Kursbuch 196 -  - E-Book

Kursbuch 196 E-Book

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Während die ersten Weihnachtsmärkte öffnen und wieder einmal diskutiert wird, ob es nicht aus Rücksicht auf andere Gläubige "Wintermarkt" heißen müsse und sich der Einzelhandel sowieso längst dem Gott des Mammons verschrieben hat, hallt die Aufforderung des Kursbuchs durch die Dunkelheit: "Religion, zum Teufel!" Eine besondere Stellung in diesem Kursbuch nimmt der Beitrag von Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff ein, der systematische Gedanken über den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche anstellt. Weitere Essays kommen von Islamwissenschaftler Reinhard Schulze, Kulturwissenschaftler Diedrich Diederichsen und Soziologe Aladin El-Mafalaani, einen Gastbeitrag steuert Gesundheitsminister Jens Spahn bei.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 239

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Armin NassehiEditorial

Elke BuhrBrief einer Leserin (23)

Sibylle LewitscharoffDrei Tannen

Gregor Maria HoffKirche zu, Problem tot!Theologische Reflexionen zum Missbrauchsproblem in der katholischen Kirche

Armin NassehiStrategisch. Religiös. Reden.Warum Religion keine Privatschrulle ist und weltgesellschaftliche Konflikte religiös werden

Karsten FischerMullahs, Monster und MinisterräteDer neutrale Staat im religionspolitischen Handgemenge

Jens SpahnChrist und Demokrat in UnionGlaube und Moral in der Politik. Ein Gastbeitrag

Diedrich DiederichsenMagic and LiesÜber Religion und Pop-Musik

Ralph NieseZum Teufel nochmal!

Johann Hinrich ClaussenDer Fremde in unsSechs Mosaiksteine einer Religion der Migration

Johanna PinkIslam? Welcher Islam?Interpretations- und Machträume rund um den Koran

Aladin El-MafaalaniJung. Muslimisch. Radikal.Neue Spannungsfelder und Ambivalenzen bei muslimischen Jugendlichen

Monika Wohlrab-SahrDie Macht der UnterscheidungGibt es nicht-westliche Grundlagen der Säkularität?

Reinhard SchulzeDer lange Bart des ProphetenKursbuch Classics: Wiederabdruck des Essays aus dem Kursbuch 93/1988 | Glauben

Die Autoren

Impressum

Armin NassehiEditorial

Die aktuelle Theodizee-Frage lautet: Wie konnte Gott es zulassen, dass es dieses Kursbuch gibt? Über Religion, zum Teufel! Wir wissen es nicht, wir nehmen es nur als Hinweis, dass er womöglich nur sporadisch in seine Schöpfung eingreift. Allmächtigkeit ist ja nicht unbedingt eine Verpflichtung, sich um alles zu kümmern. Oder er hat uns einfach gelassen, um zu sehen, was dabei herauskommt. Dass der Teufel, der Diabolos, der Durcheinanderwerfer, mit auf dem Titel steht, bitten wir nicht nur zu entschuldigen, sondern auch wörtlich zu nehmen, denn wenn es ums Religiöse geht, scheint vieles eher durcheinandergeworfen zu sein, konflikthaft, unversöhnlich, polemogen. Aber das ist sein Job. Der katholische Katechismus jedenfalls versichert uns: Seine Macht ist endlich, weil er selbst nur Geschöpf ist und nicht Gott. Wenn er Geschöpf ist, gründet er also selbst in Gott, der sich etwas dabei gedacht haben muss. Wahrscheinlich deshalb dürfen wir auch ein Kursbuch über Religion machen, zum Teufel!

Unser Zugriff ist eher traditionell und wenig tricky. Wir meinen das mit der Religion wirklich ernst. »Religion« ist uns nicht einfach Chiffre für Religionsersatz, Sinnsuche oder nur Metapher, sondern die Beiträge dieses Kursbuchs setzen direkt an konkreten religiösen Phänomenen an. Einen Schwerpunkt bildet der Islam – im Beitrag von Johanna Pink wird darüber aufgeklärt, wie naiv die Rezeption des Koran erfolgt. Die beliebte Technik, sich die passende Sure für die eigene gewünschte Wirkung durch Wörtlichkeit und Dekontextualisierung von Text zurechtzulegen, konfrontiert die Islamwissenschaftlerin mit dem Hinweis auf die »störrische Mehrdeutigkeit der Schrift« – eine wunderbare Formulierung. Monika Wohlrab-Sahr diskutiert die Frage, inwiefern Säkularität nicht nur ein westliches Muster, sondern auch in anderen religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Traditionen aufzufinden ist, auch in der islamischen Tradition. Sie misstraut ebenso traditionalistischen wie auch postkolonialen Festlegungen etwa des Islam darauf, das ganz Andere des Westens zu sein. Aladin El-Mafaalani macht in seinem Beitrag auf die Anfälligkeit des Islam für Extreme aufmerksam – es paaren sich Erfahrungen der selbst erlebten Schwäche mit denen eines Überlegenheitsgefühls, womit er eine Teilerklärung für das Potenzial und die Limitationen religiöser Identifikation für migrantische Jugendliche in Deutschland präsentiert.

Der Beitrag von Reinhard Schulze weist auf die grundlegende Verwandtschaft der islamischen und der christlichen Tradition im Hinblick auf das Verhältnis von Religion und Staat hin, ähnlich wie Wohlrab-Sahr zielt sein Beitrag nicht darauf, hier Differenzen einebnen zu wollen, aber doch darauf, hinzuweisen, dass die Differenzierungserfahrung zwischen Religion und säkularer Sphäre keine westliche Exklusivität besitzt. Der Beitrag ist hochaktuell – was deshalb erwähnt werden muss, weil er genau 30 Jahre alt ist. Wir drucken den Beitrag des Berner Islamwissenschaftlers aus dem Kursbuch 93 von 1988 nach, das den Titel Glauben hatte. Die Aktualität des Themas wie auch die Aktualität, auf die Parallelität mancher historischer Antezedenzbedingung der heutigen Situation nach 30 Jahren erneut hinweisen zu müssen, war uns Anlass, diesen Text mit freundlicher Genehmigung des Autors in dieses Kursbuch aufzunehmen.

Das Verhältnis von Politik/Staat und Religion ist auch das Thema des Beitrags von Karsten Fischer, der die Untiefen des Verhältnisses von Religion und Kirche zum liberalen Verfassungsstaat auslotet und über die Versöhnung von religiösen Ansprüchen und Demokratie nachdenkt. Mein eigener Beitrag nimmt das Verhältnis von Religion und Politik anders in den Blick: Er versucht, die Politisierbarkeit des Religiösen in weltgesellschaftlichen Konfliktlagen mit einer Teilanaloge der Funktionen von Politik und Religion zu erklären. Johann Hinrich Claussen schließlich hat auch Widersprüchlichkeiten im Fokus: Er fügt sechs »Mosaiksteine« aneinander, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Verhältnis und der Bedeutung von Migration und Religion beschäftigen, und zwar in den USA in Zeiten Trumps, im postkolonialen Frankreich mit seinem Umgang mit dem Islam und in Deutschland, das ganz unterschiedliche Facetten dieses Zusammenhangs aufweist.

Das Verhältnis von Politik und Religion ist auch Thema eines Gastbeitrags, den wir in dieses Kursbuch aufgenommen haben, nämlich von Jens Spahn, CDU-Politiker und Bundesgesundheitsminister. Warum Jens Spahn? Spahn hat öfter darauf hingewiesen, dass er als konservativer und nach Selbstauskunft eher pragmatischer Politiker sich selbst in seiner Politik durchaus religiös motiviert sieht, aber Religion nicht in erster Linie als Generator von Moral versteht. Wir haben Spahn um diesen Beitrag gebeten, weil wir uns davon Auskunft versprochen haben, wie denn diese Differenz zu anderen politischen Selbstpositionierungen als religiöser Politiker aussehen könnte. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass Spahn sein Bekenntnis zur und seine Erklärung der Demokratie durchaus mit einer religiösen Begründung verbindet.

Diedrich Diederichsen entwickelt auf der Suche nach dem Verhältnis von Pop-Musik und Religion eine ungewöhnliche These. Für ihn liegt das religiös-ekstatische Potenzial der Pop-Musik in der Überwindung der Distanz von Intimsphäre und öffentlicher Sichtbarkeit. Die Rezeption von Pop-Musik lebt davon, dass Bilder, körperliche Erfahrung und musikalische Praxis durch die technische Visibilisierung und ständige Wiederholung zu so etwas wie Offenbarungserfahrungen führen. Die technische Aufzeichnung ist hier gewissermaßen der Träger religiöser Erfahrung.

Die stärkste These dieses Kursbuchs entwickelt ohne Zweifel der Salzburger katholische Theologe Gregor Maria Hoff, den wir gebeten haben, systematisch über den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche nachzudenken. Er nähert sich dem Thema nicht nur moralisch und nicht mit der Geste des zwar ehrlichen, aber letztlich folgenlosen Bedauerns, wie man es von der Kirche bis dato gehört hat. Er argumentiert sehr radikal, indem er die Wurzel des Missbrauchsskandals direkt im Klerikalismus und daraus resultierenden Amtsverständnis des katholischen Priesters auffindet. Er spricht von einer Sakralisierungsfalle, in die man weiter tappen wird, wenn es nicht gelingt, hier grundlegend am Amts- und Kirchenverständnis der Kirche selbst zu rütteln. Radikalisiert man seine These, dann waren es nicht nur Priester in mehr oder weniger großer Zahl, die sich hier schuldig gemacht haben, sondern die Kirche als solche.

Besonders freuen wir uns über die kleine Geschichte »Drei Tannen« von Sibylle Lewitscharoff. Sie handelt von drei Tannen auf der Flucht. Der Ton der Geschichte kommt in diesen zwei Sätzen wunderbar zum Ausdruck: »Sie wollen jetzt bestimmt wissen, wie es Tannen schaffen können, einfach mal so davonzulaufen, schließlich haben sie keine zwei Beine, sondern bloß einen Stamm. Das stimmt und stimmt auch wieder nicht.« Das stimmt – aber lesen Sie selbst.

Ralph Niese war zweifellos der spannendste Beiträger dieses Kursbuchs. Denn er hat es mit seinem Abgabetermin verteufelt aufregend gemacht. Wir waren aber von seinen Bildern so angetan, dass wir die Begriffe Redaktionsschluss und Druckdatenabgabe mit hohen Freiheitsgraden ausstatteten. Am Ende lieferte der Character Designer, Comic Artist und Illustrator dann doch noch. Die künstlerische Vielfalt seiner Teufel öffnet die Türen in Fantasie- und unbewusste Zwischenwelten. Ein echter Kontrapunkt.

Der Brief einer Leserin, inzwischen mit der Ordnungsnummer 23, kommt diesmal von Elke Buhr, Chefredakteurin von Monopol – Magazin für Kunst und Leben. Elke Buhr hat nach Erscheinen des Kursbuchs 195 an den Verlag geschrieben und bat, man möge den »Herren Herausgebern« mitteilen, dass das Missverhältnis von 14 Autoren gegenüber einer Autorin die Wirklichkeit nicht adäquat abbilden könne. Recht hat sie, auch wenn es immerhin zwei Autorinnen waren. Wir haben Elke Buhr eingeladen, den Brief einer Leserin für dieses Kursbuch zu übernehmen, um uns das genauer zu erklären. Wir freuen uns, dass sie diese Einladung angenommen hat. Wenigstens hinweisen möchten wir darauf, dass die Zahl der angefragten und die Zahl der dann wirklich schreibenden Frauen erheblich, um nicht zu sagen: eklatant differiert – und wir wissen, dass wir mit dieser Erfahrung nicht unbedingt alleine sind. Wir wissen es von anderen Redaktionen und Herausgebern, und Elke Buhr berichtet es selbst in ihrem Brief.

Über die Gründe ließe sich trefflich verhandeln. Sie haben ganz sicher auch damit zu tun, dass Männer es womöglich gewohnter sind, zuzusagen, bevor sie genau wissen, ob sie es können. Diese Erfahrung des eher Skrupulösen mache ich zugegebenermaßen bisweilen auch als Hochschullehrer – und versuche dem durchaus aktiv zu begegnen. Dass manchmal bei der Auswahl von Personen uns durchaus potenzielle Autorinnen verborgen bleiben, wollen wir gerne konzedieren – ebenso wie wir versichern, hier noch genauer hinzusehen.

Aber – und es ist doch kein unbedeutendes Aber: Nicht teilen können wir einige der Prämissen, die den Ärger von Elke Buhr nähren. Eine davon ist, dass der Unterschied der Autorengeschlechter sich eins zu eins auf die Sache übertragen lässt, wenn uns, wenigstens in eine Frage verkleidet, vorgerechnet wird, dass wir offensichtlich »Gegenwart und Zukunft der Medien« zu 87,5 Prozent für eine Männersache halten. Dass die Frauen, die dann schreiben, auch wenn es in der Tat zu wenige sind, »ein, zwei Quotenfrauen« seien, zeugt von der Idee, dass es sich um eine intentionale, will heißen gewollte Form handelt. Um es deutlich zu sagen: Die Kritik von Elke Buhr tut so, als ließen wir tatsächlich nur die geringe Anzahl von Frauen schreiben, was ja logischerweise impliziert, dass wir andere, die es gerne täten, nicht schreiben ließen und diese gewissermaßen Schlange stehen, um endlich gelassen zu werden. Wenn es so einfach wäre, wäre es sehr einfach.

Auch die Annahme, dass das Missverhältnis von Männern und Frauen sich bei uns deshalb einstellt, weil wir diejenigen Perspektiven für die interessantesten hielten, die mit unserer eigenen identisch seien, halte ich, mit Verlaub, für einen Kurzschluss – übrigens für einen Kurzschluss, der aus weiblicher Perspektive so tut, als sei diese das »ganz Andere«. Hat der Feminismus nicht auch dafür gekämpft, exakt das infrage zu stellen? Und täte er das nicht, müsste man fragen: Wozu dann Feminismus?

Wir sind wirklich dankbar für den Hinweis von Elke Buhr – nicht, weil uns das rein numerische Missverhältnis, das wir nicht einfach zu einem sachlichen aufzurunden bereit sind, nicht auch schon sehr deutlich aufgefallen wäre. Und auch nicht, weil wir nicht schon intensiv darüber nachgedacht hätten, wie wir dem begegnen könnten. Wir sind dankbar dafür, dass es nun die Gelegenheit gibt, öffentlich und sichtbar ausrufen zu können: Frauen, schreibt, wenn wir euch fragen! Ihr seid (von uns) gefragter, als ihr es in den bisherigen Kursbüchern sehen könnt. Und lasst euch durchaus für eure skrupulöse Vorsicht kritisieren – im Gegenzug nehmen wir die Kritik sehr ernst, dass uns manche fürs Thema kompetente Frau durch die Lappen geht, weil wir nicht lange genug gesucht haben. Das ist uns übrigens auch schon bei Männern passiert.

Dieses Kursbuch sollte noch einen Text über religiöse Motive im zeitgenössischen Theater enthalten. Wir haben dafür Dirk Pilz gewonnen, den Theaterkritiker und Kulturredakteur der Frankfurter Rundschau und der Berliner Zeitung und Professor für Kulturjournalismus an der Universität der Künste in Berlin. Pilz hat uns spontan zugesagt und schon Ideen entwickelt, um zwei Wochen danach dann mit Bedauern abzusagen, er sei erkrankt und könne derzeit nicht schreiben. Zwei Tage vor Drucklegung dieses Kursbuchs erreicht uns nun die traurige Nachricht, dass dieser grandiose Feuilletonist im Alter von nur 46 Jahren verstorben ist. Nicht oft paaren sich Freundlichkeit, Bildung, Klugheit und Zugewandtheit in solch einer Form wie bei ihm. Er hinterlässt eine Lücke im Leben. Und in diesem Kursbuch.

Elke BuhrBrief einer Leserin (23)

Die Kursbuch-Rubrik »Brief eines Lesers« wird von den Autoren und Autorinnen sehr unterschiedlich interpretiert. Manche schreiben etwas zum Thema des Bandes, in dem der Brief erscheint. Manche reflektieren über ihr Verhältnis zum Kursbuch als Institution und Begleiter vieler intellektueller Biografien. Selten nur fungiert der Brief so, wie ich ihn hier verstehen möchte: als klassischer Leserbrief.

#realitycheck_medien war der Titel der vergangenen Ausgabe, mit hochmodernem Hashtag im Anschlag machte sich das Kursbuch 195 an eine Analyse der massenmedialen Realität der Gegenwart. Gutes Thema, schließlich verändert die Digitalisierung nicht nur den Journalismus, sondern die gesamte Öffentlichkeit und mit ihr die Demokratie. Ein kurzer Blick auf die Autorenliste ließ allerdings stutzen: 14 Männer sind da verzeichnet und zwei Frauen. Sind Gegenwart und Zukunft der Medien nach Meinung der Kursbuch-Herausgeber also zu 87,5 Prozent Männersache?

Nach einem kurzen Blick auf vergangene Ausgaben stellt sich heraus: Am Thema kann’s nicht liegen. Bei der Vorausgabe anders alternativ waren elf Autoren und nur zwei Autorinnen vertreten. Zu Bullshit.Sprech äußerten sich 14 Männer und eine Frau, zu Stadt. Ansichten. zwölf Männer und drei Frauen. Thema Lauter Lügen, Thema Kalter Frieden, Thema Welt verändern: Kein einziges Mal waren mehr als zwei Frauen dabei. Nur eine Ausnahme gab es, die Nummer 192. Dort schrieben zwölf Frauen und ein Mann. Können Sie, liebe Leserinnen und Leser, das Thema der Ausgabe raten? Genau: Frauen.

Das Kursbuch bleibt damit auf fast unheimliche Weise seinen Anfängen treu. Auch in den Gründungsjahren von 1965 bis 1970 war das Kursbuch ein Männerladen, es schrieben null bis zwei Frauen in jeder Ausgabe. Nur im Kursbuch 17Frau – Familie – Gesellschaft waren sie plötzlich in größerer Zahl zugelassen.

Dass Enzensbergers Medienbaukasten damals vor allem von Männern bespielt wurde, überrascht nicht – bei linken Intellektuellen waren die Frauen damals genauso für Kinderaufzucht und Vorzimmer zuständig wie bei den rechten. Aus der Geschichte der bundesrepublikanischen Linken haben wir gelernt, dass ein progressives Selbstverständnis offenbar auch kluge Männer nicht davon abhält, sich breitbeinig auf Podien und in Fernsehdiskussionen zu setzen, in denen nur Männer miteinander sprechen, und zu Hause reaktionäre Rollenmodelle zu pflegen.

Warum man glaubt, sich 60 Jahre später immer noch mit ein, zwei Quotenfrauen pro Sammelband begnügen zu können, ist mir allerdings ein Rätsel. Da ist ja sogar das durchschnittliche Feuilleton schon weiter – wenn auch nur ein kleines bisschen.

Marie Schmidt berichtete kürzlich in der Süddeutschen Zeitung von einer Pilotstudie zur Sichtbarkeit von Frauen in Medien und Literaturbetrieb, die herausgefunden hat, dass 61 Prozent aller belletristischen Bücher und 70 Prozent aller Sachbücher in deutschen Feuilletons von Männern rezensiert werden, 39 respektive 30 Prozent der Kritiken also von Frauen geschrieben wurden. Es gibt sie also, die Frauen, die Texte schreiben können. Sie sind da draußen. Und wenn man Frauen rezensieren lässt, bildet man offenbar auch automatisch besser ab, was Frauen schreiben. Insgesamt stammt nur jedes vierte Buch, über das Kritiker sich äußern, von einer Autorin. Kritikerinnen schreiben immerhin zu 44 Prozent über Bücher von Frauen.

Mich erinnert all das an eine Diskussion, die sich im deutschen Kunstbetrieb kürzlich an einer Ausstellung im NRW-Forum Düsseldorf entzündete. Die Kuratoren Alain Bieber und Florian Waldvogel hatten zu ihrer Schau Im Zweifel für den Zweifel: Die große Weltverschwörung zunächst neben zwölf Künstlern und drei Kollektiven nur eine Künstlerin eingeladen und nach entsprechender Kritik auf der Facebook-Seite der Institution hektisch eine zweite Künstlerin hinzubestellt. Zu dem Thema Verschwörungstheorien würden eben mehr Männer als Frauen arbeiten, so argumentierte der Direktor des NRW-Forums Bieber. Seltsam nur, dass das Geschlechterverhältnis auch bei anderen Ausstellungen in seinem Haus ähnlich war. Frauen interessieren sich offenbar für gar nichts in seinem Programm, weder für die Tour de France noch für das eigentlich doch recht universale Thema Pizza.

»Wie kann es sein, dass im Jahr 2018 in einem von öffentlichen Geldern finanzierten Ausstellungshaus erneut eine Ausstellung mit einer derartigen Quote zustande kommt?«, fragte ein von der Künstlerin Candice Breitz und anderen initiierter offener Brief, der sich schnell in den sozialen Medien verbreitete. Allen Akteuren und Akteurinnen im Kulturbetrieb, so die Forderung des Briefes, solle unabhängig von Geschlecht und Herkunft dasselbe Recht auf Öffentlichkeit zugestanden werden. Über 1000 Menschen aus dem Kunstbetrieb unterschrieben, darunter auch einige einflussreiche (männliche!) Museumsdirektoren.

Der Reality Check funktioniert sehr schnell in Zeiten von Facebook und Twitter. Es sind ja nicht nur die Frauen, die es leid sind, nicht aufzutauchen in den Medien, den Museen und den Orten der Macht, sondern auch alle anderen, die von der Norm des weißen, heterosexuellen Mannes abweichen. Dieser Reality Check geht manchmal in Gestalt eines Shitstorms nieder, was natürlich keine angenehme und auch keine angemessene Art der Auseinandersetzung ist. Aber gerade im Fall der Düsseldorfer Verschwörungsausstellung zeigte die Schwarmintelligenz auch, was sie zu bieten hat: Aus den Vorschlägen zur Ergänzung des Männerklubs, die sich binnen Stunden im Netz versammelten, hätte man drei sehr gut und divers besetzte Ausstellungen kuratieren können.

Der Unterschied zu meiner kleinen Kursbuch-Gender-Statistik besteht natürlich unter anderem darin, dass der offene Brief der Kunstakteure sich mit dem Agieren einer öffentlichen Institution beschäftigt, von der die Steuerzahlerin verlangen kann, dass sie sich in ihr potenziell angemessen repräsentiert findet. Doch dass die Kultur reicher wird, wenn sich mehr unterschiedliche Menschen an ihrer Produktion beteiligen, ist eine Wahrheit, die über die von öffentlich einzufordernden Quoten hinausgeht.

»Die Frage ist stets: Gibt es eine Perspektive, die interessant ist?«, sagt FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube im Interview im Kursbuch 195 über sein Feuilleton. Ganz richtig, das ist die Frage. Aber, lieber Herr Kaube und liebe Kursbuch-Herausgeber: Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die interessanteste Perspektive nicht diejenige, die mit der eigenen identisch ist.

Und wer weiß: Vielleicht ist die Kursbuch-Ausgabe 196, in der dieser Brief erscheint, ja schon ganz anders aufgestellt. Es würde mich freuen.

Sibylle LewitscharoffDrei Tannen

Es waren einmal drei kleine Tannen, die in einer leicht abschüssigen Schonung nahe der Staatsstraße 2368 wuchsen, die nach Bad Tölz führt. Sie waren dazu bestimmt, im Dezember abgeholzt zu werden, um als Weihnachtsbäume verkauft zu werden. Die zarten Tännchen standen nah beieinander und hatten so etwas wie Freundschaft geschlossen, obwohl dieses Wort vielleicht nicht ganz passend auf Bäume gemünzt ist. Es handelte sich aber durchaus um eine innige Beziehung, denn die drei vermochten es, sich untereinander zu verständigen. Botschaften witschten zwischen ihnen geschmeidig hin und her. In Ermangelung einer fundierten wissenschaftlichen Bezeichnung nennen wir die Art ihrer Verständigung einfachheitshalber Tannensprache (wobei wir allerdings zugeben müssen, dass wir nicht allzu viel von ihr verstehen). Wie dem auch sei – die Tannen tauschten sich untereinander aus, und vielleicht machte sie genau dieses Vermögen, das sie von anderen Tannen unterschied, schlau.

Schlau waren die Bäumchen auch in anderer Hinsicht. Als sie Waldarbeiter auf Lastwagen heranfahren sahen, wussten sie, was die Stunde geschlagen hatte. Und bevor die Männer damit fertig geworden waren, ihre Äxte und Motorsägen herunterzuladen, machten sie sich davon.

Jawohl, Sie haben recht verstanden – stante pede auf und davon!

Man wird jetzt einwenden: Das geht nicht. Bäume können alles Mögliche, aber laufen können sie bestimmt nicht. Da täuschen Sie sich allerdings gewaltig. Zugegeben, nur sehr wenige sind dazu in der Lage, und sie tun es im Verborgenen, damit die Menschen davon nichts mitbekommen. Aber die drei kleinen Tannen konnten es, und andere Bäume können es auch, von denen hier jedoch nicht die Rede ist. Es sei dazu noch angemerkt, dass die wenigen Bäume, die diese überraschende Fortbewegung beherrschen, nur in jungen Jahren dazu fähig sind. Als ältere, gediegene Bäume mit entwickeltem Blätterdach oder opulent auskragenden und anmutig wippenden Nadelfingern vermögen sie es nicht mehr, weil sich unter ihnen ein riesiges Wurzelwerk ausgebreitet hat, das sich nicht mehr so leicht vom Boden lösen lässt. Unsere schlauen Tannen konnten ihre Würzelchen jedoch ohne Mühe, und ohne dass sie nennenswerten Schaden genommen hätten, an die Oberfläche ziehen.

Für diese erstaunliche Eigenschaft, die sie in den Rang von herausragenden Persönlichkeiten erhebt, würden wir sie gern mit ihren Eigennamen ansprechen, sie zum Beispiel Tatara, Kaukasa, Suchuma nennen. Doch das geht leider nicht. Wir kennen ihre Namen nicht, wissen nicht einmal, ob man ihnen überhaupt welche verliehen hat. Aber wir kennen die genaue Bezeichnung ihrer Art. Es handelte sich um Nordmanntannen, die als beliebteste Weihnachtsbäume gehandelt werden, weil sie sich auch im unteren Bereich buschig ausprägen und ihre Zweige ziemlich kräftig sind, deshalb kann man an ihnen Schmuck anbringen, ohne dass sie sich allzu sehr biegen. Außerdem sind ihre Nadeln eher weich, jedenfalls nicht stechend spitz. An ihnen kann man sich kaum verletzen.

Mit der Tannenfachhuberei sollten wir jetzt aber aufhören.

Viel wichtiger ist, dass die kleinen Bäume nicht nur besonders intelligent waren, sondern ihnen auch so etwas wie – das mag jetzt seltsam klingen – eine gewisse religiöse Fühlungnahme zu eigen war, die man allerdings nicht überbewerten darf, weil sie ein wenig mit Humor gepaart war. Humorvoll zu sein, gehört ja nicht unbedingt zum Kerngeschäft des Religiösen, und von Bäumen ist auch nicht bekannt, dass sie Witzbolde sind, doch davon später.

Nun aber bitte voran mit der Geschichte!

Unsere drei kleinen Tannen liefen weg, ja, sie rannten sogar, denn es pressierte. Und die Waldarbeiter, die zu sehr mit ihren schweren Gerätschaften befasst waren, als dass sie hinter ihren Schutzbrillen hätten Umschau halten können, bekamen davon nichts mit, wiewohl es helllichter Tag war, allerdings ein grauer, kein sonnenbeschienener. Gottlob waren auch keine Spaziergänger unterwegs, nur ein alter, kurzsichtiger Rentner in einiger Entfernung, der seinen Rauhaardackel ausführte. Der Hund bekam tatsächlich etwas mit von der ungewöhnlichen Rennerei. Instinktiv merkte er, dass hier etwas nicht stimmte. Ein Stück weit lief er den Tannen hinterher, wurde von seinem Herrn jedoch zurückgepfiffen und trottete wieder brav an dessen Seite.

Vielleicht wird der geneigte Leser nun gerade diese Behauptung anzweifeln, denn von Rauhaardackeln ist nicht bekannt, dass sie ihren Herren oder Damen aufs Wort folgen, erst recht nicht die bayrischen, und ganz gewiss nicht, wenn sie eine interessante Witterung aufgenommen haben. Vielleicht lag es daran, dass Schnacks in einer Hochhaussiedlung von Kassel zur Welt gekommen und damit seiner Natur von vornherein entfremdet war, aber das ist nun wahrlich ziemlich haltlos dahinspekuliert.

Bitte mehr Disziplin und zurück zum Thema!

Sie wollen jetzt bestimmt wissen, wie es Tannen schaffen können, einfach mal so davonzulaufen, schließlich haben sie keine zwei Beine, sondern bloß einen Stamm. Das stimmt und stimmt auch wieder nicht. Tannen haben Wurzeln, und wenn sie geschickt genug sind, diese unbeschädigt aus dem Erdreich zu ziehen, können sie auf ihnen davonwuseln, gerade so, als befände sich unter dem Stamm eine Schar Tausendfüßler, die sich zunächst kreiselnd bewegen, dann aber ein bestimmtes Ziel anvisieren. Aus dem Kreis wird dann so etwas wie eine lang gezogene Ellipse, wobei sich die Würzelchen in einem Wimmelaufruhr befinden, der eben nicht planlos nach allen Seiten strebt, sondern in der Lage ist, sich auf eine Richtung zu verständigen und den Stamm mit sich davonzutragen. Natürlich kann das nur gelingen, solange der Stamm noch kurz und schmal ist und seine Äste nicht viel wiegen. Der Kronenwille des Baums behält in diesem sehr besonderen Fall die Oberhand und steuert das emsige Gewimmel zu seinen Füßen auf dem von ihm bevorzugten Pfad.

Dass außer dem Hund kein Zeuge imstande war, die Tannen beim Wegrennen zu beobachten, lag im Übrigen auch daran, weil über den feuchten Wiesen Nebelschleier waberten, die nicht nur flach über dem Grund hingen, sondern mitunter Zipfel ausbildeten, die eine Fühlungnahme mit dem Himmel aufzunehmen schienen, der sie mit seinen Regengüssen zuvor gespeist hatte.

Die Tannen rannten, erst schnell, dann immer langsamer, denn inzwischen waren sie dem Verhängnis ja bereits entkommen. Einmal hielten sie abrupt inne und standen wie die Soldaten stramm, denn in der Ferne war ein Traktor aufgetaucht, und der Mann, der darauf saß, hätte sie bei ihrem spektakulären Treiben beobachten können. Danach marschierten sie vorsichtig Umschau haltend weiter, denn es galt, einen Platz zu finden, der keine Neugier weckte, wenn an ihm urplötzlich drei neue, wie von Zauberhand dahinpraktizierte Bäumchen standen. Mitten auf einer Wiese oder einem Acker haltzumachen, um sich frisch einzuwurzeln, empfahl sich selbstverständlich nicht. Auch scheuten die Tannen Gehöfte und kleine Hausansammlungen, weil deren Bewohnern neue Bäume, von denen niemand wusste, wer sie angepflanzt hatte, äußerst merkwürdig vorgekommen wären. Wir behaupten jetzt nicht, die Tannen hätten sich im Sinne einer komplizierten menschlichen Sprach- und Denkoperation mit diesem Problem befasst. Sie handelten instinktiv. Nach längerem Hin und Her und einigen Richtungswechseln im Zickzack war endlich ein passender Ort gefunden, der ihnen zusagte.

Inzwischen waren sie am Rand eines Mischwaldes angelangt, der sich anmutig hügelan, hügelab ausgebreitet hatte. Ein Spazierweg führte an dessen Saum entlang, auf dem sich derzeit jedoch kein Mensch befand. Und da stand es! Ein Wegkreuz, auch genannt Marterl, mit seinem spitzen Dächlein, das den gekreuzigten Jesus behütete, dessen Körper auf den ersten Blick weniger schlimm der Pein preisgegeben zu sein schien, weil er sich fast anmutig an das Kreuz schmiegte und seine gefolterten Arme nicht allzu lang durchhingen. Natürlich waren trotz alledem die Köpfe der Nägel zu sehen, die die Hände und Füße durchbohrten, und der zur Seite geneigte Kopf des Erlösers mit der Dornenkrone strahlte nun nicht gerade Freude aus. Sein hölzerner Körper war inzwischen grau geworden, obwohl er unter dem ziemlich weit vorgewölbten Dach weniger der Witterung ausgesetzt war als sonst bei Wegkreuzen üblich.

Wem auch immer dieses Kreuz zu verdanken war, es musste ein besonnener Mensch gewesen sein, denn er hatte sich darum gekümmert, dass Jesus nicht auch noch unter der Nässe litt. Auch hatte er den vorderen Rand des Daches mit einem feinen Holzornament geziert, welches die Jesus zugeordneten Blumen zu einem Reigen verschränkte – Röslein, die stechen, und Lilien, die im Paradies wachsen –, wodurch das gesamte Gebilde recht schmuck wirkte.

Die Tannen, die inzwischen gemächlich auf ihren wimmelnden Wurzeln dahinglitten, nahmen sich zwar vor weiteren Menschen in Acht, die hätten auftauchen können, aber als sie vor dem Marterl zu stehen gekommen waren, vergaßen sie jede Vorsicht. Mit Fug und Recht lässt sich behaupten, dass sie davon fasziniert waren, ob nun von Jesus selbst oder dem ungewöhnlichen Standgebilde, lässt sich nicht entscheiden. Von außen hätte man es daran erkennen können, dass sich ihre Wipfel ein wenig nach vorn neigten, um das ihnen bisher unbekannte Phänomen näher zu betrachten. Gottlob blieben sie unbeobachtet, denn kein Mensch kam den Weg entlang, nur einige Nebelkrähen hüpften auf der nahe gelegenen Wiese herum, die längst abgemäht war. Es liegt nun mal nicht in der Natur von Nebelkrähen, sich für Weihnachtsbäumchen zu interessieren, die neugierig vor einem Wegkreuz stehen.

Was genau sich in diesen Momenten zwischen dem Dreierbund abspielte, lässt sich nicht genau sagen. Dass die Tannen in einem intensiven Austausch begriffen waren, hätte ein geschulter Beobachter jedoch an ihren Zweigen erkennen können, die ein Zittern überrann, das nicht vom Wind herrührte. Wie sich die Tannenarme bisweilen mit Vorbedacht untereinander berührten, ließ auf eine intensive Kommunikation schließen, die man – das allzu menschelnde Wort sei bitte verziehen – als Fingerspitzengespräch bezeichnen könnte.

Es dauerte nicht lang, da waren sie offenkundig zu einem Entschluss gekommen. In einer sanften Wellenbewegung schwankten die Zweigspitzen hin und her, lösten sich wieder voneinander, und wie auf ein Kommando scharten sich die Tannen im Halbrund um die Rückwand des Kreuzes und standen nun so selbstverständlich da, als hätten sie in ihrem noch jungen Leben immer schon da Posto gefasst. Der Platz war ausgezeichnet gewählt. Wenige Meter hinter ihnen standen hohe Fichten und Lärchen, die ihnen Schutz vor dem Wind gewährten, ohne ihnen das Sonnenlicht zu rauben. Und am Boden wuchsen zwei Pfaffenhütchen und ein Kreuzdorn.

Schön und gut, hier könnte die Geschichte enden, indem wir behaupteten, die Bäume stünden immer noch dort, seien inzwischen gewachsen, jedoch auf rücksichtsvolle, einen Kranz bildende Weise, die den Pfahl stützte und festhielt, ohne das Marterl zu untergraben und sein Umfallen herbeizuführen. In der Zukunft mag es sich so zutragen, jetzt muss allerdings davon erzählt werden, welche Personen vorbeikamen und ob Jesus unter seinem Dachschutz bei ihnen Beachtung fand.

Während der nächsten Woche hellten sich die kürzer werdenden Tage auf, Spaziergänger benutzten den Weg, und einige Turnschuhleute sprinteten am Wegkreuz vorbei, ohne ihm Beachtung zu schenken. An den Bäumen störte sich ohnehin keiner, offenkundig fiel niemandem auf, wie sich der Ort durch das Trio der Neulinge verändert hatte. Einzig Schnacks, der hin und wieder mit seinem Herrchen auftauchte, schien etwas zu bemerken, denn er drehte einige Male den Kopf in Richtung Tannenkronen, schnüffelte dann hinter dem Marterl herum, hob das Bein, pinkelte an einen der Bäume, ließ von ihm ab und rannte seinem Besitzer hinterher. Die meisten Gewächse schätzen es nicht, wenn Hunde sie anpinkeln, doch sie können nichts dagegen unternehmen. Anders unsere Tannen. Die mittlere von ihnen, die um wenige Zentimeter größer war als ihrer Schwestern, entschloss sich zur Selbstverteidigung, indem sie beim nächsten Besuch des Hundes eine ihrer Wurzeln aus dem Boden schnellen ließ, womit sie den Dackel an seiner empfindlichen Nase traf. Von nun an machte Schnacks einen weiten Bogen um die Bäume, indem er auf die Wiese rannte und erst nach etlichen Metern auf den Weg und zu seinem Herrn zurückkehrte.