Liebe Angst, halt doch mal die Klappe! - Klara Hanstein - E-Book + Hörbuch

Liebe Angst, halt doch mal die Klappe! Hörbuch

Klara Hanstein

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Beschreibung

Angst ist kein guter Ratgeber - aber dies ist ein guter und vor allem wirksamer Ratgeber gegen Angst und Panikattacken. In unsicheren Zeiten kann die Psyche sich manchmal nicht mehr eigenständig regulieren. Die Psychologin Klara Hanstein, ehemals selbst betroffen, zeigt, dass es möglich ist, sich selbst zu helfen. Zunächst braucht es etwas Wissen über unser Gehirn und unser Nervensystem, damit klar wird, wie Ängste eigentlich entstehen und wie wir den Kreislauf von Angst und Panik unterbrechen können. Im zweiten Schritt helfen liebevolle, originelle, einfache und gehirngerechte Übungen wieder Ruhe in Kopf und Körper zu bringen. Ein Buch zur Selbsthilfe - mit vielfach erprobten Übungen, die den Alltag wieder aufhellen. 

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Zeit:5 Std. 49 min

Sprecher:Agnes Mann
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Impressum

© eBook: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Anja Schmidt

Lektorat: Diane Zilliges

Bildredaktion: Simone Hoffmann

Cover: GU/Uli Oesterle

eBook-Herstellung: Pia Schwarzmann

ISBN 978-3-8338-9147-2

1. Auflage 2023

Bildnachweis

Illustrationen: Adobe Stock, iStockphoto

Fotos: privat (Autorenfoto)

Syndication: www.seasons.agency

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Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten psychologischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Wenn Angst dein Leben bestimmt, bist du hier richtig

Du bist in vielen Situationen innerlich unruhig? Fühlst dich oft ängstlich? Du hattest schon eine oder mehrere Panikattacken? Du hast immer wieder Angstzustände und weißt nicht, wie du dich daraus lösen kannst? Du grübelst viel und machst dir immer wieder Sorgen? Du hast Angst vor der nächsten Panikattacke? All das wirkt sich schon auf deinen Körper aus, weil du dauernd angespannt bist? Du kommst einfach nicht mehr zur Ruhe? Ja? Dann ist dieses Buch genau das Richtige für dich. Und ich sage dir auch gleich, warum ich das glaube.

Meine Geschichte mit der Angst

Mein Name ist Klara, ich bin Klinische Psychologin und Psychotherapeutin und habe jahrelang an einer Angststörung und Panikattacken gelitten. Nach der ersten sehr heftigen Panikattacke war mein Leben nicht mehr dasselbe. Bei jeder klitzekleinen Veränderung in meinem Körper vermutete ich sofort wieder einen Angstanfall. Ich horchte dauernd in mich hinein, beobachtete mich und meinen Körper jede wache Minute. Ich war sozusagen in Lauerstellung und wollte immer schneller sein als die Panik. Mit der Absicht, dass ich so schnell wie möglich etwas dagegen tun könnte. Jeder, der Panikattacken kennt, weiß, dass das ohnehin nicht klappt. Denn dadurch ist unser Körper im Daueralarm und wir sind eigentlich ständig nervös. Dies begünstigt die nächste Panikattacke nur noch.

Und so kam es dann auch: Panikattacken während der Arbeit, Panikattacken im Supermarkt, Panikattacken beim Autofahren. Irgendwie schnappte sich die Panik von Tag zu Tag einen weiteren Lebensbereich. Und das Schwierige war: Jeden Lebensbereich, bei dem man einmal eine Panikattacke hatte, will man unbedingt vermeiden. Denn man möchte diesem Gefühl von komplettem Kontrollverlust und Todesangst entgehen. Und wenn man so lange mit Panikattacken zu tun hat, schleichen sich auch immer mehr Ängste ein: Angst vor der Zukunft, Angst vor Krankheiten, Angst vor bestimmten Situationen oder Ereignissen, Angst vor dem nächsten Tag.

Aus meiner Ausbildung und meiner Arbeit mit vielen Klientinnen und Klienten wusste ich, dass die Vermeidung all dieser Angstsituationen noch weiter in die Angst hineinführt. Deshalb versuchte ich mich allen Situationen tapfer zu stellen und hielt diese irgendwie durch – auch wenn ich dabei schlimme Angstgefühle hatte. Meine Devise war: Nur nichts anmerken lassen. Nur keine Schwäche zeigen. Einfach weitermachen.

Nachdem ich zwei Jahre später mit meinen Kräften am Ende war, lautete mein Ergebnis: Ich hatte eine richtig starke Angststörung entwickelt. Ich konnte ohne heftige Angstgefühle kaum noch aus dem Haus gehen. Die Angst war meine ständige Begleiterin und schaukelte sich täglich mehrmals zu Todesängsten und Panikattacken hoch. Zu diesem Zeitpunkt sagte ich mir: Das kann nicht der richtige Weg sein. Einen ständigen Kampf gegen die Angst zu führen, bringt mich nicht weiter. Die Angst war derartig übermächtig in meinem Leben geworden. Es musste einen anderen Weg geben.

Also: STOPP! Alles auf Anfang!

Dies war der Punkt, an dem ich begann, mich intensiv damit auseinanderzusetzen, was im Kopf und im Körper bei Angst und Panik passiert. Ich beschäftigte mich damit, wie der Körper unsere Gedanken beeinflusst und umgekehrt. Und wie die Angstgefühle dabei noch verstärkt werden. Ich befasste mich damit, welche Mechanismen ausgelöst werden, wenn unser Körper glaubt, wir sind in Lebensgefahr. Denn so fühlte sich das an. Ich fühlte mich dauernd bedroht und nicht sicher. Obwohl ich objektiv betrachtet in Sicherheit war. Meine Gedanken gaukelten mir etwas vor. Eigentlich ein Fehlalarm.

Irgendetwas in mir dachte ständig, ich sei in Lebensgefahr.

Mir ging es so, wie es viele Menschen beschreiben, die Ängste, Sorgen und Panik bezüglich verschiedener Dinge haben, die aber oft noch nie eingetreten sind. Eine Fehlzündung unseres Gehirns. Es startet das Programm »Gefahr« oder »Lebensgefahr«, obwohl es objektiv betrachtet keinen Grund dafür gibt.

Und eines vorweg: Diese Programme sind lebensnotwendig. Wenn ein Tiger hinter uns her ist, ist es überlebenswichtig, dass unser Gehirn das Programm »Lebensgefahr« startet. Es wird Adrenalin produziert. Der Blutdruck geht hoch, die Atmung wird schneller, Blut wird rasant zu den Armen und Beinen gepumpt – wir bereiten uns blitzschnell auf Kampf oder Flucht vor. Wir könnten daher mit all unseren Kräften gegen den Tiger kämpfen oder vor ihm davonlaufen. Hätten wir dieses Programm nicht, hätte wohl keiner unserer Vorfahren überlebt.

Heute müssen wir eher selten vor einem Tiger davonlaufen, jedoch dienen uns diese Programme weiterhin. Wenn wir zum Beispiel unachtsam auf die Straße treten und es rast ein Auto heran: Bevor wir rational darüber nachdenken können, was jetzt wohl die beste Überlebensstrategie wäre, hat unser Gehirn das Programm »Lebensgefahr« gezündet und wir springen blitzschnell zur Seite. Erst ein paar Sekunden später, wenn die Gefahr gebannt ist, atmen wir tief durch und unser rationales Denken, unser Verstand, schaltet sich wieder dazu und uns wird bewusst, dass die Situation gerade gefährlich war.

Wenn Angst zur Angststörung wird

Menschen mit Angststörungen wechseln zu oft in das Programm »Gefahr« oder »Lebensgefahr«. »Zu oft« sage ich deswegen, weil in dem Moment keine Gefahr da ist. So wie das bei mir im Supermarkt war oder in der Arbeit. Ich war definitiv nicht in Lebensgefahr. Aber mein Gehirn zündete diesen Mechanismus und somit wurden alle Reaktionen im Kopf und im Körper, die wichtig für das Überleben waren, aktiviert. Es wurde sehr viel Energie im Körper mobilisiert.

Diese Energie aber bleibt im Körper und macht uns unruhig, nervös, ängstlich und kann eine Panikattacke auslösen. Eine Panikattacke ist ja deswegen so schlimm, weil wir nicht wissen, was mit uns los ist. Wenn ein Tiger hinter dir steht, dein Atem schnell wird und dein Fluchtreflex ausgelöst wird, würdest du diese Reaktionen deines Körpers niemals infrage stellen. Du wärst froh darüber. Wenn dir aber im Supermarkt plötzlich ganz heiß wird, dir ein Schauer über den Rücken läuft, dein Herz zu rasen beginnt, wie ordnest du diese Reaktionen dann ein? Du wirst noch panischer, weil du denkst, dass du einen Herzinfarkt bekommst oder etwas mit dir nicht stimmt. Wenn wir also im Außen keine korrekte Zuordnung oder keinen Auslöser für diese Angst finden, suchen wir in unserem Inneren danach. Und diese Gedanken nehmen meistens kein gutes Ende, sondern wir verstricken uns dadurch noch mehr in Angst und Panik.

Wie ging mein Weg weiter?

Mit all diesem Wissen begann ich nun, an mir zu arbeiten. Mein Leitsatz wurde: Wenn mein Kopf die Angstgedanken selbstständig produziert und mein Körper die Angstreaktionen von selbst auslöst, dann können diese wohl auch wieder rückgängig gemacht werden. Das hört sich erst mal leicht an. Wenn das Gehirn diese Mechanismen aber über Jahre automatisiert hat, ist das einiges an Arbeit. Aber es geht. Für mich war klar, dass ich meinen Körper wieder aus diesem Programm von »Lebensgefahr« herausholen musste. Ich musste ihm wieder beibringen, dass ich in Sicherheit bin und dass seine Angst eine Fehlzündung ist. Ich musste an mir arbeiten, dass ich wieder die Chefin in meinem Kopf wurde und mir nicht mehr von der Angst diktieren ließ, wie ich mein Leben zu leben habe. Ich musste wieder mehr ins Vertrauen kommen – ins Vertrauen zu mir selbst und ins Vertrauen zum Leben. Und daran arbeitete ich. Monat um Monat.

Und plötzlich merkte ich das erste Mal seit sehr langer Zeit, dass die Angst weniger wurde statt mehr. Ich durchschaute ihre Abläufe, hinterfragte ihre Ansichten und brachte Ruhe in Situationen, die sie aufgewühlt hatte. Ich kämpfte nicht mehr gegen die Angst, sondern entwickelte Strategien, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das Wissen, das ich mir angeeignet hatte, gab mir die Macht zurück, in Situationen die Oberhand zu behalten. Ich fühlte mich nicht mehr hilflos ausgeliefert, sondern hatte wieder das Gefühl, Einfluss nehmen zu können auf das, was da mit mir passierte. Langsam und Schritt für Schritt arbeitete ich mich aus der Angsterkrankung heraus.

Als ich damals völlig am Boden lag und gefühlt gar nichts mehr ging, habe ich eine Abmachung mit mir getroffen: Wenn ich einen Weg aus diesem Desaster finden sollte, dann werde ich andere dabei unterstützen, es auch zu schaffen. Und ich habe diesen Weg gefunden. Auf meinen Social-Media-Kanälen darf ich mittlerweile Tausende Menschen daran teilhaben lassen, was bei Angst und Panik helfen kann. Und mit diesem Buch löse ich einen weiteren Teil dieser Abmachung ein. Du erfährst hier alle Ansätze, die mir geholfen haben.

Auf meinem Weg habe ich eines gelernt: Wenn man starke Ängste und Panikattacken hinter sich lassen möchte, geht das nur, wenn man auf drei Ebenen ansetzt: auf der Ebene des Körpers, der Gefühle und der Gedanken. Denn diese drei Bereiche beeinflussen sich gegenseitig. Daher ist dieses Buch in drei Hauptbereiche gegliedert. Der erste Teil beschäftigt sich mit dem Körper, damit, was im Körper bei Angst passiert und warum das eigentlich gut und wichtig ist. Mit acht Tools zeige ich dir, was du tun kannst, um wieder Entspannung in deinen Körper zu bringen.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Gefühlen. Hier werden wir uns anschauen, mit welcher Haltung du der Angst gegenübertreten kannst, damit du dich nicht mehr ständig in den Angststrudel mitreißen lässt. Auch hier findest du acht Tools, um mehr Gelassenheit in deine Gefühlswelt zu bringen.

Im dritten Teil widmen wir uns den Gedanken. Ich zeige dir, wie du Angstgedanken entlarven und wieder in »richtige« Bahnen lenken kannst. Ich stelle dir auch hier acht Tools vor, die dir helfen können, wieder Ruhe in deinen Kopf zu bringen.

Lass dich nicht abschrecken: Nur weil ich selbst Psychologin und Psychotherapeutin bin, bedeutet das nicht, dass du hier wissenschaftliche, schwer lesbare Ansätze findest, die man kaum auf den Alltag anwenden kann. Ich schreibe dieses Buch hauptsächlich als ehemals Betroffene mit dem Hintergrund einer Psychotherapeutin. Im Vordergrund steht für mich, dass du die Tools sofort anwenden kannst.

Da die Tools und das Wissen, das ich dabei vermittle, aufeinander aufbauen, ist es am sinnvollsten, wenn du das Buch beim ersten Mal genau so liest, wie es geschrieben ist. Wenn du später bestimmte Übungen oder Gedankenimpulse nachblättern willst, kannst du dir natürlich einzelne Kapitel noch mal herauspicken und genauer daran arbeiten.

Ich wünsche dir von Herzen, dass du es schaffst, deine Ängste hinter dir zu lassen. Komm schon, wir gehen gemeinsam los! Schritt für Schritt.

Wir schaffen das.

Lieber Körper, komm zur Ruhe

Was hat der Körper mit Ängsten und Panik zu tun? Sehr viel – auch wenn wir bei Angst nicht sofort an die körperliche Ebene denken. Denn zumeist plagen wir uns mit Angstgedanken und Angstgefühlen herum. Und diese sind oft so intensiv, dass wir den Körper zu wenig beachten. Doch welch wichtige Rolle er hier spielt und wie du über ihn Einfluss auf das Angstgeschehen nehmen kannst, das erfährst du in diesem Kapitel.

Was passiert bei Angst im Körper?

Für mich hat das Wissen um die Rolle des Körpers bei Ängsten sehr viel verändert und ich konnte bei der Bewältigung meiner Ängste an neuen Punkten ansetzen. Ich verstand endlich, was in meinem Körper passierte, wenn Angst oder Panik auftauchte. Und es war sehr heilsam, zu lernen, dass mein Körper eigentlich immer für mich ist und nicht gegen mich. Er fährt all diese erst mal verstörenden Programme hoch, weil er mich schützen will. Weil er möchte, dass ich überlebe. Als ich das begriffen hatte, wusste ich, dass ich aufhören musste, mit aller Kraft gegen diese körperlichen Reaktionen zu kämpfen. Da diese dadurch verstärkt werden. Statt dagegen zu kämpfen, musste ich andere Methoden finden, um meinen Körper wieder in das Gefühl von Sicherheit zurückzuführen.

Was also geschieht im Körper? Wenn wir in eine Gefahrensituation kommen und Angst haben, spannen wir den Körper an. Der Blutdruck steigt. Unsere Pupillen weiten sich. Der Atem wird flach und schnell. Blut wird in die Arme und Beine gepumpt. Das Herz rast. Wir werden unruhig und nervös. Können uns schlecht konzentrieren. Fokussieren uns auf die Gefahrenquelle. Wir sind aufgeregt und aufgewühlt.

Warum kommt es zu diesen Reaktionen? Wenn unser Körper zu Angst oder Panik wechselt, wird blitzschnell Adrenalin produziert. Das bedeutet, dass ganz viel Energie bereitgestellt wird, damit wir kämpfen oder flüchten können. Wenn Kampf oder Flucht nicht möglich sind, erstarren wir. Das Erstarren oder das »Totstellen« dient dazu, dass der Angreifer uns nicht sieht oder von uns ablässt, weil er denkt, dass wir nicht mehr leben. Außerdem sinkt in diesem Modus das Schmerzempfinden und wir koppeln uns von unseren Gefühlen ab. Ein wichtiger Mechanismus, wenn wir dem Angreifer schutzlos ausgeliefert sind.

Der Körper bereitet uns durch diese Mechanismen auf Höchstleistungen vor. Dies sind alles logische und überlebenswichtige Reaktionen. Der Körper zapft alle Ressourcen an, damit wir in einer Gefahrensituation bestmöglich gewappnet sind. Wäre ja auch unlogisch, wenn wir seelenruhig mit normalem Blutdruck und entspannter Körperhaltung an unserem Cocktail weiterschlürfen, wenn der Tiger vor uns steht.

Wenn die Gefahr gebannt ist, der Tiger also umdreht und geht, wechselt unser Körper wieder in die Entspannung, in den Ruhemodus.

Die Muskeln entspannen, der Atem wird ruhig, der Blutdruck sinkt auf sein normales Level. Dies passiert alles ohne unser Zutun ganz automatisch.

Für all diese Abläufe ist das vegetative Nervensystem zuständig. Das autonome oder eben auch vegetative Nervensystem regelt alle Abläufe im Körper, die wir nicht willentlich steuern: Atmung, Herzschlag, Stoffwechsel. Es bekommt Signale aus dem Gehirn und leitet diese an den Körper weiter.

Wenn also der Tiger vor uns steht und unsere Angstzentrale im Gehirn »Alarm« schreit, setzt das Nervensystem alle Vorgänge in Bewegung, damit wir diese Gefahr abwehren oder uns verteidigen können. Die Angstzentrale in unserem Kopf, Amygdala genannt, ist ein Teil unseres Gehirns, das bei der emotionalen Bewertung von Gefahren beteiligt ist. Wenn sie eine Situation als gefährlich bewertet, leitet sie dies blitzschnell an das Nervensystem weiter, damit es alle weiteren nötigen Reaktionen einleiten kann.

Diese Informationen laufen aber auch in die Gegenrichtung. Es werden also auch vom Körper Rückmeldungen ans Gehirn gegeben. Wenn uns zum Beispiel heiß ist, geht diese Mitteilung ans Gehirn und es startet das Programm »Schweiß« – dadurch wird der Körper heruntergekühlt. Alles intelligente Mechanismen. Unser Körper ist ein Wunderwerk! Und wie man an diesen Erklärungen sieht, spielt sich bei Angst und Panik viel auf der körperlichen Ebene ab. Oft nehmen wir das gar nicht so bewusst wahr.

Was passiert bei lang andauernden Ängsten?

Bei Panikattacken oder starken Angstzuständen schießt das Nervensystem akut in die Höhe und fährt dann langsam wieder herunter. Zuerst hohe Anspannung, dann Entspannung. Menschen, die unter langfristigen Ängsten oder großen Sorgen leiden, sind aber oft stundenlang oder tagelang körperlich angespannt und unruhig. Zwar ist die Anspannung nicht so hoch wie bei jemandem, der gerade akut eine Panikattacke hat, aber es ist eine Dauerbelastung. Und die wirkt sich langfristig auch auf den Körper aus. Es kommt vermehrt zu Verspannungen und Schmerzen. Körper und Kopf sind im Daueralarm. Loslassen und Entspannen sind kaum mehr möglich.

Wenn wir unter irrationalen und übermäßigen Ängsten oder Panikgefühlen leiden, aber nicht wirklich in Gefahr sind, bekommt unser Körper nicht das Signal: »Gefahr gebannt, du kannst wieder in den Entspannungsmodus wechseln!« Gehen wir noch mal zurück zum Beispiel mit dem heranrasenden Auto: Wenn du blitzschnell zur Seite gesprungen bist, bewertet deine Angstzentrale im Kopf die Situation folgendermaßen: »Das Auto ist vorbeigefahren, dir ist nichts passiert, du bist wieder in Sicherheit, die Gefahr ist gebannt.« In Folge wechselt dein Körper schnell zurück in die Entspannung. Das Adrenalin wird abgebaut und du kommst wieder in den »Normalmodus«.

Du kennst das sicher auch von dir, wenn du durch etwas sehr geschreckt wurdest. Die Angstzentrale bewertet die Situation als Bedrohung, dein Nervensystem schießt in die Höhe, die Muskeln verspannen sich, der Puls fährt hinauf, dir stockt der Atem. Dann: Schrecksekunde vorbei, Muskeln lassen los, ruhiger Atem, ruhiger Puls, Entspannung.

Wenn wir also tatsächlich in Gefahr waren, gibt es diesen Moment, wenn wir registrieren, dass die Gefahr vorbei ist. Das Auto fährt an uns vorbei. Der Tiger dreht um und geht weg. Und das ist ein wichtiger Punkt. Denn durch dieses Signal bekommt unser Körper den Auftrag, dass er alle Vorgänge, die die Angst ausgelöst haben, wieder rückgängig machen darf. Meistens atmen wir tief durch und schon merken wir, wie die Anspannung aus unserem Körper abfließt und sich Erleichterung breitmacht. Die Angstzentrale in unserem Gehirn gibt das Signal, dass sich der Blutdruck normalisieren darf. Dass sich die Atmung beruhigen darf. Dass sich die Muskeln lockern dürfen. Und je mehr der Körper wieder entspannt, umso mehr kommen unsere Gedanken zur Ruhe und die Gefühle kommen in Balance.

Für Menschen mit Angsterkrankungen und Panikattacken gibt es diesen Moment aber nicht. Es gibt kein Signal von der Angstzentrale, dass die Gefahr vorbei ist.

Es gibt kein »Ende« der Ängste. Scheinbar.

Zwar kann eine Panikattacke aufhören und das verschafft schon für kurze Zeit Erleichterung, aber meistens warten wir dann schon wieder angespannt auf die nächste Attacke. Wir stehen dauernd unter Strom. Und da der Körper ja über das Nervensystem auch Rückmeldungen an das Gehirn liefert, bekommt es auch ständig die Information: »Irgendetwas passt nicht. Im Körper herrscht Unruhe und darum muss es ja irgendwo eine Gefahr geben.« Darum bleibt die Angstzentrale im Gehirn auch in der Lauerstellung, ob irgendwo eine Bedrohung auftaucht. Und somit schaukeln sich Kopf und Körper immer wieder gegenseitig auf.

Wie man hier sieht, beeinflussen sich Körper und Gehirn gegenseitig und halten das Angstgefühl aufrecht. Weil der Körper unruhig ist, glaubt das Gehirn, es muss irgendwo eine Gefahr lauern, und hält ständig Ausschau. Weil das Gehirn ständig nach Gefahren Ausschau hält, kommt auch der Körper nicht zur Ruhe und muss warten, ob er eine Anweisung »von oben« bekommt, dass eine Gefahr abzuwehren ist.

Wertvolles Wissen für die Angstbewältigung

Wir können auf der Körperebene viel tun, um wieder Ruhe in unser System zu bringen. Und da Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Körper bestehen, wirkt sich das beruhigend auf unsere Gedanken und Gefühle aus. Manchmal kann der Körper sogar unsere erste Anlaufstelle sein, dem wir uns bei der Angstbewältigung zuwenden: Wenn es im Kopf und in der Gefühlswelt wieder wild zugeht und ein Angstgedanke den anderen jagt, sind Beruhigungstechniken auf der Körperebene sehr zielführend. Denn ein ruhiger Körper signalisiert dem Gehirn: »Hier unten alles ruhig, es gibt keine Gefahr. Du kannst die Alarmsirene da oben abschalten!«

Wir dürfen lernen, unseren Körper wieder sanft in die Sicherheit und in die Entspannung zurückzuführen. Wenn es schon im Außen dieses Signal nicht gibt, dass die Gefahr vorbei ist, dann müssen wir das selbst in die Hand nehmen. Und genau darum geht es in den folgenden acht Tools. Fangen wir also an!

Tool #1: Gezielt Entspannen

Bei Angst wird der Körper aktiviert, ganz automatisch. Denn Angst bedeutet für unseren Körper: »Hier gibt es etwas zu tun. Wir müssen uns vor einer Gefahr schützen.« Noch bevor der Gehirnbereich, der für das rationale Denken zuständig ist, seine Arbeit aufnehmen kann, ist die Amygdala zur Stelle und informiert den Körper, dass es hier gefährlich werden könnte.

Stell dir vor, du gehst gemütlich durch die Stadt und betrachtest gerade etwas Interessantes in einem Schaufenster. Plötzlich hörst du hinter dir einen lauten Knall. Du erschrickst. Die Angstzentrale in deinem Kopf beginnt, ihren Job zu tun, bewertet die Situation als möglicherweise bedrohlich und gibt blitzschnell die Info an deinen Körper, dass er sich auf Kampf oder Flucht vorbereiten soll. Dein Körper beginnt zu arbeiten. Dein Herz pocht schneller, dir wird heiß. Vielleicht schießt dir auch ein Bild durch den Kopf, dass dies jemand mit einer Waffe sein könnte. Du drehst dich schnell um, scannst die Umgebungen auf die Gefahrenquelle ab und erkennst auf der anderen Straßenseite ein Kind, dessen Luftballon zerplatzt ist … In dem Moment verändert sich die Bewertung. Die Angstzentrale stuft die Situation als ungefährlich ein, sendet diese Information über das Nervensystem an den Körper und du wechselst in den Entspannungsmodus. Du merkst, wie die Muskeln in deinem Körper loslassen und sich dein Herz wieder beruhigt.

Bei Angsterkrankungen und Panikattacken fehlt genau dieses Signal, dass wir uns wieder entspannen dürfen. Das Gehirn läutet den Ruhemodus nicht ein. Die Angstzentrale bleibt aktiv. Denn wenn der Körper noch angespannt ist, dann ist die Bedrohung scheinbar nicht ganz vorbei. Somit kommt von unten, vom Körper, die Info nach oben, dass hier vielleicht noch etwas bedrohlich ist. Und von oben, vom Gehirn, kommt die Info nach unten, dass erst mal Daueralarm angesagt ist. Da wir aus diesem Teufelskreis aussteigen wollen, stellen wir uns folgende Frage: Wie können wir selbst den Ruhemodus einläuten?

Selbst für Ruhe sorgen

Damit du wieder Ruhe in deinen Kopf bekommst, darfst du deinen Körper beruhigen. Wenn du das nächste Mal Angst verspürst, obwohl du nicht tatsächlich in Gefahr bist, lokalisiere die Region in deinem Körper, auf die sich die Angst auswirkt oder in der sich die Angst zeigt. Lass dir hier ruhig Zeit – das braucht etwas Übung. Du kannst dich zum Beispiel fragen:

Spannen sich Muskeln in meinem Körper an?Schlägt mein Herz schneller?Wird mein Atem flach? Atme ich schneller?Habe ich den Atem angehalten?

Nimm diese Veränderungen in deinem Körper einfach wahr. Mach dir bewusst, dass dies ganz normale Reaktionen deines Körpers sind, die zur Angst gehören. Dein Körper möchte dich schützen und bereitet dich auf eine Gefahrensituation vor.

Diese Reaktionen kannst du rückgängig machen, wenn du in die Entspannung kommst. Wenn du also Anspannung in einem bestimmten Körperbereich spürst, bring Entspannung genau dorthin. Lass die Anspannung in deinen Schultern los. Beweg deine Beine oder Arme sanft und lockere sie. Atme ruhig durch die Nase ein und lang durch den Mund wieder aus. Bring ganz bewusst Ruhe in deinen Körper. Und spür nach, wie sich die jeweilige Körperregion entspannt. Wie die Anspannung loslässt. Nimm diesen Prozess des Loslassens bewusst wahr.

Raus aus dem Angstkreislauf

Angst schaukelt sich auch durch die Wechselwirkungen zwischen unserem Körper, unseren Gedanken und unseren Gefühlen hoch. Manchmal beginnt sie dabei mit einem angstmachenden Gedanken, dann zeigt sie sich in unserem Körper und gleich springen auch noch die Angstgefühle dazu. Wenn der Tiger vor uns steht, schießt uns der Gedanke in den Kopf, dass er uns im nächsten Moment fressen könnte. Uns stockt der Atem, das Herz rast und Panik überwältigt uns.

Es ist also wichtig zu wissen, dass eine Angstreaktion in uns immer unsere Gedanken, unsere Gefühle und unseren Körper vereinnahmt. Jeder dieser Bereiche bekommt Informationen aus den anderen und reagiert darauf. Das bedeutet, dass die Angstzentrale im Gehirn auch darauf reagiert, wenn unser Herz rast. Es bekommt die Info: »Das Herz rast, da stimmt etwas nicht. Da muss eine Bedrohung sein.« Dies finde ich einen wichtigen Punkt. Die Angstzentrale bewertet also nicht nur die Situationen im Außen, sondern nimmt auch körperliche Veränderungen wahr. Dann kommen noch mehr Angstgedanken dazu, noch mehr körperliche Angstreaktionen, noch mehr Angstgefühle. Man nennt dies auch den Angstkreislauf.

Indem wir beginnen, in einen dieser Bereiche wieder Ruhe und Entspannung zu bringen, unterbrechen wir die Angstspirale. Denn das bringt dann auch wieder Entspannung in die anderen Bereiche, da sich die drei ja gegenseitig beeinflussen. Der Körper bietet sich gut an. Wenn du also deine Schultern lockerst, vermittelst du deiner Angstzentrale im Kopf: »Es ist alles okay. Wir können uns entspannen.« Und somit beruhigen sich nach und nach auch die Gedanken und die Gefühlsebene.

Mach dir bewusst, dass dieses Rückgängigmachen der Vorgänge nicht innerhalb von Sekunden geht. Angst und Panik sind sehr intensive Gefühle und es braucht ein bisschen Zeit, bis sich unser Nervensystem herunterreguliert. Vielleicht kennst du das, wenn du sehr wütend auf jemanden bist. Wenn sich die Sache mit dieser Person zum Positiven aufklärt, dann bleibt die Wut oder zumindest ein Aufgewühltsein noch etwas bestehen. Wir können Gefühle nicht wie eine Lampe ein- und ausschalten. Schön wär’s.

Du kannst auch versuchen, durch ein paar ruhige Atemzüge wieder mehr Entspannung in dich zu bringen. Durch die Nase ein und durch den Mund aus. Das Ausatmen kannst du etwas verlängern.

Durch unseren Atem können wir direkt auf unser Nervensystem einwirken. Du hast wahrscheinlich schon bei dir oder anderen Menschen beobachtet, dass sie laut und lange ausatmen, wenn etwas Stressiges vorbei ist. Dies macht unser Körper ganz automatisch. Oft ist uns das gar nicht bewusst. Doch meistens merken wir dabei, wie sich die Anspannung löst.

Atme also lange aus, um Anspannung zu lösen. Für viele Menschen ist es hilfreich, wenn sie einen lauten Seufzer von sich geben. Auch das signalisiert dem Körper: »Hier ist keine Gefahr. Ich bin in Sicherheit.« Die Amygdala, die Angstzentrale, merkt, dass es für sie hier nichts zu tun gibt, und schaltet den Alarmknopf aus.

Da es uns oft gar nicht bewusst auffällt, wenn unser Körper angespannt ist, kann es hilfreich sein, Entspannungsübungen für den Körper in den Alltag einzubauen. Du kannst dir zum Beispiel vornehmen, dass du jedes Mal, wenn du etwas trinkst, deine Beine lockerst. Oder dass du jedes Mal, wenn du einen Arbeitsschritt erledigt hast, ruhig ein- und lang ausatmest. Dies können kleine Helfer im Alltag sein, bei denen du deinen Körper ganz bewusst in die Entspannung führst.

Merk dir das

Angst bedeutet immer Anspannung im Körper. Diese Anspannung wäre wichtig, wenn du wirklich in Gefahr wärst. Dein Körper ist also für dich. Er möchte dich bestmöglich auf Bedrohungen vorbereiten. Wenn du bewusst Lockerheit und Entspannung in deinen Körper bringst, kannst du die Angstreaktionen umkehren und zur Ruhe zurückfinden. Dann können sich auch deine Gedanken und Gefühle beruhigen. Dies ist ein Kreislauf, dessen Bereiche sich gegenseitig beeinflussen können – nämlich ins Negative, dass sich die Angst aufschaukeln kann, aber auch ins Positive, dass sich das System wieder beruhigen kann.

Nimm dir diese Gedanken mit

Ich spüre eine tiefe innere Ruhe in mir.Ich atme ein und atme aus.Ich kann meinen Körper entspannen. Anspannung wird zu Lockerheit. Starre zu Geschmeidigkeit. Härte zu Leichtigkeit.Ich kann mich in jeder Situation mit dieser Ruhe in mir verbinden.

Probiere das aus