Italienische Volksmärchen. Mit stimmungsvollen Illustrationen von Max Wechsler - Paul Heyse - E-Book

Italienische Volksmärchen. Mit stimmungsvollen Illustrationen von Max Wechsler E-Book

Paul Heyse

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Beschreibung

Werden die Liebenden »Fiorindo und Chiara Stella« zueinanderfinden? Und was entdeckt der melancholische Prinz in den magischen Granatäpfeln? Die Volksmärchen, die Paul Heyse zusammengetragen und übersetzt hat, entführen in die bunte Märchenwelt Italiens. Riesen, sprechende Tiere und Feen bevölkern die fantastischen Märchen, die der mündlichen Erzähltradition entstammen. Märchenstoffe wie das »Aschenbrödel« sind auch hierzulande bekannt, doch die Märchen über die kluge »Margheritina« oder »Die Insel der Glückseligkeit«, wo die Fortuna wartet, verdienen, neu entdeckt zu werden. Ergänzt wird die Volksmärchensammlung durch das Kunstmärchen »Das schwarze Ei« des Sizilianers Luigi Capuana.

  • Italien erlesen
  • Neue Märchen entdecken aus verschiedenen Regionen Italiens - voller Flair, Folklore und kulturellen Besonderheiten
  • Von einem großen Italienverehrer und einstigen Lieblingsautor der Deutschen im 19./20. Jahrhundert. Paul Heyse erhielt 1910 den Literaturnobelpreis
  • Bildhafte Sprache, bildreiches Buch: Mit stimmungsvollen Illustrationen von Max Wechsler

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Seitenzahl: 160

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Italienische Volksmärchen

Übertragen von Paul Heyse

Illustrationen von Max Wechsler

Anaconda

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Dieser Band erschien zuerst 1914 unter dem Titel Italienische Volksmärchenim J.F. Lehmanns Verlag, München.Der Text wurde unter Wahrung von Lautstand, Interpunktionsowie sprachlich-stilistischer Eigenheiten den Regeln der neuendeutschen Rechtschreibung angepasst.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2024 by Anaconda Verlag, einem Unternehmender Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Georges Barbier (1882–1932), »Love, Desire and Death«(inks with mixed media), Privatsammlung, The Stapleton Collection / Bridgeman Images

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de

Satz und Layout: InterMedia – Lemke e. K., Heiligenhaus

ISBN 978-3-641-31850-5V001

www.anacondaverlag.de

Vorwort

Schon im Jahre 1845 erschienen italienische Volksmärchen indeutscher Übersetzung, in H. Kletke’s großem »Märchensaal aller Völker für Jung und Alt. (Berlin. Carl Reimarus)«. Ihm folgte 1870 eine in Messina geborene Deutsche, Frl. Gonzenbach, die 92 sizilische Märchen aus dem Munde einfacher Frauen und Mädchen sammelte und trefflich übersetzte. Auch dieses Buch aber drang nur in die Kreise der Gelehrten, die sich um die Erforschung volkstümlicher Überlieferungen bemühten, nicht in deutsche Familien als Lektüre der Kinder, da es sein Herausgeber, Otto Hartwig, mit einem so großen wissenschaftlichen Rüstzeug versehen hatte, dass das zweibändige Werk es schon durch seinen Umfang von der Kinderstube ausschloss.

Das Interesse an ihrer Volkspoesie ist seitdem bei den italienischen Gelehrten stetig gewachsen. In jeder Provinz hat man sich beeifert, was noch an Märchen und Sagen im Volke fortlebt, zu sammeln und in die große Literatur der »folkloristischen« Wissenschaft einzureihen. Im 6. Bande der 1870 von Domenico Comparetti’s und Aless. d’Ancona’s begonnenen Canti e racconti del popolo italiano (Hermann Loescher, Turin-Florenz) finden sich 70 Märchen, von denen ich 19 auswählte. Ich fügte aus Vittorio Imbriani’s Novellaja Fiorentina (Livorno 1877) noch fünf hinzu und ein Märchen eines neueren Dichters, Luigi Capuana, aus seinen Fiabe1 (Mailand 1882).

1 Das Wort für Märchen ist im Italienischen Fiaba oder novella.

In der Übersetzung habe ich mich so treu als möglich an das Original gehalten, und während Wilhelm Grimm in den Kinder- und Hausmärchen sein dichterisches Feingefühl walten ließ, indem er die mündlichen Mitteilungen seiner Märchenfrau zuweilen der Feile oder gar bedeutenden Änderungen unterzog, gab ich den fremden Text ohne jede eigene Zutat oder Redaktion wieder, selbst wo die Wirkung sich mit Wenigem hätte erhöhen lassen oder offenbare Mängel, die mit jeder mündlichen Tradition verbunden sind, leicht zu beseitigen waren. Eine solche Freiheit hätte mich zu weit geführt, sodass ich diese ausgegrabenen Fundstücke lieber mit allen anhängenden Spuren ihrer Herkunft den jungen Lesern überliefere, als die Freude an der kunstlos schweifenden Fantasie des Volkes ihnen verkümmern wollte.

München, im März 1914

Paul Heyse

Inhalt

Vorwort

Margheritina

Die Bärtige

Geppone

Die drei Schwestern

Granadoro

Die Granatäpfel

Cric und Croc

Die goldene Säule

Das Aschenbrödel

Fortuna

Der genarrte Tod

Königin Angelica

Das kluge Mädchen

Der Florentiner

Die zwölf Ochsen

Die Insel der Glückseligkeit

Die Sprache der Tiere

Die Affen

Oraggio und Bianchinetta

Der Kupferschmied

Fiorindo und Chiara Stella

Die drei Orangen

Das Märchen vom Schlaf

Die beiden Buckligen

Das schwarze Ei

Margheritina

Es war einmal ein Mann, der hatte einen Birnbaum, von dem er jedes Jahr vier Körbe voll Birnen erntete. Nun geschah es in einem Jahr, dass er nur dreieinhalb Körbe voll trug, und der Mann, der dem König immer vier zu bringen pflegte, wusste nicht, wie er es anfangen sollte, sie alle vier zu füllen. Er füllte also drei und den vierten nur halb, dann steckte er die kleinste von seinen Töchtern hinein und tat so viel Blätter da­rüber, bis er voll war wie die andern. Als er ihn dann in der Vorratskammer des Königs ausleerte, brachte er zugleich mit den Birnen auch dies sein Kind heraus, das sich zwischen den Strohmatten versteckte, und da es nichts zu essen hatte, aß es von den Birnen.

Eine Zeit lang hatten die Diener des Königs es nicht gemerkt, dann aber sagten sie: »Es muss irgendein Tier sein, das die Birnen isst. Wollen doch einmal nach­suchen« – und suchten hier und dort und fanden das Mädchen unter den Matten. »Was machst du hier?«, fragten sie. »Komm mit uns und diene in der könig­lichen ­Küche.« – Und das Mädchen war so gescheit, dass sie in kurzer Zeit den Dienst besser tat, als die Dienerinnen des Königs, und war so anmutig, dass alle sie gern hatten. Ein Weilchen waren die Dienerinnen des Königs still, dann aber, neidisch wie sie waren, suchten sie auf alle Weise dem armen Mädchen Böses anzutun. Sie fingen damit an, dem König zu sagen, Margheritina habe geprahlt, sie könne in einem Tag die ganze Wäsche des königlichen Hauses waschen und trocknen. Eines Tages ruft sie der König und sagt ihr: »Ist es wahr, dass du dich erboten hast, in einem Tag alle Wäsche in meinem Hause zu waschen und zu trocknen?« – »Nein«, sagte sie, »es ist nicht wahr. Das habe ich nicht gesagt.« – Der König aber antwortete: »Du hast es gesagt, und was du dem König versprochen hast, musst du halten.«

Das arme Mädchen geht in seine Kammer und fängt zu weinen an. Der Sohn des Königs, der in sie verliebt war, sagt ihr: »Warum weinst du, Margheritina?« – Da erzählt sie ihm alles, und er sagt: »Weine nicht, ich will dir alles machen. Sage dem König, dass er dir all sein Zeug in ein einziges Zimmer bringen lassen solle.« – Sie tat es, und der Sohn des Königs erhob eine Rute, die er unter den Kleidern hatte, und machte, dass alles Zeug in einem Augenblick gewaschen und getrocknet war, Leintücher, Strümpfe, Handtücher, alles von selbst. Am Morgen geht der König, um nachzusehen, und findet alles in so schöner Ordnung, dass selbst er nicht wusste, was er sagen sollte.

Zwei oder drei Monate sagten die Mädchen nichts mehr, dann aber sagten sie dem König, Margheritina habe sich gerühmt, sie könne den Hexen den Schatz abnehmen. Der König hörte es, ließ sie kommen und sagte ihr: »Ist es wahr, dass du dich gerühmt hast, du könnest den Hexen ihren Schatz abnehmen?« – Sie leugnete es, der König aber bestand darauf, mit jenem Wort habe es seine Richtigkeit, und sagte: »Wenn du es versprochen hast, musst du es halten.« – Da ging sie in ihre Kammer und weinte noch heftiger als zuvor. Der Sohn des Königs hörte sie, und weil er wusste, weshalb sie weinte, sagte er ihr: »Nun wohl, sage nur ja, und der König solle dir drei Pfund Schmeer, drei Pfund Brot und drei Pfund Kehrbesen geben lassen.« – Das sagte sie dem König, und der König tat es. Darauf geht sie fort, geht und geht weit, weit fort. Sie kommt zu einem Ort, wo ein Backofen war, und dabei waren drei Weiber, die sich die Haare ausrissen und mit ihnen den Ofen fegten. Mit denen fühlte sie Mitleid und gab ihnen die drei Pfund Besen, und sie fegten nicht mehr den Ofen mit ihren Haaren. Dann geht und geht sie und kommt zu einem Ort, den sie nicht passieren konnte, denn da waren drei Hunde, die bellten und an ihr hinaufsprangen wie Wölfe. Da nahm sie die drei Pfund Brot und gab sie ihnen, und sie ließen sie passieren. Dann immer weiter, weiter, bis sie zu einem Fluss kam, dessen Wasser so rot wie Blut war; da wusste sie nicht, was sie tun sollte. Aber der Königssohn hatte ihr gesagt, sie sollte sprechen: »Wässerlein, schön Wässerlein, hätt’ ich nicht Eile, tränk’ ich vom Wasser dein!« – Bei diesen Worten zog sich das Wasser von rechts und links zurück und ließ sie durchgehen.

Als sie am andern Ufer war, sieht sie einen Palast, der schöner und größer war, als irgendeiner in der Welt. Er hatte eine Tür, die sich so geschwind öffnete und schloss, dass niemand hinein konnte. Da nahm sie die drei Pfund Schmeer, schmierte die Tür damit und trat nun in das Haus der Hexen ein. Das Kästchen mit dem Schatz, der auf einem Tischchen stand, nahm sie; das aber war verzaubert. Als sie es in der Tasche hatte, hörte sie es sagen: »Tür, töte sie! Tür, töte sie!« – Die Tür aber antwortet: »Nein, ich will sie nicht töten. Ich bin so lange nicht geschmiert worden, sie aber hat mich geschmiert.« – Darauf geht sie zu dem Fluss, und das Kästchen sagt: »Ertränke sie, ertränke sie!« – Der Fluss aber antwortet: »Nein, ich will sie nicht ertränken, weil sie zu mir gesagt hat: Wässerlein! schön Wässerlein!« – Als sie dann zu den Hunden kommt, sagt das Kästchen: »Friss sie, friss sie!« – Sie aber: »Nein, wir wollen sie nicht fressen, weil sie uns Brot gegeben hat.« – Bei dem Backofen der Hexen hörte sie das Kästchen sagen: »Verbrenne sie! verbrenne sie!« – Die aber: »Nein, wir wollen sie nicht verbrennen, weil sie uns drei Pfund Besen gegeben hat, unsere Haare zu schonen.«

Endlich war sie beinahe wieder nach Hause gekommen, aber weil die Frauen neugierig sind, wollte sie sehen, was in dem Kästchen wäre, öffnete es, und heraus flog eine Henne mit goldenen Küchlein, und sie konnte sie nicht wieder fangen. Der Königssohn sah es und ließ mit seiner Zauberrute die Henne mit den Küchlein in das Kästchen zurückkehren. Dann sagte er zu dem Mädchen: »Du siehst, dass ich dir das Leben gerettet habe. Also musst du mich lieben und mich heiraten, und meinem Vater musst du sagen, dass du zur Belohnung jene große Kiste voll Kohlen ganz hinten im Schloss haben willst, in der aber werde ich stecken.«

Als Margheritina nach Hause kam, gingen ihr die Dienerinnen entgegen und der König und alle Hofleute, und sie gab dem König die Henne mit den goldenen Küchlein. Der König aber sagte ihr: »Verlange, was du willst, ich werde dir’s geben.« – Da verlangte sie die Kohlenkiste hinten im Schloss. Man ging zu sehen, was drin war, da fand man den Königssohn. Der König war es zufrieden, dass Margheritina seinen Sohn heiratete, und sie hielten ein schönes Hochzeitsmahl, mich aber ließen sie hinter der Tür.

(Monferrato)

Die Bärtige

Es war einmal eine Frau, die hatte drei Töchter. Sie waren arm, ernährten sich mit spinnen, und jeden Tag ging eine andere der Töchter um Zichorienpflanzen zum Salat zu pflücken. Die sammelten sie in ein Körbchen, verkauften sie, und so lebten sie.

Eines Tages war die Kleinste ganz verzweifelt, denn sie fand keine Zichorie. Aber da sieht sie eine schöne Wiese, wo eine Menge wuchs und von den Schönsten, und geht hin und pflückt davon. Da kommt ein Ungeheuer: »Ha! wie kommst du dazu, mir diese Zichorien zu stehlen?« – »Ich tu’ es, um nicht zu verhungern.« – »Schön! sieh diese Börse mit Geld, die bringe deinen Leuten, und komme dann wieder her.« – Das Mädchen nimmt das Geld, geht nach Hause und erzählt alles der Mutter. Die Mutter, wie sie das Geld sieht, freut sich und sagt der Tochter, sie solle nur zu dem Ungeheuer zurückkehren. Das Ungeheuer bringt sie ans Ende einer breiten Straße, wo ein sehr schöner Garten war und ein prächtiger Palast. Der Palast aber war unterirdisch, und von außen sah man ihn nicht.

Es lässt sie zu dem Palast hinuntersteigen und ein Bad nehmen, und kleidet sie wie eine Königin.

In dem Garten war ein Zaun und ringsherum einige schöne Sessel. »Geh«, sagte das Ungeheuer, »setz dich auf einen dieser Sessel, und wenn Jemand dir etwas sagt, komm zu mir und sage mir alles wieder.«

Das Mädchen gehorchte. Der Zufall wollte, dass der König des Landes auf die Jagd ging. Er kommt an dem Zaun vorbei, sieht das schöne Fräulein dort sitzen, gekleidet wie eine Königin, und kaum sieht er sie, so verliebt er sich in sie. Er tritt näher, grüßt sie und sagt ihr in wenig Worten, dass er sich in sie verliebt habe und ihr Gemahl werden wolle. Das Fräulein sagte weder Ja noch Nein. Sie antwortete, er möge wiederkommen, dann werde sie ihm eine Antwort geben.

Der König entfernte sich, das Mädchen aber ging zu dem Ungeheuer und erzählte ihm, was vorgegangen war. – »Ich bin’s zufrieden, dass du ihn heiratest, sagte das Ungeheuer, nur ehe du die Hochzeit hältst, sollst du mir Lebewohl sagen. Doch hüte dich wohl, es zu vergessen!«

Am andern Morgen kommt der König mit dem Wagen. Das Mädchen hatte sich wieder auf den Sessel gesetzt in den Kleidern einer Königin. – »Nun?«, fragte der König. – »Ich will es tun«, sagte das Mädchen. Der König, sehr vergnügt, dankte ihr und sagte, wenn sie in den Wagen einsteigen wollte, würde es gleich zur Hochzeit gehen.

Das Mädchen steigt in den Wagen, und in der Unruhe des Aufbruchs vergisst sie, dem Ungeheuer Lebewohl zu sagen. Als sie schon eine Strecke gefahren waren, fällt es ihr wieder ein. »O weh!«, sagt sie, »ich habe vergessen, eine gewisse Sache mitzunehmen!« – Der ­König befiehlt, umzukehren, das Mädchen steigt aus und geht zu dem Ungeheuer. – »Liebes Ungeheuerchen, sei nicht böse, ich hatt’ es vergessen.« – »Gut!«, sagt das Ungeheuer, »also gehen wir! Gib mir einen Kuss und dann sprechen wir nicht weiter davon!« – Und es gibt ihr einen Kuss, und auf einmal wächst ihr ein langer Bart, dass es ganz schrecklich aussah. Die Ärmste fängt an zu weinen und ist ganz verzweifelt: »Wie soll ich jetzt zum ­Könige gehen?« – Das Ungeheuer gab ihr einen langen, langen Schleier, in den wickelte sie sich ganz und kehrte zu ihrem Gemahl zurück. »O warum hast du dich so vermummt?«, fragte der König als er sie sah. Sie antwortete, es sei ihr eine starke Entzündung an den Augen gekommen, darum hätte sie sich so einhüllen müssen.

Die Mutter des Königs und alle Damen im Palast standen und warteten. Sie aber kam mit dem Schleier, und unter dem Vorwand der Augenentzündung behielt sie ihn auch während der Trauung und ließ sich von niemand sehen. Als aber der Abend kam und sie allein in ihrem Zimmer war, nahm sie den Schleier ab. Da kommt unangemeldet der König und sieht ihren großen Bart. Stellt euch vor, wie ihm zumute war! Er wollte nichts mehr von ihr wissen, er ließ sie ergreifen und in ein Landhaus bringen.

Nun waren der Vater und die Mutter des Königs alt und wollten, ihr Sohn sollte um jeden Preis eine Frau nehmen. Da er diese nicht mehr wolle, möge er eine andere wählen. Nun hatte der König seine Augen auf zwei schöne Bauernmädchen geworfen, die ihm alle beide sehr gefielen, sodass er nicht wusste, welche er wählen sollte. Er sinnt und sinnt; endlich entschloss er sich, es so zu machen. Im Schloss war eine Hündin, die drei Junge geworfen hatte. Man ruft die beiden Bauernmädchen und die Bärtige und gibt jeder eins der jungen Hündchen. Diejenige, die das ihre am besten aufziehen würde, sollte des Königs Gemahlin werden.

Die arme Bärtige wusste nicht, was sie anfangen sollte. Sie weinte, mit ihrem Hündchen im Arm. – O, wie soll ich es machen, das Tierchen aufzuziehen! – Am Abend, als sie ganz betrübt dasaß, sieht sie auf und erblickt das Ungeheuer vor sich. – »Warum weinst du?« – »O, ein schönes Geschenk hast du mir gemacht! Es wäre besser gewesen, du hättest mich Zichorien pflücken lassen!«, und sie erzählt ihm von dem Hündchen. Das Ungeheuer sagte ihr, sie solle es in den Fluss werfen, sie wollte aber nicht. Da nimmt es ihr das Hündchen, wirft es in den Fluss und geht davon. – Jetzt ist es um mich geschehen! sagt das Mädchen und ist noch verzweifelter als zuvor.

Indessen verging die Zeit, und die beiden Bauernmädchen zogen die Hündchen auf und sagten schon, es sei Zeit, sie zurückzugeben, und es wurde ein Tag bestimmt, wo das geschehen sollte. Die Bärtige seufzte, denn sie wusste nicht, was sie zurückzubringen hätte. Am Abend vor der Rückgabe, während sie weinte, erscheint ihr das Ungeheuer. – »Nun also, was soll ich dem König zurückbringen?«, sagte sie zu ihm. – »Sieh dieses Schächtelchen«, sagte das Ungeheuer. »Wenn die beiden andern ihm den Hund bringen, gib du ihm dies.« – Am andern Morgen gehen alle drei zum König, die beiden Bauernmädchen gaben ihre beiden Hündchen ganz sauber gewaschen und hübsch gekämmt; die Bärtige gibt die Schachtel. Wie der König sie öffnet, springt ein ­allerliebstes Hündchen heraus, mit einer Menge goldener Glöckchen am Hals und überhaupt hundertmal schöner als die Hündchen der Bauernmädchen. Aber die Bärtige wollte der König nicht. Er denkt ein bisschen nach, dann schickt er sie alle drei fort mit hundert Scudi und einem Pfund Flachs für jede: »Wer mir diesen Flachs am besten spinnt, soll meine Frau werden.« – Sie kehren nach Hause zurück, und die arme Bärtige, die nicht gut zu spinnen verstand, außer grobes Zeug, war ganz betrübt. Als der Tag der Ablieferung kam, und sie am Abend vorher ganz verzweifelt war, ist das Ungeheuer wieder da und gibt ihr eine Schachtel wie das vorige Mal. Die beiden Bauernmädchen liefern ihren Flachs ab, der sehr gut gesponnen war, die Bärtige gibt die Schachtel. Der König öffnet sie, und heraus kommt eine Menge Garn, so fein und schön, dass es ein Wunder war. Und die Braut war nun die Bärtige. Aber der König wollte sie nicht. Er gab jeder hundert Scudi und lud alle drei zu einem Ballfest. – »Kommt«, sagte er, »dann will ich meine Wahl treffen.«

Die Bärtige wusste nicht, wo sie den Mut hernehmen sollte, sich auf dem Ball zu zeigen, mit diesem Bart. Am Abend vorher kam aber wieder das Ungeheuer und fand sie in Tränen. – »Geh nur auf den Ball«, sagte das Ungeheuer. »Aber geh in einen Winkel, nimm den Schleier ab und dann, ohne dich um wen zu kümmern, tritt in den Saal und stelle dich an den Platz der Braut, und du wirst sehen, der Bart fällt dir ab.« – Da ging die Bärtige auf den Ball, ganz vermummt mit ihrem Schleier, und als man sie so sah, lachten alle und verspotteten sie. Sie sieht, dass der König einer der beiden Bauernmädchen die Hand gibt und also die Braut gewählt hatte. Da geht sie in einen Winkel, nimmt den Schleier ab, springt in den Ballsaal neben den König und nimmt den Platz der Braut ein, und gleich fällt der Bart zu Boden, und sie wird wieder schön wie zuvor. Als der König sie so schön sieht, kommt ihm wieder die Liebe wie früher, er denkt nicht mehr an die Bauernmädchen und nimmt sie zur Frau.

Und so lebten sie in Freuden und gaben mir nichts als ein kleines Konfekt, das habe ich in ein Büchlein gesteckt.

(Pisa)

Geppone

Es war in vergangenen Zeiten ein Bauer mit Namen Giuseppe, und sein Herr, der Priester und Prior war, hieß Pier Leone. Dieser Bauer hatte sein Gut auf einem Hügel, wo die Tramontana ihm immer seine Ernte zerstörte, sodass der arme Giuseppe wegen dieses Windes mit seiner ganzen Familie Hunger leiden musste.