Make it count - Gefühlsgewitter - Ally Taylor - E-Book
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Make it count - Gefühlsgewitter E-Book

Ally Taylor

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Beschreibung

Romantisch und sexy – Die erste "Ocenside-Love-Story" der "Make it count"-Reihe von Ally Taylor und Carrie Price Als Katie auf der Highschool den mysteriösen Bad Boy Dillen kennenlernt, zieht er sie an wie ein Magnet. Dabei war ihre Welt bisher alles andere als rosarot, denn seit dem plötzlichen Tod ihres Vaters lebt sie bei ihrer lieblosen Mutter in der Kleinstadt Oceanside. Dillen weckt in Katie eine nie gekannte Leidenschaft, und bald ist sie ihm mit Haut und Haaren verfallen. Obwohl Dillen sich zunächst kühl und abweisend gibt, verlieren sich die beiden in einem Strudel aus wilden Träumen und heißem Verlangen. Doch dann holt die Realität sie ein … Alle Bände der New-Adult-Serie "Ocenside-Love-Stories" von Ally Taylor und Carrie Price: Band 1 - "Make it count - Gefühlsgewitter" Band 2 - "Make it count - Gefühlsbeben" Band 3 - "Make it count - Dreisam" Band 4 - "Make it count - Sommersturm"

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Ally Taylor

Make it count - Gefühlsgewitter

Roman

Knaur e-books

Über dieses Buch

Leidenschaft und Zurückweisung, Liebe und Verrat

 

Als Katie auf der Highschool den mysteriösen Dillen kennenlernt, zieht er sie an wie ein Magnet. Dabei war ihre Welt bisher alles andere als rosarot, denn seit dem plötzlichen Tod ihres Vaters lebt sie bei ihrer lieblosen Mutter in der Kleinstadt Oceanside. Dillen weckt in Katie eine nie gekannte Leidenschaft, und bald ist sie ihm mit Haut und Haaren verfallen. Obwohl Dillen sich zunächst kühl und abweisend gibt, verlieren sich die beiden in einem Strudel aus wilden Träumen und heißem Verlangen. Doch dann holt die Realität sie ein …

Inhaltsübersicht

Widmung1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. Kapitel30. Kapitel31. Kapitel32. Kapitel33. Kapitel34. Kapitel35. Kapitel36. Kapitel37. Kapitel38. Kapitel39. Kapitel40. Kapitel41. Kapitel42. Kapitel43. Kapitel44. Kapitel45. Kapitel46. Kapitel47. Kapitel48. KapitelÜber die Autorin hinter Ally TaylorDanksagung
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Für Eleni. Das ist erst der Anfang.

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1. Kapitel

Passiert ist es vor knapp drei Wochen. Doch es fühlt sich an wie ein Wimpernschlag. Als hätte sie es mir eben erst gesagt. Ich warte auf die Erkenntnis, auf den Verlust. Auf eine Welle der Tränen. Aber ich spüre es nicht. Ich spüre nichts. Mein Verstand rebelliert gegen die Wahrheit, erstickt die Gedanken, die dem Schmerz die Türen öffnen würden. Irgendetwas in mir scheint noch immer auf sein kehliges Lachen zu warten und auf die Stille, die zwischen uns lag, wenn wir beide in Gedanken versunken waren. Es ist dieses Etwas, das die Augen vor den Tatsachen verschließt. Und doch weiß ich, dass es dieses Lachen nur noch in meinem Kopf gibt. In meinen Erinnerungen, die ich nicht zulassen kann, weil es sonst wahr ist, und er tot. Weil ein Teil in mir sonst aufhört, am Leben festzuhalten, aus dem ich doch etwas machen soll. Und während irgendetwas ganz tief in mir langsam und qualvoll erstickt, atme ich ruhig weiter. Die Taubheit sieht zu, dass ich überlebe, während ein Teil in mir stirbt. Sie ist wie ein Wattebausch, der alles leiser erscheinen lässt. Das Leben ist weiter weg. Vielleicht ist es gar nicht mehr da. Es heißt immer, alles geschieht aus einem bestimmten Grund. Manchmal wüsste ich einfach gern, aus welchem.

»Katie?« Eine sanfte Stimme durchbricht die Stille und dringt in den Wattebausch. »Bist du so weit?«

Ihr Anblick katapultiert mich in die Realität. Eine Realität, in der es ihn nicht mehr gibt. In der mein Leben in Form einer schwarzen Reisetasche neben mir steht und darauf wartet, weiterzugehen, während ich nicht bereit dazu bin. Mein Blick schweift durch das leere Zimmer. Den Raum, der vor ein paar Tagen noch mein Reich war, in dem ich Gedanken gewälzt und Bücher gelesen habe und der nun verlassen ist. Der gute Geist ist ausgezogen, und ich befürchte, er wird nie wiederkommen. Das Leben ist weg. Unerreichbar. Es ist mit ihm gegangen. Und ich wünschte, er hätte mich mitgenommen.

»Katie, Liebes?«

Mein Blick folgt dem vertrauten Klang. Er wandert emotionslos über ihr schmales Gesicht. Die ausgemergelten Wangen, die roten Flecken, die eingefallenen Augenhöhlen und ihre fahle, aufgedunsene Haut. Die Abschürfungen um ihre Stupsnase und die geschwollenen Lider versetzen mir einen dumpfen Schlag, den der Wattebausch jedoch augenblicklich dämpft.

Ich atme tief ein, greife nach der Tasche und stehe auf. »Ich bin so weit.«

»Was ist mit Nathan und Michelle?«, fragt Mary vorsichtig. »Hast du dich von ihnen verabschiedet?«

»Ich sterbe nicht, ich ziehe nur um.«

*

Die schmiedeeisernen Tore öffnen sich. Umgeben von Videokameras und unüberwindbaren Mauern verbirgt sich eine Festung. Ein weit entferntes Königreich einer herzlosen bösen Königin. Wie in den Geschichten, die Dad mir früher vorgelesen hat. Die Erinnerung trifft mich unvermittelt. Wie ein Stromschlag, der mich zu Boden wirft. Ich atme scharf ein. Seine weiche Stimme hallt in meinem Kopf wider. Ihr Klang bohrt sich in meinen Brustkorb wie ein stumpfer Korkenzieher. Ich versuche, am Schmerz vorbeizuatmen, die Kette zu sprengen, die sich eng um meine Brust legt, sehne mich nach der Taubheit, die mich wieder in Watte packt.

Ein paar Wochen. Es sind nur ein paar Wochen. Dann steige ich wieder in Dads Pick-up und lasse Oceanside für immer hinter mir. Mein Blick fällt auf das rote Blinken der Kamera. Einen Moment zögere ich. So als läge hinter diesen Toren mein persönliches Gefängnis. Eine Hölle, in die ich gerade freiwillig hineinfahre. Kate, es sind nur ein paar Wochen. Bei diesem Gedanken kurble ich seufzend das Fenster hoch und gebe vorsichtig Gas.

Penibel getrimmte Buchssträucher, farblich abgestimmte Blumenbeete und alte Laubbäume säumen den Weg, der zu einem herrschaftlichen Anwesen führt. Die Reifen knirschen auf der Kiesauffahrt, und das grelle Grün der Wiese schmerzt in meinen Augen, als hätte ich sie zum ersten Mal seit langem wieder offen. Ich halte an, schalte in P und ziehe den Schlüssel ab. Mit dem alten Pick-up meines Dads bleibt auch meine Welt stehen. Ich schließe die Augen und atme tief ein. Ich kann ihn noch riechen. An diesem Geruch hängen unzählige Erinnerungen. Das Vertrauen und die Geborgenheit. Sein kehliges Lachen und dieses wissende Schweigen. Er wusste, wer ich wirklich bin. Jetzt weiß es niemand mehr. Nicht einmal ich. Bald wird der holzige Duft verfliegen. Und mit ihm mein altes Leben. Als der Schmerz sich eiskalt in mir ausbreitet, verbanne ich die Erinnerungen wieder ganz tief in meinem Inneren, und die Leere legt sich wieder schützend auf mein Gesicht.

Ich öffne die Augen und mustere das riesige weiße Haus, in dem ich von nun an leben werde, das aber niemals mein Zuhause sein wird. Mein Blick fällt auf den Pick-up. Kein Wunder, dass das mit meinen Eltern auseinandergegangen ist. Er ist das Einzige, was hier nicht ins Bild passt. Und ich natürlich.

Ich betrachte die MacDougall-Residenz. Hinter diesen weißen Mauern sitzt das letzte bisschen Familie, das ich habe. Zumindest wenn das Blut entscheidet. Meine echte Familie musste ich hinter mir lassen, weil wir nicht verwandt sind. Mary, Nathan und Michelle sitzen gerade in Wilmington, North Carolina, und mein Herz zieht sich allein beim Gedanken an ihre Gesichter schmerzhaft zusammen. Familie. Was für ein leeres Wort. In meinem Fall besteht sie aus der Asche meines Vaters und einer Rabenmutter, die ich seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen habe. Das Leben wird dir Steine in den Weg legen, Katie, aber du wirst einen Weg finden. Deinen. Okay, Dad. Okay. Ich muss die Realität nicht mögen. Weder die Frau, die mich geworfen, aber dann nicht gewollt hat, noch den Stiefvater. Und auch nicht die vielen fremden Geschwister. Ich werde mein altes Leben verlassen, und alles wird anders sein. Aber es gibt kein Zurück. Es gibt nur das Hier. Und das Hier ist weiß und herrschaftlich und widert mich an.

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2. Kapitel

Ich stehe verloren auf den Steinstufen, die zu einer schweren roten Haustür führen. Ich spüre den Pick-up im Rücken wie ein Zuhause, das es nicht mehr gibt, als plötzlich die Tür aufgeht und Mrs. MacDougall vor mir steht. Ich sehe ihr so ähnlich, dass es mir augenblicklich die Kehle zuschnürt. In ihrem erstarrten Gesicht erkenne ich, dass sie das Gleiche denkt. Ich bin so eindeutig ihre Tochter, dass es weh tut. Wir wollten wohl beide leugnen, dass es zwischen uns eine Verbindung gibt, doch wenn ich sie ansehe, sehe ich meine Zukunft. Eine ältere Version von mir. Bei diesem Gedanken verkrampfen sich meine Eingeweide, und ein beißender säuerlicher Geschmack klettert meine Brust hinauf.

»Katie.«

»Kate«, antworte ich kalt.

»Kate«, wiederholt sie, ein zaghaftes Lächeln auf den schmalen Lippen. Sie tritt zur Seite und deutet ins Innere der Festung. »Bitte, komm doch rein.«

Der Eingangsbereich erinnert mich spontan an Scarlett O’Haras Haus in dem Film Vom Winde verweht. Die Stufen scheinen kein Ende zu nehmen. Alles ist cremefarben, bis auf die Fußböden. Dunkles Holz in langen Dielen, wie auf einem Schoner. Kerzen und unzählige Sitzgelegenheiten, auf denen dem Anschein nach noch nie jemand gesessen hat, Sideboards, vollgestellt mit silbernen Bilderrahmen, gefüllt mit glücklichen Gesichtern. Ich fühle mich wie in einer Zeitschrift mit dem Leitthema Stilvoll leben in den Hamptons.

»Brian und die Kinder sind leider erst übermorgen zurück. Ich hatte wirklich gehofft, sie wären schon da, wenn du kommst.« Das glaube ich sofort, so verloren, wie sie mich ansieht. »Möchtest du, dass ich dir dein Zimmer zeige?« Ich nicke, sage aber nichts. »Gib mir doch dein Gepäck …« Sie streckt mir die Hand entgegen, und ich ziehe die Tasche näher an mich heran, so als wäre wirklich mein Leben darin verstaut und sie versucht es, mir zu nehmen. Ein Leben, das es nicht mehr gibt.

Der eiskalte Schauer streitet mit dem Schweiß um die Vorherrschaft auf meiner Haut. Ich spüre, wie sich jedes noch so winzige Härchen auf meinem Körper langsam aufrichtet, als würde es fliehen wollen. Mein Herz klopft mir bis in den Kopf. Ich spüre mich überall. Jeden Millimeter meiner Haut. Die Nervosität, die Beklemmung, meinen engen Brustkorb. So als würde ich in diesem Augenblick, in dieser gigantischen Eingangshalle, erst begreifen, dass Gordon Williams fort ist. Die Erkenntnis legt ihre kalten Hände um meinen Hals und drückt langsam zu. Er hat mich zurückgelassen. Für immer. Die Dunkelheit in meinem Inneren breitet sich aus und erreicht mein panisch schlagendes Herz. Er ist tot. Seine Stimme, dieser Geruch, das Zuhause. Der einzige Mensch, der wichtig war. Der einzige Mensch, der mich verstanden hat. Der einzige, den ich geliebt habe. Der Kloß drängt sich in meinen Hals. Er breitet sich aus, bis er an seine Grenzen stößt. In meinen Augen schwimmt die Gewissheit, dass ich nie wieder diejenige sein werde, die ich war. Tränen fluten meine Augen und laufen über meine Wangen. Ich weine lautlos. Und obwohl diese Frau neben mir steht, diese Frau, die mich lieben sollte, die ich lieben sollte, bin ich allein. Mutterseelenallein. Sie sieht aus wie ich. Sie ist wie mein Spiegelbild mit kurzen Haaren, zu schmalen Lippen und der falschen Augenfarbe. Ich spüre ihren Blick, die Fragen, die ihr auf der Zunge liegen, die sie sich nicht zu fragen traut. Das Mitgefühl, das sie mir geben will, aber nicht kann. Ich stehe in der Eingangshalle der Frau, die uns nicht wollte. Die mich nicht wollte. Der Frau, die sich für den Banker mit der Festung entschieden hat. Von der nie auch nur eine Geburtstagskarte kam oder ein Anruf. In der Eingangshalle meiner Mutter. Und alles, wonach ich mich sehne, sind seine Arme, die mich halten. Aber das werden sie nicht. Gordon Williams ist tot. Sonst wäre ich nicht hier.

Mit der freien Hand wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht.

»Kann ich etwas …«

»Es geht schon«, schneide ich ihr das Wort ab. Meine feste Stimme gaukelt Stärke vor, wo keine ist. Aber woher soll Mrs. MacDougall das wissen? Sie kennt mich nicht. »Ich bin müde von der Fahrt. Ich würde mich gern ausruhen.«

Sie räuspert sich und schluckt. »Sicher, das verstehe ich.«

Du verstehst einen Scheißdreck, denke ich, sage aber nichts. Stattdessen folge ich ihr in einen langen Korridor, der mich mit seinen vielen Türen an ein nobles Hotel erinnert. Vor der letzten Tür auf der rechten Seite bleibt Mrs. MacDougall stehen und öffnet sie.

Strahlendes Sonnenlicht dringt durch die riesigen Fenster und badet den Raum in Wärme. Ein King-Size-Bett mit zehntausend Kissen, weiße Bettwäsche, daneben zwei Nachtkästchen, ein Flachbildfernseher, zwei gerahmte Schwarzweißfotografien an der hellgrauen Wand über dem großen Schreibtisch. Überall verteilt Kerzen in kleinen Gläsern, die einen frischen zitronigen Duft verströmen, eine kleine Bank am Fußende des Bettes, ein Schaukelstuhl. Und zwei Türen. Die eine führt zweifelsohne in mein eigenes Ensuite-Badezimmer mit allem nur erdenklichen Luxus, die zweite in den begehbaren Wandschrank, den ich für meine drei Jeans und die vier Karohemden kaum brauchen werde. Mein Blick wandert über den Holzboden. Seine Patina erzählt eine alte Geschichte und gibt dem Raum ein Mindestmaß an Charakter. Das riesige Bett thront auf einem weißen Teppich. Die frischen Schnittblumen auf dem Sideboard sorgen neben den Kissen für farbige Akzente. Alles bis ins kleinste Detail durchdacht. Alles sehr geschmackvoll. Nur leider ohne Seele. Eben wie in einem Hotel. Ich lebe von nun an in der Deluxe-Suite. Das Einzige, was den Hotelcharakter durchbricht, sind eine kuschelige Lese-Ecke mit Polstern und Kissen am Fuß eines der Fenster und ein deckenhohes Regal voll mit Büchern.

»Gordon, also ich meine, dein Vater, hat mir erzählt, wie gern du liest, deswegen habe ich dir diese Ecke hergerichtet … und dir einen Teil der Bibliothek ins Regal gestellt …« Mrs. MacDougall gibt sich Mühe. Sie strengt sich richtig an. »Du kannst natürlich auch in der Bibliothek lesen.«

»Die Hauptsache ist wohl, ich lese«, sage ich bitter.

»So habe ich das nicht gemeint«, antwortet sie und schüttelt den Kopf.

Ich gehe auf das Regal zu, die Reisetasche wie ein zusätzlicher Körperteil in meiner Hand. Ich kann sie nicht loslassen. Sie ist das einzig Reale in diesem Moment. Ein Stück aus der alten Welt. Ich atme an dem stechenden Schmerz in meiner Brust vorbei und studiere die Titel. Einige davon gehören zu meinen Allzeit-Favoriten. »Warum gerade diese Bücher?«

»Mir haben die Titel gefallen.«

»Aber du hast sie nicht gelesen«, stelle ich trocken fest.

»Nein, das habe ich nicht.« Ich höre etwas in ihrer Stimme. Vielleicht Scham. »Und hier« – sie zeigt auf die Fenster, geht auf eines zu und öffnet es – »auf diesem Dach kann man in der Sonne sitzen und das Leben genießen …« Als sie meinen Gesichtsausdruck bemerkt, räuspert sie sich. »Tut mir leid, das war unpassend … ich meinte nur … vielleicht willst du dich mal raussetzen …« Sie kommt auf mich zu. In ihren blauen Augen schimmern Tränen. Ich bin froh, dass ich seine Augenfarbe habe. Warm. Wie flüssige Schokolade. »Du hast seine Augen.«

»Ich weiß.«

Einen Moment stehen wir nur da und schauen einander an. Bis das Unbehagen sie falsch lächeln und die Stille brechen lässt. »Brauchst du etwas? Hast du vielleicht Hunger?«

»Ich will allein sein.«

Sie nickt. »Natürlich.« Als sie die Tür erreicht, dreht sie sich noch einmal um. »Wir haben dich an der Oceanside High angemeldet. Das ist eine wirklich gute Schule …« Sie atmet tief ein. »Du findest alle Unterlagen im Schreibtisch.« Ich nicke. »Wenn du möchtest, begleite ich dich morgen.«

»Nein, danke, das schaffe ich auch allein.«

»Daran habe ich keinen Zweifel«, antwortet sie und schluckt. »Das Angebot steht. Nur falls du es dir anders überlegst …«

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3. Kapitel

Mein Brustkorb ist zu eng, als wäre er der einer anderen. Ein dünner Schweißfilm spannt sich um meinen Körper wie eine schimmernde zweite Haut. Mein flaches Atmen begleitet mich bei jedem Schritt. Mein hämmernder Herzschlag betäubt mir die Ohren. Aber ich funktioniere. Meine Beine sind wie ein gut erzogener Hund. Sie folgen Mrs. Miller zu meinem Spind, ohne dass mein Gehirn etwas davon mitbekommt. Fremde Flure und fremde Gesichter, die mich interessiert mustern wie ein seltenes Tier im Zoo. Ich bin das Klischee. Die Neue. Wie in einem dieser schlechten Highschool-Filme. Diese Erkenntnis lässt mich hart schlucken.

»Also, Katie …« Mrs. Miller bleibt stehen. »Das hier ist deiner … die Kombination ist 5654 … gib sie nicht weiter.« Ich nicke und versuche zu lächeln, was mir nicht so recht gelingt. Meine Mundwinkel sind wohl nicht so gut abgerichtet wie meine Beine. »Katie, ich weiß, du kennst mich nicht« – sie mustert mich nachdenklich –, »aber wenn du mal jemanden zum Reden brauchst … meine Tür steht immer offen.« Ich habe solche Sätze in den letzten Wochen dauernd gehört. Jeden Tag hat mir jemand angeboten, mit mir zu reden. So als würde das Darüberreden meinen Dad wieder zum Leben erwecken. Meistens sind es Worthülsen. Aus Höflichkeit. Weil man eben nicht weiß, was man sonst sagen soll. Ich tue trotzdem, was man von mir erwartet. Ich bedanke mich.

*

Als ich eine halbe Stunde später das Sekretariat verlasse, ertönt die Glocke, und wie auf Befehl spucken die unzähligen Klassenzimmer Horden von Schülern in die bis eben noch leergefegten Flure. Ich halte den Blick gesenkt, meine Augen verschmelzen mit dem dunkelgrauen PVC-Boden. Ich sehe Füße, verpackt in Turnschuhen und Highheels, und ein Meer aus Waden. Manche in Jeans, manche glatt rasiert. Lautes Lachen, Gesprächsfetzen, gute Laune. Ihr Freudentaumel versucht, mich mitzureißen, doch er zerbricht an der Taubheit. Ich habe fast meinen Spind erreicht, als mich jemand heftig schubst. Ich stolpere, verliere das Gleichgewicht und taumele zur Seite. Es passiert alles so plötzlich, dass mein betäubter Körper nicht schnell genug reagiert. Ich strecke die Arme aus und kneife die Augen fest zusammen, als würde das den Aufprall dämpfen. Ich erwarte den Schlag der offenen Spind-Tür in meinem Gesicht, warte auf den metallenen Geschmack von Blut, auf schallendes Lachen und die mitleidigen Augenpaare, die ich so sehr zu meiden versucht habe. Stattdessen spüre ich etwas Starkes, das mich auffängt, mich unvermittelt festhält. Sich schützend um mich legt. Zwei große Hände, die mich langsam aufrichten. Ein frischer Duft tanzt mir in die Nase und berührt mich wie eine Armee von Händen, die mich innerlich streichelt. Ich blinzle und schlucke. Spüre wieder Boden unter den Füßen. Der Schreck sitzt mir in den Knochen und lähmt meine Zunge. Ich blicke suchend nach oben, will mich bedanken, irgendetwas sagen. Aber dieses Gesicht nimmt mir die Stimme und lässt mich sprachlos zurück. Es trifft mich wie ein Schlag, der mich unvermittelt zu Boden wirft. Ich spüre nur die Wärme seiner Hände, begleitet von meinem rasenden Herzschlag, der wie ein wildes Tier in mir tobt. Den Schweiß, der fluchtartig meine Poren verlässt und sich auf meiner Haut ausbreitet. Meine Augen, die versuchen, seinen Anblick in sich aufzusaugen. Die ihn abtasten. Die sein markantes, nachdenkliches Gesicht in mein Gehirn fräsen wie ein Gemälde, in dem ich mich auflösen will. Die rasende Geschwindigkeit kapituliert vor diesem Moment. Alles wird langsam. Die Zeit verlässt mich. Ich versinke in diesen Augen. Dunkelblau mit einem grünen Schleier. Wie Nordlichter am klaren Nachthimmel, gesprenkelt mit silbernen Funken wie winzige Sterne, die am Firmament tanzen. Ich ertrinke in der Tiefe dieser Augen. Spüre die Röte in mein Gesicht steigen, als mein Blick auf seine vollen Lippen trifft. Meine Fingerspitzen kribbeln, wollen ihn berühren, während mein Magen sich dreht und mein Herz mich erschlägt. Seine weichen Hände hinterlassen warme Spuren auf meiner Haut. Als er sie schließlich sinken lässt, rebelliert sie mit einem kalten Schauer.

»Alles okay?«

Der Klang seiner tiefen Stimme peitscht die Gänsehaut über meinen Rücken wie eine Welle, die donnernd am Ufer bricht. Wie eisiges Wasser, das meinen brennenden Körper umspült. Er fährt sich durchs Haar. Eine routinierte Geste, von der ich mir sofort einbilde, sie auf meiner kribbelnden Handfläche zu spüren. Ich schaue zu ihm auf, und meine Augen huschen zwischen seinen hin und her.

»Dillen, los komm schon!«

Dieser Satz wirft mich in die Realität zurück. Sein ernster Blick streift ein letztes Mal mein Gesicht, dann verschwindet er ohne ein weiteres Wort. Er folgt einer Gruppe Jungs in Richtung Ausgang, und ich kann nicht wegsehen. Meine Augen verfolgen jede seiner Bewegungen, wandern über die leichte Bräune seiner Haut, die breiten Schultern. Alles, was übrig bleibt, ist ein fremdartiges Pochen ganz tief in meinem Bauch, eine Gänsehaut, die meine Haut umspannt, und ein Kribbeln in meinen Lippen. Dillen.

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4. Kapitel

Ich liege wach. Und zum ersten Mal seit Wochen ist es nicht die Leere, die mir den Schlaf raubt. Es sind Dillens Augen. Der Nachthimmel in seinem Blick und das hellbraune Haar, das zerzaust sein kantiges Gesicht umrahmt. Der Klang seiner Stimme, diese vollen Lippen, die sich in meiner Phantasie warm auf meine legen. Ich versinke in diesem Anblick, der meinen Körper fremde Dinge tun lässt.

Ich habe Jungen geküsst. Drei. David, Patrick und Nathan. Meine Zunge mochte zwar dieses seltsam raue Gefühl, aber ich habe nie etwas gespürt. Zumindest keine Erregung. Da war kein rasender Herzschlag, keine feuchten Hände. Nichts. Das Einzige, was ich jedes Mal gefühlt habe, war etwas Hartes an meinem Bauch, das mich pulsierend aufgefordert hat, es anzufassen – was ich aber nicht getan habe. Das mit David und Patrick war ein Fehler. Und was Nathan betrifft: Für ihn habe ich Freundschaft empfunden. Eine Freundschaft, die so stark war, dass ich sie irgendwann mit Liebe verwechselt habe. Dieser Kuss hat etwas bedeutet, aber eben nicht das, was ich mir gewünscht hätte. Es ist ewig her, und er ist inzwischen mit Michelle zusammen.

Ich drehe mich auf die Seite und trete die Daunendecke ans Fußende. Meine Haut glüht, und meine Gedanken schmelzen. Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, nimmt Dillens Mund mich ein. Seine Fingerkuppen streifen über meinen nackten Körper. Ich spüre, wie sich meine Brustwarzen zusammenziehen. Sie werden zu winzigen Knospen, hart und empfindlich. So als würden sie auf seine Hände warten.

Ich setze mich unvermittelt auf. Verärgert. Die Frustration schwelt in meinem Inneren. Hör auf damit, Hirn. Hör. Endlich. Auf. Ich massiere mit den Fingern meine Schläfen und atme tief ein. Dann endlich stehe ich auf und schiebe eines der Fenster nach oben. Die kühle Nachtluft lockt mich nach draußen. Ich folge ihrem Ruf und lege mich aufs Dach. Der tiefdunkle Himmel spannt sich wie ein endloses, halbrundes Zelt über die Baumkronen. Ihre Blätter rascheln im Wind. Ich will mich gerade wieder in meinen Gedanken verlieren, als ein Geräusch neben mir mich hochschrecken lässt.

»Dann bist du wohl Kate.« Ich setze mich auf und ziehe mir instinktiv Nathans weißes T-Shirt über meine nackten Beine. »Andrew.« Er steht auf, kommt zu mir herüber und streckt mir die linke Hand entgegen. In der rechten hält er eine selbstgedrehte Zigarette. »Freut mich.«

»Hi«, sage ich in einem schüchternen Flüstern und schüttle sie. »Mein Halbbruder, nehme ich an?«

»Stiefbruder …«, entgegnet er und zeigt neben mich. »Darf ich?«

»Sicher …« Er hält mir die Zigarette entgegen, und ich schüttle den Kopf. »Nein, danke, ich rauche nicht.«

»Ich auch nicht«, antwortet er mit einem breiten Grinsen, während er sich setzt.

»Ist das« – ich zeige auf den gelblichen Stummel, den er zwischen den Fingern hält – »etwa Gras?«

Er lacht leise und nickt. »Ich rauche das Zeug nur ab und zu … und manchmal, wenn ich nicht schlafen kann.« Seine hellblauen Augen lachen über mich, aber sie lachen mich nicht aus. »Wie alt bist du?«

»Nächsten Monat achtzehn. Du?«

»Zweiundzwanzig.«

Andrew zieht an seinem Joint und pustet den Rauch in den Nachthimmel. »Und du willst sicher nichts?«

»Lieber nicht.« Ich versuche zu lächeln, weil ich es ihm tatsächlich hoch anrechne, dass er sein Schlafmittel mit mir teilen würde, aber meine Mundwinkel gehorchen mir nicht. Sie bleiben störrisch und emotionslos. »Ich geh dann mal wieder rein.« Gerade als ich in mein Hotelzimmer zurückklettern will, räuspert er sich.

»Wie war der erste Tag?« Die Glut leuchtet in der Dunkelheit, dann atmet er tief ein. »Ich meine, in der Schule …«

Bei dem Wort Schule zieht sich mein Magen nervös zusammen. »War okay.«

»Schon jemanden zum Dranhängen gefunden?«

»Zum Dranhängen?«, frage ich und denke sofort an Dillens starke Arme und diesen frischen Duft.

»Na ja, irgendjemanden für die nächsten paar Wochen … keine Ahnung … Freunde auf Zeit?«

»Nein. Und ich bin auch nicht auf der Suche …«

»Besser so … sind ohnehin alles Flaschen. Lass dich nicht mit einem dieser Sportler-Idioten ein …«

»Was meinst du?«

»Du bist ein bildhübsches Mädchen, Kate. Du weißt, was ich meine.«

Bildhübsch? Einen Augenblick warte ich darauf, dass er in schallendes Lachen ausbricht, aber sein Gesicht bleibt ernst.

»Okay, ich passe auf.«

»Gut …«

Ich ziehe mir das T-Shirt von den Knien und erhebe mich, nur um dann unvermittelt stehen zu bleiben.

»Kann ich dich noch etwas fragen?«

Seine hellblauen Augen erhaschen einen kurzen Blick auf meine nackten Beine, dann schaut er hoch.

»Sicher, frag.«

»Was machst du zu Hause? Also, ich meine, so mitten im Semester?«

»Ist dir natürlich gleich aufgefallen …« Er atmet tief ein. »Ich habe mal wieder versagt. Das ist nichts Neues. Damit rechnet jeder bei mir. Wirst sehen.« Sein breites Grinsen wärmt mich. »Und du? Schon Pläne?« Ich nicke. »Such dir ein teures College aus«, flüstert er. »Laura kann es sich leisten.«

»Ich brauche ihr Geld nicht«, antworte ich fast ein bisschen trotzig.

»So ist das also … schön und klug«, sagt Andrew grinsend. »Ein volles Stipendium, hm?«

»Ja«, antworte ich knapp und warte auf einen blöden Spruch. Wäre nicht der erste.

»Respekt. Und welches College soll es werden?«

Andrew überrascht mich. Ich mag ihn sofort. Und damit ist er der Einzige in dieser Festung. »Ich weiß es noch nicht.«

»Welche stehen denn zur Auswahl? Vielleicht war ich ja schon an dem einen oder anderen …« Und wieder legt sich dieses freche Grinsen auf sein Gesicht. Und es steckt mich an. Das Lächeln auf meinen Lippen fühlt sich ungewohnt steif an und überfordert meine Mundwinkel. Es ist das erste seit Wochen. »Komm schon, du hast doch bestimmt einen heimlichen Favoriten …«

»Kensington College«, antworte ich schließlich.

»Gute Wahl.« Er legt die Stirn in Falten. »Passt zu dir.« Ich frage mich, ob das ein Kompliment ist, als er wieder grinst und nickt. »Und ja, das ist ein Kompliment.«

»Danke.« Ich schaue verlegen auf meine nackten Füße, die inzwischen zu kleinen kalten Klumpen verkümmert sind. »Gute Nacht.«

»Die wünsche ich dir auch, Kate.«

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5. Kapitel

Die MacDougall-Familie sitzt bereits vollzählig an einem enormen Esstisch, als der Eindringling den Raum betritt.

»Ah, Kate …« Mrs. MacDougall springt auf und kommt auf mich zu. »Brian-Honey, das ist Kate.«

»Kate, es freut mich, dich kennenzulernen.« Er steht auf, und das Lächeln, das mich trifft, ist erschreckend aufrichtig. »Das sind Lilian und Josephine …« Brian zeigt auf zwei Mädchen, die mich schüchtern anlächeln. »Der kleine Mann da drüben ist Benjamin …« Ein kleiner Junge mit rosigen Pausbacken und Mrs. MacDougalls Augen schaut mich verstört an. Um seinen winzigen Mund kleben eingetrocknete Breireste. »Und das hier ist mein Sohn Andrew.« Brian klopft Andrew auf die Schulter. Er sieht gelangweilt und müde aus. Aber als sich unsere Blicke treffen, huscht etwas Freches über sein Gesicht. »Und das ist eure Schwester, Kate.«

Sie strahlen mich an, als wäre ich das neue Haustier, auf das sie lange warten mussten.

Ich hebe nur verunsichert die Hand und sage: »Hi.« Mehr bekomme ich nicht heraus.

»Pancakes mit Ahornsirup und Speck?«, fragt Mrs. MacDougall hoffnungsvoll.

Und obwohl mein Magen knurrt wie ein wütender Rottweiler, schüttle ich den Kopf. »Ich bin spät dran …«

»Aber irgendwas musst du doch essen …«

In ihrem Blick liegt etwas, das ich dort nicht sehen will. »Ich muss gar nichts«, antworte ich frostig.

»Nein, natürlich nicht« – sie seufzt –, »aber du … du hast nichts gegessen, seit du angekommen bist …«

»Ich muss los.«

*

Als ich den Motor des Pick-ups anlasse und gerade zurücksetzen will, springt Andrew vor die Haube und fuchtelt mit einer kleinen braunen Tüte herum. Ich kurble das Fenster runter.

»Was ist?«

»Hier …« Er streckt sie mir entgegen.

»Was ist das?«

»Sandwiches …«

»Das ist …«

»… aber wirklich nett von dir, Andrew«, fällt er mir ins Wort und grinst.

Ich schüttle lächelnd den Kopf, dann schaue ich ihm direkt in die Augen. »Das ist es. Danke …«

»Keine Ursache.«

Mit offenen Augen und flatterndem Herzen betrete ich den langen Flur der Oceanside High. Und da steht er. Umringt von einer Traube kichernder Mädchen mit großen Brüsten und kurzen Röckchen. Sie schmachten und strahlen. Als seine Nordlicht-Augen meine finden, huscht ein schüchternes Lächeln über meine Lippen. Ein naiver Teil in mir hofft auf seines, doch anstatt eines Lächelns trifft mich nur ein mürrischer Gesichtsausdruck, bevor er sich wieder den kichernden Mädchen zuwendet.

Ich atme tief ein und gehe zu meinem Spind. Plötzlich komme ich mir entsetzlich dumm vor. Was habe ich auch erwartet? Ich schaue an mir hinunter. Bluejeans, ein weißes Top und ein kariertes Hemd. Wäre ich gestern nicht über den Haufen gerannt worden, hätte er mich nie bemerkt. Und seit wann bitte interessiert mich so etwas? Was ist aus der Kate geworden, die sich nichts aus Jungs macht? Der Kate, die in Büchern gelebt und sich unsterblich in ihre Romanhelden verliebt hat? Die kannte Dillen noch nicht. Seufzend greife ich nach meinen Büchern und werfe den Spind zu.

Ich zwinge mich, nicht in Dillens Richtung zu schauen, als mir wie aus dem Nichts ein blonder Typ den Weg versperrt und mich lüstern anlächelt. Sein Blick fällt auf meine Lippen, und seine grauen Augen funkeln verräterisch, als hätte er ziemlich eindeutige Gedanken, die ich mir lieber nicht ausmalen möchte. »Kate, richtig?«

»Ich … ja, richtig.«

»Greg …«

Greg ist fast zwei Köpfe größer als ich und hat Schultern wie ein Tier. Sein muskulöser Körper prahlt mit stundenlangem Training.

»Wir haben Englisch zusammen …«

»Richtig …« Ich lächle angespannt und deute in Richtung Klassenzimmer. »Ich … ich bin spät dran. Der Unterricht fängt gleich an.«

»Woher kommst du?«, fragt er und übergeht meinen Hinweis. »Lass mich raten.« Er mustert mich von oben bis unten, als wäre ich ein Rennpferd. »Chicago …«

»Fast …«, antworte ich. »North Carolina.«

»Also, Kate aus North Carolina … dann bringe ich dich mal zu deiner Klasse.«

»Greg, komm schon, lass sie in Ruhe.«

Ich erkenne die Stimme, noch bevor ich ihn sehe. Dillen zieht Greg von mir weg.

»Dillen, darf ich vorstellen … das ist Kate aus North Carolina, Kate aus North Carolina, das ist Dillen Walker …«

»Katie …«, korrigiere ich Greg und spüre, wie mein Mund austrocknet. »Ich … ich heiße Katie.« Seine tiefen Blicke durchdringen mich, mustern mein Gesicht, ernst, konzentriert. Eine Falte gräbt sich zwischen seine Brauen. Die Sterne in seinen Augen strahlen. Meine Knie geben nach, mein Herz rast, und der feuchte Film schmiegt sich eng an meinen Körper. Beim Anblick seiner Lippen schlucke ich hart.

»Hi«, antwortet er schließlich.

»Mach dir nichts draus, Katie«, sagt Greg aufmunternd und zieht mich in eine Umarmung, »Dillen hat es nicht so mit Menschen. Der ist zu jedem so.«

»Jetzt nimm schon deine Hände weg!«, sagt Dillen, und seine Stimme vibriert bedrohlich. Er greift nach meiner Hand und zieht mich näher zu sich heran. Meine Schulter streift seine Brust. Diese Berührung durchströmt mich, und das Pochen ganz tief in meinem Bauch erwacht zum Leben. Die Luft knistert. Ich bilde mir ein, die Funken zu spüren. Sie liegen in der Luft und warten nur darauf, sich zu entzünden.

»Was ist dein Problem?«

»Ich habe kein Problem …«

»Ach nein?«

»Nein.«

Einen Moment sehen die beiden sich lediglich an, dann huscht etwas über Dillens markantes Gesicht. Etwas, das ich nicht deuten kann. Nur eine winzige Änderung, dann flüstert er: »Wenn du es genau wissen willst, da drüben steht Megan … und sie sieht zu uns rüber.«

Der wütende Ausdruck in Gregs Augen wird davongespült, und ein breites Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. »Danke, Alter …«

»Doch nicht dafür …«

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6. Kapitel

Schön, dass Sie auch noch reinschauen, Miss …?«

»Williams … Kate Williams.«

Mr. Baker wirkt irritiert. »Williams? In meinen Unterlagen steht nur etwas von einer gewissen Kate MacDougall.«

»Das ist ein Missverständnis.«

»Okay, ich notiere mir das.« Er lächelt und zeigt auf einen der freien Plätze in der letzten Reihe. Und da sitzt er. Die Augen dunkel und verwegen. »Mister Walker, machen Sie doch Ihrem Ruf alle Ehre und kümmern sich um Miss Williams. Sie ist neu in Oceanside.«

Dillen schließt einen Moment die Augen, so als wäre es eine Qual, neben mir sitzen zu müssen. Ich wüsste wirklich gern, was sein Problem ist.

Was es auch ist, er geht mir unter die Haut, und das sollte er nicht. Seine Blicke, dieser Duft, die bedrohlichen Gewitterwolken in seinen Augen. Ich kann in seiner Gegenwart nicht denken. Mein Körper dreht durch, spielt völlig verrückt. Er ist mir fremd. Und ich liebe es. Ich versuche zu atmen und ertrinke in Tagträumen.

»Eine MacDougall«, flüstert Dillen abschätzig. »Das darf einfach nicht wahr sein.«

»Was ist dein Problem?«, flüstere ich zurück.