Klub Tropikal - Ina Elbracht - E-Book

Klub Tropikal E-Book

Ina Elbracht

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Beschreibung

An jener seltsamen Stelle im Gehirn, die entscheiden soll, ob Raureif oder Mehltau eine Blume bedeckt, etwas süß oder bitter schmeckt, ein Geruch verlockend oder ekelerregend ist, genau dort, wo die Wahrnehmung kippt, nistet diese eigenartige Geschichte.Eine, die wiederholt behauptet, nicht von einer Familienauslöschung zu handeln. Willkommen im Klub Tropikal.

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Seitenzahl: 58

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Ähnliche


Table of Contents

Appetizer Band 2

KOVD Online

Titelseite

Impressum

Widmung

Der Auftrag

Die Insel

Der Friedhof

Das Komitee

Der Pfauenwald

Klub Tropikal

Der Auftrag

Die Autorin

Meine literarische Zuflucht

APPETIZER

Band 2

 

Online zu erreichen unter:

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MYSTERY

 

 

 

 

Impressum

Alle Rechte vorbehalten.

Copyright © dieser Ausgabe 2021 by KOVD Verlag, Herne

 

Nachdruck und weitere Verwendung

nur mit schriftlicher Genehmigung.

 

ISBN: 978-3-98522-037-3

Für Uta

Dies ist nicht die Geschichte einer Familienauslöschung. Obwohl Mutmaßungen darüber vorkommen werden, das schon. Sie kann aber nicht haupt- oder ursächlicher Bestandteil sein, weil nämlich unklar ist, ob überhaupt eine Auslöschung, eine Tragödie, ein Massaker, stattgefunden hat. Als ich ein Kind war, verwechselte ich die Wörter Moussaka und Massaker miteinander; ein drollig-morbider Fehler, der später auch meiner Tochter unterlief. Wenn Wörter derart wenig fest verankert und wankelhaft sein können, wie sollte man da Erzählungen Glauben schenken, die mündlich und in der Absicht übler Nachrede erfolgen?

Ein falsches Wort kann genügen, den Sinn zu entstellen, einen schlechten Scherz zur Lüge, die Lüge durch Wiederholung zur Wahrheit werden zu lassen. »Die Leute reden viel, wenn der Tag lang ist«, sagen die einen. »Kein Rauch ohne Feuer« die anderen. Rauch also.

 

 

Im Zimmer meines Vaters riecht es nach Zigarette, was mir nicht unangenehm ist, obwohl ich selbst nie geraucht habe. Die Tabaknote ist eine der angenehmeren Aromen im Hospiz, sie überlagert wie ein sorgloser Hauch die Gerüche des Sterbens.

»Hast du geraucht?«, frage ich, obwohl ich weiß, dass er dazu körperlich nicht mehr in der Lage sein kann. Vorbei die Zeiten eines nikotinbitteren Schnauzbarts. Blasse Erinnerung.

»Nein«, antwortet mein Vater mühsam, »der Türke raucht manchmal heimlich eine. Am Fenster.«

Er sagt Türke ohne den Einschlag von Abneigung oder den Ton alter Ressentiments. Er sagt Türke, weil er den Namen des jungen Mannes vergessen hat.

»Stört dich das? Soll ich die Leitung darüber informieren?«, frage ich in der Hoffnung, dass er ablehnt.

Mir kommt es unklug vor, jemanden zu verpetzen, der in seine Pflege involviert ist. Überhaupt versuche ich zu vermeiden, reingezogen zu werden und für ihn irgendetwas regeln zu müssen. Oder auch nur das Gefühl zu haben, ich müsste.

Ich muss nämlich nichts. Ich schulde ihm so wenig wie die anderen.

»Lass mal, hab ich dem doch erlaubt«, sagt er.

Verschwörerisch.

Kumpelhaft.

Ob meine älteren Brüder diese Seite an ihm von früher kennen? Ich jedenfalls nicht. Dafür war ich zu jung, als er ging. Trotzdem bin ich die Letzte, die noch kommt. Meine Geschwister sind »damit durch«, wie sie sagen. Mána war zwei oder dreimal da, vermutlich aus Pflichtgefühl. Oder um nicht wegen Hartherzigkeit im Angesicht des Todes später einmal den Zugang zum Himmelreich verweigert zu bekommen.

Sicher ist sicher.

Warum sollte sie am Bett sitzen und die Hand desjenigen halten, der sie vor 22 Jahren ohne ein Wort der Erklärung verlassen und nie wieder von sich hören lassen hat? Stattdessen halte ich sie – die Hand. Sie wirkt alterslos, beinahe frisch, gar nicht wie die eines klapprigen Todgeweihten. Sie suggeriert pralle Lebendigkeit und als ob alles gut werden könnte, ist aber lediglich Ergebnis der Infusionen, die pausenlos in ihm versickern. Ich wünschte, wenigstens meine Hand wäre warm. Ist sie aber nicht. Zwei kalte Hände liegen ineinander.

»Tust du mir einen Gefallen, Agápi mou? Du bist die Einzige, die ich bitten kann.« Weil wir nicht im mindesten miteinander vertraut sind, missfällt es mir, auf diese Weise von ihm angesprochen zu werden. Er bemerkt es nicht.

»Erfüllst du deinem Vater einen letzten Wunsch?«

Obwohl es mir widerstrebt, nicke ich. Alles kann ich dir versprechen, das Blaue vom Himmel lügen und mich später nicht daran halten, denke ich. Damit er, egal was war, in Frieden gehen kann.

»Um was geht es, ---?«

Meine Frage endet unbeabsichtigt in einem Loch, einer nicht ausgesprochenen Anrede, die deutlich in der Luft hängt. --- Vater, Papa, gar Babás?

Unmöglich!

Keine Ahnung, ob es ihm auffällt oder nicht. Er sammelt seine letzten Worte. Dieses Leben endet nicht mit einer Beichte, Entschuldigungen, Beteuerungen oder der Bitte um Vergebung, sondern mit einem klaren Auftrag.

Später kommt ein Pfleger, der Türke, wie ich vermute. Ich würde gern mit ihm eine Zigarette rauchen, traue mich aber nicht zu fragen.

Nur dieses eine Mal, nur diese eine. Die Gelegenheit verstreicht ungenutzt.

»Wenn Sie kurz rausgehen, richte ich Ihren Vater etwas her«, sagt er. »Dann können Sie in Ruhe Abschied nehmen.«

Ich stehe auf.

»Wann wird Ihre Familie hier sein?«

Ich sehe, dass er zwischen Anteilnahme und den Routinen der Hospizregeln schwankt. Pietät hin oder her, hier wird ein Platz frei.

»Machen Sie sich keine unnötige Mühe. Es wird niemand kommen«, sage ich und greife nach Jacke und Tasche.

»Haben Sie sie denn angerufen?«, fragt der Pfleger.

Vielleicht hält er mich anlässlich des Verlusts für verwirrt.

»Wen?«, frage ich.

»Na, Ihre Familie natürlich«, sagt er. Ich spüre seine Irritation.

»Wir sind keine solche Familie«, antworte ich und nestele einen Geldschein aus dem Portemonnaie, den ich ihm für den letzten Dienst an meinem toten Vater in die Hand drücke.

Ich sehe ihm an, was er denkt: So etwas hätte er vielleicht bei einer deutschen Familie erwartet, aber nicht von Gastarbeiterabkömmlingen.

 

 

»Sie wollten mich erst gar nicht gehen lassen«, berichte ich ein paar Tage später meiner Mutter und den Geschwistern. »Gibt wohl nicht viele alleinstehende Griechen der ersten Generation, die einen Vorsorgevertrag beim Bestatter gemacht haben. Oder überhaupt wissen, was das ist.«

Sie lachen nicht darüber und weinen auch nicht. Stattdessen einigen sie sich, wer den Erbschein beantragen soll.

»Falls da doch noch was ist.« Es dauert mehrere Stunden, bis sie mich nach seinen letzten Worten fragen.

»Ich soll auf den Friedhof gehen, auf dem sein Vater bestattet ist und die Liegezeit des Grabes verlängern«, erkläre ich ihnen seinen Wunsch.

»In Griechenland? Auf der Insel?«, fragt meine Mutter ungläubig.

»Ja.«

»Aber er selbst will nicht dorthin überführt werden?«, fragt mein ältester Bruder, der wie immer die Finanzen fest im Blick hält.

»Nein, das wollte er auf keinen Fall«, versichere ich. »So hat er es mir ausdrücklich gesagt.«

»Du weißt, dass du dich an dieses Versprechen nicht gebunden fühlen musst, oder, Süße?«, zwitschert meine Schwester.

Sie ist die Älteste und ihre Midlifecrisis ist das einzig Fette an ihr; sie hat Oberarme wie Michelle Obama und ein Coaching-Diplom.

»Ich möchte es aber«, antworte ich. »Euch entstehen keine Kosten. Ich hab’s schon mit Micha besprochen, wir verbinden es mit einer Urlaubsreise.«

»Das machst du, weil du die Jüngste bist«, urteilt meine Schwester mit fachmännischer Miene. »Die jüngsten Kinder buhlen immer am stärksten um die Zuneigung eines Elternteils, von dem sie meinen, zu wenig bekommen zu haben.«

»Tu, was du für richtig hältst, Kind«, sagt Mána