Komm, wir pilgern, Dein Jakobus - Peter Müller - E-Book

Komm, wir pilgern, Dein Jakobus E-Book

Peter Müller

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Beschreibung

Pilgern ist mehr als »Ich bin dann mal weg«. Zum Pilgern gehört, sich auf das, was heute geschieht, einzulassen, für Begegnungen offen zu sein und zu vertrauen. Pilgern ist eine innere Lebenshaltung, die ich im Unterwegssein, aber auch im Alltag entdecken und einüben kann. In diesem Buch lässt der erfahrene Pilgerbegleiter Peter Müller den biblischen Jakobus Briefe an die Pilgerinnen und Pilger schreiben. Und es zeigt sich: Der Patron des Jakobsweges ist ein guter Gefährte auf all den inneren und äußeren Pilgerwegen. Gedichte, tiefgründige Texte und vielfältige Impulse runden dieses spirituelle Pilgerbuch ab. Ein Pilger- und Lebensbuch, das hilft, das Wesentliche nicht aus dem Blick zu verlieren.

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Cover

Haupttitel

Inhalt

Über den Autor

Über das Buch

Impressum

Hinweise des Verlags

Peter Müller

Komm, wir pilgern, Dein Jakobus

Das Pilgerbuch für zu Hause und unterwegs

Patmos Verlag

INHALT

Einladung

Vom Wanderer zum Pilger

Weckruf der Sehnsucht

In der Fremde unterwegs zu sich

Auf dem Weg sein – Grunderfahrung des Pilgerns

Pilgern gegen den Strich?

Rhythmus und rechtes Maß

Äußere und innere Spuren

Jakobus der Ältere – biblische Spurensuche

Segnen und gesegnet sein

Auf inneren Pilgerwegen – unterwegs mit Jakobus

Aufbrechen heißt neu leben

Neu sehen lernen

Unter euch aber soll es anders sein

Loslassen, suchen, verwandeln

Spirituelle Energie – gehen, schweigen, beten

Tolerieren und versöhnen – es öffnen sich neue Wege

Gipfelerfahrungen im Alltag leben

Aus zerstörter Hoffnung wächst neues Leben

Erfahrungen erzählen, Hoffnung leben, Zeugnis geben

Pilgern daheim – immer ist Anfang

Vom Apostel zum Patron der Pilger

Ein Kranz von Legenden

Legenden – Glaubenszeugnisse in sprachlichen Bildern?

Jakobus in der Kunst – religiös-kulturelle ­Darstellungen

Quellenverzeichnis

Textnachweis

Weiterführende Literatur

Komm, wir pilgern

Komm, wir gehen

einen neuen Weg,

um unsere Sehnsucht zu stillen.

Komm, wir suchen

die Quelle der Freude,

um daraus neue Energie zu schöpfen.

Komm, wir steigen

in die Tiefe des Schweigens,

um Wesentliches zu spüren.

Komm, wir tanken

heilende Kräfte der Begegnung,

um sie mit anderen zu teilen.

Komm, wir entdecken,

was uns Halt gibt,

um unsere Zukunft darauf zu bauen.

Komm mit zum Pilgern:

Wir leben unsere Sehnsucht,

wir schöpfen neue Energie,

wir ergründen die Tiefe des Schweigens,

wir tanken aus den Kräften der Begegnung,

wir wissen, was uns trägt und wer uns begleitet.

Peter Müller

Einladung

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich erlaube mir, dich gleich auf der ersten Seite dieses Pilgerbegleiters mit »du« anzusprechen. Bei Pilgerinnen und Pilgern ist das so üblich. Denn auf Pilgerwegen spielen Beruf, Titel, Alter, Leistung, Auszeichnungen und Erfolge keine Rolle. Alle sind Pilgerinnen und Pilger, die aus unterschiedlichen Motiven auf einem der zahlreichen Jakobuswege und gleichzeitig auf einem inneren Pilgerweg zu sich selbst unterwegs sind.

Zur Einstimmung in dieses Pilgerbuch lade ich dich zu einer kurzen Gedankenreise ein:

Stell dir vor, du bist als Pilger unterwegs auf dem Jakobusweg. Es ist früh am Morgen. Du bist gut gelaunt und freust dich auf den Tag. Die Sonne sucht sich noch ihren Weg durch den Morgennebel. Nach wenigen Kilometern begegnet dir, von einem Seitenweg kommend, ein Pilger. Lächelnd grüßt er dich und fragt: »Darf ich dich ein Stück begleiten?« Grüßend stimmst du zu. Einige Zeit geht ihr schweigend, doch bald beginnt ein Gespräch über die drei klassischen Fragen, die sich Pilger gerne stellen, wenn sie sich unterwegs erstmals begegnen.

»Wie heißt du?«

Dein Mitpilger stellt sich dir vor: »Ich heiße Jakobus, manche nennen mich auch Jakob. Auf hebräisch ruft man mich Ya´aqov´el, das bedeutet: Gott möge beschützen. Ja, du hast richtig gehört, der Jakobusweg trägt meinen Namen, obwohl ich diesen Weg nie gegangen bin.«

»Woher kommst du?«

»Deine zweite Frage ist leicht zu beantworten: Ich komme aus Palästina, genauer aus Galiläa. Schon sehr jung war ich als Fischer am See Genezareth im Familienbetrieb meines Vaters tätig. Dort begegnete ich zum ersten Mal Jesus von Nazareth. Mit ihm und anderen Frauen und Männern zog ich drei Jahre als Pilger durch das Land. In dieser Zeit veränderte sich mein Leben radikal. Heute werde ich als Patron der Pilger auf Jakobuswegen in ganz Europa und vor allem in Santiago de Compostela verehrt. Dort, so wird berichtet, sei ich begraben.«

»Wozu pilgerst du?«

»Diese Frage ist viel schwieriger zu beantworten. Dazu brauchen wir mehr Zeit. Gern erzähle ich dir später mehr davon. Ich würde dich gern begleiten und von dir erfahren, was dich auf den Pilgerweg führt und welche Fragen, Zweifel, Sorgen und Hoffnungen dich bewegen. Gern würde ich dir zuhören. Ich möchte dir auch aus meinem Leben erzählen, von meinem Pilgern mit Jesus von Nazareth durch Galiläa, Samaria und Judäa bis nach Jerusalem. Erzählen vor allem aber von meinem inneren Pilgerweg, meiner inneren Zerrissenheit, meinem Suchen und der Sehnsucht, zufrieden und glücklich zu leben, von überraschenden und manchmal provozierenden Erlebnissen mit Jesus, von meiner Begeisterung und meinen enttäuschten Hoffnungen, von schmerzhaften Veränderungen und ermutigenden Erfah­rungen. Ja, dieses Unterwegssein mit dem Menschen Jesus und meinen Freunden hat mein Leben total verändert. Auch wenn diese Erfahrungen fast 2000 Jahre zurückliegen, ich erzähle sie dir, weil sie – so denke ich – auch heute noch aktuell sind. Ich bin sicher, du wirst in meinen Erzählungen und in unseren Gesprächen Anregungen für dein Leben entdecken. Darf ich dich begleiten?«

Mit dieser Gedankenreise möchte ich dich einstimmen und einladen, dich mit Jakobus dem Älteren pilgernd auf einen inneren Weg zu begeben. Doch was bewegt mich dazu, einen spirituellen Pilgerbegleiter zu schreiben, in dessen Zentrum der biblische Jakobus und sein innerer Pilgerweg stehen?

Während eines Erfahrungsaustausches für deutschsprachige Pilger in Santiago de Compostela fragte mich ein Pilger, der vier Wochen auf dem Pilgerweg unterwegs war: »Um welchen Jakobus handelt es sich eigentlich?« Das ist kein Einzelfall. Weitere Beobachtungen bestätigen, dass der Namensgeber der Wege immer weniger bekannt ist. Viele kennen Jakobus nur von unterschiedlichen Darstellungen an Kirchenportalen, in Kirchen, auf Bildern und aus Legenden oder Wundererzählungen. Doch wo bleibt der Jakobus, der uns im Neuen Testament zunächst als Fischer und dann als Jünger des Jesus von Nazareth begegnet? Welche Begegnungen, Erlebnisse und Erfahrungen haben sein Leben geprägt und verändert, während er mit Jesus und seinen Anhängern unterwegs war? Wodurch wurde aus dem Fischer ein Zeuge für die Botschaft Jesu?

Das Buch in deinen Händen geht diesen Fragen nach. Fast alle Pilgerwege in Richtung Santiago de Compostela heißen Jakobus- oder Jakobswege. Sie tragen den Namen von Jakobus dem Älteren, des Apostels und Pilgerpatrons. Doch sein Lebensweg, soweit wir ihn aus den Evangelien nachvollziehen können, spielt heute auf den Jakobuswegen in Wegführern, Kalendern und Büchern kaum eine Rolle. Eingängige Legenden und fromme Wundererzählungen sind bildhafter und verdrängen die biblische Person. Deshalb stehen bei diesem Pilgerbegleiter die Erlebnisse und Erfahrungen, die Gedanken und Gefühle, die Sorgen, Fragen und Zweifel des biblischen Jakobus im Fokus und damit seine Herausforderungen und inneren Veränderungen während er mit Jesus durch Galiläa, Palästina und nach Jerusalem unterwegs war. Dieses Buch ist daher kein Wanderführer mit organisatorischen Tipps für das Pilgern, sondern ein spiritueller Begleiter auf Jakobuswegen. Dabei steht folgende Frage im Vordergrund: Welche Anregungen und Antworten entdecken wir in den Erlebnissen und Erfahrungen des Jakobus für unser Leben?

Im Kapitel »Vom Wanderer zum Pilger« regen meditative Texte sowie Geschichten und Aussagen von Pilgern dazu an, sich selbst zu fragen: Wozu pilgere ich? Wozu tue ich mir das alles an? Die Gedanken, Erfahrungen und Tipps wollen dich dazu ermutigen, deinen Weg zu gehen. Wenn du ihn aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht gehen kannst, dann gehe ihn als geistig-spirituellen Pilgerweg zu Hause. Außerdem begeben wir uns auf biblische Spurensuche, in deren Verlauf wir das Wenige, das wir im Neuen Testament über Jakobus den Älteren finden, zusammenfassen und uns auf den Weg einstimmen.

Das Herzstück dieses Pilgerbegleiters ist das Kapitel »Auf inneren Pilgerwegen – unterwegs mit Jakobus«. Alle zehn Themenbereiche beginnen mit einem meditativen Text, an den sich ein Brief von Jakobus an die Pilger anschließt. Das sind von mir erfundene Briefe des Jakobus aus der Zeit seines Pilgerns mit Jesus von Nazareth. Ich wage es, biblische Geschichten, die Jakobus erlebt hat, aus seiner Perspektive zu erzählen. In diese Briefe ­fließen seine möglichen und meine deutenden Gedanken ein, ­Erkenntnisse der modernen Bibelforschung und auch meine Gefühle, Fragen und mein begrenztes Wissen. Ich wünsche dir, dass du in diesen Briefen den inneren Pilgerweg des Jakobus nachvollziehen kannst. Lass dich durch sie und die Fragen, Geschichten und Impulse anregen, deinen persönlichen inneren Pilgerweg zu gehen. Gedanken zum Tagesende runden ein Thema ab.

Von Hermann Hesse stammt folgender Satz: »Wir verlangen, das Leben müsse einen Sinn haben, aber es hat nur ganz genau so viel Sinn, wie wir ihm selbst zu geben imstande sind.« Lass dich herausfordern und begleiten. Komm mit zum Pilgern.

Am Festtag von Jakobus dem Älteren, dem 25. Juli 2013

Peter Müller

Wer das Ziel kennt, muss den Weg wagen

Den Weg wagen

wegen des Ziels

das Wagnis eingehen

wegen des Weges

Wege wagen

und zu gehen beginnen

Mit dem Wagnis des Weges

dem Ziel näher kommen

es im Wagnis ergehen

ertasten, erleben

erahnen, erfahren

mich einlassen

auf den Weg

das Wagnis

das Ziel

meinen Weg

mein Wagnis

mein Ziel

und den Weg des Werdens

weitergehen

Almut Haneberg

Vom Wanderer zum Pilger

Weckruf der Sehnsucht

Manche Situationen erweisen sich erst später als Beginn eines neuen Weges oder als Anstoß einer wichtigen Veränderung. Vor und in der Situation hatten wir kaum ihre Bedeutung wahrgenommen. Nach Wochen, Monaten oder gar Jahren jedoch fühlen wir uns ganz anders als damals. Wir erleben uns wie verwandelt und im Blick zurück taucht die Frage auf: Wie hat das eigentlich begonnen?

Der Marketingmanager Erich fährt in Urlaub. Weil er dem großen Stau entgehen will, verlässt er die Autobahn und landet – kurz bevor ihm das Benzin ausgeht – in einem kleinen Café. Er legt eine kurze Rast ein und entdeckt auf der Rückseite der Imbisskarte den Hinweis: »Nutze deine Wartezeit! Wir laden dich ein, über dich und dein Leben nachzudenken.« Zwei Fragen wecken sein Interesse: »Wozu lebst du? Führst du ein erfülltes Leben?« Erich kommt mit dem Besitzer des Cafés und anderen Gästen ins Gespräch. Dabei muss er gestehen, dass er sich bisher über diese Fragen überhaupt keine Gedanken gemacht hat. Nachdenklich verlässt er das »Café der Lebensfragen«. Die Fragen lassen ihn während des Urlaubs und danach nicht mehr los, ihr Same, die Sehnsucht nach einem erfüllten Leben, keimt in ihm, schlägt Wurzeln, wächst und sein Leben verändert sich grundlegend.

Eine Pilgerin erzählt, wie sie mit dem Pilgern begann:

Da berichtet bei einer zufälligen Begegnung eine ehemalige Schulfreundin begeistert von ihrem fünfwöchigen Pilgerweg von den Pyrenäen nach Santiago de Compostela. Ihre Begeisterung steckt mich an, ihre Geschichten vom Camino de Santiago gehen mir nicht aus dem Kopf. Ich kaufe mir den Erfahrungsbericht eines Pilgers, lese weitere Artikel in Zeitschriften über das Pilgern, besuche Vorträge und spüre, wie mich die Sehnsucht packt, selbst zu pilgern. Sie hat mich bis heute nicht mehr losgelassen!

Beide Geschichten zeigen, dass die Frage nach dem Sinn des Lebens nicht nur in Konfliktzeiten, in schwierigen Lebenssituationen oder in Wendezeiten des Lebens aufbricht. Wir können ihr auch unerwartet im »normalen Leben« begegnen. Es kann eine Begegnung mit einem Buch, einem Menschen, einem Film, oder einer Geschichte sein, die mich emotional trifft. Es kann eine Begegnung sein, in der meine aufgeschobenen oder bisher unentdeckten Wünsche geweckt werden – eine Begegnung, die mich innerlich aufwühlt, aus dem Gleichgewicht bringt oder Fragen aufwirft, auf die ich (noch) keine Antwort habe. All das sind wahrnehmbare Signale meiner Seele. Manchmal laut, manchmal sehr vage, oft sehr leise und im Lärm des Alltags leicht zu überhören. Sie laden dazu ein, ja fordern mich dazu heraus, meine aktuelle Lebenssituation aufmerksam anzuschauen und zu fragen: Wer bin ich? Was war mir bisher wichtig? Wozu lebe ich? Was will ich?

Signale der Seele sind ein Weckruf unserer Sehnsucht nach Zielen wie Weite, Freiheit und Veränderung, denn »alles beginnt mit der Sehnsucht, immer ist in unserem Herzen ein Raum für Schöneres, für Größeres« (Nelly Sachs). Veränderung und Verwandlung sind die Grundprinzipien des Lebens. Eben war meine kleine Welt noch in Ordnung, jetzt ist plötzlich vieles anders. Mein Leben ist ein Weg mit Höhen und Tiefen, mit ruhigen und unruhigen Zeiten und dadurch dem ständigen Wandel unterworfen. Der Mensch ist sein ganzes Leben lang auf dem Weg, er ist von seinem Wesen her ein Pilger. Auch wenn er sich in seinem Wohn-, Arbeits- und Freizeitraum häuslich einrichtet, seine Sehnsucht nach Veränderung sucht nach Ausdrucksformen. Immer wenn die Zeit reif ist, neue Lebensmöglichkeiten zu suchen, wird sie in uns lebendig. Manchmal werden wir freundlich dazu eingeladen, manchmal deutlich aufgefordert und nicht selten sogar schmerzhaft dazu gezwungen, uns mit den Signalen unserer Sehnsucht auseinanderzusetzen und über die nächsten Schritte nachzudenken. Das spüren wir täglich und das erlebte auch Jakobus, der Fischer vom See Genezareth, während seines Pilgerns mit Jesus von Nazareth. Diese Begegnungen beeinflussten wesentlich seinen weiteren Lebensweg. Doch bevor wir uns ihm ­zuwenden, wollen wir uns fragen: Was heißt Pilgern?

In der Fremde unterwegs zu sich

Wer als Pilger aufbricht, verlässt die Heimat, die vertraute Umgebung. Er bricht auf vom Bekannten ins Unbekannte, von der Sicherheit in die Unsicherheit, er geht äußerlich und innerlich in die Fremde. Damit lebt er den Ursprung des deutschen Wortes »pilgern«, das vom lateinischen »peregrinatio« kommt. Es be­deutete ursprünglich »jenseits des heimatlichen Ackers«. Ein »peregrinus« ist einer, der als Ausländer in der Fremde um­herzieht und fern von Haus und Vaterland lebt. Wir sehen also zwei Bedeutungen: Fremd sein und wandernd unterwegs sein. In der vorchristlichen Antike wurde »peregrinus« zunächst nicht religiös, sondern juristisch verstanden. Er war der Fremde, der keinem verbündeten Staat angehörte und deshalb immer vogelfrei und rechtlos war. Erst die antiken Religionen entwickelten das Gebot, dem rechtlosen, oft armen Fremden Gastfreundschaft zu gewähren, da er unter dem besonderen Schutz der Götter stehe.

Wenn Pilgern wesentlich zum Menschsein gehört, dann erleben wir uns als Pilger in dreifacher Weise in der Fremde:

Zunächst als Fremder fern der Heimat in einer anderen Region, einem anderen Land. Wir sind darauf angewiesen, dass wir uns die alltäglichen und lebensnotwendigen Dinge für das Pilgern besorgen können oder erhalten, wir müssen uns irgendwie verständigen und brauchen zuverlässige Wegweiser. Dabei erleben Pilger aber oft auch kleine und große Zeichen der Gastfreundschaft. Eine Pilgerin erzählt:

Wir pilgerten gestern auf einer großen Ebene, weit und breit war nichts zu sehen als Weideland und goldgelbe Stoppelfelder. Da begegneten wir einem fast zahnlosen Schäfer mit fünf Schafen. Er lächelte und sprach uns an. Dann schenkte er uns Bonbons und sagte: »Betet für mich beim Apostel Jakobus.«

Zweitens »fremdeln« wir nicht selten auch innerlich. Wir erleben uns als Fremde im Lebensalltag. Wohl haben wir uns im Laufe der Jahre gut in unserem Wohn-, Arbeits- und Beziehungsverhältnis eingerichtet, für das Alter ist vorgesorgt, die Kinder gehen ihre Wege usw. Vieles scheint selbstverständlich und doch, trotz materiellem Wohlstand oder vielleicht gerade deswegen, sind wir uns innerlich in manchem fremd geblieben. Das eigene Leben erscheint oberflächlich, hektisch oder leer. In solchen Phasen tauchen häufig unerfüllte oder neue Sehnsüchte und Fragen auf wie z. B.: War das schon alles? Will ich wirklich so weiterleben?

Es ist wichtig, diese Gedanken zuzulassen und sich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen, denn sie sind ein Signal der Lebendigkeit des Pilgers in uns, nur durch sie bleiben wir als Suchende auf dem Weg. Mein Unterwegssein in der Fremde auf dem Camino wird dann zu einem Gang nach innen, zu dem, was ich als fremd in mir erlebe. Gleichzeitig werde ich erkennen, dass in mir mehr Möglichkeiten und Fähigkeiten stecken, als ich zurzeit lebe.