Kontrolle kirchlichen Verwaltungshandelns - Matthias Ambros - E-Book

Kontrolle kirchlichen Verwaltungshandelns E-Book

Matthias Ambros

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Beschreibung

Wie kann die Machtausübung kirchlicher Amtsträger kontrolliert werden? Ein Vorschlag des Synodalen Weges ist die Ermöglichung einer innerkirchlichen gerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen auf Ebene der Bischofskonferenz. Matthias Ambros untersucht, ob und wie dieser Vorschlag umgesetzt werden kann. Denn vielen Gläubigen ist nicht bewusst, dass das kirchliche Recht schon jetzt gerichtliche wie außergerichtliche Rechtsbehelfe vorsieht. Sie werden hier vorgestellt, um diesem Defizit entgegenzuwirken, denn auch unabhängig von der Errichtung lokaler Verwaltungsgerichte bleiben sie ein Instrumentarium, mit dem Gläubige ihre rechtlichen Interessen einfordern. Zudem wird die Etablierung einer lokalen Verwaltungsgerichtsbarkeit umso wirksamer sein können, wenn sie vermeidet, allein das staatliche Recht auf die Kirche zu übertragen, sondern Maß nimmt am geltenden kanonischen Prozessrecht sowie der Gerichtspraxis und der ständigen Rechtsprechung der Apostolischen Signatur.

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Matthias Ambros

Kontrolle kirchlichenVerwaltungshandelns

Ein Beitrag zur Diskussion um dieErrichtung von Verwaltungsgerichtenauf Ebene der Bischofskonferenz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographischeDaten sind im Internet über http://dnd.d-nb.de abrufbar

wbg Academic ist ein Imprint der wbg© 2020 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), DarmstadtDie Herausgabe des Werkes wurde durch dieVereinsmitglieder der wbg ermöglicht.Satz und eBook: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-40357-8

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:eBook (PDF): 978-3-534-40359-2eBook (epub): 978-3-534-40358-5

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Innentitel

Inhaltsverzeichnis

Informationen zum Buch

Informationen zum Autor

Impressum

Inhalt

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

Hinführung zur Thematik

I. Vollmacht, Teilhabe und Gewaltenunterscheidung: Ein kurzer Überblick über die geltende Rechtslage und ihr lehramtliches Fundament

1. Gewaltenunterscheidung statt Gewaltentrennung

2. Einheit der kirchlichen Vollmacht im Amt des Papstes/Bischofskollegiums sowie des Diözesanbischofs und Partizipation anderer Amtsträger sowie Laien an deren Amtsvollmacht

3. Lehramtliche Grundlage

4. Die Prinzipien der Bischofssynode zur Codexreform

5. Zusammenfassung

II. Die rechtliche Möglichkeit lokale Verwaltungsgerichte einzurichten

1. Die Intention der Einführung einer lokalen Verwaltungsgerichtsbarkeit im Rahmen der Codexreform

2. Status quo: Hierarchische Beschwerde (cann. 1732–1739) und anschließende verwaltungsgerichtliche Klage (Art. 123 Pastor bonus; Art. 34 Lex propria)

2.1. Verwaltungsbeschwerde

2.2. Welche Verfahrensschritte sind zu beachten, um eine Verwaltungsbeschwerde ordnungsgemäß vorzubringen?

2.3. Das Verfahren, das der hierarchische Obere bei der Entscheidung über die Verwaltungsbeschwerde zu beachten hat

2.4. Die Möglichkeit zur Aussetzung des Vollzugs (vgl. can. 1736)

2.5. Wie ist mit entstandenem Schaden umzugehen?

2.6. Verwaltungsklage

2.7. Vom Mehrwert einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen

3. Lokale Verwaltungsgerichte im CIC: Die Interpretation der cann. 1400 § 2 sowie 149 § 2

4. Die Kompetenz zur Errichtung lokaler Verwaltungsgerichte

4.1. Kann die Bischofskonferenz eine Zuständigkeit in der Sachfrage beanspruchen?

4.2. Kann die Apostolische Signatur die Errichtung einer lokalen Verwaltungsgerichtsbarkeit approbieren?

4.3. Bedarf es einer Intervention des Gesetzgebers zur Einführung lokaler Verwaltungsgerichte?

4.4. Conclusio

5. Das Verhältnis einer lokalen Verwaltungsgerichtsbarkeit zum Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur

5.1. Ausrichtung und Bindung lokaler Verwaltungsgerichte an der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Apostolischen Signatur

5.2. Möglichkeit der Berufung an den Obersten Gerichtshof der Apostolischen Signatur

5.3. Gerichtsaufsicht der Apostolischen Signatur über lokale Verwaltungsgerichte

6. Zusammenfassung und Ausblick

III. Theologische Skizzen zur Begründung kirchlicher Verwaltungsgerichtsbarkeit

1. Weshalb die vorgebrachten theologischen Argumente gegen eine lokale Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht stichhaltig sind

2. Skizzen einer theologischen Grundlegung einer lokalen Verwaltungsgerichtsbarkeit

2.1. Aspekte theologischer Anthropologie

2.2. Aspekte einer Theologie des gemeinsamen Priestertums

2.3. Aspekte einer Theologie des Amtes

2.4. Aspekte einer Communio-Ekklesiologie

2.5. Aspekte einer Theologie der Synodalität

2.6. Aspekte einer petrinischen Theologie

3. Zusammenfassung

IV. Die jeweils spezifische Sendung von Verwaltung und Rechtsprechung im Dienst der Verwirklichung der kirchlichen Communio: Voraussetzungen, Verfahrensfragen, Perspektiven

1. Grenzen verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung

1.1. Beschränkung auf Verwaltungsentscheidungen, die mit ausführender Gewalt erlassen wurden

1.2. Beschränkung auf das persönliche rechtliche Interesse sowie das forum externum

1.3. Beschränkung auf bloße Rechtmäßigkeitsüberprüfung

2. Die Verwaltung als Dienst zur Verwirklichung der kirchlichen Communio

2.1. Förderung einer aufmerksamen Rechtskultur kirchlichen Verwaltungshandelns

2.2. Entscheiden ist alles andere als Willkür: Ein Blick in das geltende Recht

2.3. Möglichkeiten einer „arteigenen Rechtsprechung innerhalb der Verwaltung“

3. Ein berechtigtes Nebeneinander von Verwaltungsbeschwerde und Verwaltungsgerichtsbarkeit: Ein Blick in das Codex-Entwurfsschema 1982

4. Exkurs: Die Errichtung von Strafgerichtshöfen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz

5. Zusammenfassung

V. Ein kritischer Blick auf neuere Entwicklungen

1. Fehlende verwaltungsgerichtliche Überprüfung bei Strafen, die bei delicta graviora von der Glaubenskongregation auf dem Verwaltungsweg verhängt werden

2. Die Sonderbefugnisse einiger Kongregationen

3. Die Amtsenthebung von Bischöfen und Höheren Oberen

4. Die zunehmende Tendenz einiger Dikasterien des Heiligen Stuhls, päpstliche Entscheidungen herbeizuführen

5. Die Instruktion Cor Orans über die kontemplativen Nonnenklöster

6. Zusammenfassung

Ausblick

Anhang

1. Entwurfsschema Codex Iuris Canonici 1982[Schema Novissimum CIC 1982]

2. Verwaltungsgerichtsordnung der Würzburger Synode

1. Teil: Gerichtsverfassung

2. Teil: Verfahren

Bibliographie

Quellen

Zweites Vatikanisches Konzil

Bischofssynode:

Päpstliche Dokumente:

Dokumente des Heiligen Stuhls:

Rechtsprechung der Apostolischen Signatur:

Sonstige Quellen:

Hilfsmittel

Sekundärliteratur

Vorwort

„Eine Verwaltung, die Vorschriften missachtet, Dilettanten anstelle von Fachleuten einsetzt, ihre Entscheidungen nicht dokumentiert und nachvollziehbar macht, überhaupt heute so und morgen so entscheidet und ansonsten nicht erkennen lässt, wer auf welchem Sachgebiet eigentlich wofür zuständig und verantwortlich ist, wäre ein Albtraum“1

Damit dieser fiktive Albtraum des Verwaltungswissenschaftlers Wolfgang Seibel in der Kirche nicht Wirklichkeit wird, braucht es das Bewusstsein, dass Verwaltung nicht nur ein sekundäres Aufgabenfeld ist, für das Bischöfe und Pfarrer neben vielen anderen Kompetenzen, die ihnen zukommen, auch noch nebenbei Verantwortung tragen. Verwaltung ist vielmehr als Ausübung des munus regendi ein Dienst für die kirchliche Gemeinschaft, der zum Wesen des Priestertums Christi gehört und damit konstitutiv für die Kirche selber ist.

Wie die Ausübung einer korrekten, gerechten und effizienten Verwaltung innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft gewährleistet werden kann, beschäftigt mich seit geraumer Zeit. Einzelne Gedankenschritte, die Abwägung verschiedener Argumente und die Erarbeitung von Optimierungsvorschlägen, die in verschiedenen Veröffentlichungen an anderer Stelle bereits vorgetragen wurden, fließen in diese Abhandlung mit ein.2

Ausgehend von der Grundüberzeugung, dass auch die Rechtsprechung einen spezifischen ekklesialen Dienst leistet, möchte diese Studie untersuchen, ob die Errichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Ebene der Ortskirche ein wirksames Instrumentarium sein könnte, um die Qualität kirchlicher Verwaltung zu sichern und gegebenenfalls zu heben – um des Wesens der Kirche selbst willen. Ein nüchterner Blick auf die kirchliche Rechtskultur, die sich im konkreten Verfahrens- und Prozessrecht widerspiegelt, darf nicht fehlen, um adäquate Verbesserungsvorschläge einsichtig zu machen.

Die Abhandlung gliedert sich in fünf Kapitel: Im ersten Kapitel wird ein kurzer Überblick über die geltende Rechtslage und deren lehramtliche Grundlage zum Wesen und den Trägern kirchlicher Vollmacht, Partizipation und Gewaltenunterscheidung gegeben. Das zweite Kapitel diskutiert die zentrale Fragestellung dieser Untersuchung, d.h. die rechtliche Möglichkeit, Verwaltungsgerichte auf lokaler Ebene einzurichten. Im dritten Kapitel wird eine theologische Skizze zur Begründung einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgelegt. Das vierte Kapitel versucht die unterschiedliche Aufgabenstellung von Verwaltung und Rechtsprechung, die in unterschiedlichen Bereichen zum Wohl der kirchlichen Gemeinschaft, die sich auch im jeweiligen Verfahrensrecht widerspiegelt, vorzustellen. Das fünfte Kapitel wagt schließlich einen kritischen Blick auf jüngere Entwicklungen des kirchlichen Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrechtes und deren Auswirkungen auf die kirchliche Rechtskultur. Ein abschließender Ausblick rundet die Untersuchung ab und will zum weiterführenden Diskurs anregen. Im Anhang wird das Entwurfsschema des Codex Iuris Canonici von 1982, das als letztes eine Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Ebene der Bischofskonferenz vorsah, in lateinischer Sprache als Quellentext abgedruckt und mit einer deutschen Übersetzung versehen, um ihn auf diese Weise einem breiteren Leserkreis bekanntmachen zu können. In diesem Zusammenhang darf auch der Entwurf einer Verwaltungsgerichtsordnung der Gemeinsamen Synode der Deutschen Bistümer nicht fehlen, um eine weiterführende Diskussion anhand der einschlägigen Rechtstexte zu erleichtern.

Dieses Buch tritt nicht in die mittlerweile aufgeflammte Diskussion ein, ob und wie der synodale Weg in Deutschland abzulaufen hat. Es versteht sich lediglich als kanonistischer Beitrag zu der immer aktuellen und kontrovers diskutierten Fragestellung, inwiefern kirchliches Recht und rechtliche Strukturen dem Wesen der Kirche dienen und mithelfen, dass Kirche ihre von Christus empfangene Sendung erfüllen kann. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass die Leser dieser Studie nachvollziehen können, dass Aufbau und Arbeitsweise kirchlicher Verwaltung und kirchlicher Gerichte nicht nur bloße Strukturfragen sind, sondern unter dem Anspruch stehen, selbst der Verkündigung des Evangeliums zu dienen. Indem sich dieses Buch nicht in der Diskussion von Spezialfragen verliert, sondern als Einführung in die Thematik versteht, die sich nicht nur an Fachexperten des Kirchenrechts richtet, soll auch das Interesse von Leserinnen und Lesern geweckt werden, die sich über die im Gang befindliche Diskussion um die Errichtung von Verwaltungsgerichten auf Ebene der Bischofskonferenz grundlegend informieren wollen. Dieses Buch will hierzu einen kleinen Beitrag liefern und ein Denkanstoß sein, wenn die Themen „Macht, Partizipation und Gewaltenteilung“3 besprochen werden.

Darüber hinaus kann es demjenigen, der in irgendeiner Form als Amtsträger für das Wohl der kirchlichen Gemeinschaft Verantwortung trägt, ein Reflexionsanstoß für sein eigenes Handeln sein. Es kann als Erstinformation für den Ver-waltungskanonisten dienen, der den Bischof, Generalvikar, Ordensoberen oder Verbandsvorsitzenden beraten soll, wenn sich ein Gläubiger mit einer Verwaltungsentscheidung nicht einverstanden zeigt. Schließlich will die Studie das Interesse derjenigen wecken, die sich damit beschäftigen wollen, wie Kirche die berechtigten rechtlichen Interessen ihrer Gläubigen schützt und welche Perspektiven sich aus der möglichen Errichtung von Verwaltungsgerichten auf Ebene der Bischofskonferenzen ergeben könnten.

In besonderer Weise möchte ich mich bei G. Paolo Montini, Professor an der Päpstl. Universität Gregoriana, bedanken, der mich als profunder Kenner von Gerichtspraxis und Rechtsprechung der Apostolischen Signatur wie schon im Rahmen meines Promotionsstudiums so auch jetzt wieder mit seinen wertvollen Hinweisen beim Schreiben dieses Buches unterstützt hat. Mein Dank gilt ebenso Prof. Ulrich Rhode sj, dem Dekan der Kanonistischen Fakultät der Päpstl. Universität Gregoriana, für die kritische Durchsicht des Manuskripts. Melanie Rosenbaum bin ich für das Korrekturlesen zu Dank verpflichtet.

Rom, im Dezember 2019Matthias Ambros

 

 

 

     1 Wolfgang SEIBEL, Verwaltung verstehen. Eine theoriegeschichtliche Einführung, Berlin 20 1 72, 153.

     2 Das grundsätzliche Interesse am Thema ist im Rahmen meines Promotionsstudiums entstanden. In meiner Dissertation (Matthias Ambros, Verwaltungsbeschwerde und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Effizienz des kirchlichen Rechtsschutzes gemessen aneinem Passauer Patronatsstreit, Paderborn 2016) habe ich mich intensiv mit dem juridischen System der kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit auseinandergesetzt und vor allem dessen Stärken und Schwächen herausgearbeitet.

     3 Ein Forum des synodalen Weges sollte zunächst diesen Titel tragen, das laut veröffentlichtem Satzungsentwurfvom 29. Oktober 2019 (Quelle: https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2019/2019-178a-Satzung-Synodaler-Weg.pdf) nunmehr in „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“ umbenannt wurde. Anstelle von „Gewaltenteilung“ ist sinnvoller Weise von „Gewaltenunterscheidung“ zu sprechen, da die Einheit der kirchlichen Vollmacht im Amt des Papstes/Bischofskollegiums und des Diözesanbischofs zum Wesen der Kirche gehört und damit ius divinum ist.

Abkürzungsverzeichnis

AfkKR

Archiv für katholisches Kirchenrecht

can.

Canon

cann.

Canones

CUMA

MP

Come una madre amorevole

DBK

Deutsche Bischofskonferenz

ed.

Editor/Editores (Herausgeber)

hg.

Herausgegeben

Id.

Idem

i. V. m.

in Verbindung mit

KuR

Kirche & Recht. Zeitschrift für die kirchliche und staatliche Praxis

LKStKR

Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht

MIDI

MP

Mitis Iudex Dominus Iesus

MP

Motu proprio

Periodica

Periodica de re canonica

QDE

Quaderni di diritto ecclesiale

RGCR

Regolamento generale della Curia Romana/Grundordnung der

Römischen Kurie

VApSt

Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, hg. von der DBK

Hinführung zur Thematik

„Wir wissen um die Fälle klerikalen Machtmissbrauchs.Er verrät das Vertrauen von Menschenauf der Suche nach Halt und religiöser Orientierung.Was getan werden muss,um den nötigen Machtabbau zu erreichenund eine gerechtere und rechtlich verbindliche Ordnung aufzubauen,wird der synodale Weg klären.Der Aufbau von Verwaltungsgerichten gehört dazu,“4

lautete das abschließende Pressestatement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz,5 Kardinal Reinhard Marx, nach der Frühjahrsvollversammlung der DBK am 14. März 2019. In der Sitzung wurde demnach der Beschluss gefasst, „eine Ordnung für Verwaltungsgerichte im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz zu erarbeiten.“6

In der Tat ist Macht, selbst wenn sie innerkirchlich als „heilige Vollmacht“ (potestas sacra) und damit theologisch legitimiert wird, anfällig für Grenzüberschreitungen. Kontrollmechanismen, Aufsichtsorgane und Gerichte, wie sie in staatlichen Rechtssystemen heute Standard sind, könnten auch innerkirchliche Lösungsstrategien sein, vor allem auch deshalb, weil es diesbezüglich Anknüpfungspunkte in der kirchlichen Lehr- und Rechtstradition gibt.7 Obwohl im Rahmen der Reform des kirchlichen Gesetzbuches, die nach Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils in Gang kam, wertvolle Impulse in diese Richtung gesetzt wurden, ist die Beteiligung von Organen der Mitverantwortung, Sachverständigen und den von einer Verwaltungsentscheidung betroffenen Gläubigen bisweilen immer noch keine Selbstverständlichkeit. Neuerdings wird die Forderung zur Errichtung lokaler Verwaltungsgerichte im Kontext der Missbrauchsprävention sowie -aufklärung genannt, wobei in diesem Zusammenhang die Errichtung von Strafgerichtshöfen und die Aus- und Fortbildung von Strafrechtsexperten die adäquatere Antwort sein dürfte. Auch dieser Frage soll in einem Exkurs im Rahmen dieser Studie nachgegangen werden. Welche konkreten Fälle aus dem kirchlichen Alltag aber muss man vor Augen haben, wenn man die Errichtung kirchlicher Verwaltungsgerichte auf Ebene der Bischofskonferenz diskutiert?

– Ein Kirchenvorstand beschließt beispielsweise, dass eine Kirche, die sich auf dem Pfarrgebiet befindet, abgerissen werden soll. Der Verkauf des Grundstücks, auf dem die Kirche steht, wurde bereits besiegelt. Die Verträge sind unterschrieben. Von der Entscheidung erfahren die Gläubigen aus der regionalen Zeitung. In der Pfarrei, in der noch die Generation lebt, die den Kirchenbau vorangetrieben, persönliche Arbeitsleistungen eingebracht und zur Finanzierung durch Spenden beigetragen hat, regt sich Protest gegen den Abriss der Kirche. Auch der kirchliche Rechtsweg wird von den Gläubigen in Betracht gezogen.

– Ein Diözesanbischof beschließt eine pastorale Strukturreform. Ehemals 1000 Pfarreien, die heute schon in 400 Pfarreiengemeinschaften zusammengeschlossen sind, sollen auf 40 Pfarreien reduziert werden. Sowohl bei den 400 Priestern, die derzeit Pfarrer sind, als auch bei vielen Gläubigen, die sich in den Veränderungsprozess nicht eingebunden fühlen, wächst Unmut. Sie fürchten um die Lebendigkeit ihrer Pfarreien und wollen nicht akzeptieren, dass sie ihren Pfarrer höchstens einmal im Jahr im örtlichen Gottesdienst erleben. Zudem fragt man sich, ob dieser radikale Eingriff dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht: Ein Fall für das kirchliche Verwaltungsgericht.

– Ein Generalvikar teilt einem Gläubigen mit, dass dieser für die anstehende Kirchenverwaltungswahl das passive Stimmrecht verliert, weil er die Wahlvoraussetzungen nicht erfülle. Da dies vom Betroffenen als Unrecht empfunden wird, wehrt er sich dagegen mit rechtlichen Mitteln.

– Einer Religionslehrerin wird vom Bischof die missio canonica zur Erteilung des Unterrichts entzogen, da sie sich der letzten Visitation durch den bischöflichen Schulbeauftragten verweigert hat. Die Lehrerin hält dieses Vorgehen für unverhältnismäßig, da sie der Auffassung ist, dass sie seit Jahren einen bewährten und soliden Unterricht verantwortet, und will deshalb beim Verwaltungsgericht klagen.

– In einem deutschen Bistum steht die Wahl zum Kirchenvorstand an. Diejenigen, die bei der Kommunalverwaltung einen Sperrvermerk im Hinblick auf die Weitergabe persönlicher Daten eingetragen haben, bekommen keine Benachrichtigung über die Wahl, was zur Folge hat, dass sie de facto ihr Wahlrecht verlieren. Vor einem kirchlichen Verwaltungsgericht könnten Betroffene ihre Rechte geltend machen.

– Die Statuten einer Philosophisch-Theologischen Hochschule sehen vor, dass ein außerordentlicher Professor nach drei Jahren Lehr- und Forschungstätigkeit den Antrag auf Beförderung zum ordentlichen Professor stellen kann und, wenn die Voraussetzungen geben sind, zum Ordinarius zu ernennen ist. Auf den Antrag, den er an den Dekan richtet, erhält der Professor keine Antwort. Auf die Beschwerde, die er an den Rektor der Hochschule richtet, erhält er ebenfalls keine Antwort. Der Großkanzler lässt ihm mündlich mitteilen, dass er sich in die internen Angelegenheiten der Hochschule nicht einmischen will.

– Der Studiendekan einer kirchlichen Theologischen Fakultät verweigert die Anerkennung von Studienleistungen, die an einer anderen Fakultät erbracht wurden, mit der Begründung, dass die ECTS-Punkte nicht übereinstimmen. Anstatt eines schematischen Vergleichs und der Orientierung an den erreichten Kompetenzen wird nur das eigene Curriculum als Vergleichsmaßstab für die Anerkennung von Studienleistungen im konkreten Fall angewandt. Mit Verweis auf die Lissabon-Konvention rekurriert der Studierende an den Heiligen Stuhl.

– Der Vorstand eines kirchlich anerkannten Vereins beschließt den Ausschluss eines Mitglieds. Die betroffene Person vertritt die Meinung, dass es hierfür keinen Grund gibt, der in den Statuten vorgesehen ist. Sie will deshalb die Entscheidung anfechten.

– Eine Ordensschwester erhält von ihrer neu gewählten Oberin, mit der sie gemeinsam im Noviziat war und mit der sie seitdem zwischenmenschliche Schwierigkeiten und Anspannungen hatte, ein Schreiben, wonach jene die Gültigkeit ihrer Ordensprofess anzweifelt und sie deshalb das Ordenshaus am Monatsende zu verlassen habe. Die Schwester, die um dieses plötzlichen Rachefeldzugs willen aus allen Wolken fällt und ihre Ordensberufung in ungerechter Weise bedroht sieht, will mit allen rechtlichen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, dagegen vorgehen.

All diese Fälle können nur beispielhaft andeuten, wie sich innerhalb der Kirche Streitigkeiten anbahnen und wie sie ausgetragen werden. Gemeinsam ist ihnen, dass irgendwer, der in irgendeiner Form Verantwortung in der Kirche hat, weil er ein bestimmtes Amt ausübt, durch seine Entscheidungen, selbst wenn sie letztlich rechtlich und sachlich nicht zu beanstanden sind, dennoch eine Beschwernis beim Adressaten bewirken kann. Der oftmals in der Diskussion angeführte Begriff des „Klerikalismus“ ist deshalb in einer Kirche der unterschiedlichen Berufungen und reichen Vielfalt unterschiedlicher Dienste zu kurz gegriffen, falls er sich bloß auf Kleriker beziehen will, wie die oben genannten Beispiele versucht haben, die Problemlage zu beschreiben. Unbeschadet der besonderen Rolle, die im Ämtergefüge der kirchlichen Verfassung Diözesanbischof und Pfarrer innehaben, werden Entscheidungen innerhalb der Kirche von Männern wie Frauen, von Klerikern wie Laien getroffen. Bischof, Generalvikar und Pfarrer, Priester und Diakon, Ordensoberin und Ordensoberer, Vereinsvorsitzende und Vereinsvorsitzender, kollegiale Leitungsgremien und Organe der Mitverantwortung können durch ihr Handeln oder Nichthandeln Situationen bewirken, die eine rechtliche Beschwernis bei einem Gläubigen hervorrufen können.

Die Forderung zur Errichtung einer lokalen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist dabei in diesem Zusammenhang nichts Neues. Sie wurde von verschiedenen Kanonisten seit Jahren immer wieder vorgetragen.8 Recht und rechtliche Strukturen wollen Macht und Ausübung von Macht ordnen und austarieren. Mit Bernhard Welte kann man nämlich aus rechtsphilosophischer Sicht sagen: „Wo das Welt-Dasein des mitmenschlichen Wir als Macht hervortritt, da ist sie auch die ausgezeichnete Stelle, an der Macht durchsichtig wird auf ein sie innerlich belebendes Prinzip hin, welches sie als menschliche Macht ideell konstituiert. Wir nennen dieses ideell die menschliche Macht konstituierende Prinzip das Recht.“9 Doch ist mit der Einführung einer lokalen Verwaltungsgerichtsbarkeit als rechtliches Instrumentarium zur Ordnung der Macht so ohne Weiteres zu rechnen? Ist dieses Vorhaben einfach umsetzbar? Diesem Fragekomplex will sich dieses Buch primär zuwenden. Dabei soll keine spekulative Abhandlung vorgelegt werden, sondern der Ausgangspunkt ist die durch die DBK wieder neu aufgeworfene und damit praxisrelevante kanonistische Fragestellung: Ist es rechtlich möglich, Verwaltungsgerichte auf Ebene der Bischofskonferenz einzurichten? Eine Analyse des geltenden Rechts, der Rekurs auf die Arbeiten der Codexreformkommission sowie die Bezugnahme auf die Praxis des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur sind notwendig, um eine solide und verantwortbare Antwort geben zu können. Dabei darf auch nicht fehlen, das geltende Recht, das die Rechtsbehelfe der Verwaltungsbeschwerde sowie der Verwaltungsklage kennt, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung der Apostolischen Signatur, darzustellen. Um den Rahmen dieser Untersuchung nicht zu sprengen, können Einzelaspekte, die in der Kanonistik kontrovers diskutiert werden, zwar angedeutet, aber nicht detailliert analysiert werden.

Die Skepsis gegenüber Recht in der Kirche, die sich teils latent, teils offen zeigt, spielt auch eine Rolle, wenn es um die Frage nach der rechtlichen Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen kirchlicher Amtsträger geht. Die Theologie hat sich dieser Problematik bislang kaum oder überhaupt nicht gewidmet, obwohl sich im Themenkomplex Amtsträger versus Gläubiger, (Voll)macht versus Machtkontrolle, Einheit der Vollmacht versus Unterscheidung der Funktionen und Funktionsträger, Verantwortung versus Mitverantwortung, der Ernstfall praktischer Ekklesiologie zeigt. Wenigstens ansatzweise darf daher nicht fehlen, im Rahmen dieser Studie zumindest skizzenhaft eine theologische Legitimierung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Kirche zu erarbeiten.

Schließlich kann man nicht über Verwaltungsgerichte reden, wenn man nicht auch die Verwaltung und ihre Zweckbestimmung innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft in den Blick nimmt. Deshalb wird diesem Thema ebenfalls ein breiter Raum eingeräumt. Dabei lässt sich die folgende Untersuchung von der Perspektive der Reformprinzipien der Bischofssynode von 1967 leiten, die sie für die Überarbeitung des kirchlichen Gesetzbuches nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil vorgelegt hat und die von ihrer Aktualität bis heute nichts an Bedeutung eingebüßt haben. Die klare Unterscheidung kirchlicher Vollmacht in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung, die durch die Etablierung und Professionalisierung entsprechender Organe eine konkrete Ausdrucksform finden muss, ist jedoch selbst fünfzig Jahre nach Abschluss der Synode keineswegs erreichter Standard. Der synodale Weg, der von der Deutschen Bischofskonferenz angestoßen wurde, kann daher eine Etappe sein, um zu überlegen, wie auf Ebene der Bistümer in Deutschland die Rechtskultur in der Kirche noch vertiefter als bisher gefördert werden kann.

 

 

 

     4 Reinhard Kardinal MARX, Pressebericht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz anlässlich der Pressekonferenz zum Abschluss der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 14. März 2019 in Lingen, in: https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2019/2019-040-Pressebe-richt-FVV-Lingen.pdf, 7 [abgerufen am 9. Dezember 2019].

     5 Im Folgenden abgekürzt: DBK.

     6 Pressebericht, 3.

     7 Vgl. hierzu insbesondere die rechtshistorische Studie von Heribert Schmitz, Appellatio extraiudicialis. Entwicklungslinien einer kirchlichen Gerichtsbarkeit über die Verwaltung im Zeitalter der klassischen Kanonistik (1140–1348), München 1970.

     8 Vgl. z.B.: Klaus LÜDICKE, Kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland. Zur Lage 20 Jahre nach dem Beschluß der Gemeinsamen Synode, in: Heinrich J. F. REINHARDT, Theologia et Ius Canonicum. Festgabe für Heribert Heinemann zur Vollendung seines 70. Lebensjahres, Essen 1995, 433-446; Dominicus M. Meier, Verwaltungsgerichte für die Kirche in Deutschland? Von der gemeinsamen Synode 1975 zum Codex Iuris Canonici 1983, Essen 2001; Matthias PULTE, Die Schaffung einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit für die deutschen Diözesen. Ein bleibendes Desiderat aus der Kodifikationsgeschichte zum CIC/1983, in: Wilhelm REES – Sabine DEMEL – Ludger MÜLLER, ed.,Im Dienste von Kirche und Wissenschaft. Festschrift für Alfred Hierold zur Vollendung des 65. Lebensjahres, Berlin 2007, 771-788; Alfred E. Hierold, Recursus ab abusu. Plädoyer für eine Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Kirche, in: Ludger MÜLLER – Wilhelm REES, ed., Geist – Kirche – Recht. Festschrift für Libero Gerosa zur Vollendung des 65. Lebensjahres, Berlin 2014, 285-293; Burkhard J. BERKMANN, Mehr Subsidiarität im Kirchenrecht. Bischofskonferenzen und Verwaltungsgerichte, in: Concilium 52 (2016) 604-612; Thomas MITSCHKE-KOLLANDE, Sonne der Gerechtigkeit. Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Kirche, in: Stimmen der Zeit 237 (2019) 304-311.

     9 Bernhard WELTE, Über das Wesen und den rechten Gebrauch der Macht. Eine philosophische Untersuchung und eine theologische These dazu, Freiburg 19652, 21.

I. Vollmacht, Teilhabe und Gewaltenunterscheidung: Ein kurzer Überblick über die geltende Rechtslage und ihr lehramtliches Fundament

„Der Menschensohn ist nicht gekommen,um sich bedienen zu lassen,sondern um zu dienenund sein Leben hinzugebenals Lösegeld für viele“(Mk 10,45)

Die Entstehung der modernen Rechtssysteme in Europa ist einer gegenseitigen Befruchtung von Kanonistik und Zivilrecht zu verdanken. Dennoch ist die Entwicklung eines systematischen Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrechts in staatlichen Rechtssystem ein eher spätes Phänomen, bei dem die Kanonistik keinen Einfluss mehr auf das staatliche Recht ausüben konnte. So wurde erst im 19. Jahrhundert der Begriff Verwaltungsakt ein Oberbegriff für hoheitliches, obrigkeitliches Handeln, verbunden mit dem Zweck, das Niveau rechtlicher Standards für das Handeln der Verwaltung zu heben und um ähnliche Rechtsschutzmöglichkeiten zu bieten, wie sie im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit längst gegeben waren. Auf diese Weise gaben durch Rechtslehre und ihre Anwendung in der Praxis moderne rechtsstaatliche Prinzipien auch der Kanonistik einen wesentlichen Impuls, auch wenn das staatliche Recht nicht vorbehaltlos auf die Kirche übertragen werden konnte und man dies auch heute nicht kann.

1. Gewaltenunterscheidung statt Gewaltentrennung

Von diesen Entwicklungen im staatlichen Recht beeinflusst, haben Kanonisten wie z.B. Klaus Mörsdorf versucht, in der Besinnung auf die eigene Rechtstradition im Hinblick auf das kirchliche Gesetzbuch von 1917 (CIC/1917) zwar keine Gewaltentrennung wie im modernen Rechtsstaat für die Kirche herleiten zu wollen, aber zumindest versucht, eine Gewaltenunterscheidung aufzuzeigen. Dabei wurde insbesondere auf zwei Normen verwiesen: can. 201 sowie can. 335 § 1 CIC/ 1917. Can. 201 unterscheidet in § 2 die richterliche Gewalt (potestas iudicialis) von der nicht-richterlichen Gewalt (potestas voluntaria seu non-iudicialis). In dieser Zweiteilung sieht Mörsdorf die aus dem römischen Recht in die im 17. und 18. Jahrhundert in die Kanonistik übernommene Unterscheidung von streitiger und freiwilliger Rechtspflege (iurisdictio contentiosa – voluntaria). Der bekannte Münchner Kirchenrechtsprofessor kritisierte, dass der Begriff der iurisdictio contentiosa viel zu sehr auf die Ausübung richterlicher Tätigkeit engführend interpretiert und alle anderen Funktionen als freiwillige Rechtspflege angesehen wurden. Mörsdorf stellte die Auffassung in Frage, wonach es völlig ausreichend sei, wenn in der Kirche lediglich zwei unterschiedliche Ausdrucksformen der Vollmacht unterschieden werden. Um diese Argumentation zu stützen, nahm Mörsdorf Bezug auf can. 335 § 1 CIC/1917, der dem Bischof gesetzgebende, rechtsprechende und strafende Zwangsgewalt (potestas legislativa, iudiciaria et coactiva) zuspricht. In die rechtsprechende Vollmacht hatte er schon in seinem im Jahr 1949 erstmals erschienen Aufsatz die verwaltende Tätigkeit eingeschlossen, sodass er die Auffassung vertrat, dass das kirchliche Gesetzbuch von 1917 einen weiter gefassten Richterbegriff verwende.10

Mörsdorf kommt daher zum Ergebnis:

„In Wirklichkeit sind die drei Gewaltfunktionen so stark in das neukodifizierte Kirchenrecht eingegangen, daß es unmöglich ist, ein volles Verständnis des Gesetzbuches zu gewinnen, wenn man ohne diese Gewaltenunterscheidung auskommen wollte. Der CIC anerkennt die Gesetzgebung als eigenständige Gewalt und handelt darüber in dem Titel De legibus (cc. 8–23); dasselbe gilt von der richterlichen Gewalt, der im wesentlichen das ganze vierte Buch gewidmet ist. Wenn er die dritte Gewaltart, die Verwaltung, die das Herzstück der kirchlichen Regierungsgewalt darstellt, nicht ausdrücklich als solche namhaft macht, so ist doch gerade ihr der größere Teil des Gesetzbuches gewidmet.“11

Der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erneuerte Codex Iuris Canonici hat schließlich die für den CIC/1917 ansatzweise festgestellte Gewaltenunterscheidung endgültig rezipiert. So wird in can. 135 § 1 die Leitungsgewalt in gesetzgebende, ausführende und richterliche Vollmacht (potestas legislativa, exsecutiva, iudicialis) unterschieden. In can. 135 §§ 2–3 wird das Legalitätsprinzip in das kirchliche Gesetzbuch übernommen: Sowohl die gesetzgebende als auch die rechtsprechende Gewalt sind jeweils auf die im Recht vorgesehene Weise auszuüben. Aufgrund der hierarchischen Verfasstheit der Kirche, die im göttlichen Recht wurzelt und damit als zum Wesen der Kirche gehörig verstanden wird, sind im Amt des Papstes/Bischofskollegiums sowie des Diözesanbischofs jedoch alle drei Ausdruckformen der einen Vollmacht vereint, mit der Folge, dass es im kirchlichen Verfassungsrecht keine Gewaltentrennung wie im staatlichen Rechtssystem geben kann. Das bedeutet aber nicht, dass es in der konkreten Ausgestaltung nicht eine gewisse Trennung, die in der Unterscheidung der Kompetenzen, in der Tätigkeit von Stellvertretungsämtern sowie der Beteiligung von Kollegialorganen ihre Ausdrucksform findet, erfolgen kann. Die Erst- und Letztverantwortung bleibt jedoch als persönliche Vollmacht immer Papst/Bischofskollegium und Diözesan-bischof reserviert. Als Frage an die persönliche Amtsführung bleibt jedoch, ob sie sich im Sinne der Prinzipien der Gewaltenunterscheidung sowie der Partizipation eine Selbstzurückhaltung auferlegt, wenn es sich um Fragen der allgemeinen Verwaltungstätigkeit des Bistums bzw. der Weltkirche handelt. Dies gilt für den Papst in besonderer Weise, da jedes persönliche Verwaltungshandeln des Papstes die Möglichkeit verwaltungsgerichtlicher Klage ausschließt (vgl. can. 333 § 3).

2. Einheit der kirchlichen Vollmacht im Amt des Papstes/Bischofskollegiums sowie des Diözesanbischofs und Partizipation anderer Amtsträger sowie Laien an deren Amtsvollmacht

In diesem Sinne kommt dem Diözesanbischof für seine Diözese gesetzgebende, ausführende und rechtsprechende Vollmacht zu (vgl. can. 391 § 1), wobei er die gesetzgebende Gewalt selbst ausübt, die ausführende Gewalt selbst oder nach Maßgabe des Rechts durch den General- oder Bischofsvikar und die richterliche Gewalt selbst oder nach Maßgabe des Rechts durch den Gerichtsvikar und die Richter (vgl. can. 391 § 2). Neben diesen Stellvertretungsämtern stehen dem Bischof der Priesterrat (vgl. Christus Dominus, 11 und 28; can. 495 § 1), das Konsultorenkollegium (vgl. can. 502) sowie der Pastoralrat (vgl. can. 511 § 1) als partizipative Kollegialorgane zur Verfügung. Als außerordentliches Beratungs- und partizipatives Entscheidungsorgan ist nicht zuletzt die Diözesansynode zu sehen, auf der die wirklich großen Themen und bedrängenden Fragen einer Teilkirche durch Repräsentanten des diözesanen Gottesvolkes unter der Leitung des Bischofs umfassend beraten und entschieden werden können (vgl. cann. 460–468). Neben der Beteiligung der Kollegialorgane an Gesetzgebung und Verwaltung ist auch die Fachexpertise einzelner Gläubiger nicht zu vernachlässigen. Hubert MÜller vertritt dabei sogar die Auffassung, dass der Diözesanbischof die ihm zukommende Vollmacht erlaubterweise und in einigen wenigen im Recht genannten Bereichen sogar gültiger weise allein nicht ausüben könne. Der Bischof sei in seinem Tun immer auf die Beteiligung von Stellvertretungsämter und Konsultativorgane verwiesen.12 Allerdings scheint dies eher eine moralische als juridisch-bindende Argumentation zu sein, denn nach geltendem Recht entscheidet der Bischof bis auf die wenigen Fälle, in denen ein Anhörungsrecht für ein Kollegialorgan besteht,allein, wann und ob er sich beraten lassen will und legt ggf. den Beratungsgegenstand autonom fest. Das ist Konsequenz der Gewaltenfülle im hierarchischen Amt des Diözesanbischofs. Denkbar ist freilich, dass der Diözesanbischof in einem Allgemeindekret Mitwirkungsrechte von Kollegialorganen ausweitet und, indem sie in einem Diözesangesetz festgeschrieben werden, auch eine gewisse Objektivität erreicht wird und eine zumindest moralische Selbstbindung des Bischofs an das von ihm gesetzte Recht erfolgt.

Auch der Papst bedient sich entsprechender Stellvertretungsämter und Kollegialorgane. Die Leitung des Bistums Rom ist grundsätzlich dem Kardinalvikar als Spezialfall eines Generalvikar-Amtes, dem auch stellvertretende rechtsprechende Vollmacht zukommt, anvertraut.13 Die ausführende Vollmacht übt der Papst persönlich oder durch die Verwaltungsdikasterien der Römischen Kurie aus. Die Rechtsprechung nehmen die Gerichte des Apostolischen Stuhls wahr, sofern nicht der Papst eine Sache persönlich an sich zieht (vgl. can. 334). Als Konsultativorgane sind die Bischofssynode (vgl. cann. 342–348) und das Kardinalskollegium (vgl. cann. 349–359) zu nennen. Nach can. 333 § 2 hat der Papst das Recht zu bestimmen, ob er sein Amt persönlich oder im kollegialen Verbund ausüben will.

Schließlich ist auch denkbar, dass das Bischofskollegium, vereint mit dem Papst als seinem Haupt, Akte gesetzgebender, ausführender oder rechtsprechender Gewalt setzt (vgl. can. 336).

3. Lehramtliche Grundlage

Die den Normen des kanonischen Rechts zugrundeliegende Ekklesiologie ist diejenige, die das Zweite Vatikanische Konzil vorgelegt hat und die in kirchenrechtliche Sprache eingeholt wurde bzw. dieses zumindest versucht wurde. Die Texte des Konzils müssen verbindlicher Maßstab für die Reform der Kirche sein. Im Kontext der Fragestellung von kirchlicher Vollmacht, Partizipation und Gewaltenunterscheidung ist es daher ratsam, auf die einschlägigen Konzilstexte zu rekurrieren, um ausgehend von diesen nach ihrer Verortung in der Kirche zu suchen.

Die Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, 19b, betont die besondere Stellung des Bischofs in der Kirche:

„Unter den verschiedenen Dienstämtern, die so von den ersten Zeiten her in der Kirche ausgeübt werden, nimmt nach dem Zeugnis der Überlieferung das Amt derer einen hervorragenden Platz ein, die zum Bischofsamt bestellt sind und kraft der auf den Ursprung zurückreichenden Nachfolger Ableger apostolischer Pflanzung besitzen.“

Sie üben ihr Amt in Gemeinschaft mit dem Presbyterium und den Diakonen aus und stehen als Hirte, Lehrer und Priester der Herde vor (vgl. LG, 19c). Das Konzil lehrt, dass „die Bischöfe aufgrund göttlicher Einsetzung an die Stelle der Apostel als Hirten der Kirche getreten sind“ (LG, 19c). Nach Lumen gentium, 21b, wurde dem Bischof „durch die Bischofsweihe die Fülle des Weihesakramentes übertragen.“ Dabei steht der Bischof in Gemeinschaft mit der Gesamtkirche, denn er kann die Dienste des Heiligens, Lehrens und Leitens nur „in der hierarchischen Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums“ (LG, 21b) ausüben. Gleichzeitig steht der Bischof in Gemeinschaft mit dem Bistum, mit der Ortskirche, d.h. mit den Klerikern wie Laien, in dessen Dienst er steht (vgl. LG, 18a). In diesem Sinne konkretisiert das Dekret über die Bischöfe, Christus Dominus, die Mitarbeit von Klerikern und Laien am Hirtendienst des Bischofs. Es spricht von den Koadjutoren und Weihbischöfen (vgl. CD, 25–26), von der Diözesankurie mit ihren zentralen Leitungsämtern wie Generalvikar und Bischofsvikar, sowie den Kollegialorganen wie Domkapitel, Konsultorenkollegium und andere Räte. Christus Dominus, 27, nennt in diesem Zusammenhang auch die „Priester und Laien, die zur Diözesankurie gehören“ und dort „dem Hirtenamt des Bischofs Hilfe und Unterstützung leisten". Laien sollen nach Christus Dominus, 27e, selbstverständlich Teil des diözesanen Seelsorgerats werden, dem „der Diözesanbischof selbst vorsteht und dem besonders ausgewählte Kleriker, Ordensleute und Laien angehören.“ Auch wenn die Aufgabenzuschreibung derjeniger, die an der Diözesanku-rie tätig sind, in Christus Dominus, 27, offen bleibt und dies in einem Konzilstext auch nicht bis in alle Detailfragen geklärt werden kann, so kann zumindest festgehalten werden, dass im Lichte der Texte des Zweiten Vatikanums die Diözesan-kurie eine Gemeinschaft von Klerikern und Laien ist, die den Bischof in seinem Hirtendienst unterstützt, entsprechend der theologischen Grundüberzeugung:

„Es besteht in der Kirche eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung. Den Aposteln und ihren Nachfolgern wurde von Christus das Amt übertragen, in seinem Namen und in seiner Vollmacht zu lehren, zu heiligen und zu leiten. Die Laien hingegen, die auch am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi teilhaben, verwirklichen in Kirche und Welt ihren eigenen Anteil an der Sendung des ganzen Volkes Gottes“ (Apostolicam actuositatem, 2b).

Es bleibt aber eine Frage von Theologie und Kirchenrecht, wie dieses Miteinander der verschiedenen Dienste im Konkreten zu verwirklichen ist.

Die Primatsstellung des römischen Bischofs wurde ebenfalls durch das Zweite Vatikanische Konzil neu vorgelegt:

„Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt. Diese Lehre über Errichtung, Dauer, Gewalt und Sinn des dem Bischof von Rom zukommenden heiligen Primats sowie über dessen unfehlbares Lehramt legt die Heilige Synode abermals allen Gläubigen fest zu glauben vor.“ (Lumen gentium, 18b).

Gleichzeitig entwickelt Lumen gentium in Ergänzung zum petrinischen Prinzip eine Theologie der Kollegialität:

„Wie nach der Verfügung des Herrn der heilige Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so sind in entsprechender Weise der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden. […] Glied der Körperschaft der Bischöfe wird man durch die sakramentale Weihe und die hierarchische Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums. Das Kollegium oder die Körperschaft der Bischöfe hat aber nur Autorität, wenn das Kollegium verstanden wird in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, als seinem Haupt, und unbeschadet dessen primatialer Gewalt über alle Hirten und Gläubigen. Der Bischof von Rom hat nämlich kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi und Hirt der ganzen Kirche volle, höchste und universale Gewalt über die Kirche und kann sie immer frei ausüben. Die Ordnung der Bischöfe aber, die dem Kollegium der Apostel im Lehr- und Hirtenamt nachfolgt, ja, in welcher die Körperschaft der Apostel immerfort weiter besteht, ist gemeinsam mit ihrem Haupt, dem Bischof von Rom, und niemals ohne dieses Haupt, gleichfalls Träger der höchsten und vollen Gewalt über die ganze Kirche. Diese Gewalt kann nur unter Zustimmung des Bischofs von Rom ausgeübt werden“ (Lumen gentium, 22).

4. Die Prinzipien der Bischofssynode zur Codexreform

Aus der Analyse der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanums können wir festhalten, dass sowohl der Papst als auch das Bischofskollegium Träger höchster Vollmacht in der Kirche sind. Die Kanonistik differenziert deren Leitungsgewalt in gesetzgebende, ausführende und richterliche Vollmacht. Über die Ausgestaltung der konkreten Ausübung der höchsten Vollmacht in der Kirche schweigt Lumen gentium. Es war jedoch unbestritten, dass es nach Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils auch einer Reform der Römischen Kurie sowie des kirchlichen Gesetzbuches und damit der gesamten kirchlichen Disziplin im Lichte der neuen ekklesiologischen Akzente bedurfte. Das Konzil konnte dies nicht mehr leisten. Papst Paul VI. berief deshalb 1967 eine Bischofssynode ein, in der die Erneuerung des Codex Iuris Canonici zum Thema gemacht wurde. Im Rahmen der Synode wurden unter anderem die Prinzipien zur Codexreform approbiert.14

Im sechsten Prinzip ist vom Dienstcharakter kirchlicher Vollmacht die Rede. Aufgabe des kirchlichen Rechts sei es deshalb die rechtmäßige Ausübung der po-testas sacra