Lovecrafts Schriften des Grauens 37: Das Fest - Anton Serkalow - E-Book

Lovecrafts Schriften des Grauens 37: Das Fest E-Book

Anton Serkalow

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Beschreibung

Mit einer außergewöhnlichen Party will die Musikerin Fiona Scheller ihr Comeback-Album Die Masken des Nyarlathoteppromoten. Als eine spielerisch gedachte Beschwörung völlig außer Kontrolle gerät, werden die als Bodyguard engagierte Saliha Atar und der Influence-Star Kay Boehm, in grauenvolle Ereignisse verstrickt, die sie für immer miteinander verbinden und weit über die Grenzen alles bisher Vorstellbaren katapultieren. Die Menschheit ist nur eine, vielleicht die geringste, der hoch entwickelten, dominanten Rassen in der langen und weitgehend unerforschten Geschichte dieses Planeten. DER SCHATTEN DER ZEIT von H. P. Lovecraft Verfluchte Träume eine Serie innerhalb der BLITZ-Reihe H. P. Lovecrafts Schriften des Grauens »Vermutlich wissen Sie alles über die schrecklichen Mythen aus der Zeit, bevor der Mensch auf Erden erschien – die Yog-Sothos und Cthulhu-Sagenkreise – und auf die im Necronomicon angespielt wird.« H. P. Lovecraft in Der Flüsterer im Dunkeln Wissen wir wirklich alles darüber? Verfluchte Träume destilliert die Essenz des Cthulhu-Mythos, verwebt sie mit diversen Motiven der phantastischen Popkultur, von modernem Horror bis zu Urban Legends, und kreiert eine eigenständige Geschichte. Der Umgang mit Lovecrafts Schaffen ähnelt der Art, wie die TV-Serie Castle Rock mit dem Oeuvre von Stephen King verfuhr. Verfluchte Träume versteht sich als respektvolle Verbeugung vor dem von Lovecraft kreierten kosmischen Grauen und scheut dabei nicht die kritische Auseinandersetzung. Indem sie die Handlung in das heutige Deutschland verlegt, gleicht sie mehr dem Ansatz, den Alan Moores Comicerzählungen Neonomicon und Providence verfolgten, als andere bisher im deutschen Raum veröffentlichten Neuerzählungen der Originalgeschichten. Die Exklusive Sammler-Ausgabe als Taschenbuch ist nur auf der Verlagsseite des Blitz-Verlages erhältlich!!!

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In dieser Reihe bisher erschienen:

2101 William Meikle Das Amulett2102 Roman Sander (Hrsg.) Götter des Grauens2103 Andreas Ackermann Das Mysterium dunkler Träume2104 Jörg Kleudgen & Uwe Voehl Stolzenstein2105 Andreas Zwengel Kinder des Yig2106 W. H. Pugmire Der dunkle Fremde2107 Tobias Reckermann Gotheim an der Ur2108 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Xulhu2109 Rainer Zuch Planet des dunklen Horizonts2110 K. R. Sanders & Jörg Kleudgen Die Klinge von Umao Mo2111 Arthur Gordon Wolf Mr. Munchkin2112 Arthur Gordon Wolf Red Meadows2113 Tobias Reckermann Rückkehr nach Gotheim2114 Erik R. Andara Hinaus durch die zweite Tür2115 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo2116 Adam Hülseweh Das Vexyr von Vettseiffen2117 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo 22118 Alfred Wallon Salzburger Albträume2119 Arno Thewlis Der Gott des Krieges2120 Ian Delacroix Catacomb Kittens2121 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo 32122 Tobias Reckermann Gotheims Untergang2123 Michael Buttler Schatten über Hamburg2124 Andreas Zwengel Finsternacht2125 Silke Brandt (Hrsg.) Feuersignale2126 Markus K. Korb Treibgut2127 Tobias Reckermann (Hrsg.) Drommetenrot2128 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo 42129 Peter Stohl Das Hexenhaus in Arkheim2130 Silke Brandt (Hrsg.) Das Kriegspferd2131 Anton Serkalow Berge des Verderbens2132 Klaus-Peter Walter Sherlock Holmes gegen Cthulhu2133 T. E. Grau Diese alten und dreckigen Götter2134 Anton Serkalow Träume im Heckenhaus2135 Michael Buttler Die Astronautenvilla2136 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo 52137 Anton Serkalow Das Fest2138 Julia A. Jorges Hochmoor2139Manuela Schneider Unbekannter Feind2140 Jörg Kleudgen & Uwe Voehl Halligspuk

Das Fest

Verfluchte Träume 1

Lovecraft’s Schriften des Grauens

Buch Sieben­und­dreißig

Anton Serkalow

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.

© 2024 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Korrektorat: Melanie Lübker

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Logo: Mark Freier

Vignette: Jörg Kleudgen

Satz: Gero Reimer

2137v1

ISBN: 978-3-7579-7275-2

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Anmerkungen

„Vision ist die Kunst, Unsichtbares zu sehen.“ Jonathan Swift

Kapitel1

Im Fahrstuhl stank es nach Pisse, Bier und Hasch. Die Wände waren mit Tags vollgeschmiert, die Tafel mit den Knöpfen sah aus wie ein halb herausgerissenes Glied, das jetzt nur noch an einigen Sehnen baumelte.

Ein Wunder, dass das Ding überhaupt noch fährt, dachte Harald Offenberger, als er die Kabine bestieg und dabei den Eindruck hatte, dass diese wankte wie ein schlecht vertäutes Boot im Sturm. Die Treppen würden allerdings nicht viel besser aussehen, und der Gedanke, die ganzen Etagen bis nach oben zu laufen, bereitete ihm auch nicht gerade Vergnügen. Offenberger hatte solche Häuser zu Genüge gesehen. Plattenbauten, die selbst an einem Frühlingstag wie heute, bei Vogelgezwitscher und Blütenrausch, aussahen wie in Nebel aus Dreck gehüllt. Stahlbetonkonstruktionen, die zu vibrieren schienen wie ein Bienenstock auf Speed. Untermalt mit der Geräuschkulisse aus einem billigen Actionfilm: Gesprächsfetzen in allen möglichen Sprachen, Liebesdramen, ob aus dem TV oder dem Schlafzimmer, Rap, Schlager, Geschrei, Gelächter und Gestöhne.

Die Kids auf dem Spielplatz hatten sich von der Armada an Einsatzfahrzeugen vor dem Eingang nicht in ihren mitternächtlichen Beschäftigungen stören lassen. Vielmehr hatte Offenberger den Eindruck gehabt, dass sie den Wechsel aus Rot- und Blaulicht, der die Fassaden mit einem jeweiligen Farbfilter tränkte, als willkommene Lightshow für die Hip-Hop-Videos nutzten, die sie mit ihren Smartphones zwischen den Klettergerüsten, von denen die Farbe abblätterte, drehten. Smartphones, die vermutlich so viel kosteten, wie Offenberger im Monat verdiente.

Dass hier überhaupt jemand die Polizei gerufen hatte, war schon ein Wunder. Im Grunde war das doch eine völlig normale Atmosphäre für diese Uhrzeit in dieser Gegend. Damit allein war klar, dass etwas Großes im Gange war. Nicht einfach nur Ruhestörung aufgrund von häuslicher Gewalt, die an der Wohnungstür dann als etwas lauter gewordene Party erklärt wurde.

Ivo Dragicevic, der ihn vor dem Haupteingang in Empfang genommen hatte und jetzt neben ihm stand, bestätigte die Vermutung des Hauptkommissars, ohne dass dieser fragen musste.

„Die Geräusche, die aus der betroffenen Wohnung gekommen sind, waren dann wohl auch für die Verhältnisse hier etwas zu …“ Dragicevic machte eine Pause und wischte auf seinem Tablet, das er wie eine antike Statue ihre Tafel mit den eingemeißelten Hieroglyphen im Unterarm balancierte, herum. „Ungewöhnlich.“

Was war nur aus den guten alten Notizblöcken geworden, dachte Offenberger. „Was wissen wir bisher über das Opfer?“, fragte er laut.

„Bisher heute Abend eigentlich nichts Auffälliges. Der Kerl hat wohl öfter mal ziemlich laute und seltsame Musik gehört.“

Offenberger zog eine Augenbraue in die Höhe. „Das will schon was heißen in dieser Gegend. Wer sagt das?“

„Der Nachbar. Meinecke. Justus Meinecke, der den Notruf gewählt hat. Ich habe vorhin seine Aussage aufgenommen.“ Dragicevic wischte wieder über sein Tablet und eine männliche Stimme erklang, die zeigte, dass der Kommissar die Formulierung wortwörtlich gemeint hatte. „Ziemlich absonderliche Klänge, deren Harmonien in keinerlei Beziehung zu irgendeiner mir bekannten Musik standen, die mich aber durchaus in ihren Bann schlugen“, tönte es aus dem Tablet.

„Bitte?“

Dragicevic zuckte mit den Achseln.

„Ist der Kerl … dieser …“

„Meinecke, Justus Meinecke.“

„… ist der Musiker? Komponist oder so?“

„Nein. Er studiert Informatik.“

„So redet doch kein normaler Mensch.“

„Nun ja, Chef.“ Dragicevic blickte demonstrativ auf sein Tablet. Ja, schon verstanden, murmelte Offenberger im Stillen. Ich bin zu alt für so einen Quatsch.

 „… aber heute Abend, also so ab ungefähr 21:30 Uhr, wurde die Musik immer absurder. Grauenhafter als alles, was ich je gehört habe. Verstehen Sie mich nicht falsch.“

„Lassen Sie sich Zeit.“

„Also … ähm … ja. Gut. Ich meine, es klang, als würde er versuchen, Lärm statt wie bisher Musik zu erzeugen. Lärm, der aus Angst heraus entsteht, um etwas zurückzudrängen oder zu übertönen. Verstehen Sie? So, als würde man im Wald ein Wildschwein anschreien und in die Hände klatschen, damit es einen nicht angreift. Das war eher ein irrwitziges Spiel, fiebrig und hysterisch zugleich, das aber dennoch bis zum Letzten von der überragenden Genialität des Musikers zeugte …“ Dragicevic spürte den Blick des Hauptkommissars. Er zuckte mit den Schultern und stoppte die Aufnahme. Ein Pling ertönte und die Tür zum Aufzug öffnete sich mit einem Stöhnen, wie ein alter Mann, der sich kaum noch aus dem Sessel hieven konnte.

„Und darum hat er die Polizei gerufen?“

Vor den beiden Polizisten erstreckte sich links und rechts ein schmaler Flur. Das Linoleum auf dem Boden hatte längst Blasen geschlagen, die Farbe ließ keine Rückschlüsse darauf zu, ob es sich um ein gewolltes Muster oder den Dreck der Jahrzehnte handelte, der sich hineingefressen hatte. Der Ton, in dem die Wände getüncht waren, erinnerte Offenberger an Erbrochenes. Mehrere der Lampen an der Decke waren blind, andere flackerten. Der Geruch von gewachsten Spänen mischte sich mit dem von gekochtem Kohl, scharfem Curry, Chlorbleiche und billigem Weichspüler, wobei Letzterer offenbar im Versuch, die anderen Düfte zu übertünchen, exzessiv zum Einsatz gebracht wurde.

Auch wenn die Beamten vor Ort alle Leute erfolgreich wieder in ihre Wohnungen zurückgedrängt hatten, glaubte Offenberger, nur allzu deutlich die Gesichter zu erahnen, wie sie sich von hinten gegen die Pressspantüren drückten. Die Augen hinter den verschmierten Spionen zusammengekniffen.

„Den Notruf hat er informiert wegen eines lauten, wilden Kreischens und Wimmerns, begleitet von einem Krachen.“ Dragicevic deutete in den Flur. „Wegen dem da!“

„Das waren wohl nicht wir“, murmelte Offenberger. Dies war nicht als Frage gemeint, denn es war zu offensichtlich, was sich den beiden Polizisten darbot.

Der einzige Abschnitt des tristen Flures, der mit Neonstrahlern in schon fast schmerzhafte Helligkeit getaucht war, zeigte die leere Zarge, während die Tür zu der Wohnung verbogen und halb geborsten auf der Erde lag. Was allerdings an ein physikalisches Wunder grenzte, denn der billige Pressspan war von innen mit mehreren schweren Metallriegeln und Schlössern gesichert gewesen.

„Nein. Dann würde die Wölbung ja in die andere Richtung gehen“, antwortete Dragicevic dennoch.

Wölbung war eine ziemliche Untertreibung für das Bild, das die Tür bot. Sie sah aus, als wäre sie lediglich ein Blatt Papier gewesen, das jemand von innen mit einem Tritt zerfetzt hatte. Und das trotz der Verriegelungen.

Die Beamten, die im Flur standen, nickten dem Kommissar zu.

„Dass ihr das Ding überhaupt aufbekommen habt.“

Einer der Polizisten, der die Ramme neben sich an die Wand gelehnt hatte, antwortete: „Wenn die Tür nicht schon von innen halb aus den Angeln gehebelt worden wäre, wären wir wahrscheinlich jetzt noch nicht drin. Die ganze Wohnung ist gesichert wie Fort Knox. Selbst die Fenster sind von innen mit Stahlplatten verschraubt.“

„Er hat wohl sehr zurückgezogen gelebt, sich Essen und Einkäufe immer nur liefern lassen. Die wurden dann vor die Tür gestellt. Bezahlt vermutlich online“, gab Dragicevic Auskunft.

„Was zum Teufel hat das dann da geschafft“, fragte Offenberger und deutete mit dem Kinn auf die verbogenen Metallschienen, die das zersplitterte Kunstholz zusammenhielten.

„Na, dafür sind Sie ja jetzt hier, Offenberger“, antwortete der Polizist mit der Ramme. „So etwas wie da drinnen haben selbst Sie noch nicht gesehen. Fragen Sie den da.“ Der Beamte zeigte grinsend auf einen jüngeren Polizisten. Dieser lehnte an der Wand. Sein Gesicht wies den gleichen Farbton wie die Mauer hinter ihm auf. Auf seiner Stirn stand Schweiß und er presste ein Papiertuch, wie man es aus Spendern auf Toiletten bekam, vor den Mund.

„Ja. Das …“, setzte Dragicevic an, schwieg dann aber.

Zwei Gestalten in weißen Ganzkörperanzügen, die bei jeder Bewegung ein Knistern von sich gaben und Offenberger auch nach all den Jahren immer an Astronauten denken ließen, schritten gerade nacheinander aus der Tür in den Flur.

Ohne dass Offenberger hineintreten musste, bot sich ihm so jetzt bereits ein ungeschöntes Bild der dahinter liegenden Einzimmerwohnung. Er verschwendete keine einzige Hirnzelle daran, sich mit dem Erfassen von Einzelheiten zu beschäftigen, was die Inneneinrichtung anbelangte. Das Wesentlichste, was er sofort abspeicherte, wie eine Kamera, war die groteske Gestalt des Opfers, die vor ihnen auf dem Boden lag. Sie erinnerte Offenberger an ein Kunstobjekt, das vor etlichen Jahren – wahrscheinlich Jahrzehnten, fügte er in Gedanken hinzu – mal für ziemlichen Wirbel gesorgt hatte. Da hatte irgendein Typ eine Kuh in einzelne Streifen geschnitten, diese irgendwie in Glasscheiben konserviert und sie hintereinander angeordnet. Nur dass dieser Körper hier nicht vollständig war. Er war der Länge nach einmal halbiert worden. Es sah aus, als hätte er zu dem Zeitpunkt noch gestanden und die Glasplatte hatte ihn genau in der Mitte guillotiniert. Dann war die Scheibe wieder entfernt worden, der Körper hatte jeglichen Halt verloren und war zu Boden gesackt. Nur fehlte die andere Hälfte. Nichts in dem Rest des Raumes deutete darauf hin, dass sie je existiert hatte. Selbst wenn sie der Täter mitgenommen hatte, die einzigen Spuren von Blut, zerschnittenen Organen, Knochen, Muskeln und Sehnen waren dort zu finden, wo der Halbierte auf dem Boden lag. Von der zerstörten Tür abgesehen, erschien alles andere im Innern der Wohnung unbeschädigt.

„Das ist das, was von dem Bewohner noch übrig ist“, sagte Dragicevic. „Nachdem, wie der Nachbar gesagt hat, irgendwann mit einem Mal Ruhe war. Von einem Moment auf den anderen. Als hätte man einen Schalter umgelegt.“

„Ich habe so etwas Ähnliches schon mal gesehen“, murmelte Offenberger.

„Wirklich?“

Der Kommissar nickte. Er versuchte, sich von dem Vordergründigen abzulenken und seinen Blick jetzt auf andere Kleinigkeiten zu richten. „Ist schon ’n paar Jahre her. Die Geschichte damals im Heckenhaus.“

Dragicevic nickte. „Der Büroturm, der seitdem leer steht. Die Sache mit diesem sogenannten Fahrstuhlritual. Das ging ja ausführlich durch die Presse. Aber keine Einzelheiten zum Zustand der aufgefundenen Toten.“

„Die Frau, die wir im Aufzug gefunden haben, sah an Armen und Beinen genauso aus wie …“ Offenberger deutete mit dem Kinn zu dem entstellten Körper. „Allerdings haftete sie auf irgendeine Art und Weise, die wir niemals erklären konnten, noch an den Spiegelwänden. Erst als wir sie abgeschnitten haben, sah es so aus.“

„Nur dass die Spiegelwände hier fehlen“, ergänzte Dragicevic leise.

Offenberger nickte. „Aber den Rest, also die Hände und Füße, haben wir damals auch nie gefunden.“

„Wahnsinn“, murmelte Dragicevic.

Du sagst es, gab Offenberger still zurück. Dass ich genau so einen Scheiß noch einmal erleben muss. Ein paar Wochen vor der Pensionierung. Das war doch wohl ein schlechter Witz. Er erfasste einige Details. Elektronische Geräte, die er als Mischpulte, Synthesizer und Equipment, wie man es in einem Musikstudio aus dem Fernsehen kannte, identifizierte. Schien ziemlich teures Zeug zu sein. Passte irgendwie gar nicht hierher. Die Wände waren mit diesen Styroporplatten verkleidet, die aussahen wie Eierkartons. „Dennoch hat dieser Meinecke ihn gehört?“

„Wohl nur manchmal.“

Offenberger schüttelte den Kopf und betrachtete einige Bilderrahmen, die an den Wänden hingen. Auszeichnungen in Form von Goldenen Schallplatten. Hätte ja nie gedacht, dass es so was heute noch gibt. Aber eine vergoldete MP3-Datei als Preis war ja wohl auch Quatsch, oder?

„Er war mal eine ziemlich große Nummer gewesen“, sagte Dragicevic, der dem Blick des Kommissars gefolgt war. Dann begann er, eine Melodie zu summen.

Offenberger hörte dem ein paar Sekunden zu und gab dann ein unbestimmtes Brummen von sich.

Dragicevic, der gerade dabei war, den Körper etwas hin und her zu wiegen und die Arme zu heben, erstarrte und verstummte. „Kennen Sie nicht? Das wurde mal in diesem Jeanswerbespot verwendet. Er war früher DJ und Elektronikmusiker. Ziemlich bekannt. Hat einen Haufen Geld verdient, Tourneen, Filmsoundtracks, so Sachen halt … bis er …“ Dragicevic wischte wieder über sein Tablet. „Soweit ich im Internet herausgefunden habe, wandte er sich irgendwann so krudem Esoterikkram zu. Ging dann auch in die Richtung von Verschwörungserzählungen und so. Die haben ihn gefeiert. Er hat Musik komponiert, die mathematisch auf der Umdrehung der Planeten unseres Sonnensystems beruhte und gesagt, dass er auf der Suche nach dem Sound sei, der Materie, der die Dimensionen, also das gesamte Universum zusammenhält. Dass seine Musik allerdings nur der Schatten von Musik sei, die in einem Traum erklingt.“

Offenbergers Blick wurde bei diesen Worten von einem Plakat angezogen, das an einer Wand hing. Eine bleiche Gestalt, mit schwarzen Augen, in denen zwei Sterne kalt glitzerten.

„Sandman. Lord Morpheus, der Herr der Träume, der Gestalter. Das war sein Künstlername, den er für die letzten Produktionen angenommen hatte, bevor er vor zwei Jahren von einem Tag auf den anderen komplett von der Bildfläche verschwand. Seitdem keinen einzigen Auftritt mehr in der Öffentlichkeit. Nichts. Keine Homepage, kein Social Media. Nada. Stattdessen, wie wir jetzt wissen: Rückzug hier in den Plattenbau.“

„Wo er sich verbarrikadierte, als sei der Teufel hinter ihm her“, sagte Offenberger.

---ENDE DER LESEPROBE---