Liebe im Zeichen der Silberrose - Regina Klütsch - E-Book

Liebe im Zeichen der Silberrose E-Book

Regina Klütsch

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Beschreibung

Octavian und Sophie haben die Wirrungen von Strauss' und Hofmannsthals Rosenkavalier überstanden und glücklich zueinander gefunden. Doch wie geht es mit ihnen nach dem Ende der Oper weiter? Liebe im Zeichen der Silberrose erzählt im Ton von Hofmannsthal die Fortsetzung zu einer der beliebtesten Opern des 20. Jahrhunderts. MIt viel Liebe zum historischen Detail lässt die Autorin das Wien Maria Theresias wieder auferstehen und nimmt die Lesenden mit in die Welt des Wiener Adels um 1740, in der sich das junge Paar neu zurechtfinden muss. Sie schildert das Leben der Figuren nach dem Rosenkavalier: die Vorbereitungen zur Heirat von Sophie und Octavian, die Geburt des ersten Kindes und sogar eine Begegnung mit Kaiserin Maria Theresia höchstselbst, die schließlich Taufpatin wird.

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LIEBE IM ZEICHEN DER SILBERROSE

REGINA KLÜTSCH

LIEBE IM ZEICHEN DER SILBERROSE

Roman

Fortführung der Handlung vonDer RosenkavalierKomödie für MusikvonHugo von Hofmannsthal und Richard Strauss

Regina Klütsch

Liebe im Zeichen der Silberrose, Roman

Hollitzer Verlag, Wien 2023

Umschlaggestaltung: Nikola Stevanović

Satz: Daniela Seiler

Hergestellt in der EU

Alle Rechte vorbehalten

© HOLLITZER Verlag, Wien

www.hollitzer.at

ISBN Druckausgabe: 978-3-99094-076-1

ISBN epub: 978-3-99094-077-8

Dieses Buch ist meinen Freunden Martina und Matthäus in Wien gewidmet

Der Rosenkavalier

Handlung

Die Handlung spielt in den ersten Jahren der Regierungszeit der Kaiserin Maria Theresia

Erster Aufzug: Schlafzimmer der Feldmarschallin

Die Feldmarschallin Marie Theres’ Fürstin Werdenberg und ihr junger Liebhaber Octavian Graf Rofrano erwachen nach einer Liebesnacht. Nach einem zärtlichen Gespräch klopft es an der Tür, der Page will das Frühstück servieren. Die Marschallin bittet Octavian, sich zu verstecken, auch seinen Degen mitzunehmen, den er liegengelassen hat, und zu verbergen. Dann betritt der Page das Zimmer und stellt das Frühstückstablett auf einen kleinen Tisch und entfernt sich unter Verbeugungen wieder. Die Marschallin schilt Octavian leicht, der aus seinem Versteck auftaucht, er dürfte doch seinen Degen nicht einfach in einem Damenschlafzimmer liegen lassen. Er bekennt, er sei doch kein Geübter in solchen Dingen. Damit wird klar, Octavian ist das erste Mal über Nacht im Schlafzimmer einer Dame. Sie frühstücken in zärtlicher Zugewandtheit. Dann karikiert Octavian übermütig den auf einer Jagd befindlichen Ehemann seiner Geliebten, den Feldmarschall, worauf Marie Theres’ ihm erzählt, dass sie in der vergangenen Nacht von diesem geträumt habe. Darauf reagiert Octavian eifersüchtig. Währenddessen dringt von draußen Stimmengewirr ins Schlafzimmer. Die Marschallin vermutet die unerwartete Rückkehr ihres Ehemannes. Sie verlangt von Octavian, sich erneut zu verbergen. Er versteckt sich, macht sich dabei Kleidung nutzbar, die er gefunden hat, und verkleidet sich als Kammerzofe Mariandl. In der Zwischenzeit hat die Marschallin jedoch bemerkt, dass es nicht ihr Ehemann ist, der in das Zimmer einzutreten wünscht und von der Dienerschaft zurückgehalten wird. Sie erkennt die Stimme des Besuchers, es ist ihr Vetter Baron Ochs auf Lerchenau, der sich mit Gewalt den Zutritt in das Schlafzimmer verschafft. Octavian möchte in seiner Verkleidung aus dem Zimmer entfliehen, was aber misslingt. Von Ochs zeigt sofort großes Interesse an der hübschen Kammerzofe und vergisst darüber die Begrüßung der Hausherrin, bis die Diener ihn darauf hinweisen. Er erzählt, dass er sich mit einem sehr jungen Mädchen verheiraten wolle. Mit Sophie, der Tochter des neugeadelten und sehr reichen Herrn von Faninal, dessen Gesundheit – wie Ochs schmunzelnd hinzufügt – nicht die Beste sei. Die Marschallin erkundigt sich nach seinem Begehr, und erfährt, dass er von ihr einen Vorschlag erbittet, wer dem jungen Mädchen die silberne Rose als Brautwerber des Bräutigams überbringen solle. Sie schlägt einige Personen vor. Des Weiteren erzählt der Baron von seinen Liebesabenteuern mit weiblichen Bediensteten auf seinem Gut. Zuletzt erwähnt er seinen unehelichen Sohn, der der Fürstin das Etui mit der silbernen Rose zur Weitergabe an den zu bestellenden Rosenkavalier übergeben wird. Gleichzeitig versucht er, mit dem als Mariandl verkleideten Octavian anzubandeln, was immer wieder abgewehrt wird. Als Streich und Antwort auf den unehelichen Sohn zeigt die Marschallin Ochs ein Bildnis Octavians und schlägt diesen als seinen Rosenkavalier vor. Ochs erkennt die Ähnlichkeit des Dargestellten mit der Zofe Mariandl und nimmt den Vorschlag an. Zum guten Schluss lässt Mariandl die Bittsteller und Gäste, die auf eine Audienz bei der Fürstin warten, in den Raum eintreten und kann endlich entwischen.

Das Schlafzimmer betreten drei adelige Waisen, eine Modistin mit den neuesten Hutkreationen, ein Tierhändler mit kleinen Hunden sowie ein Sänger, der durch Exzellenz Silva gesandt wurde, der Fürstin ein Ständchen vorzutragen. Auch der Notar ist eingetreten und wird von Ochs gebeten, die Rechtslage zu erklären, weil er von seiner künftigen Ehefrau eine Morgengabe zu erhalten wünscht. Es handelt sich um ein Gut, das seinem Vater einst gehörte. Der Notar erklärt ihm, eine Morgengabe sei nur von dem Ehemann an die Gattin möglich, nicht umgekehrt. Das interessiert Ochs nicht und er streitet mit dem Notar, bis der Disput eskaliert und alle erschrocken zusammenfahren. Die Bittsteller werden von der Marschallin entlassen. Während der Audienz hat sie sich umgekleidet und wurde vom Friseur tagesfein gemacht. Der uneheliche Sohn hat ihr inzwischen auch das Etui mit der silbernen Rose überreicht. Endlich haben alle das Zimmer verlassen. Sie ist alleine. Sie ärgert sich über den überheblichen, angeberischen und schlechten Ochs. Sie reflektiert ihr eigenes Schicksal, als sie ungefragt, aus dem Kloster kommend, in die Ehe mit dem Feldmarschall kommandiert wurde. Am Ende ihres Monologs erscheint Octavian wieder in seiner Männerkleidung im Schlafzimmer. Er findet seine Freundin traurig vor. Sie erklärt ihm, er werde sie wohl eines Tages auch für eine jüngere Frau verlassen, was Octavian nicht gelten lassen will. Am Schluss verabschiedet sie ihn, weil sie in die Kirche gehen möchte, hat jedoch den Abschiedskuss vergessen. Das bedauert sie. Sie gibt ihrem Pagen Mohammed noch den Auftrag, das Etui mit der silbernen Rose zu Octavian zu bringen. Er wird den Auftrag für sie erfüllen. Am Nachmittag werden sie sich wieder im Prater treffen.

Zweiter Akt: Saal bei Herrn von Faninal

Sophie, die Leitmetzerin – ihre Duenna – und Herr Faninal befinden sich im Festsaal des Hauses Faninal. Letzterer verabschiedet sich mit dem Hinweis, er werde jetzt den Bräutigam abholen.

Der Brautvater darf dem eintreffenden Rosenkavalier nicht begegnen. Er verlässt daher den Saal und fährt mit seiner vierspännigen Karosse dem Bräutigam entgegen. Die junge Braut spricht ein kleines Gebet, das sie im Kloster, wo sie erzogen wurde, gelernt hat. Es fällt ihr jedoch schwer, weil die Leitmetzerin vom Fenster die Abfahrt des Vaters schildert und gleich darauf die Vorfahrt des Rosenkavaliers. Die Türen des Festsaals werden geöffnet, die Bediensteten des Hauses Rofrano treten ein und bilden ein feierliches Spalier. Dann erscheint Octavian in Festtagskleidung und überreicht der Braut Sophie mit allem Anstand die silberne Rose. Die beiden jungen Menschen sind verlegen und wie geblendet durch die Schönheit des Gegenübers. Sophie bemerkt, dass die Rose wie eine echte Rose duftet. Octavian erklärt ihr, er habe einen Tropfen persischen Rosenöls in die Blüte geträufelt. Sophie bittet ihn, an der Rose zu schnuppern. Dabei schleicht sich die Rose in beider Herz und sie verlieben sich ineinander. Nach der seligen Versunkenheit erzählt Sophie Octavian, sie kenne ihn schon recht gut, weil sie im Ehrenspiegel Österreichs sein Alter, siebzehn Jahre und zwei Monat, und alle seine Taufnamen nachgelesen habe. Er verhält sich sehr charmant gegenüber Sophie. Dann treffen Vater Faninal und der Bräutigam ein, der sich recht unmanierlich und anzüglich Sophie gegenüber benimmt. Octavian wird ob der schlechten Manieren des Bräutigams wütend. Außerdem muss er erleben, wie Vater und Duenna, trotz des Widerstandes der Braut, zum Bräutigam halten. Das Mädchen steht ohne Schutz da. Der Bräutigam wird aufgefordert, unter Aufsicht des Notars im Nebenzimmer den Ehevertrag zu unterschreiben. Zuvor gesteht Ochs Octavian zu, der Braut schöne Augen zu machen, er wüsste jedoch sein eheliches Privileg zu wahren. Die mitgebrachte Begleitung des Bräutigams benimmt sich in der Zwischenzeit sehr ungehörig und geht betrunken auf die weiblichen Bediensteten des Hauses Faninal los. Die Duenna und der Haushofmeister müssen für Ordnung sorgen. Als der Festsaal sich geleert hat, bittet Sophie Octavian um Schutz und die beiden jungen Menschen finden zueinander und gestehen sich ihre Zuneigung. Zwei Intriganten erwischen die beiden in ihrem intimen Zwiegespräch und rufen den Bräutigam lautstark herbei. Dieser nimmt die Sache erst einmal leicht. Octavian erklärt ihm, die Braut möge ihren Bräutigam nicht und stellt sich ritterlich zum Schutz vor Sophie. Ochs ignoriert ihn, will Sophie in das Nebenzimmer ziehen, damit sie den Ehevertrag ebenfalls unterschreibt. Octavian verhindert das und fordert Ochs zum Duell, wo er einen Treffer landet. Der leicht geritzte Ochs schreit das Haus zusammen. Er wird versorgt und mit einem Schluck Wein wieder munter. Herr Faninal kommt hinzu und Sophie teilt ihm mit, diesen ungehörigen Menschen nicht heiraten zu wollen. Daraufhin wird Octavian von Faninal aus dem Hause geworfen. Mit Hilfe der beiden Intriganten Annina und Valzacchi spielt Octavian dem Baron einen Brief zu, in dem er zu einem Stelldichein mit der Kammerzofe Mariandl gebeten wird.

Dritter Aufzug: Ein Extrazimmer in einem Gasthaus

Im Hinterzimmer eines Gasthauses inszenieren die beiden Intriganten und Octavian nun einen Maskenstreich. Gespensterhafte Gestalten sollen Ochs erschrecken, damit Octavians Verkleidung als Mariandl nicht erkannt wird. Der als Mariandl verkleidete Octavian erwartet Ochs vor dem Gasthaus, die beiden betreten sodann Arm in Arm den Raum. Ochs möchte Mariandl verführen. Mariandl alias Octavian treibt sein Spiel mit dem Freier. Die nach und nach auftauchenden Spukgestalten hindern Ochs an der Verführung. Die Intrigantin Annina hat sich zwischenzeitlich als verlassene Ehefrau des Ochs verkleidet und fordert mit einer Reihe Kinder im Schlepptau ihren angeblichen Ehemann Ochs zurück. Ein Vorstadt-Kommissarius taucht, von Ochs gerufen, im Gasthaus auf und versucht, Ordnung zu schaffen. Der Intrigant Valzacchi hat im Auftrag Octavians den Brautvater Faninal in das Gasthaus holen lassen, damit dieser sieht, wie sich der Bräutigam Sophies mit einem anderen Mädchen amüsiert. Ochs hat sich damit vor dem Brautvater kompromittiert. Durch die Aufregung wird dem Brautvater unwohl und er wird in ein Nebenzimmer getragen. Seine Tochter, die inzwischen auch am Schauplatz angekommen ist, nimmt sich seiner an. Octavian enthüllt dem Kommissarius das Geheimnis seiner Verkleidung. Ochs, immer noch der Meinung, hinter einem Vorhang verberge sich die Kammerzofe, bittet sie, hinter dem Vorhang zu bleiben. Mitten im Geschehen trifft, vom Wirt angekündigt, die Marschallin im Gasthaus ein. Octavian ist sehr erstaunt über ihr Erscheinen. Sie schaut sich um, Octavian tritt ihr, von Ochs unbemerkt, entgegen und stellt Sophie vor: „Das ist die Fräulein, die, um derentwillen –“ Die Marschallin beruhigt den Kommissarius und dieser verlässt das Gasthaus. Sophie tritt aus dem Nebenzimmer und verkündet Ochs in scharfem Ton, es sei aus mit der Heirat. Die Marschallin fordert ihn ebenfalls auf, zu verschwinden. Als er keine Anstalten dazu macht, bittet sie Octavian, nachzuhelfen. Ochs sieht nun, wer da als Mariandl verkleidet war und er erkennt das Verhältnis zwischen der Marschallin und Octavian: „Der Feldmarschall – Octavian – Mariandl – die Marschallin – Octavian …“ Aus diesem Wissen heraus versucht Ochs noch eine Erpressung. Die Marschallin heißt ihn zu schweigen. Ochs gibt sein Spiel verloren und unter allgemeinem Lärm mit Wirt, Kutschern, Kellnern und sonstigem Gasthausgästen verlässt er endgültig das Wirtshaus. Die Marschallin, Sophie und Octavian bleiben alleine zurück. Erstere erkennt die Liebe der beiden jungen Menschen. Sophie sucht Octavian mit ihren Augen und Marie Theres’ fordert Octavian auf, er möge dem jungen Mädchen seinen Hof machen. Er tritt Sophie gegenüber und wirbt um sie, aber sie wehrt ihn ab und möchte auf ihn verzichten, weil sie das Verhältnis zwischen ihm und der Marschallin erkannt hat. Er steht nun ganz verlegen zwischen den beiden Frauen und ist der Situation nicht gewachsen. Die Marschallin sieht seine Verlegenheit und tritt an das junge Mädchen heran und fragt: „So schnell hat sie ihn gar so lieb?“ Sophie ist verlegen und antwortet mit Ausreden. Die Marschallin gibt nun Octavian für die Verbindung mit Sophie frei. Die beiden jungen Menschen finden zusammen. Sophie verliert ein Taschentuch bei der Umarmung. Die beiden Liebesleute verlassen schließlich das Gasthaus. Der kleine Page der Marschallin betritt nochmals das Zimmer mit einer Kerze, sucht das Taschentuch, findet es, hebt es auf und läuft hinaus.

Hauptpersonen des Romans(Die Personenliste richtet sich nach dem Libretto,wobei einige Personen neu hinzugefügt wurden)

Feldmarschallin Marie Theres’ Fürstin Werdenberg

Feldmarschall Michael Fürst Werdenberg

Octavian Graf Rofrano, genannt Quinquin oder Taverl, ein junger Herr aus großem Haus

Aegidius Edler von Faninal, ein reicher Neugeadelter und Armeelieferant

Sophie, seine Tochter

Marianne Leitmetzerin, die Duenna, Ziehmutter Sophies

Susanna Marchesa Rofrano, Octavians Mutter

Nikolaus Marchese Obersttruchsess Rofrano, ältester Bruder Octavians, Vorstand des Hauses Rofrano

Julian Graf Rofrano, mittlerer Bruder Octavians

Leopold Baron Ochs auf Lerchenau

Kaiserin Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich

Reichsgräfin Fuchs, Vertraute Maria Theresias

Schauplatz und ZeitWien, 1745–1747, in den ersten Jahren der Regentschaft der Kaiserin Maria Theresia

PROLOG

Am Ende einer Aufführung des Rosenkavaliers steht man auf und verlässt die Oper. Doch das Stück lässt einen noch nicht los. Die Menschen da oben auf der Bühne haben einen nicht kalt gelassen. Sie haben sich in die Herzen der Zuschauer gesungen und gespielt. Man fragt sich, was wird aus den Protagonisten, welches Schicksal erwartet sie, welche Zukunft haben sie? Dieser Roman will den Versuch wagen, die Geschichte weiterzuerzählen.

***

Hier die entscheidenden Passagen aus Hugo von Hofmannsthals Libretto am Ende des 3. Aktes:

Marschallin (zum Ochs auf Lerchenau):

Versteht Er nicht, wenn eine Sach’ ein End’ hat?

Die ganze Brautschaft und Affär’ und alles sonst, was drum und dran hängt

(sehr bestimmt) ist mit dieser Stund’ vorbei.

Der Baron Ochs auf Lerchenau verlässt darauf unter Lärm das Gasthaus und die Marschallin wendet sich Sophie zu und fragt, ob sie Octavian „so schnell so lieb“ gewonnen hat. Sophie antwortet sehr verlegen und mit großer Schüchternheit, sie habe Angst um ihren Vater gehabt. Aber die Marschallin hat sie sehr genau verstanden. „Red’ Sie nur nicht zu viel, Sie ist ja hübsch genug!“, sagt die Marschallin zur jungen Frau. Sie wüsste außerdem „eine Medizin“ für ihren Vater und für Sophies Blässe hätte Octavian „die Medizin“. Damit gibt sie die beiden jungen Menschen zusammen, obwohl sie Octavian weiterhin liebt. Octavian dankt ihr mit „Marie Theres’, wie gut Sie ist. Marie Theres’, ich weiß gar nicht –“. Mehr kann er nicht sagen. Im Terzett bekennt die Marschallin „Hab’ mir’s gelobt, Ihn lieb zu haben in der richtigen Weis’“. Dann bekennt sie, wie tief ihre Liebe zu Octavian geht: „daß ich selbst Sein Lieb’ zu einer andern noch lieb hab’!“ Das junge Paar gesteht sich am Ende des Terzetts die Liebe zueinander. Nach dem Terzett schreitet die Marschallin zu Sophies Vater ins Nebenzimmer und lässt die beiden in ihrem Glück allein.

Das ist die Ausgangssituation zum 1. Kapitel.

KAPITEL 1

Der Schmerz der Marschallin

Vor der Tür des Vorstadtbeisls wartet die fürstliche Karosse. Die Marschallin, Herr von Faninal, seine Tochter Sophie und Octavian gehen auf die Karosse zu, um gemeinsam die Heimfahrt anzutreten. Ein Lakai der Marschallin hält die Wagentür auf, sie steigt ein, dann Faninal und die beiden jungen Leute. Der kleine Page der Marschallin, Mohammed, kommt noch flink gelaufen, er schwenkt das wiedergefundene Taschentuch Sophies und reicht es ihr, die ihm dafür dankt. Mohammed will flink auf den Kutschbock springen, doch die Marschallin ruft ihn zurück und lässt ihn in die Kutsche einsteigen.

Der Lakai schließt die Wagentür, steigt hinten auf den Wagen auf und ruft dem Kutscher zu: „Ins Palais zurück.“ Die Kutsche setzt sich in Bewegung.

Octavian und Sophie haben sich eng nebeneinandergesetzt, sie legt ihren Kopf auf seine Schulter, er vergräbt sein Gesicht in ihrem Haar. Sie bemerken die Anwesenheit der Marschallin und Faninals gar nicht. Sie sind in ihrem Glück versunken. Unterwegs vernimmt Faninal schon einmal einen tiefen Seufzer der Marschallin; in der Dunkelheit sieht er nicht, wie Tränen über ihr Gesicht rinnen, die sie mit ihrem Taschentuch trocknet.

Vor dem Palais angekommen, entsteigen alle der Karosse und betreten die Vorhalle. Faninal, Sophie und die Hausherrin, die sich wieder etwas gefasst hat, übergeben dem Haushofmeister Struhan ihre Umhänge zur Aufbewahrung. Anschließend gibt Marie Theres’ ihm die gastfreundliche Anweisung, er möge den Gästen Wein servieren. In einem Salon neben ihrem Boudoir wird der runde Tisch von einem Diener mit Weingläsern gedeckt. Ein weiterer Diener tritt hinzu, nachdem die Marschallin und ihre Gäste Platz genommen haben, und schenkt allen ein. Die kleine Gesellschaft unterhält sich angeregt über die eben erlebten Geschehnisse, die keinen der Anwesenden unberührt gelassen haben.

„Ich hätt’ es nicht für möglich gehalten, das der Lerchenau ein solcher Schürzenjäger ist, meine Tochter hintergeht und so ohne jeglichen Anstand ist. Hatte da eine fremde Frauensperson bei der Hand, die er auch noch als meine Tochter aus’geben hat“, stellt Faninal empört fest.

Octavian verrät ihm, ganz verlegen: „Hinter dem Mädel hab’ ich g’steckt, weil ich den Lerchenau sich vor Ihm hab’ kompromittieren lassen wollen. Ich hab’ Ihn dazu in das Beisl gerufen. Ich hab’ ja mit ansehen müssen, wie er Seine Tochter in Seinem Palais behandelt und ihr – mit Verlaub – so gar keinen Respekt entgegengebracht hat. Am gestrigen Tag hab’ ich Ihm das nach dem Duell erklären wollen, aber der Rauswurf durch Ihn gab mir keine Gelegenheit dazu. Mit Marie Theres’ hab’ ich dann den Maskenstreich für den heutigen Abend weiter ausg’sponnen, um Sophie von diesem Herrn zu entfernen und eine Eh’ zu verhindern, die Seiner Tochter kein Glück gebracht hätt’.“ Er fügt leicht errötend hinzu: „Außerdem hab’ ich Sophie sehr liebgewonnen.“

„Papa, du warst ja nicht anwesend, als Octavian mir die Ros’n überbracht hat“, sie wird ganz verlegen und ihre Wangen röten sich leicht.

„Papa, da ist es geschehen, dass wir beide eine große Liebe zueinander erfahren haben. Die Ros’n ist einfach in unser Herz gefahren und da auf’blüht. Da hat sich etwas ereignet, das war ohne ein Suchen und ganz plötzlich da, das wir selbst noch nicht ganz fassen können.“

Faninal sieht betroffen wechselweise Octavian und seine Tochter an.

„Octavian ist nach der Zeremonie zu mir ’kommen und hat mich um Rat ersucht, wie man diesen Libertin von Seiner Tochter entfernen kann. Ich war ihm bei dem Maskenstreich behilflich“, erzählt die Marschallin und Faninal hört ihr verblüfft zu.

Nach einer kleinen Pause erzählt sie: „Wie Octavian bei mir war, hab’ ich gesehen, was in seinem Herz’n vor’gangen ist. Ich erkannt’ da die Lieb’ zwischen Seiner Tochter und dem Bub. Ich hab’ Ihm ja hinter verschlossener Tür im Beisl davon bericht’. – Ich bitt’ mich einen Augenblick zu entschuldigen!“ Sie verlässt mit tränenerfüllten Augen den Salon und begibt sich in ihr Boudoir. Faninal und die beiden jungen Leute vernehmen auf einmal ein heftiges Weinen durch die geschlossene Tür. Octavian und Sophie erheben sich und stürzen erschrocken in das Boudoir. Die Marschallin sitzt zusammengesunken und schluchzend auf einem Sofa. Octavian setzt sich zu ihr, nimmt sie sanft in seine Arme, drückt sie an sich, wiegt sie wie ein kleines Kind und versucht sie zu trösten.

„Marie Theres’, wein’ doch nicht so sehr, ich bin doch nicht fort, sondern werd’ immer dein Freund bleiben, denn ich hab’ dich sehr lieb.“

Sophie streichelt sanft ihre Wange: „Ich bin Ihre Freundin und hab’ Sie auch sehr liebgewonnen, als Sie so gütig zu mir war.“

Sie kniet sich vor die Fürstin, nimmt ihr Taschentuch, das ihr der kleine Mohammed brachte und trocknet der Marschallin sanft und ruhig die Tränen, die ihr über das Gesicht laufen.

Die Marschallin beruhigt sich langsam und erklärt: „Heute Abend dich fortgehen heißen, zu dem lieben Mädel da, ging wider Erwarten über meine Kräft’. Wenn man einen Menschen sehr lieb hat, fällt der Abschied sehr schwer, schwerer als ich es mir damals vorg’sagt hab’. Schwer, es mit gefasstem Herzen und leichter Hand zu ertragen. Es hat mich so sehr nieder’drückt, wie ich es mir nicht hab’ vorstellen können.“ Dabei laufen erneut Tränen über ihr Gesicht.

Sophie tröstet sie: „Sie hat uns heut’ zusammen’geben, hat gesehen, wie Taverl und ich uns so sehr liebgewannen. – Ich will Sie seiner Gesellschaft nicht entziehen, wir möchten Ihre herzlichen Freund’ sein und bleiben, weil wir Ihr so viel verdanken. Der grausliche Lerchenau hat heut’ müssen abfahren und hat mich nicht bekommen als seine Braut. Octavian trug sich gestern mit der silbernen Ros’n in mein Herz. – Er ist ebenfalls ohne ein Suchen der Lieb’ anheimgefallen, wie auch ich. Wir waren beide überrascht und beglückt zugleich. Man kann’s nicht schildern; es ist auf einmal dagewesen, wie eine Himmelsmacht.“

„Ja mein Kind, so ist es auch zwischen dem Bub und mir ’gangen, als wir feststellten, dass wir uns lieb haben. Es ist ein Finden ohne ein Suchen“, antwortet Marie Theres’ mit belegter Stimme.

Herr von Faninal betritt das Zimmer und sieht die Marschallin mit mitleidiger Miene an. „Kann auch ich behilflich sein?“, fragt er schüchtern.

Er tritt näher heran, beugt sich ihr zu und streicht der Marschallin mitfühlend und milde über ihre Wange. Octavian bittet ihn, er möge nach seiner Mutter Botschaft senden, sie möchte ins Palais kommen, weil ihre Freundin des Zuspruchs bedarf. Sophies Vater eilt zum Haushofmeister und gibt entsprechende Anweisung, die Marchesa Rofrano in das Palais Werdenberg zu bitten. Gleichzeitig ersucht er einen Lakaien, er solle doch Wasser und ein Tuch herbeibringen. Der Lakai verlässt den Raum, erscheint kurz darauf wieder und übergibt das Gewünschte. Sophie nimmt das Tuch, befeuchtet es mit Wasser und wischt der Marschallin behutsam die Spuren der Tränen von Augen und Wangen.

Octavian sitzt weiterhin neben Marie Theres’ und hält sie, wie ein Kind, zärtlich in seinen Armen, streichelt ihr Haar und ihr Gesicht.

„Nicht mehr weinen, Theres’, ich werd’ weiter dein Freund sein und hab’ dich lieb“, versichert er ihr erneut.

Aus seiner Jackentasche zieht er sein sauberes Schnupftuch und putzt Marie Theres’ einfühlsam die Nase, anschließend gibt er es ihr sachte in die Hand. Die Marschallin wirkt unglücklich und sehr müde. Darum nehmen Octavian und Sophie sie fürsorglich in ihre Arme, führen sie ruhig in ihr Schlafzimmer, entledigen sie hinter einem Paravent ihres Kleides, kleiden sie in ein Negligé, legen sie in ihr Bett und decken sie liebevoll zu. Erschöpft sinkt sie in den Schlaf. Die beiden setzen sich, über den Schlaf von Marie Theres’ wachend, neben ihrem Bett auf ein Sofa und unterhalten sich sehr leise über das, was sie in ihrem Innersten bewegt; dabei wollen sie Marie Theres’ nicht aufwecken.

Sophie flüstert ihm zu: „Taverl, diese Frau ist wirklich etwas ganz Besonderes, so herzensgut und lieb und so selbstlos. Wie muss sie leiden, da sie dich so herzlich gern hat. – Wie schwer ist ihr der Verzicht auf dich gefallen!“

„Ja, Sophie, es ist ihr sehr schwer gefallen. Auch mir ist es schwerg’fallen, als ich sie hab’ zu deinem Vater ins Zimmer hinein gehen seh’n. Die Lieb’ lässt sich nicht auslöschen wie man eine Kerz’n ausbläst. Heut’ sah ich aber nur noch dein Gesicht, die Lieb’ zu dir hat gesiegt. Meine Lieb’ auf der Waagschal’ hat für dich voll ausg’schlagen“, offenbart ihr Octavian. „Gestern kam ich in des Lerchenau Auftrag mit der silbernen Ros’n zu dir; ich hab’ einen Tropfen persischen Rosenöls in die Blüte geträufelt. Du hast den Duft sofort bemerkt und hast mir die Ros’n hingehalten. Ich roch daran, wir sahen uns in die Augen, ganz nah, da blühte die Ros’n in meinem Herz für dich auf.“

„Auch ich hatte das tiefe Empfinden, die Ros’n in meinem Herzen zu spüren und sie erblühen zu fühlen. Ich kann dir nicht sagen, wie glücklich ich in diesem beseligten Augenblick da war“, antwortet sie ihm und schaut ihm ruhig in die Augen.

„Ich gab dir meine Lieb’ bereits ganz scheu zu erkennen, als ich dir gestanden hab’, du seist immer die Wundervollste, für mich die Liebreizendste“, erzählt er ihr und nimmt sie sanft in seine Arme.

„Ach Octavian, auch ich hab’ sie dir ganz schüchtern zu erkennen ’geben, als ich dir beichtete, dass mir ein junger Mann noch nie aus der Nähe oder von Ferne so gut gefallen hat wie du.“ Dabei errötet Sophie leicht vor Verlegenheit, sieht ihm aber weiterhin offen in seine Augen.

Octavian erzählt weiter: „Ich sah den Lerchenau, dem ich als sein Rosenkavalier erst einmal zur Treue verpflichtet war, wie er dich so abscheulich behandelt hat und du inmitten seines widerwärtigen Gefolges stand’st und keine Hilf’ von deinem Vater und der Duenna erhalten hast. Da fühlte ich mich dir ganz nah und musste dich vor ihm beschützen. Wie ein Pferdehändler sah er dich an und sein anzüglich’s Lieblingslied widerte mich an; ich war innerlich so zornig. Ich sah deinen Widerwillen, deine Abscheu gegen das Mannsbild. Du hast mich um meine Hilf’ gebeten, weil du ganz allein da stand’st, ich musst’ dir helfen! Meine Lieb’ zu dir wuchs in diesem Moment so stark, ich war bereit, mit ihm ein Duell auszufechten. Deine Unterschrift hat auf keinen Fall auf den Ehevertrag gesetzt werden dürfen. Das musst’ ich unbedingt verhindern. – Marie Theres’ hab’ ich in diesem Moment vergessen. Die Sorg’ um dich und dich fort von diesem üblen Kerl zu bringen, bestimmten in diesen Augenblicken mein’ Gedanken und Tun.“

Er beichtet Sophie: „Wie die Lieb’ zwischen mir und Marie Theres’ entstanden und verlaufen ist, werde ich dir in einer ruhigeren Stund’ erzählen.“ Ganz schüchtern gesteht er ihr: „Marie Theres’ ist meine erste Lieb’ und sie ist sehr innig. – Ich bin ja auch erst siebzehn Jahr’ alt.“

Sie zärtlich ansehend fragt er: „Verrätst du mir, wie alt du bist, wenn du mir die Frag’ erlaubst?“

„Octavian, ich bin so alt wie du, siebzehn Jahr’, nur fünf Tag’ jünger!“, gibt sie ihm zur Antwort, lächelt ihn an und nimmt ihn sanft in ihre Arme.

Octavians Mutter ist im Palais eingetroffen und wird vom Haushofmeister in den Salon geführt. Octavian sieht sie durch die geöffnete Tür des Schlafzimmers. Er verlässt mit Sophie das Schlafzimmer der Marschallin und beide gehen ihr entgegen.

„Schau, da kommt meine Mutter, die du noch nicht kennst. Komm, ich möchte dich ihr sehr gern’ vorstellen. – Mama, darf ich dir Sophie von Faninal vorstellen, sie hat mein Herz erobert, wie ich es noch nie erlebt hab’, wie ich dir das gestern bereits erzählt hab’.“ Dabei legt er liebevoll seinen Arm um Sophies Schultern. Sophie macht ein tiefes Kompliment vor der Marchesa Rofrano und diese lächelt sie wohlwollend an.

„Mein Kind, mein Sohn hat mir bereits von der Rosenüberreichung, die Sorge um Sie und wie er Sie so sehr liebgewonnen hat, berichtet. Mir ist auch bekannt, wie der Lerchenau sich Ihr gegenüber so unmanierlich benommen hat. Wir werden uns später einmal unterhalten, aber nun möchte ich doch nach meiner Freundin Marie Theres’ sehen, wie es ihr geht. Bub, würdest du mich bitte ins Bild setzen, was heut’ Abend geschehen ist?“, fragt sie mit besorgtem Gesicht ihren Sohn.

„Mama, heut’ Abend hab’ ich den Lerchenau mit einem Maskenstreich sich vor Sophies Vater kompromittieren lassen, weil die erzwungene Heirat zwischen ihm und Sophie nicht stattfinden darf. Marie Theres’ ließ den Lerchenau abfahren. Herr von Faninal hat ihn auch, wegen seines widerwärtigen Benehmens, als Bräutigam für Sophie unzweideutig abgelehnt. Marie Theres’ ist in das Beisl ’kommen, sie sah die Lieb’ zwischen Sophie und mir und hat großherzig auf mich verzicht’. Sie gab Sophie und mich zusammen. Du weißt ja, wie Marie Theres’ und ich uns sehr gern haben. Du kennst die Geschicht’! Sophie eroberte mein Herz und ich das ihrige. Mama, ich werde dir die Sach’ noch weiter in einer ruhigen Minut’n erklären. Marie Theres’ ist hier eben weinend zusammen’brochen, weil ihr die Trennung von mir doch viel schwerer gefallen ist, als sie es sich hat eingestehen wollen. Kümmere du dich bitte um sie. Wir haben sie zu Bett gebracht, jetzt schläft sie. Es ist gut, wenn du bei ihr bist, wenn sie erwacht.“ Herr von Faninal tritt auf die Marchesa zu und begrüßt sie mit einem tiefen Kompliment und einem Handkuss.

„Ich darf mich Euer Erlaucht vorstellen: Ich bin der Vater des Mädels, mein Name ist Edler von Faninal“, erzählt Sophies Vater der Marchesa, die den Gruß erwidert. „In dem Beisl heut’ Abend ist mir nicht wohl gewesen, weil ich mich über den Lerchenau so geärgert hab’. Ich hab’ die Lieb’ der beiden Kinder nicht wirklich erkannt. Die Fürstin hat mich hinter verschlossener Tür drüber auf’klärt und mich ins Gebet genommen, ich möge dem lieben Gott nicht ins Handwerk pfuschen. Sie bat mich dringend, die jungen Leut’ beieinander zu lassen. Außerdem gab sie mir zu verstehen, sie habe bereits die beiden Kinder zusammen’geben. Da ich gestern so starrköpfig war und nicht hab’ sehen wollen, was geschehen ist, will ich mich jetzt nicht mehr dagegenstellen und bin mit der Lieb’ der Kinder einverstanden. Der liebe Gott weiß schon, was er tut. Jetzt seh’ ich mein Kind glücklich, was ich ja gewollt hab’.“

Octavians Mutter entgegnet: „Mein Bub war ganz verändert, als er nach der Rosenübergab’ nach Haus ’kommen ist; ich konnt’ deutlich erkennen, was in seinem Herz’n vorging. Er hat mir dann die ganze Geschicht’ erzählt. Ich seh’ Seine Tochter, es ist wirklich ein liebreizendes Mädel, da will ich auch nicht Nein sagen. Ich bin glücklich als Mutter, wenn mein Sohn so ein nettes Mädel liebgewinnt. – Ich bitt’ Ihn, in zwei Tagen mit Seiner werten Tochter und deren Ziehmutter bei mir im Palais zum Besuch zu erscheinen, da werd’ ich unsere Familie einmal vorstellen. Wenn zwei junge Menschen zueinander finden, sollten sich auch die Familien kennenlernen.“ Sie schließt das Gespräch mit den Worten: „Ich werd’ bei der Fürstin wachen. Der Haushofmeister mag jetzt eine kleine Kutsch’n bereitstellen lassen, die Ihn und das Fräulein Tochter heimfahren wird. Bub, du lässt dich ebenfalls heimfahren und gehst schlafen. Der heutige Abend ist aufregend genug gewesen.“

Ihr Sohn wendet sich an den Haushofmeister, er möge eine Kutsche vorfahren lassen. Struhan erklärt, die am Abend benutzte Kutsche stehe noch vor dem Palais und könne zur Heimfahrt dienlich sein.

Faninal und seine Tochter verabschieden sich sehr herzlich von der Marchesa: „Ich möcht’ mich nun zurückziehen und wünsch’ eine angenehme Nacht. In zwei Tagen werden wir uns sehr gerne in Ihro Erlaucht Palais einfinden und danken bereits jetzt für die herzliche Einladung. Fürstliche Gnaden wünsch’ ich sehr, dass sie sich wieder erholt und bitt’, ergebenste Grüße auszurichten.“

„Ich wünsch’ ebenfalls eine gute Nacht, und die lieben Grüß’ werd’ ich meiner Freundin gern weitergeben“, erwidert die Marchesa mit einem freundlichen Gesicht.

Sie geht zu ihrem Sohn, der auch rechtschaffen müde ist und gibt ihm einen Gutenachtkuss. Die drei Gäste werden von der Marchesa noch zur Kutsche begleitet, die die Fahrgäste aufnimmt und nach Hause bringt. Sie winkt den Abfahrenden nach und betritt wieder das Palais. Den Haushofmeister unterrichtet sie, sie werde sich im Schlafzimmer der Marschallin niederlassen und bei ihr wachen; er und die Dienerschaft mögen jetzt auch zur Ruhe gehen.

Der Kutscher hat Herrn von Faninal und seine Tochter vor ihr Palais Am Hof gefahren und lässt sie der Kutsche entsteigen. Octavian steigt ebenfalls kurz aus, um sich wohlerzogen von Faninal und seiner Freundin zu verabschieden.

Er schließt Sophie fest in seine Arme und küsst sie kurz. „Ich wünsch’ dir eine gute Nacht und wir sehen uns morgen, mein Schatz!“

„Auch ich wünsche dir eine gute Nacht, mein Bub!“ Sophie gibt ihm einen zärtlichen Kuss auf die Nase.

Octavian besteigt nach dem Abschied erneut die Kutsche und fährt, ihr und ihrem Vater freundlich zuwinkend, dem heimischen Palais zur Nachtruhe zu.

Am nächsten Morgen erwacht die Marschallin. Sie findet ihre Freundin Susanna schlafend auf einem Sofa sitzend neben ihrem Bett vor. Sie steht auf, tritt auf Susanna zu und fasst sie sanft an ihrer Schulter. Sogleich erwacht die Marchesa und blinzelt Marie Theres’ an, die sich neben sie auf das Sofa setzt.

„Ich wünsch’ dir einen guten Morgen, wie kommst du hierher? Ich bin erstaunt, dich hier vorzufinden“, stellt Marie Theres’ mit belegter Stimme fest.

Susanna erwidert etwas verschlafen: „Der Bub hat mich kommen lassen, weil dir nicht wohl gewesen ist und du des Zuspruchs bedarfst.“

„Der gestrige Abend war für mich sehr bedrückend, weil ich die beiden jungen Leut’ zusammen’geben hab’. – Auf die Lieb’ zu Octavian hab’ ich da verzicht’“, flüstert sie und erneut laufen Tränen über ihr Gesicht. Susanna nimmt sie tröstend in ihre Arme und lässt sie sich ausweinen. Nach einer Zeit fasst Marie Theres’ sich wieder und Susanna trocknet ihr mit ihrem Taschentuch die Tränen.

Sie erzählt leise: „Die beiden jungen Leut’ waren sehr lieb zu mir und haben mir ihre Freundschaft zugesagt. Sie haben mich auch zu Bett ’bracht. – Es tut mir nur sehr weh, den Bub zu verlieren, weil ich ihn sehr lieb hab’. Die Lieb’ zu ihm ist kein Strohfeuer.“ Abermals laufen Tränen über ihr Gesicht, die ihre Freundin Susanna behutsam trocknet.

„Marie Theres’, wie ich meinen Sohn kenn’, ist ihm der Abschied von dir nicht leichtgefallen. Ich weiß doch, wie sehr er dich in seine Seel’ eingeschlossen hat. Er hat mir erzählt, wie ihm die Lieb’ zu dem netten Mädel in sein Herz eingefahren ist. Er kann es ja selbst noch gar nicht fassen.“

„Ich hab’ ihm das vorhergesagt, dass es einmal so kommen wird, dass er sich an eine Frau bindet, die genauso jung ist wie er. Ich möcht’ auch, dass sich Jugend zu Jugend findet. Er hat es nicht hören wollen, weil er nur sein Lieb’ zu mir gesehen hat. Das zu begreifen ist er zu jung. Was mich doch freut, ist, dass der Bub so einem lieben Mädel sein Herz schenkt. Aber ich brauch’ eine Zeit, um den Verlust zu überwinden. Das geht nicht so, wie ich mir das vorgenommen hab’. Ach Susanna, die Lieb’ zu ihm geht tiefer, als ich mir das hab’ eingestehen wollen, das hab’ ich gestern g’merkt“, erzählt sie und schaut Susanna unglücklich an. Susanna hält sie weiter in ihren Armen, ihre Freundin bedarf noch weiter ihrer fürsorglichen und tröstenden Zuwendung.

Früh wird am Portal angeklopft. Ein Diener öffnet und davor stehen Sophie und Octavian. Die beiden werden freundlich eingelassen und bitten, vor die Fürstin geführt zu werden. Der Diener geleitet sie umgehend zu deren Schlafzimmer, klopft an und auf ein „Herein“ Susannas wird die Tür geöffnet. Er meldet den Besuch und beide treten scheu ein.

„Guten Morgen“, wünschen Sophie und Octavian freundlich den beiden Damen. „Wir möchten das werte Befinden erfragen und wollen uns sehr herzlich für die gestrige selbstlose und gütige Hilf’ bedanken“, erklären sie leise.

Ehrerbietig geht Sophie auf die Marschallin zu, kniet vor ihr nieder und legt ihr mit einem schüchternen Lächeln ein kleines Sträußchen Vergissmeinnicht, in dessen Mitte eine rote Rose steckt, sanft und ruhig in die Hände.

„Unsere Dankbarkeit wünschen wir mit diesem kleinen Strauß auszudrücken, denn uns fehlen dazu die Worte“, erklärt Octavian verlegen.

Sophie umarmt die Marschallin feinfühlig und gibt ihr einen Kuss auf ihre Wange. Auch Octavian geht auf Marie Theres’ zu, umarmt sie zart und küsst sie ebenso dankerfüllt.

„Das ist sehr lieb von euch und ich freu’ mich herzlich drüber“, antwortet Marie Theres’ mit leiser Stimme. Sie ist sehr gerührt über die liebevolle und anrührende Geste und schaut das Paar mit einem schmerzlichen Lächeln an.

Susanna stellt staunend fest: „Ihr seid schon früh auf den Füß’!“

„Ja, uns hat es keine Ruh’ gelassen, weil wir wissen wollen, wie das werte Befinden heut’ ist“, erwidert Octavian seiner Mutter.

„Es geht etwas besser, aber es braucht sein’ Zeit!“, gibt Marie Theres’ ihm sehr leise Auskunft.

Susanna weist die jungen Leute ebenso leise an: „Ich möcht’ euch bitten, nun wieder zu gehen. Marie Theres’ bedarf noch der Ruh’. Ich werd’ mich um sie kümmern. Sie benötigt noch meine Gesellschaft und meinen Zuspruch. – Bub, ich komm’ erst am Abend wieder heim.“

Sie verabschieden sich ruhig und wünschen der Fürstin, sie möge sich wieder erholen. Still verlassen sie den Raum und schließen hinter sich leise die Tür. Ein Diener führt sie bis zum Portal und entlässt sie aus dem Palais.

„Sie tut mir unendlich leid, es ist ihr so schwergefallen, mich zu verlieren“, erklärt er ernst Sophie.

„Mir tut es sehr weh, sie so zu sehen, denn verletzen hab’ ich sie ja nie wollen, das liegt mir ganz fern. – Nur die silberne Ros’n gebietet jetzt in meinem Herzen. Ich kann es selbst noch nicht ganz begreifen.“

„Octavian, mir geht es gleichermaßen, ich bin bis heut’ verwundert, was da mit uns vor’gangen ist. Ich empfinde es als ein Geschenk! Wenn wir noch selbst staunen, wie wollen wir das einem anderen Menschen erklären, wenn er es nicht erlebt hat.“

Dabei sieht sie Octavian sehr ernst an.

Er sieht Sophie ebenso ernst an: „Ja! Mama wird sich ganz lieb um Marie Theres’ kümmern und ihr helfen, den Schmerz zu überwinden. – Wir werden ihre Freunde bleiben.“

„Ja, Bub!“

Beide schauen sich liebevoll an, nehmen sich bei der Hand und gehen nachdenklich nach Hause. Im Stillen denken sie an das Opfer, das die Marschallin für ihr Glück gebracht hat.

KAPITEL 2

Octavians Familie und das Schicksal der Marschallin

„Da schau, Mama, die Kutsch’n ist da, mit Faninal, Sophie und Marianne Leitmetzerin.“ Octavian eilt schnellen Schrittes auf die Kutsche zu und öffnet den Wagenschlag, dann hilft er den Gästen zuvorkommend aus dem Wagen zu steigen. Sophie schließt er in seine Arme und küsst sie herzlich auf die Wange. Der Besuch ist angesichts des sommerlich warmen Wetters mit farbenfrohen, leichten Kleidern angetan.

„Herzlich willkommen in uns’rem Haus“, begrüßt er die Gäste mit freudig strahlendem Gesicht.

„Mama und ich haben Speisen für unseren werten Besuch im kleinen Saal auftragen lassen.“ Die Marchesa Rofrano, in einem gepunkteten und bestickten, hellen Seidenkleid, eilt nun ebenfalls ihren Gästen entgegen und begrüßt sie herzlich. Sie führt sie freundlich plaudernd in das Palais und zeigt ihnen einige der edel ausgestatteten Räume. Die Hausherrin, ihr Sohn und ihre Gäste begeben sich zu Tisch in einem kleinen Speisesaal. Der Raum ist mit hellgrünen Seidentapeten ausgekleidet, große Gemälde mit Allegorien schmücken seine Wände. Durch geöffnete Fenstertüren sieht man über eine Terrasse in den blühenden Garten. Die Vorhänge bewegen sich dabei im leichten Wind. Octavians Mutter reicht freundlich lächelnd nochmals dem Besuch beide Hände.

„Meine lieben Gäst’, ich heiße Sie herzlich willkommen in meinem Haus und bitt’ Sie zu Tisch.“

Die Hausherrin deutet einem Lakaien, der an der Seite steht, den Wein einzuschenken. Er tritt mit einem Tablett, auf dem eine Weinkaraffe steht, an den festlich gedeckten Tisch und tut wie geheißen. Das junge Paar hat nebeneinander Platz genommen; die Marchesa setzt sich zwischen Herrn von Faninal und die Leitmetzerin, die Duenna und Ziehmutter Sophies.

Herr von Faninal dankt der Marchesa für ihre Einladung: „Es ist sehr freundlich von Ihro Erlaucht, uns heut’ hier zu empfangen. Ich seh’ die Notwendigkeit ein, dass sich die Familien kennenlernen müssen, wenn sie künftighin, durch die Lieb’ der Kinder zueinander – mit Ihro gnädigem Einverständnis – verbunden sein werden.“

Fünf Lakaien legen ihnen von den angebotenen Speisen vor, man lässt es sich schmecken. Von draußen dringt Vogelgezwitscher in den Saal. Alle unterhalten sich angeregt über verschiedene Angelegenheiten.

Dann erhebt die Marchesa das Wort und erzählt: „Dieses Haus ist unser Stadtpalais. Unser Hauptwohnsitz befindet sich vor den Toren Wiens. Hinter dem Palais befindet sich ein großer Garten, den wir nach Tisch besuchen werden. Ich hab’ sie hierher geladen, weil ich einmal unsere Famili vorstellen möcht’.“

Faninal und die Leitmetzerin sowie Sophie kosten den Wein, der ihnen gut mundet. Die Anwesenden trinken sich zu.

Die Gäste und Octavian, der Sophies Hand ergriffen hat und sie freundlich ansieht, lauschen der Marchesa, wie diese mit der Erzählung über ihre Familie beginnt: „Die Vorfahren unserer Famili stammen ursprünglich aus Italien, nahe Neapel. Durch Tätigkeiten für das habsburgische Reich gelangten sie hierher nach Wien, sie wurden ansässig und blieben hier. In Italien nahe dem Tyrrhenischen Meer steht unser Stammschloss mit großen Ländereien, es ist nicht weit von Rofrano entfernt, wovon wir unseren Familiennamen herleiten. Mein Ehemann und ich heirateten vor siebenundzwanzig Jahr’ und waren uns in herzlicher Lieb’ zugetan, unsere Eltern haben unsere Lieb’ für gut geheißen und gaben uns daher zusammen. – Diese Lieb’ nahm leider vor fünf Jahren ein End’, als mein Gemahl verstarb. Unsere Eh’ wurde gesegnet mit drei Söhnen, mit Nikolaus, dem ältesten Sohn, der nun schon sechsundzwanzig Jahr’ zählt und durch die erbliche Titelübernahme von seinem Vater jetzt der Vorstand des Hauses Rofrano ist. Er bewohnt unser Hauptschloss vier Meilen von Wien entfernt. Er ist noch unverheiratet.“

Sie fährt fort: „Mein zweiter Sohn Julian ist dreiundzwanzig Jahr’ alt und befindet sich meistens auf einem unserer Landgüter. Dort kümmert er sich um eine große Pferdezucht. Spanische Karster werden dort gezogen, die begehrt als Reit- und Kutschpferdln sind. Das Landgut mit der Zucht ist etwa drei Meilen südlich von Wien entfernt. Auch mein Sohn Julian ist noch ledig, er hat zudem den Weinbau zu seiner Passion gemacht.“

Sie pausiert einen Moment, als müsste sie nachdenken, dann erzählt sie weiter: „Nach weiteren sechs Jahr’, wir hatten nicht mehr auf ein Kind gehofft, kam unser jüngstes Kind, Octavian, auf die Welt. Vor zwei Monaten ist er siebzehn Jahr’ alt ’worden. Unsere Söhne wuchsen meist auf unser’m Landgut mit der Pferdezucht auf, sie waren nur selten hier in der Stadt. Auch mein Ehemann und ich befanden uns meist dort. Die Kinder sollten fern der Stadt möglichst natürlich aufwachsen. Sie erhielten dort Unterricht von privaten Lehrern. Sie lernten Lesen, Schreiben, Mathematik, lernten auch Latein und Französisch. Wir lehrten sie aber auch Anstand und gutes Benehmen. Reiten, Fechten und Tanz rundeten ihre Erziehung ab. Unser Jüngster zeigte auch bereits früh Interesse an der Pferdezucht und half seinem Vater. Mein Mann und ich gaben unsere Lieb’ an die Söhne weiter. Die drei sind sich bis heut’ in brüderlicher Zuneigung zugetan. Die Buben sollten wissen, wie man liebevoll miteinander umgeht. Der kleine Octavian hing sehr an seinem Vater und war ihm nah. Sie unternahmen viel gemeinsam, ritten aus, gingen aber auch an den See zum Fischen. Er sieht seinem Vater sehr ähnlich, das schmale Gesicht, die schlanke mittelgroße Gestalt und die blauen Augen sind von ihm. Das braune wellige Haar hat er von mir geerbt. Er ist wirklich ein schöner junger Mann ’worden.“ Der schöne junge Mann wird ganz verlegen und schaut errötend vor sich hin. Sie schaut ihren Sohn liebevoll an. „Das Vertrauensverhältnis zu seinen Eltern war sehr groß und ist es nach dem Tod des Vaters zu mir bis heut’ geblieben. Mit seinen kleinen Ängsten und Sorgen kam er zu seinem Vater und kommt er immer noch zu mir. Der Tod seines Vaters traf ihn hart.“

Octavian, seiner Mutter bislang schweigend zuhörend, ergreift nun mit leiser Stimme das Wort: „Ich war erst zwölf Jahr’ alt, als mein Vater von uns ging. Es hat mich sehr getroffen und ich flüchtete mich oft weinend in den Schoß meiner Mutter. Ich kann mich aber auch lebhaft an mein elftes Wiegenfest erinnern, als mein Vater mich bei der Hand nahm und mich in die Stallungen führte. Er zeigte mir ein ganz junges Pferd, welches g’rade von seiner Mutter getrennt worden war. Er schenkte es mir als Gab’ zu meinem Ehrentag. Ich freute mich unbändig. Es war eine wunderschöne Stute. Sie erhielt von mir den Namen Resi. Versorgt wurd’ sie jeden Tag von mir selbst, ich fütterte und pflegte sie und wurde ihr Freund. Uns verbindet bis heut’ eine innige Freundschaft und ich pfleg’ sie auch heut’ noch selbst. Wir sind fast immer zusammen.“ Er macht eine kleine Pause, als müsste er nachdenken, doch dann fährt er fort: „Eines Tages ließ sie mich auf ihren Rücken steigen und ich durfte sie reiten. Wir ritten über die Felder mit und ohne Sattel und ganz ohne Zügel. Wenn ich mit ihr spazieren geh’, läuft sie mir freiwillig ohne Zaumzeug nach, wie ein kleines Hunderl. Einen anderen Reiter duldet sie jedoch nicht.“

Nach einer kleinen Pause fährt er seufzend fort: „Als mein Vater von uns gegangen war, stand ich anfangs häufig bei ihr im Stall, hab’ oft meine Arme um ihren Hals gelegt und bitterlich geweint. Sie drängte sich dann an mich, so als hätt’ sie verstanden und wollt’ mich trösten. Sie ist wirklich etwas ganz Besonderes. Ich hab’ sie sehr liebgewonnen.“

Faninal, Sophie und die Leitmetzerin schauen ihn an und sehen, wie ihm dieser Bericht sehr nahe geht. Sophie geht zu ihm und legt ihre Arme um ihn, küsst ihn auf die Stirn. Octavian schaut sie lächelnd an, rückt seinen Stuhl nahe an den ihren und legt ihr freundschaftlich den Arm um die Schultern.

Faninal schaut in die Runde und fragt dann mitfühlend: „Die Fürstin hat uns nach dem Maskenstreich gebeten, in ihrem Wagen heimzufahren. – Sie hat unsere Kinder selbstlos zueinander’geben. In ihrem Palais brach sie dann weinend zusammen, sie hat mir sehr leidgetan. Unsere Kinder haben sich rührend um sie ’kümmert. Das weitere Geschehen ist ja bekannt. Ich würd’ nun gern ein wenig mehr über diese liebe Frau erfahren, würd’ Erlaucht uns ein wenig erzählen?“

Die Marchesa holt tief Luft, seufzt und antwortet Faninal und der Leitmetzerin: „Die Marschallin, genau gesagt die Feldmarschallin Marie Theres’ Fürstin Werdenberg ist meine liebe Freundin. Wir kennen uns seit vielen Jahren. Es ist mir noch sehr im Gedächtnis, wie sie, von ihren Eltern bestimmt, dem Mann zur Ehe ’geben wurd’, der heut’ als einer der obersten Feldherrn unserer Kaiserin Maria Theresia dem Reich als Feldmarschall dient. Ihren Eltern habe ich damals von dieser Eh’ abg’raten. Marie Theres’ kam nur wenige Monate zuvor als junges Mädel aus der Klostererziehung heim und wurd’ dann mit ihrem Ehemann vermählt. Eine unbeschwerte freie Jugend war ihr daher nicht vergönnt. Liebe war bei dieser Eheschließung nicht gegeben, die Lieb’ blieb zwischen den Ehegatten auch bis heut’ aus.“

Die Marchesa Rofrano versinkt in Gedanken und schaut traurig für eine Minute auf den Boden, dann erhebt sie leise die Stimme: „Ihr Eh’mann ist durch den Krieg um Schlesien oft zum Dienst im Feld. Ist er aber Zuhaus, geht er vielmalen auf die Jagd, oft weit von Wien fort. Seine Frau ist daher sehr einsam. Sie tut mir leid. Sie ist eine junge schöne Frau von grad’ mal knapp zweiunddreißig Jahr’. Außerdem ist sie eine fromme Frau, die Herzenswärme und Herzensgüte besitzt. Ihrem Gemahl ist wohl nicht bewusst, welches Juwel er in dieser Frau hat.“ Es herrscht kurze Zeit Stille.

Sie ergreift erneut das Wort: „Da wir nun gespeist haben, möcht’ ich meinen lieben Besuch bitten, sich in den Garten zu begeben.“

Herr von Faninal steht auf, rückt zuvorkommend den Stuhl der Marchesa vom Tisch, sie erhebt sich und reicht ihm die Hand. Er führt sie galant zur Fenstertür, durch die die Sommersonne fällt. Octavian reicht Marianne Leitmetzerin ebenso rechts den Arm und nimmt Sophie links bei der Hand. Sie verlassen das Haus und schreiten über eine geschwungene steinerne Treppe der vorgelagerten Terrasse in das Gartenparterre mit blühenden barockgewundenen Blumenfeldern aus vielfarbigen Sommerblumen. Dazwischen befinden sich schöne ornamentierte Rasenstücke. Es ist ein warmer Sommertag im Juni, ein leiser Wind streicht über den Garten. Sie hören Vögel zwitschern und Insektengesumm. Auf einer der Rasenflächen im Schatten des Hauses und eines Baumes haben die Lakaien einen Tisch vorbereitet, auf dem Tassen, Gebäck und neben jeder Tasse eine kleine Kanne mit Schokolade bereitstehen. Faninal führt die Marchesa und Octavian die Leitmetzerin zu Tisch. Auf einen Wink der Marchesa entfernen sich leise die Lakaien.

Marianne, die bis dahin geschwiegen hatte, wendet sich an Sophie: „Die jungen Leut’ möchten sich bestimmt eine Weile im Garten ergeh’n!“

Das lassen sich die beiden nicht zweimal sagen. Octavian zieht seine Jacke aus und wirft sie über einen Stuhl. Sophie zieht ihn schnell fort, sie entfernen sich vom Palais, hinein in den großen Garten. Die Zurückbleibenden sehen, wie die beiden ihr Beisammensein genießen. Ein kleines braunes Eichkatzerl springt hinter ihnen über den Gartenweg und erklettert einen nahen Baum.

Herr von Faninal steht neben der Marchesa und meint: „Ich bin froh, mein Kind so glücklich zu sehen, der Lerchenau wär’ wirklich ihr Unglück gewesen. Gott sei Dank ist Ihr Sohn mit dem Degen dazwischen ’gangen. Der Maskenstreich Ihres Buben und die Marschallin haben ihn aus dem Feld g’schlagen und mein Kind in den Arm dessen ’geben, den der liebe Gott wohl vorbestimmt hat. Was war ich doch für ein Hornochs’!“ Er schüttelt noch jetzt über seine Dummheit den Kopf.

„Ja, ja – man kann schon mal einen Fehler machen, gut wenn man’s merkt, bevor ein Unglück g’schieht“, meint nachsichtig die Marchesa und lächelt ihn mild an.

„Ist noch einmal gut aus’gangen für mein Ziehkind, das Sopherl“, schmunzelt die Leitmetzerin. Herr von Faninal fordert die Marchesa auf, Platz zu nehmen und ihren Bericht über Marie Theres’ fortzusetzen.

Sie erzählt nun weiter: „Marie Theres’ war siebzehn Jahr’ und grad ein Jahr verheirat’, als sie meinen Sohn kennenlernte. In einem der kleinen Gärten in Schönbrunn war’s! Sie saß auf einer Bank, als ein kleiner Bub gelaufen kam. Er fiel vor ihren Füß’ auf den steinigen Weg. Knie, Händ’, Nas’n waren blutig g’schlagen. Sie hob den Kleinen auf, setzte den weinenden Buben auf ihren Schoß und hielt ihn in ihren Armen, wiegte ihn und versuchte ihn zu trösten. Ich kam herzu, wir trugen dann gemeinsam den Kleinen in den Wagen und fuhren heim, um seine Wunden zu verbinden. Das war der kleine Octavian, da war er zwei Jahr’ alt. Danach, bis vor etwa einem dreiviertel Jahr, hat sie ihn nie wiedergesehen.“

Eine Pause tritt ein, nachdenklich nimmt sie die Erzählung nach einer kleinen Weile wieder auf: „Im Spätsommer im letzten Jahr, es war grad’ Jagdbeginn, gab der Feldmarschall ein Fest im Garten des Werdenbergschen Schlosses vor den Toren Wiens. Da begegneten sich die Marschallin und mein Sohn bei dem Fest. Mein Bub stand oben, wie er mir erzählte, auf der Gartentreppe, die voller Gäst’ war, Marie Theres’ stand am Fuß dieser Trepp’n, sie drehte sich um und erblickte ihn. Beide verliebten sich heftig in der Minute ineinander. Wie Octavian mir danach erzählte, sei es ihm wie ein Blitz ins Herz gefahren. Es wär’ ihm dann gewesen, als seien keine weiteren Leut’ mehr auf der Trepp’n g’standen, er sah nur noch Marie Theres’ und wie mir Marie Theres’ später gestand, ist es auch ihr so ergangen.“

Ein mütterliches mitfühlendes Lächeln geht über ihr Gesicht, sie schweigt eine kleine Weile, niemand mag ihr jetzt etwas entgegnen. Dann berichtet sie weiter: „Es war die erste Lieb’ meines Sohnes. Er war vollkommen verwirrt. Er sprach oft über sein Gefühl, wusst’ noch nicht, wie er damit umgehen sollt’.“ Nachdenklich hält sie inne. „Wieso diese beiden? War es etwa ein unbewusstes Erinnern an damals in Schönbrunn?“

Wieder ist eine kleine Pause in ihrem Bericht eingetreten, dann leise: „Marie Theres’ wehrte sich gegen die Lieb’ zu meinem Sohn, wie sie mir gestand, da sie doch eine verheiratete Frau ist. Sie gab ihm zu verstehen, dass eine Liaison mit ihr nicht in Frage käm’. Sie stand getreu zu ihrem, wenn auch ungeliebten, Eh’mann. Mein Bub warb trotzdem um sie, sie wies ihn aber ab!“

Die Marchesa macht eine Pause, senkt erneut den Kopf und schweigt, versunken in ihren Gedanken. Die Leitmetzerin und Herr von Faninal sind ebenfalls nachdenklich geworden und schweigen. Jeder hängt seinen Gedanken nach.

Die Marchesa reißt sich aus ihrer Versunkenheit und erzählt: „Oft sah ich meinen Buben hier allein durch den Garten streifen, sein Pferd begleitete ihn, dann stand er mitten auf der Wies’n, den Hals Resis umschlungen und bitterlich weinend. Ich ging oft zu ihm und tröstete ihn. Sein Herz fand kein Du! Auch Marie Theres’ sehnte sich nach meinem Sohn, blieb jedoch standhaft, saß oft hier und weinte bitterlich, auch sie musst’ ich oft aufrichten.“

Vor drei Tag’ aber kam er und offenbarte mir, wie er sich bei der Rosenübergab’ in Seine Tochter verliebt hat. Mein Sohn erzählte, es sei ihm mit Sophie so ergangen, wie damals mit Marie Theres’. Octavian war ganz verwirrt, er hatte doch nur im Auftrag von Marie Theres’ die Ros’n überbringen wollen. Er berichtete mir, es sei da ganz plötzlich die Ros’n in seinem und in Ihro Tochter Herz auf’gangen, ohne ein Zutun. Die Lieb’ war plötzlich da. Er konnt’ es nicht erklären. Hat sich da die Jugend an die Jugend fest’bunden?“

Faninal erzählt: „Meine Tochter hat mir Gleiches berichtet. Sie hat durch den Lerchenau vom Verhältnis der Fürstin mit Ihrem Sohn im Beisl erfahren, weil der das so offen und unverschämt ausgebreit’ hat.“

Sie ist erneut in Gedanken versunken, dann: „Marie Theres’ tut mir sehr leid. Die beiden haben sich so lieb. Sein Gefühl für Marie Theres’ ist immer noch da, doch die Waagschal’ ist nun für Seine Tochter ausg’schlagen. Er ist kein leichtfertiger Bub, er ist über den Vorgang immer noch selbst sehr verwundert. Mein Sohn begreift es noch nicht, was da vor’gangen ist.“

Faninal ergänzt, dass es seiner Tochter ebenso ergeht: „Sie begreift noch nicht, was mit ihrem Herz geschehen ist. Ich seh’ sie jedoch sehr glücklich.“

Sie schweigen nachdenklich, nur das Zwitschern der Vögel ist zu hören. Dann ertönt hinten im Garten ein Pfiff, gleich darauf ist Hufschlag zu vernehmen, über Blumenbeete und Rasen galoppiert ein wunderschönes Pferd in Richtung seines Besitzers.

Die Marchesa wendet sich Faninal und der Leitmetzerin zu: „Das ist Resi, sein treues Pferd. Es hört auf seinen Pfiff. – Rennt mir nur jetzt die Blumen um!“ Doch sie lacht laut über das Ungestüm des Pferdes. „Dem lieben Tier kann man nicht bös’ sein.“

Hinten im Garten warten Sophie und Octavian auf Resi, die scharf vor ihrem Herrn die Hufe in den Boden stemmt, die Ohren aufrichtet und vor ihm stehen bleibt. Mit ihren zarten Lippen zwickt sie ihm sanft in die Nase.

„So begrüßt sie mich!“, erklärt dieser seiner Freundin. Er greift in die Tasche seiner Weste und zieht einen halben Apfel heraus, den Resi vorsichtig aus seiner Hand nimmt. Lachend streichelt er Resi über Nüstern und Hals.

„Sophie, nun lernst du auch dieses hinreißende Geschöpf kennen, wegen ihr hab’ ich auch in allen Westen und Jacken klebrige Taschen, weil ich immer einen Leckerbissen für sie bei mir hab’.“

Sophie nähert sich dem schönen Tier, streichelt seinen Hals, seinen Rücken, fährt ihm sanft über die weichen rosa Nüstern.

„Es ist wirklich ein wunderschönes Pferd. Ich kann gut verstehen, wie gern du es hast.“

Octavian schwingt sich auf Resis Rücken und sieht Sophie an: „Möchtest du mit mir reiten? Resi wird es dulden, weil auch ich hier bin. Allein würd’ sie niemand andren auf ihrem Rücken sitzen lassen.“

Er zieht Sophie vor sich auf das Pferd. Resi steht ganz still. Octavian dreht Sophie zu sich und küsst sie innig. Sie schmiegt sich glücklich in seine Arme und er hält sie liebevoll mit beiden Armen fest. Ein kleines Zeichen und sein Pferd geht ruhig mit seinen Reitern durch den Garten einem kleinen schattigen Hain zu. Dahinter liegt rechter Hand ein kleiner Teich, weiter verliert sich der Garten in ein paar Weiden und obstbaumbestandenen Wiesen. In der warmen Sommersonne schwirren Lerchen in der Luft, die ihren Gesang hören lassen. Sie hören Grillen zirpen und Bienen summen. Reiter und Reiterin schweigen, sie genießen ihr Zusammensein, Resi geht dabei langsam ihren Weg. Nach einer kurzen Weile hält sie bei einem kleinen Bach an, bleibt stehen und schaut ihren Herrn an.

„Du möchtest baden?“, fragt er freundlich sein Reittier. Ein leises Schnauben gibt ihm die Antwort auf seine Frage. Octavian springt vom Pferd und lässt Sophie von Resis Rücken gleiten, fängt sie auf, umschließt sie liebevoll mit beiden Armen und küsst sie innig. Sie umschlingt ihn ebenso mit ihren Armen und beantwortet den Kuss. Sie stehen lange da und schweigen, man sieht nur ihre glücklichen Gesichter. Die beiden Liebesleute setzen sich ans Bachufer, ziehen Schuhe und Strümpfe aus und lassen die Beine im kühlen Bach baumeln. Sie schauen vergnügt zu, wie Resi das Bad im Bach übermütig genießt.

Nach einer Zeit bemerkt Sophie ganz leise: „Taverl, Marie Theres’ hab’ ich, wie sie uns zusammen’geben hat, sehr liebgewonnen. Sie ist eine ungewöhnlich gütige und liebe Frau.“ Sie sieht Octavian voller Liebe an: „Dass du sie so gern hast, kann ich gut verstehen und ich will dieser herzensguten Frau nicht unsere Freundschaft entziehen, wie wir das bereits besprochen haben. Wie ich sie in ihrem Boudoir so sah, wie hat sie gelitten, was hat es sie für eine Kraft gekost’, dich zu mir gehen heißen. Ich muss immer wieder dran denken. Ich hab’ da genau verstanden, was sie dir bedeut’ und du ihr.“

Octavian sieht Sophie zärtlich an und ein trauriges Lächeln huscht über sein Gesicht. Leise antwortet er: „Marie Theres’ wohnt weiter in meinem Herz. Ich möcht’ ihr so gern helfen, ihren eigenen Mann lieb zu gewinnen und dass auch der Feldmarschall endlich begreift, was für eine wunderbare Frau er hat und dass Marie Theres’ seiner Lieb’ bedarf. Trotz allem spür’ ich nur, wie meine Lieb’ zu dir da ist und die Lieb’ zu Marie Theres’ weit überwiegt.“

Nach einer Pause schaut er in die Ferne, dann in die Augen Sophies, spricht mit etwas Überwindung, aber doch ganz offen: „Ich möcht’ dir ehrlich etwas anvertrauen: Mit Marie Theres’ hab’ ich zwei Tag’, bevor ich dir als Rosenkavalier gegenübergetreten bin, eine Nacht verbracht. Es war die Erfüllung unserer Lieb’. Ich war da das erste Mal mit einer Frau zusammen. Es war wirklich wunderschön, wir waren in dieser Nacht überglücklich. Es war nicht einfach ein Zusammensein, unsere gegenseitige Lieb’ hat diese Nacht erfüllt. Das kann man nicht einfach vergessen, das hat sich in meine Seel’ eingebrannt. Bist du mir jetzt bös’, weil ich dir das so offen gesteh’? Der Lerchenau hat es ja als Nötigung in deinem Beisein fast ausg’sprochen, als er mein Verhältnis zu Marie Theres’ so unverschämt ausg’breit’ hat. Daher wollt’ ich dir das selbst anvertrauen, damit du es nicht aus einem unberufenen Mund erfährst.“

„Ich hab’ mir das bereits ’dacht, der Lerchenau hat es so ausg’sprochen, dass ich es unschwer erraten konnt’“, antwortet Sophie ihm lächelnd. Sie streicht ihm sanft über sein Gesicht. „Nein, ich bin dir nicht bös’, Bub, es war anständig von dir, mir das zu erzählen. Das war bestimmt nicht leicht für dich, drüber zu sprechen. Es war aber doch auch ein Ereignis, bevor wir zwei uns lieben lernten. Ich werd’ auch nicht drüber reden.“ Sie schaut ihn ernst an. „Wer weiß denn schon, was morgen oder den übernächsten Tag geschieht!“

Sie sieht Octavian liebevoll an und umarmt ihn. Er nimmt sie zärtlich in den Arm und wiegt sie wie ein Kind.

„Ach, du bist doch mein Schatz! Ich hab’ nie mit einer Frau ein Bett teilen wollen, für die ich keine Zuneigung empfind’. Ich hab’ es daher auch vorher niemals getan“, gesteht er ganz leise und scheu Sophie. Sie nimmt ihn sanft in ihre Arme.

„Du bist wirklich ein anständiger Bub.“ Er sieht sie sehr liebevoll an und küsst sie auf die Nase.

Nach einer kleinen Pause meint er munter: „Meine Mutter, Marie Theres’ und auch du, ihr nennt mich Bub, ich bin aber ein Mann, doch es hört sich aus eurem Mund sehr liebevoll und innig an, daher mag ich’s.“ Dabei drückt er Sophie herzlich an sich.

Sein Gesicht wird sehr ernst und ärgerlich erzählt er weiter: „Der Lerchenau sagte das auch zu mir, er machte mich aber lächerlich und nahm mich nicht ernst. Das war etwas völlig andres. Ihn hätt’ ich zurechtgewiesen, diese Anred’ zu unterlassen.“

Erregt bricht es aus ihm heraus: „Er ist ein schmutziger Kerl, wirklich ohne Anstand und ohne jegliche Ehr’. Wie er mich nach der Rosenübergab’ zu dir zog und meinte, er hätte nichts dagegen, wenn ich dir schöne Augen machen möcht’ und dich mit einem ungerittenen Pferd verglich, da hab’ ich mich geschämt und dich beschmutzt gefühlt. Es tat mir in der Seel’ weh, wie er über dich geredet hat.“

Stockend fährt er fort: „Dann zog er das Verhältnis zwischen Marie Theres’ und mir nach dem Maskenstreich in deiner Anwesenheit durch seinen schmutzigen Mund. Da hätt’ ich gern’ etwas gesagt, aber Theres’ wies ihn ja in die Schranken und aus der Tür. Ich bin Gott dankbar, dass der Lerchenau dich nicht bekommen hat. Du darfst es ruhig glauben, ich wär’ sehr gern mit ihm hinter euer Palais ’gangen und hätt’ ihm mit meinem Degen Anstand bei’bracht.“

Danach liegen sie schweigend nebeneinander im Gras, Octavian kaut auf einem Grashalm und Sophie blinzelt in die Sonne. Sie wendet sich ihm nach einer Weile zu, streicht zärtlich über seine Wangen, über sein Haar, nimmt ihm den Grashalm aus dem Mund und küsst ihn innig.

„Du bist wirklich der liebste Bub, den ich kenn’ und ich hab’ dich sehr lieb.“

Er umschlingt sie mit seinen Armen, sie hören nur auf ihre Herzen. Resi hat sich nach einem ausgiebigen Bad neben ihren Herrn gelegt und schläft. Ruhe und Frieden legen sich über die kleine Gruppe.

Der Haushofmeister kommt aus dem Palais, tritt an die Marchesa heran und vermeldet das Eintreffen der Marschallin. Die Marchesa weist ihn an, einen weiteren Stuhl sowie ein Gedeck an ihren Tisch zu bringen. Sie steht auf, eilt ihrer Freundin entgegen und begrüßt sie mit einer herzlichen Umarmung.

„Sei uns willkommen!“ Warmherzig fordert sie ihren Gast auf: „Komm, Theres’, nimm an unserem Tisch Platz. Heut’ hab’ ich Herrn von Faninal und die Frau Marianne Leitmetzerin zum Besuch hergebeten, damit die Familien sich näher kennenlernen mögen. Die jungen Leut’ sind auch da, aber auf Resi ausgeritten.“