zürcher Fachhochschule ist sie verantwortlich für die Planung und Umsetzung entsprechender Lehr-und Lernformate in den Ingenieurwissenschaften (Beitrag von Tanner in diesem Buch).

Sowohl bei ihrem Beispiel wie auch beim Beispiel von Banzer et. al wird klar, dass ein systemischer Ansatz, bei dem die ganze Institution in die «Kompetenzorientierung» einbezogen wird, erfolgversprechender ist als nur eine punktuelle Veränderung auf Modulebene von einzelnen Dozierenden. Diese Erkenntnis deckt sich mit vergleichbaren Erfahrungen aus dem angelsächsischen Raum (Cullen et al. 2012).

We believe that relying on individual classroom efforts to change the learning environment on a programmatic, college, or institutional scale is not strategic and does nothing to link and integrate those individual experiences. We believe that for graduates to develop the skills we have referred to in this chapter, curricular coherence, repeated experiences, and reflection on learning across courses are necessary (S. 13).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit den vorgestellten Methoden

➤höhere Ebenen des Denkens (nach Bloom) aktiviert werden;

➤die Verarbeitungstiefe des vermittelten Wissens und Könnens zunimmt; die Transferwirksamkeit (Stichwort employability) der in den Lehrveranstaltungen vermittelten Inhalte verbessert wird;

➤die Kluft zwischen Wissen und Handeln verkleinert wird (Stichwort ­träges Wissen);

➤die Transdisziplinarität und das Arbeiten in Teams gefördert werden.

Literaturverzeichnis

Bachmann, H. (2011) (Hrsg.). Kompetenzorientierte Hochschullehre. Bern: hep.

Bologna (2009). Abschlusskommuniqué der Ministerkonferenz. Quelle: Internet (Zugriff 12.02.2012) http://www.ond.vlaanderen.be/hogeronderwijs/bologna/conference/documents/Leuven_Louvain-la-Neuve_Communiqué_April_2009.pdf

Cullen, R. & Harris, M. & Hill, R. R. (2012). The Learner-centered Curriculum. San Francisco: The Jossey-Bass.

ECTS Users’ guide (2009). Quelle: Internet (Zugriff 12.02.2012) http://www.oead.at/fileadmin/lll/dateien/lebenslanges_lernen_pdf_word_xls/erasmus/bologna/ects_users_guide2009_de.pdf

Huba, M. & Freed, J. (2000). Learner-Centered Assessment on College Campuses. London: Ally and Bacon.

Mandel, H. & Reinmann, G. (2006). Unterrichten und Lernumgebungen gestalten. In: Krapp, A., Weidenmann, B. (Hrsg.). Pädagogische Psychologie. Weinheim: Beltz, S. 613–658

Thomann et al. (2011). Zwischen Beraten und Dozieren. Bern: hep.

Petra Hild Kooperatives Lernen im Hochschulbereich

1Einleitung

Beim Kooperativen Lernen wird die Interaktion als ein wesentliches konstituierendes Merkmal von Lernprozessen in den Vordergrund gerückt. Dahinter steht die Grundüberzeugung, dass Lernen durch Auseinandersetzung, durch Austausch und Aushandeln sowie im Dialog geschieht. Dies ist kein neuer Gedanke, aber einer, der immer wieder neu gefasst werden muss. Die zunehmende Gewichtung des Kooperativen Lernens innerhalb der letzten Jahre hat stark mit einem veränderten Lehr-Lern-Verständnis zu tun. Es geht neben den zu erlernenden Inhalten heute darum, wie gelernt wird oder wie Lernen organisiert ist (Einführung zu diesem Band siehe hier). Gleichzeitig werden vonseiten der Wirtschaft und diverser Berufs- und Arbeitsfelder hohe Anforderungen hinsichtlich Team-, Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit an Studienabgänger und -abgängerinnen gestellt. Mit kooperativ angelegten Lernprozessen schaffen Dozentinnen und Dozenten in der Hochschullehre Anlässe für dialogische Gespräche, Diskussionen und Entscheidungen. Kooperatives Lernen fokussiert die lernende Studentin, den lernenden Studenten und bezieht sich auf alle acht Merkmale studierendenzentrierter Lehre. Ein Lehr-Lern-Arrangement, das Selbstkonstruktion und Selbststeuerung betont, hat zur Folge, dass Lehrende die Verantwortung für Lernprozesse und -produkte an die Gruppe und die einzelnen Studierenden abgeben, sich nicht direkt einmischen und eine beobachtende, beratende und zur Reflexion anregende Rolle einnehmen. Es entstehen Räume zur Beobachtung, die in der herkömmlichen Lehre meist fehlen. Ganz allgemein werden mit Kooperativem Lernen verschiedene Strategien bezeichnet, deren Gemeinsamkeit die Gruppenarbeit ist. Kooperatives Lernen betont die Verschiedenheit der Studierenden, versteht diese als Ressource und will den Erwerb von Kenntnissen, Kompetenzen und Einstellungen durch Lernen in einer Gruppe oder einer Expertengemeinschaft ermöglichen. Zahlreiche Forschungen bestätigen die Wirksamkeit von Prozessen Kooperativen Lernens (Green & Green 2007; Huber 2006/1993; Johnson, Johnson & Holubec 2005; Konrad & Traub 2001).

Im nächsten Kapitel ist dargelegt, was hier unter Kooperativem Lernen genau verstanden wird und welche Unterscheidung zwischen kooperativem und kollaborativem Lernen sowie der herkömmlichen Gruppenarbeit (Abschnitt 2.1) getroffen werden kann. Daran anschließend erfolgt eine kurze Übersicht über die theoretische Rahmung Kooperativen Lernens (2.2). Das nächste Kapitel bietet eine Übersicht über die Grundlagen und Besonderheiten Kooperativen Lernens anhand der wichtigsten Merkmale (Kapitel 3). Nach der Beschreibung dreier Instruktionsarten (Kapitel 4) werden im Hauptteil dieses Aufsatzes (Kapitel 5 und 6) konkrete Hinweise für die Praxis gegeben sowie Vorgehensweisen und Strategien dargestellt. Zusammenfassende Gedanken runden den Artikel ab.

2Wofür steht der Begriff «Kooperatives Lernen»?

Kooperation dient als Schmierstoff für jene Maschinerie, mit deren Hilfe wir es schaffen, dass Dinge getan werden, und indem wir uns mit anderen Menschen zusammentun, können wir individuelle Mängel ausgleichen.

Richard Sennett (2012, S. 9)

Unter dem Titel Zusammenarbeiten zeigt Sennett (2012) in seinem neusten Buch auf, dass die für eine komplexe Gesellschaft unerlässlichen Kooperationsfähigkeiten an Bedeutung verlieren. In den letzten Jahren werden in Weiterbildungsveranstaltungen sowie im Hochschulbereich immer häufiger Online-Foren für den internen Austausch angeboten. Mehrere Personen, die örtlich voneinander getrennt sind, kommunizieren über das Internet mitei­nander und lösen ein spezifisches Problem, indem gemeinsame Wissensressourcen genutzt werden. In diesen Online-Lerngemeinschaften stehen für die Beteiligten meist der Erwerb und der Austausch von Wissen im Vordergrund. Auch wenn diese virtuellen Gruppen durch E-Moderation und durch spezielle reflexionsfördernde Software unterstützt werden, bieten sie keinen Ersatz für eine Gruppe vor Ort, in der gemeinsames Denken, Aushandeln und Entscheiden sowie die Weiterentwicklung sozialer und kooperativer (Lern-)Kompetenzen stattfinden. Nach Sennett (ebd., S. 42–49) beschränken und behindern Programme der Online-Kommunikation wie z.B. Google Wave die Kooperation, da die Kooperationsfähigkeit des Menschen weitaus größer und komplexer ist, als es die technischen Tools zulassen. «Man könnte sagen, die Programmierer erlaubten es den Benutzern nicht, miteinander Interaktionsmöglichkeiten zu erproben, wie es beispielsweise während musikalischer Proben geschieht» (ebd., S. 48). Erschwerend kommt hinzu, dass in der modernen Gesellschaft die Organisation der Kommunikation durch dialektische Argumentation vertrauter und verbreiteter ist als die Gestaltung der dialogischen Diskussion. Im vorliegenden Artikel interessieren die konkreten Möglichkeiten Kooperativen Lernens in der Lehre mit Fokus auf Interaktion und Dialog.

Kooperatives Lernen ist auch Ausdruck eines Wandels der Lehr-Lern-Kultur: weg von der Fremdsteuerung und der Nachkonstruktion durch die Lehrenden hin zur Erkenntnis, dass nur das gelernt wird, was selbst aktiv und interaktiv angeeignet wurde. Auch in der tertiären Ausbildung verschiebt sich der Schwerpunkt von der Wissensakkumulation und -reproduktion auf die Vermittlung von Methoden und Strategien wie neustes Wissen erschlossen, überprüft und auf spezielle Problemstellungen anwendbar gemacht werden kann. Dieser lerntheoretische Paradigmenwechsel wird beim Kooperativen Lernen deutlich erkennbar. Da Wissen und Handeln kontextgebunden sind, müssen zudem Lernsituationen angeboten werden, in denen nach Konrad und Traub (2001) eigene Konstruktionsleistungen möglich sind, in denen kontextgebunden gelernt werden kann. Je mehr die Lernsituation der Anwendungssituation entspricht, umso eher kann dieser Anspruch eingelöst werden. Auch an Hochschulen müssen vermehrt Situationen realitätsnahen Lernens (vgl. auch fallbasiertes und forschungsorientiertes Lernen im Beitrag von Bieri et al.) geschaffen werden, um die Studierenden auf die Berufswelt vorzubereiten und sie zum Weiterlernen zu befähigen.

Mit den meisten handlungsorientierten und realitätsnahen Lern- und Bildungsformen sind auch kooperative Lernprozesse angesprochen. So etwa beim projektorientierten Lernen oder auch beim problembasierten Lernen (Beitrag von Müller). Zudem stellt Kooperatives Lernen auf Fach(hoch)schulebene einen viel versprechenden Ansatz dar, um die Qualität der Lehr-Lern-Prozesse zu verbessern und die Umstellung hin zur Lern- und Kompetenzorientierung zu unterstützen. Die Partizipation und Integration von Studierenden in das Lehrgeschehen ist eingebettet in eine Kultur des Lernens, welche die gesamte Organisation betrifft (Beitrag von Tanner). Das heißt zum Beispiel, dass auch Dozierende ihre Lehre kooperativ und kollaborativ entwickeln und reflektieren.

2.1Kooperatives Lernen, Kollaboratives Lernen oder Gruppenarbeit?

In manchen Fällen wird in der Literatur Kooperatives Lernen als eine spezifische Form des Kollaborativen Lernens betrachtet (Huber 2006). Dann wiederum werden die beiden Lernformen als zwei unterschiedliche Ansätze und Traditionen bezeichnet, die zwar grundlegende Übereinstimmungen aufweisen, sich jedoch in verschiedene Richtungen entwickelt haben. So soll sich das Kollaborative Lernen eher auf Hochschulebene etabliert haben, während sich die Grundlagenliteratur des Kooperativen Lernens auf den Primär- und Sekundarschulbereich bezieht. Unbestritten ist, dass Methoden des Kooperativen Lernens auch für den Gebrauch an der Hochschule adaptiert und übernommen wurden. Und diese Methoden sind zum Teil sehr gut erprobt und beforscht (Gruppenpuzzle, Abbildung 3 oder STAD, Abbildung 4).

In der Literatur ist man sich einig, dass sich das Kooperative Lernen vom Kollaborativen Lernen in seiner stärkeren Strukturierung unterscheidet und als strukturierte systematisierte Lernform bezeichnet werden kann. Die Lehrenden sind einflussreicher involviert, machen mehr Vorgaben, beobachten die Gruppenarbeit und steuern und evaluieren die Beteiligung der Einzelnen stärker. Häufig nehmen sie die Einteilung der Gruppen vor oder steuern diese mit, indem beispielsweise auf Kriterien der Zusammensetzung aufmerksam gemacht wird. Auch dass die Studierenden dazu angehalten werden, über das Funktionieren der Zusammenarbeit in der Gruppe zu reflektieren und Entwicklungs- und Verbesserungsmöglichkeiten zu überlegen, gehört dazu. Ein grundlegender Unterschied ist zudem, dass beim Kooperativen Lernen Leistungen auch individuell beurteilt werden und nicht nur kollektiv, indem ausschließlich das Endprodukt bewertet wird. Zwischen den Gruppenmitgliedern besteht zwar eine positive gegenseitige Abhängigkeit, das heißt, die Zusammenarbeit in der Gruppe ist für den Erfolg der Einzelnen notwendig. Die Lernenden sind jedoch individuell verantwortlich für ihr Lernen und ihr Engagement in der Gruppe.

Da sich die Zusammenarbeit in Gruppen in einer Art Sandwich-Prinzip mit anderen Lernformen kombinieren lässt, schließt der Ansatz des Kooperativen Lernens weder die frontal ausgerichtete Lehre noch Sequenzen selbstverantworteten Lernens aus. Beim Kollaborativen Lernen hingegen bleiben Gruppen über längere Zeit zusammen, bearbeiten ein gemeinsames Projekt oder eine gemeinsame Fragestellung wie beispielsweise im forschungsorientierten Lernen und Lehren. In anderen Fällen treffen sich die Mitglieder solcher Langzeit-Studierendenteams regelmäßig außerhalb des Unterrichts, um gemeinsam zu lernen, zu lesen, zu wiederholen, Aufgaben zu erledigen, Texte gegenzulesen etc. Diese Form der Zusammenarbeit findet meist in selbst organisierter Form statt, ohne aktive Unterstützung und Steuerung von Lehrenden. Für die Lehre an Hochschulen sind beide Formen relevant und von Interesse – sie haben zum Ziel, dass Lernende nicht nur zusammenarbeiten, sondern dass sie im besten Fall gemeinsam mehr und anderes lernen als allein. Durch Kooperatives Lernen kann das Leistungsniveau aller Beteiligten und somit deren Selbstvertrauen gesteigert werden. Ebenso lernen die Studierenden produktives Zusammenarbeiten und werden in einer Wissensgemeinschaft sozialisiert.

Dem aktuellen Kenntnisstand entsprechend, gelingt Kooperatives Lernen vor allem dann, wenn nicht nur das Lernergebnis beachtet wird, sondern ebenso der Lernprozess und das Lernhandeln. Auch deshalb kann Kooperatives Lernen nicht mit der herkömmlichen Gruppenarbeit gleichgesetzt werden (Konrad & Traub 2001, S. 7). In der hier skizzierten Form kann Kooperatives Lernen, abhängig von der Ziel- und Kompetenzerreichung, mehr oder weniger strukturiert und von unterschiedlicher Dauer sein. Wesentlich ist die Fähigkeit des Dozenten oder der Dozentin, in etwa einzuschätzen, was die Studenten und Studentinnen bereits können und wissen, was daher vorausgesetzt werden darf, und in welchen Bereichen (Denk- und Lernstrategien oder soziale Kompetenzen) die Lernenden Unterstützung, Anleitung und Struktur benötigen.

Das gemeinsame Lernen in heterogenen Gruppen eignet sich dazu, Vorwissen zu aktivieren, Wissen zu erarbeiten und zu festigen, Probleme kreativ zu lösen oder die dialogische Kompetenz zu fördern. Besonders geeignet sind komplexe, herausfordernde Aufträge, die konzeptuelles Denken erfordern, wie etwa die Funktionsweise eines Gegenstandes zu erkennen, den Stoffwechsel bei Pflanzen zu begreifen, einen Leserbrief zu verfassen oder eine historische Begebenheit szenisch darzustellen. Dies alles sind Aufgaben, die unterschiedlichste Fähigkeiten erfordern. Beim Bearbeiten einer komplexen Aufgabe oder eines Problems bringen alle Lernenden sich und ihre Kompetenzen möglichst eigenverantwortlich und gleichberechtigt ein, wobei der Dozent oder die Dozentin die Führung an die Gruppe und die einzelnen Studierenden abgibt. Der hier vorgestellte Zugang ist von unterschiedlichen Bedingungen (Kapitel 3, S. 23 ff.) abhängig, damit er lernwirksam wird. Erste Anhaltspunkte gibt die folgende Beschreibung zentraler Elemente:

Beschreiben zentraler Elemente Kooperativen Lernens

Zwei oder mehr Personen verfolgen gemeinsam das Ziel, ein Problem zu lösen oder einen Lernauftrag zu erfüllen. Die oder der Einzelne erreicht es, wenn die Gruppe es erreicht hat. Jedes Gruppenmitglied hat eine Rolle und eine Aufgabe, die seinen Fähigkeiten entspricht. Diese Rolle und diese Fähigkeiten sind notwendig zum Erreichen des Ziels. Das verbindet die Einzelnen zur Gruppe. Alle Mitglieder sind somit voneinander abhängig. Sie kooperieren, indem sie interagieren und kommunizieren. Sie müssen sich gegenseitig fragen, einander zuhören, eine Meinung vertreten, Gedanken strukturieren, den Überblick behalten, Entscheidungen fällen und Arbeitsteilung organisieren.

2.2Eine alte Idee neu verpackt?

Die Wurzeln von Kollaborativem und Kooperativem Lernen werden in der Literatur auf die Ansätze von John Dewey (1859–1952) und Kurt Lewin (1890–1947) zurückgeführt. In Bildungsprozessen sollte nach Dewey allen Individuen die Möglichkeit gegeben werden, Verantwortung zu übernehmen und einen Beitrag in der Gesellschaft zu leisten. Sein Anliegen war es, Demokratie in pädagogischen Prozessen zu verwirklichen. Wesentliche Impulse zur Entwicklung der Gruppendynamik gab Lewin, Mitbegründer einer experimentellen Sozialpsychologie, der menschliches Verhalten als Handeln in Situationen betrachtete und erforschte. Bezüglich kognitionstheoretischer Grundlagen für die Entwicklung des Kollaborativen und Kooperativen Lernens wird jeweils auf die Annahmen von Jean Piaget (1896–1980) und Lew Wygotsky (1896–1934) verwiesen. Piaget hat erkannt, dass Lernen ein Konstruktionsprozess ist und dass Sprache, Werte, Regeln, Moral oder Symbolsysteme wie Mathematik und Schrift nur in Interaktion mit anderen gelernt werden können. Auch nach Wygotsky kann Lernen nur im gemeinschaftlichen Kontext durch die Verinnerlichung von sozialen Aktivitäten erfolgen. Dazu kamen in jüngerer Zeit sozialkonstruktivistische Überlegungen. Ausgehend von der Bedeutung sozialer Interaktion als Anlass für Konstruktionsprozesse betont Reich (2006) die Beziehungsseite von Lehr-Lern-Prozessen: «Lernen ist immer eine soziale Situation und ein zwischenmenschliches kommunikatives Ereignis» (S. 18). Demzufolge können Lernprozesse mittels gemeinsamer Konstruktion von Bedeutung und entsprechender Aushandlungsprozesse durch die Gesprächspartner in der Gruppe angestoßen werden. Die aktive Rolle der Lernenden entspricht zudem den Ergebnissen der aktuellen Lernforschung. Es gilt mittlerweile als gesichert, dass aktive Eigenkonstruktionen eine wesentliche Basis «jedes kognitiv konstruktivistischen Lernens darstellen – dies im Gegensatz zu rein reproduktiven und mechanisch-passiven Formen des Lernens» (Reusser 2001 S. 127).

Es gibt nicht nur unterschiedliche Begründungen, sondern ebenso verschiedene Zielebenen für Kooperatives Lernen. Aus einer lerntheoretischen Perspektive wird argumentiert, dass beim Lernen durch Austausch- und Aushandlungsprozesse sowohl Wissen als auch Denkstrukturen erworben und erweitert werden. Die Pädagogik und Didaktik argumentiert mit der Mehrdimensionalität von Kooperativem Lernen: Es wird ein Inhalt gelernt, wobei Wissen (re)konstruiert und damit gefestigt wird. Je nach Aufgabenstellung werden Fertigkeiten wie zum Beispiel Plakatgestaltung eingeübt. Über den Lernweg werden soziale Ziele verfolgt und Haltungen wie Respekt oder Verantwortungsübernahme können sich entwickeln. Zudem müssen Lernstrategien angewendet und reflektiert werden, und weil die Dozentin oder der Dozent die Steuerung zu einem großen Teil abgibt, können Selbstständigkeit, Disziplin und Eigenverantwortung wachsen.

3Merkmale Kooperativen Lernens

Im Vergleich zur herkömmlichen Gruppenarbeit lassen sich spezifische Merkmale Kooperativen Lernens beschreiben, die das Potenzial dieses Ansatzes verdeutlichen (Green & Green 2007; Huber 2006/1993; Johnson, Johnson & Holubec 2005; Konrad & Traub 2001).

3.1Heterogene Gruppen und Ressourcenorientierung

Heterogene Gruppen beim Kooperativen Lernen haben zum Ziel, der Verschiedenheit der Lernenden gerecht zu werden. Die Aufgabe der Gruppenarbeit muss so gestellt sein, dass unterschiedliche Kompetenzen für die Zielerreichung gefragt sind. Jede Studentin und jeder Student stellt die eigenen Ressourcen und Fähigkeiten für die Lösung des Problems und das Gruppenergebnis zur Verfügung. Es ist je nach Situation die Aufgabe der Lehrenden, einerseits über die Gruppenzusammensetzung und andererseits über die Rollenverteilung (Rollen, S. 34) den Zugang zu vorhandenen Ressourcen zu regeln. Der Dozent oder die Dozentin stellt die Aufgabe so, dass für die Lösung unterschiedliche Fertigkeiten und Fähigkeiten gefragt sind, und ist darauf bedacht, die Lernenden so auf die Gruppen zu verteilen, dass diese gesamthaft über alle nötigen Ressourcen verfügt (vgl. auch Komplexe Instruktion).

3.2Jede/r kann etwas gut und niemand ist gut in allem

Immer wieder kommt es vor, dass die Mitglieder einer Gruppe überhaupt nicht miteinander zurechtkommen, sei es, weil die Arbeitsgeschwindigkeiten zu unterschiedlich sind, die Arbeit wenig produktiv und effektiv aufgeteilt wurde, weil Machtkämpfe um die Führungsrolle ausgetragen werden oder weil unsichere Studierende Schwierigkeiten haben, sich einzubringen. In der Literatur wird dieses Phänomen oft als eine Art «soziales Faulenzen» beschrieben. Dies ist eine eingeschränkte Sichtweise, da hinter solchen Phänomenen auch der Umgang mit Verschiedenheit steht.

Die moderne Gesellschaft hat einen neuartigen Charaktertyp hervorgebracht – einen Menschen, der darauf bedacht ist, die Ängste zu verringern, die durch Unterschiede ausgelöst werden können, ob sie nun politischer, ­rassischer, religiöser, ethnischer oder erotischer Natur sind. (Richard Sennett 2012, S. 21)

Der Umgang mit Differenz wird beim Kooperativen Lernen zum Thema. Die Dozentin oder der Dozent weist im Plenum auf diesen Zusammenhang hin, indem zum Beispiel betont wird, dass niemand in der Gruppe über alle, aber jedes Mitglied über unentbehrliche Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügt. Deshalb muss zusammengearbeitet werden. Diese Bedingung ist von ­großer Wichtigkeit. Es soll offen darüber diskutiert werden, welche Differenzen beim Lernen bedeutsam sind und wie der Diskriminierung Einzelner entgegengewirkt werden kann. Zumindest phasenweise muss deshalb auch Coaching durch die Lehrenden angeboten werden.

Abbildung 1: Beispiel für die Taktik Placemat (Platzdeckchen)

Bei der Präsentation der Ergebnisse beteiligt sich jeweils jedes Gruppenmitglied. Die zugeteilte Rolle und deren Übernahme involviert alle Mitglieder in den Gruppenprozess, sie sichert eine klare Position und ein spezifisches Aufgabenfeld. Dadurch erhalten alle Beteiligten eine Stimme. Kooperatives Lernen schult die Fähigkeit, die Verschiedenartigkeit der Gruppenmitglieder zu erkennen und als unauflösbare Spannung zu akzeptieren. Im Kooperativen Lernprozess kann sich der Sinn für Zugehörigkeit und Respekt füreinander entwickeln. Ein einleuchtendes Beispiel dafür, wie Interaktion beim Lernen unterstützt werden kann, ist die Taktik Placemat (Green & Green 2007, S. 136). Dabei handelt es sich um eine Methode, Wissen zusammen zu führen und zu erweitern. Durch die vorgegebene Einteilung eines möglichst großen Papierbogens und Phasen der Bearbeitung wird die Interaktion strukturiert. Die Taktik ist einfach und situativ einsetzbar. Die Aufgabenstellung zu Abbildung 1 lautete: Was wissen Sie über qualitative Forschung und wissenschaftliches Arbeiten?

Das hier abgebildete Placemat entstand im Rahmen eines Forschungsprojektes in der Ausbildung «Soziales Feld Schule – mehr als Unterricht und Didaktik» unter der Leitung von Sibylle Künzli und Petra Hild an der Pädagogischen Hochschule Zürich (FS12/HS13).

Placemat eignet sich besonders gut für die Sammlung von Ideen und das Zusammentragen von Vorschlägen, Leitgedanken oder Argumentationen. Passend ist es auch innerhalb des ersten Schrittes einer Lerneinheit, um Vorwissen zu einem bestimmten Thema zu aktivieren, wie in diesem Beispiel. In der anschliessenden Diskussion kann im Plenum auf einzelne Punkte näher eingegangen werden, und es können Differenzen zwischen dem zu erlernenden Inhalt und den von den Studierenden zusammengetragenen Gedanken aufgezeigt und diskutiert werden. Die Methode verdeutlicht zudem den Anspruch, die individuellen Beiträge für das Gesamtprodukt sichtbar zu machen. Die Urheber und Urheberinnen ihres Werkes unterschreiben auch deshalb mit ihrem Namen oder ihren Initialen. Im folgenden Kasten sind die Phasen und Schritte der Taktik Placemat zusammengefasst:

Phasen der Taktik Placemat

A Einzelarbeit: Schreiben, Zeichnen, Sammeln

In einer vereinbarten Zeit denken die Lernenden zuerst einmal die Aufgabenstellung durch und schreiben ihre Ideen und Vorschläge ins dafür vorgesehene Außenfeld, dies ohne miteinander zu sprechen. Ein Placemat braucht so viele Außenfelder wie Gruppenmitglieder und muss jeweils entsprechend eingeteilt werden.

B Einzelarbeit: Lesen und Verstehen

Im nächsten Schritt wird das Placemat gedreht, sodass alle die Vorschläge in den Feldern der Gruppenmitglieder nachlesen können. Klärungsfragen sind erwünscht.

C Interaktion: Diskutieren, Aushandeln, Entscheiden

Nach der Klärung von sachlichen Fragen werden die einzelnen Ergebnisse diskutiert. Es wird zum Beispiel ausgehandelt, welches die wichtigsten Kennzeichen wissenschaftlichen Arbeitens sind. Gleichzeitig gilt es, die individuellen Beiträge nicht nur zu analysieren, sondern auch zu synthetisieren, indem zum Beispiel ein Oberbegriff gefunden werden muss, der unterschiedliche Teilaspekte inte­griert. Diese werden in der Mitte festgehalten.

D Alle: Präsentation

Während der Präsentation der Ergebnisse können diese den anderen Gruppen vorgestellt werden und die Dozentin, der Dozent und alle Studierenden kommentieren, verknüpfen und diskutieren die Ergebnisse. Variante: Die einzelnen Placemats wandern von Gruppe zu Gruppe und werden gegengelesen. Mit einem Haken zeigt die Gruppe ihr Einverständnis. Ein Minuszeichen bedeutet Ablehnung. Mit einem Fragezeichen werden Unklarheiten gekennzeichnet. Danach werden die Placemats aufgehängt und wie in einer Galerie einzeln betrachtet, kommentiert und diskursiv verglichen.

3.3Austausch im Dialog

Mit Austausch im Dialog ist keine Konversation gemeint wie sie beispielsweise beim Smalltalk an Partys üblich ist. Kooperation, die auf Austausch im Dialog beruht, verlangt gewisse Fertigkeiten und Fähigkeiten. Das Spektrum reicht «von gutem Zuhören und taktvollem Verhalten über das Ausfindigmachen von Übereinstimmungen bis hin zum geschickten Umgang mit Meinungsverschiedenheiten oder der Vermeidung von Frustration in schwierigen Situationen» (Sennett 2012, S. 19). Für all diese Teilkompetenzen gibt es eine Bezeichnung, die der «Dialogfähigkeiten» (ebd., S. 19).

Eine Quelle des Dialoggedankens ist Sokrates. Ihm ging es um das direkte Gespräch, in dem das Wissen des Gesprächspartners an die Oberfläche zu holen ist. Im Diaolog geht es um die Aufmerksamkeit und das Interesse für andere. «Menschen, die nicht beobachten, können auch keine Gespräche führen» (ebd., S. 29). Beobachten und die Fähigkeit, Fragen zu stellen, sind wesentlich für einen Dialog. Zuhören wiederum «erfordert eine Reihe anderer Fähigkeiten. Hier gilt es, genau darauf zu achten, was andere sagen, und es zu interpretieren, bevor man antwortet, und zwar die Gesten und Sprechpausen ebenso wie das explizit Gesagte. Obwohl wir uns möglicherweise zurück­halten müssen, um beobachten zu können, wird das Gespräch dadurch reicher, kooperativer, dialogischer» (ebd., S. 29). Fähigkeiten zur Mitgestaltung eines Dialogs unterstützen das gemeinsame Lernen, sie ermöglichen verbindliche Abmachungen und Entscheidungen mit hoher Akzeptanz. Nach Bohm (1998) können im Dialog die Erfahrungs- und Lebensgeschichten der Teilnehmenden erkundet werden. Daraus entsteht zugleich ein tieferes Verstehen der Dialogpartner untereinander, ebenso wie des besprochenen Sachzusammenhangs. Zudem eröffnet sich die Möglichkeit, Standpunkte und Haltungen zu überdenken. Die Grundfrage beim Dialog lautet: Was tust/denkst du da, und wie kommst du dazu, das … so zu verstehen, wie du es tust?

Diese Frageform gewährt Raum und Zeit zur Annahme dessen, was jetzt wirklich bedeutsam ist, und fordert nicht zur Beurteilung und Bewertung heraus. Eine Anlage, die sich für den Austausch im Dialog eignet, ist zum Beispiel die Taktik Inside-Outside-Circle (Konrad & Traub 2001, S. 85, Stichwort Kugellager).

Wie der Name dieser Interaktionsform anzeigt , stellen sich die Lernenden zu zwei realen Kreisen formiert – einander zugewandt – auf. Damit immer wieder ein neues Gegenüber für den dialogischen Austausch zur Verfügung steht, drehen sich entweder die Lernenden des Außen- oder aber des Innenkreises um eine oder zwei Positionen. Zu einer Frage können sich Studierende jeweils mit mehreren anderen Interaktionspartnern und -partnerinnen austauschen, oder aber mit jeder Drehung des Außen- oder Innenkreises erfolgt eine neue Fragestellung. Ohne Druck findet so Aktivierung und Involvierung der Lernenden statt. So gestaltetes dialogisches Denken hilft auch gegen Blockaden. Im Dialog werden weniger Argumente ausgetauscht als vielmehr Horizonte eröffnet. Dazu gehört die Kommunikation über Mehrdeutigkeiten ebenso wie die Einsicht, dass «der Konjunktiv Raum für Experimente» (Sennett 2012, S. 40) ermöglicht. Grundlegendes wie auch weiterführende Gedanken und konkretisierende Beispiele zum Dialog, dem «Miteinanderdenken», finden sich bei Hartkemeyer, Hartkemeyer & Freemann (1999).

Abbildung 2: Inside-Outside-Circle (S. 28, Quelle: http://pketko.com/Unit%20Design/popups/instructtactics.htm)

3.4Direkte Interaktion

Das Lernen, das Aushandeln, die Kontroverse (Da bin ich anderer Meinung …) und der dialogische Austausch sind beim Kooperativen Lernen wesentlich. Die Lernsituation muss Möglichkeiten zu vielfältiger Interaktion bieten. Das Ausmaß an Interaktivität ist hierbei nicht einfach an der Häufigkeit der Interaktionssequenzen zu messen, sondern der Beitrag der einen sollte auch einen Einfluss auf die folgenden Beiträge der anderen auslösen. Das, was es zu tun gibt, muss ein Miteinander und ein Voneinanderlernen durch gegenseitiges Verhandeln nötig machen. Die Aushandlungsprozesse über die Art und Weise des Miteinanders im Sinne einer bestimmten Aufgabe wie Wie wollen wir vorgehen? Lasst uns doch erst einmal unsere Fragen zum Text gegenseitig vorstellen, und dann diskutieren wir die für uns zentralen Probleme! spiegeln dieses Wirkungsanliegen wieder. Die direkte Kommunikation und Interaktion hängt wesentlich von der Aufgabenstellung und deren Formulierung ab. Geeignet sind Aufforderungen wie ‹Vergleicht …›, ‹Beurteilt gemeinsam …›. Durch Austauschen und Aushandeln erreichen Lernende eine höhere kognitive Ebene (Bloom’sche Taxonomie). Sie bewerten, analysieren oder führen zusammen. Sie verstehen etwas und können es in neue Zusammenhänge übertragen.

Lernende brauchen Zeit, um ihre eigenen Ideen zu formulieren. Sie müssen ihren selbst gefundenen Standpunkt verteidigen, und sie müssen erklären können. Wie aus der Kognitions- und Gedächtnisforschung bekannt, hat dieser Vorgang besonders günstige Effekte für die Erklärenden. Das Vorentlasten (z.B. durch ein vorgelagertes Lehrgespräch oder Illustrationen) ungewöhnlicher Begriffe und Gedankengänge eines neuen Konzeptes sowie das Übertragen von Wörtern, mathematischen Gefügen oder Textstellen in eine Sprache, die den Studierenden vertraut ist, bieten nötige Grundlagen für nachfolgende Erklärungs- und Aushandlungsprozesse.

Eine der einfachsten Taktiken mit der Bezeichnung «Denken – Austauschen – Vorstellen» (Green & Green 2007, S. 130) strukturiert auf simple Art und Weise die Vernetzung von Wissen und fördert die Interaktion und Kommunikation. Wenn die Lerngruppe ihre Perspektiven austauscht, kann jedes Mitglied ein Problem unter mehreren Aspekten kennenlernen. Vergleichen, Erklären und Nachfragen sind Voraussetzungen für Verstehensprozesse, die durch die Interaktion ermöglicht werden. Dadurch, dass sich mehr Betrachtungsweisen und Lösungswege ergeben, kann Wissen langfristig erhalten bleiben. In ihrer Einfachheit kann diese Taktik als eine Art Muster für Kooperative Lernprozesse gelten.

Denken – Austauschen – Vorstellen (think – paire – share)

A Denken