Manchmal hilft nur fauler Zauber - Nicola Lux - E-Book
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Manchmal hilft nur fauler Zauber E-Book

Nicola Lux

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Beschreibung

Eigentlich könnte Anna ein fabelhaftes Leben führen, hat sie doch gerade ihren Traummann geheiratet. Doch der entpuppt sich als echter Widerling, der sie schon während der Hochzeitsfeier mit seiner Sekretärin Vanessa betrügt. Falls sie ihn verlassen sollte, droht er ihr mir herben Konsequenzen für sie und ihre Familie, denn er ist als Kandidat für das Amt des Bürgermeisters auf Anna an seiner Seite angewiesen. Aber Annas verdorbenes Leben wendet sich, als sie von einer unbekannten "Erbtante" ein Haus auf Amrum erbt. Dort hat die als Hexe verschriene Vida Wohnrecht auf Lebenszeit. Die Frauen verstehen sich großartig und Vida ermutigt Anna den ungeliebten Ehemann doch zu beseitigen. Durch einen Trick von Vida stirbt dieser, von der Flut überrascht, schließlich bei einem Wattspaziergang. Nachdem Anna immer mehr Gerüchte zu hören bekommt, erzählt Vida ihr vom "Club der Hexen", indem sie und auch ihre Tochter Toni Mitglied sind. Ein Club, dem Männer nicht in die Quere kommen sollten...

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Seitenzahl: 280

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Nicola Lux

MANCHMAL HILFT NUR FAULER ZAUBER

Ein Amrum-Roman

LADIES LOUNGE

Impressum

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- oder Bildteile.

Alle Akteure des Romans sind fiktiv, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und sind von der Autorin nicht beabsichtigt.

Copyright © 2018 by EDITION LadiesLounge,

ein Imprint von Bookspot Verlag GmbH, Behringstr. 10, D-82152 Planegg

1. Auflage

Lektorat: Sarah-Janina Hannemann

Korrektorat: Thilo Fahrtmann

Satz/Layout: Martina Stolzmann

Covergestaltung: Nele Schütz Design, München

E-Book: Mirjam Hecht

Druck: CPI – Clausen & Bosse, Leck

Made in Germany

ISBN 978-3-95669-101-0

www.bookspot.de

Vorwort

Liebe Leser,

die Geschichte von Anna und ihrer

Freundin Vida ist natürlich frei

erfunden. Sie entsprang meiner

Feder und meinem Laptop.

Ähnlichkeiten mit lebenden

oder auch toten Personen sind nicht

beabsichtigt, aber selbstverständlich

auch nicht auszuschließen.

Man(n) / frau möge es mir verzeihen!

Abschließend möchte ich noch

klarstellen: Auch die geballte

Ladung mysteriöser Todesfälle ist natürlich auch nur ein Produkt meiner Fantasie.

So einfach ist es dann doch nicht,

seinen Ehemann um die Ecke zu bringen!

Nicola Lux

Prolog

Arzneimittel sind das Teufelszeug,

mit dem so mancher von uns

schneller in den Himmel kommt.

Erwin Koch

»Ich werde meine Frau nicht verlassen, finde dich damit ab.« Gerade hatten sie sich noch geliebt.

»Verdammt nochmal, warum musst du immer wieder auf das leidige Thema zu sprechen kommen? Es ist doch gut so, wie es ist.«

Seine Geliebte stand auf. Ihre Hand krallte sich fest um das Döschen mit den Pillen, das sie in der Bademanteltasche trug. Sie folgte dem sie immer mehr ermüdenden, obligatorischen Ablauf.

»Möchtest du etwas essen?«

»Sicher, dafür bin ich doch hier. Unter anderem«, fügte er noch hinzu.

Die Frau servierte ihm eine Suppe.

»Lecker, wie immer. Vielleicht sollte ich meine Frau doch verlassen. Kochen kann die so gar nicht.«

Seine Geliebte lächelte zynisch.

»Ich hole dir die Königsberger Klopse aus der Küche.« Die Frau füllte den Teller. Sorgsam mischte sie die fein pulverisierten Medikamente unter sein Essen. Den Blutzuckersenker Euglucon und ein Antidepressivum. Es war ganz leicht, der ältlichen und diabeteskranken Nachbarin ein paar Pillen zu stibitzen. Das Antidepressivum stammte aus ihrem eigenen Vorrat. Sie litt zunehmend unter dem Status der Geliebten. Ihr Arzt hatte ihr mit sorgenvoller Miene dringend die Einnahme ans Herz gelegt.

Der Liebhaber aß mit großem Appetit. Von den Medikamenten schien er nichts zu bemerken. Als er bewusstlos wurde, bettete sie ihn achtsam auf eine weiche Decke. Schließlich sollte er keine Schürfwunden bekommen. Dann schleifte sie ihn auf den kühlen Badezimmerboden und bedeckte ihn mit eiskalten Tüchern. Sorgsam wechselte sie die Lappen, sodass der Körper schnell eine niedrigere Temperatur annahm. Als sein Atem kaum noch wahrnehmbar war, rief sie den Notarzt. Sie gab sich als seine Freundin aus, um als erste von seinem Tod zu erfahren.

Umgehend kam ihr Geliebter ins Krankenhaus.

Einige Stunden später klingelte das Telefon. Es war der erwartete Anruf. Das Telefonat war nur kurz.

»Vielen Dank.«

Die Frau legte auf. Ihr Liebhaber war tot.

1. Der beste Tag im Leben

Bekenntnis eines Ehebruchs:

»Ich hab mich halt mal verschlafen …«

Gerd W. Heyse

Mein Atem ging flach und stoßweise. Ich bekam kaum Luft. Sitzen war fast nicht möglich, stehen ging gerade noch so. Mir tat jetzt schon der Rücken weh, obwohl wir gerade erst angefangen hatten.

»Los, noch fester die Korsage …«, wies ich meine Freundin Mara an, die mir half, mein Brautkleid anzuziehen. Wer schön sein will, muss leiden, das hatte meine Omi mir immer eingebläut, deshalb biss ich die Zähne zusammen und lächelte. Als das wasserfeste, allen Gelegenheiten standhaltende Make-up dann endlich fertig auf meinem Gesicht einbetoniert war, funktionierte auch kein anderer Gesichtsausdruck mehr. Wahrscheinlich sehen deshalb alle Bräute so glücklich aus.

Meine fest nach hinten getackerte Frisur ließ meine ansonsten recht großen Augen schlitzförmig wirken.

»Du siehst aus wie ’ne blonde Asiatin«, hatte mein Blumenkind dann auch respektlos bemerkt. Großzügig sah ich darüber hinweg.

Wenn ich mich selbst im Spiegel betrachtete, sah ich glatte, schulterlange blonde Haare, die regelmäßig durch Strähnchen aufgepeppt wurden. Klassisch hanseatischer Typ. Durchschnittliche Größe und Gewicht, ebenmäßige Gesichtszüge und leicht gebräunter Teint.

Aber die letzten drei kohlenhydratfreien Monate hatten sich gelohnt und der beste Tag meines Lebens war gekommen: mein Hochzeitstag!

Ich war die glücklichste Frau der Welt, wobei die Betonung auf »war« liegt. Hätte ich damals geahnt, was für einen Stinkstiefel ich heiraten würde, hätte ich es sicherlich gelassen. Dabei wollte ich immer heiraten. Der berühmte Kleinmädchentraum mit gigantischem Kleid und Prinzen auf weißem Pferd und so.

Ja, ich war irgendwie oldschool geblieben. Während das Wort Hochzeit bei meinen Freundinnen Schnappatmung auslöste, schaute ich heimlich das Video der Hochzeit von der dürren Kate und ihrer Schwester Popo-Pippa mit dem etwas unbeholfen wirkenden Prinz William an. Immer wieder. So wollte ich das auch!

Mann, Mann, Mann – dabei bin ich doch ein Digital Native, ein Kind, das als erste Generation mit der neuen Technik des digitalen Zeitalters aufgewachsen ist. Erfahrungsgemäß sollte ich damit auch zu anderen Denkmustern fähig sein. Was war da bloß schiefgelaufen, eigentlich hätte ich es besser wissen müssen. War Lara Croft etwa mit der Planung ihrer Hochzeit oder mit der Rettung der Welt beschäftigt? Ich hätte gewarnt sein sollen! Nein, aber ich war voll im Romantik-Wahn, mit verklärtem Blick las ich Braut heute.

Und dann war mein Prinz da und alles war gut. Zum Glück hatte ich den letzten Traummann des Planeten gefunden. Ich konnte mein Glück kaum fassen, aber Hartmut verkörperte alles, was ich mir je von einem Mann gewünscht hatte. Er war ein aufmerksamer Zuhörer und liebevoller Partner. Kein Tag verging, an dem er mich nicht mit einem kleinen Geschenk oder einem tollen Essen verwöhnte. Trotz seines immens stressigen Jobs galt fast seine gesamte freie Zeit mir und unseren gemeinsamen Unternehmungen.

Genauso hatte ich ihn mir immer vorgestellt: meinen ZUKÜNFTIGEN! Und jetzt waren wir Mann und Frau. Auf einmal ging alles ganz schnell: Mara schubste mich mehr ins Auto als dass ich ging, damit wir noch rechtzeitig ankamen. Sie hielt während der gesamten Fahrt meine Hand. Meine Güte, war ich aufgeregt! Dann ging es auch schon los. Während der Trauungszeremonie fielen warme Worte, persönliche Ratschläge und gute Wünsche. Ich verdrückte mir die eine oder andere Träne. Angestrengt fixierte ich meinen wunderschönen Brautstrauß aus weißen Rosen, Hortensien und Pompondahlien, um das kunstvoll aufgetragene Make-up nicht völlig zu ruinieren. Ich blickte zu meinem Bräutigam. Schnieke sah er aus in seinem schicken Maßanzug. Die teuren Manschettenknöpfe waren schon seit Jahrzehnten im Familienbesitz und wurden von Generation zu Generation weitergegeben.

Allerdings hatte Hartmut eine leichte Alkoholfahne. Wahrscheinlich musste er vor Aufregung vorher noch ein Beruhigungsbierchen getrunken haben. Vor dem Ja hat mein Herz wie wild geschlagen. Meine Güte, sind das Emotionen! Vor allem, als uns Hartmuts kleine Nichte die Trauringe brachte. Auch mein Jetzt-Gatte sah hochzufrieden aus. Nur das aufwendige Fotoshooting mit der Familie, den Trauzeugen und der gesamten Hochzeitsgesellschaft schien ihm eindeutig zu lange zu dauern. Hartmut schien froh zu sein, als wir zur Feierlocation abfuhren. Ob sechshundertfünfzig Fotos aber auch wirklich sein mussten?

Eine Hochzeitsreise konnten wir aus zeitlichen Gründen vorerst nicht machen. Wir würden später im Jahr noch eine Reise nach Sylt antreten, wo Hartmut in seinem Maklerverband als Mann des Jahres ausgezeichnet werden sollte. Ich war so stolz auf meinen Mann!

Am hiesigen Schützenhaus angekommen, erhellte sich Hartmuts Miene wieder, als er den Geschenketisch sah. Wir hatten um Geld gebeten und mein Göttergatte konnte einen stattlichen Gewinn verbuchen.

Ich hingegen konzentrierte mich mehr auf die Ausstattung unserer Location. Das war ja hinreißend geworden! Alles war mit Blumen und Herzchen geschmückt worden. Vor vielen Jahren, als ich noch ein Kind war, war ich häufig mit meinen Eltern dort gewesen. Wie oft auf dem Dorf so üblich, waren wir natürlich auch Mitglied im Schützenverein gewesen. Ich hatte auch schießen gelernt, aber meine Leidenschaft galt immer schon mehr der Wartung und Pflege der Waffen. Die komplexe Waffentechnik faszinierte mich ungemein und ich erwies mich als äußerst geschickt darin, Waffen zu modifizieren.

Zum Glück spielte das Wetter mit und unsere Gäste konnten sich weitestgehend im Freien aufhalten. Gegessen und getanzt wurde im schön geschmückten Saal und die Hochzeitsfeier war in vollem Gange, als mit auffiel, dass Hartmut nicht da war.

»Wo ist denn mein Mann?«, fragte ich einen älteren Gast. Wie leicht mir das schon von den Lippen kam!

»Der unterhält sich mit Frollein Novak im Vorraum.«

Mit Fräulein Novak meinte er Hartmuts Trauzeugin. Das Fräulein war hier auf dem Dorf noch so üblich, obwohl offiziell natürlich längst abgeschafft. Ich lächelte, zum Glück war ich ab heute kein Fräulein mehr.

Im Übrigen war Vanessa Novak auch die Sekretärin meines Jetzigen. Sie war erst seit Kurzem bei Hartmut beschäftigt. Trotzdem schienen sie mir schon merkwürdig vertraut miteinander. Jedenfalls sagte meine Nase mir, dass sie etwas vorhatte. Jetzt musste ich nur noch herausfinden, was es war.

Hübsch war sie jedenfalls. Mit ihren blondgesträhnten, halblangen Haaren und ihren endlosen Beinen sah sie aus wie die junge Sharon Stone.

Dabei war ich doch etwas pikiert, als mir auffiel, dass sie unter ihrem transparenten Spitzenkleid auch kein Höschen trug. Und das bei einer Hochzeit!

Die beiden hörten mich nicht, als ich den muffigen Raum betrat. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Überall an den Wänden hingen Geweihe, Jagdtrophäen und Waffen. Okay, das war vermutlich nicht unüblich für ein Schützenhaus, mich aber ließ die seltsame Atmosphäre zutiefst erschaudern. Wenn ich gewusst hätte, was ich gleich hören sollte, hätte ich mich vielleicht energischer bemerkbar gemacht. Aber so wurde ich Zeuge dieses unerfreulichen Zwischenfalls.

Ohne-Höschen-Vanessa und Hartmut bemerkten mich nicht und setzten ihr vertrauliches Gespräch fort.

»Und bist du glücklich?« Sie lächelte Hartmut eine Spur zu vertraut an.

»Ist doch alles gut gegangen.« Emotionslos widmete sich mein Mann seinem Pils und trank es in einem Zug leer.

»Jetzt hast du alles, was du wolltest …«

»Ja, ist perfekt gelaufen. Ich werde sicherlich Bürgermeister werden.« Mittlerweile musste ich mit ansehen, wie sich Vanessas Zunge in Hartmuts Gehörgang bohrte. Mir stockte der Atem. Das war ja wohl eine dieser berühmten Fata Morganas, die es in unseren Breiten immer mal wieder gibt.

»Und die Unschuld vom Lande holt dabei die nötigen weiblichen Stimmen für dich. Da kann ich mit meinen polnischen Wurzeln einpacken.«

Ich konnte Vanessas Gesichtsausdruck nicht richtig deuten. Entweder war sie beleidigt oder sie machte sich lustig über mich. Wenn ich es genau betrachte, sollte ich mir eigentlich keine Gedanken um die blöde Kuh machen, schließlich musste ich gerade mit ansehen, wie mein Frischangetrauter auf unserer Hochzeit mit einer anderen rummachte. Wahrscheinlich eine Übersprungshandlung.

»So ist es. Anna ist beliebt. Sie ist in vielen Vereinen und wird mir sehr nützlich sein.«

»Ich weiß gar nicht, warum du dir das noch antust, du hast doch genug Kohle mit deinen ganzen Häusern, du Immobilien-Hai.«

»Tja, meine Liebe, Geld ist nicht immer alles. Manchmal ist ein bisschen Macht auch ganz schön.«

»Mmm«, gurrte Vanessa-Sharon zustimmend. Sprechen konnte sie nicht mehr. Sie war damit beschäftigt, ihre Zunge langsam am Hals meines Mannes hinabwandern zu lassen.

»Aber wir werden weiterhin unseren Spaß haben. Zum Vergnügen habe ich die schließlich nicht geheiratet.«

Mir blieb die Spucke weg, was lief denn da gerade für eine Nummer?

Hartmut hatte es sich inzwischen auf einem staubigen Sessel bequem gemacht. Seine hilfsbereite Sekretärin kniete vor seinen breit geöffneten Beinen und machte sich an seinem Hosenschlitz zu schaffen. Wohlig stöhnend griff er ihr in die blonde Mähne.

Mir reichte es. Was zu viel war, war zu viel. Vanessa-Sharon wollte meinem Mann auf meiner Hochzeit einen blasen? Nicht mit mir. Ich riss eines der Gewehre von der Wand und zielte auf Fräulein Novak. Ohne ein weiteres Wort drückte ich ab. Was sollte ich auch sagen? Der Knall der abgefeuerten historischen Waffe war lauter als ich erwartet hatte. Auch der Rückstoß überraschte mich und warf mich fast zu Boden. Mit weit aufgerissenen Augen starrte mich Vanessa verblüfft an. Die rechte Hand hielt sie vor ihre schönheitschirurgisch optimierte Brust. Ihr niedliches rosa Designerkostüm hatte sich blutrot gefärbt. Sie sank zu Boden und ihr Kopf kippte zur Seite weg.

Vanessa war tot.

2. Ehehölle

Meide nicht die Ehe,

aber bleibe nicht in ihr,

falls sie dich erniedrigt.

August Strindberg, schwedischer Schriftsteller

So, das war’s! Vanessa-Sharon war tot, MAUSETOT!

Die hatte ich erledigt!

Hatte ich natürlich nicht. Den Schuss und die tote Vanessa gab es schlicht nur in meiner Fantasie.

Leise schloss ich die Tür. Fluchtartig suchte ich »Für Damen« auf. Der Schock verhinderte, dass ich anfing, zu heulen. Mein Herz pochte wie wild, als ich mit der Faust wie eine Verrückte gegen die Wand hämmerte. Wut ist besser als Trauer. Der Mistkerl betrog mich noch vor der Hochzeitsnacht!

Tief durchatmen, befahl ich mir selbst. Und dann überlegt handeln. Nicht hysterisch werden. Nicht auf meiner eigenen Hochzeitsfeier.

Das stehst du durch, beschloss ich für mich selbst. Im Nachhinein ist es mir unbegreiflich, wie ich mit der ganzen Situation fertig werden konnte, aber ich schaffte es tatsächlich. Damals dachte ich noch, ich hätte das Schlimmste überstanden – ich hatte mich ziemlich geirrt. Die Hochzeitsnacht verbrachten wir getrennt. Ich in der sündhaft teuren Suite, in der wir zuvor noch liebesschwangere Fotos für die örtliche Presse und Hartmuts Social-Media-Profile geschossen hatten, mein Gatte wahrscheinlich in Vanessa. Aber das war mir egal. Irgendwie schwante mir, dass meine Ehe kein gutes Ende nehmen würde. Wie schlimm es dann aber wirklich kommen sollte, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Zum Glück war meine gute Freundin Mara für mich da, der ich unter Tränen die Situation schilderte. Ihre warme Umarmung und wahrscheinlich der Schock ließen mich den Rest der Feierlichkeiten, der sich für mich wie Kaugummi hinzog, überstehen. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel, lächelte tapfer und versuchte so gut es ging, meinem Mann aus dem Weg zu gehen. Tatsächlich schaffte ich es, an dem Abend kein einziges Wort mehr mit ihm zu wechseln.

Die nächsten Monate waren die Hölle. Die Ehehölle. Statt frisch verliebt war ich frustriert, denn Hartmut mutierte zum Arschloch. Pardon, ich korrigiere mich: Er verstellte sich nicht mehr, sondern war jetzt der, der er wirklich war. Mein Aufprall war hart. Knallhart. Trotzdem wollte ich nicht so schnell aufgeben. Das entsprach so gar nicht meiner Natur. Ich war immer schon ein Kämpfer gewesen. So manches Mal hatte ich mehr gekämpft als es gut für mich war, aber so einfach aufgeben passte einfach nicht zu mir. Ich beschloss also, Hartmut nicht zu konfrontieren und versuchte, die Ehe weiterzuführen.

Als meine Omi eines Tages zum Kaffeetrinken vorbei kam, klagte ich ihr mein Leid.

»Und weißt du, was Hartmut dann gesagt hat: Jetzt, wo du Bescheid weißt, kann ich diesen Mist mit dem Liebesgekasper ja lassen. GOTT SEI DANK, wie hat mich dieses scheiß Blumenschenken, Händchenhalten und Essengehen ANGEKOTZT! Zum Glück haben wir das jetzt hinter uns. Ab jetzt siehst du zu, dass du machst, was ich sage, dann läuft das auch mit uns.« Klagend sah ich Omi an.

»Ach, Anna, nimm das Ganze doch nicht so ernst. Dein Mann wird einen schlechten Tag gehabt haben. Schau doch mal, was der alles um die Ohren hat. Das Geschäft und die Mieter werden auch immer schwieriger, und das immer größer werdende Problem mit den Miet-Nomaden! Das ist heute auch alles kein Zuckerschlecken mehr.«

»Aber Omi, das lässt sich doch nicht einfach mit einem schlechten Tag rechtfertigen! Ich war total geschockt, als er das damals zu mir gesagt hatte. Ich habe mir ernsthaft überlegt, wie ich in so eine Situation kommen konnte?« Ich war doch kein dummes, kleines Mädchen mehr. Ich hatte ein Studium abgeschlossen und reichlich Lebenserfahrung gesammelt. Wie konnte mich meine Menschenkenntnis nur so im Stich lassen? Ich traute meinen Ohren nicht, als er mir diese Worte an den Kopf knallte. Wie konnte ich mich so täuschen? Ich stehe doch mitten im Leben und weiß, wie der Hase läuft. Ich war sicher, mich verarscht keiner so schnell, aber denkste.

»Meine liebe Enkeltochter, jetzt wirf doch nicht gleich die Flinte ins Korn. Gib eurer Ehe doch etwas Zeit. Ihr jungen Leute seid einfach viel zu ungeduldig! Läuft irgendetwas nicht, wird es sofort beendet oder ausgetauscht. Aber so funktioniert das im Leben nicht!«

Seufzend beschloss ich, auf meine Oma zu hören. Aber Omi sollte nicht recht behalten. Dieses Mal nicht. Hartmut hatte auch sie getäuscht. Er war einfach ein grandioser Schauspieler und ich war dummerweise in seine Theateraufführung hineingeraten. Nein, wahrscheinlich hatte er mich bewusst ausgesucht, nach seinen ganz speziellen Kriterien.

Kommt aus einer alteingesessen Familie – check!

Sichert mir die Stimmen der weiblichen Wähler – check!

Naive, dumme Trulla, die auf jeden reinfällt – check!

Dabei war er doch am Anfang ein so charmanter, zuvorkommender und höflicher Mann gewesen. Nichts war ihm zu viel, jeden Wunsch las er mir von den Augen ab. Er setzte wirklich alles dran, mich glücklich zu machen. Ganz Kavalier der alten Schule, hatte er mich an meinen wundervollen Vater erinnert.

Wochen später, als Omi wieder zum Kaffee bei uns war, bekam sie Hartmuts skrupellose Art hautnah mit. Hartmut telefonierte mit einem seiner Mitarbeiter. Er war außer sich vor Zorn und puterrot im Gesicht.

»Meine Güte, kriegt ihr nichts ohne mich auf die Kette? Erhöht doch mal den Druck auf den Mieter. Bis die Räumungsklage durch ist, dauert das ewig. Wenn Wasser und Heizung abstellen nichts nützt, dann schickt doch mal einen Schlägertrupp vorbei. So schwer kann das doch nicht sein.« Wütend beendete mein Mann das Telefonat. Omi sah Hartmut mit offenem Mund an. Ertappt nahm mein Gatte zur Kenntnis, dass sein Gespräch nicht ganz so unbemerkt verlaufen war, wie er es sich gewünscht hatte. Er fing sich jedoch recht schnell wieder. Strahlend und mit ausgebreiteten Armen kam er auf uns zu.

»Oma Erna, schön, dass du uns besuchst.« Mit zusammengekniffenen Augen und steif wie ein Brett ließ Omi die Umarmung über sich ergehen. Als der Moment günstig war, nahm sie mich beiseite und wisperte mir kurz und knapp zu:

»Kind, du musst dich scheiden lassen …«

3. Das erste Telefonat

Zu der höchst interessanten Feststellung,

dass manchmal auch eine falsche Verbindung

zu einer richtigen führen kann, kam ein

Journalist in Mailand. Er lieferte den

schlüssigen Beweis, dass allein in Mailand

im Laufe eines einzigen Jahres

37 Eheschließungen auf telefonische

Fehlverbindungen zurückzuführen waren.

Unbekannt

»Meine Liebe, wie schön, dass ich dich endlich erreiche. Wie geht es dir? Verstehe, ja, der blöde Krebs. Kopf hoch, du hast doch die letzten Behandlungen gut überstanden.« Verzweifelt versuchte die Anruferin, ihrer Freundin Mut zuzusprechen. Diese scheiß-heimtückische Krankheit!

»Du merkst, dass es bald zu Ende geht?« Bei ihrer letzten Bemerkung seufzte die Anruferin lautlos. Wie sollte sie nur in einer solchen Situation Worte des Trostes finden? Es schien ihr schier unmöglich.

»Aber du bist bereit und hast dein Leben gelebt.« Die Tränen schossen ihr in die Augen. Am liebsten hätte sie lauthals losgeheult, aber sie riss sich für ihre Freundin zusammen.

»Bewundernswerte Einstellung.« Sicherlich waren das keine der Situation angemessenen Worte, aber sie wollte stark sein, für die Kranke!

»Ich hoffe, ich trete auch mal mit so viel Würde ab …« Sie biss sich so fest auf die Lippe, dass diese zu bluten anfing. Der körperliche Schmerz sollte vom seelischen ablenken. Den beiden blieb nicht mehr viel Zeit, deswegen musste sie sich jetzt unter Kontrolle haben und auf das eigentliche Thema zu sprechen kommen.

»Aber weshalb ich anrufe: Ich muss dich um einen Gefallen bitten, es ist sehr wichtig …«

4. Zur Hölle mit dem Kerl

Sadismus ist menschlich.

Oder quälen Tiere und empfinden dabei Lust?

Nadine Pomes, Diplom-Sozialwissenschaftlerin

Die nächsten Wochen zogen ins Land und an meiner Situation änderte sich nichts. Hartmut demütigte mich weiter, wo und wie er nur konnte. Er war ein Sadist wie er im Buche stand. Wahrscheinlich steigerte er sein eigenes Selbstwertgefühl, indem er andere erniedrigte. Nur bei seinen Parteisitzungen, die oft bei uns im Haus stattfanden, schien seine Unzufriedenheit für kurze Zeit wie weggeblasen. Hartmut machte sich zu Recht große Hoffnungen auf das Bürgermeisteramt. Seine Gesinnung war so rechts, rechts daneben war nur noch die Wand. Eine weitere Charaktereigenschaft, die mich schon immer enorm an meinem Mann gestört hat. Aber seine Appelle kamen vor allem bei der älteren Landbevölkerung gut an. Misstrauisch beäugten sie die vielen jungen fremden Männer, die bei ihnen im Ort einquartiert wurden. Die Stimmung war aufgeheizt und so kam es zu der einen oder anderen Auseinandersetzung, objektiv gesehen nicht mehr als sonst, aber für meinen Mann wurde es immer einfacher, durch Hass-Parolen die Menschen auf seine Seite zu ziehen. Er, der aus einer alteingesessenen Familie kam und den man von Kindesbeinen an kannte. Der gute Freund und Nachbar, mit dem man zusammen im Verein war und abends ein, zwei Bierchen kippte.

Wer ahnte schon, dass Hartmut ein kontrollsüchtiger, besessener Machtmensch war, dem nur seine Belange wichtig waren.

Ich verstand ihn nicht. Wenn er schon seine eigenen Interessen durchsetzen wollte, warum war er dabei nicht wenigstens nett zu mir? Okay, nett ist die kleine Schwester von scheiße und scheiße war er zu mir. Ich korrigiere mich: Warum benahm er sich nicht wenigstens anständig? Ich hatte ihm doch überhaupt nichts getan. Wir hätten doch so glücklich sein können. Jung verheiratet, keine Geldsorgen und bei bester Gesundheit. Wieso war der Mann so ekelhaft und bösartig? Ich bin zu einem Schluss gekommen:

WEIL ES IHM SPASS MACHTE und weil er gerne ein Arschloch war!

Die Situation eskalierte immer mehr. Ich erwog sogar eine Trennung. Doch das sollte ich schwer bereuen. Das Gespräch mit meinem treuen Gatten endete unerfreulich mit einem verstauchten Handgelenk und einigen Schnittwunden für mich. Er schlug mich zwar nicht, aber er bedrohte mich, drehte mir das Handgelenk um und schubste mich in ein Glasregal.

»Solltest du erwägen, mich zu verlassen, dann mache ich dich und deine Familie fertig, das verspreche ich dir! Du kriegst hier keinen Fuß mehr auf den Boden, verlass dich drauf. Die Mittel dazu habe ich. Und wenn ich dir alle Knochen brechen lasse!« Mit eiskaltem Blick ließ Hartmut mich stehen. An der Tür schien er es sich anders zu überlegen und wandte sich nochmals zu mir um.

»Nicht, dass deiner Mutter oder Oma Erna noch etwas passiert, jetzt wo so viele Asylanten hier herumlungern. Das sind doch so nette Frauen, nicht, dass die noch jemand mit Säure bespritzt, hört man inzwischen immer wieder. Schönen Abend noch.«

Danach war ich wie paralysiert. Das mit der Trennung hatte sich erledigt, dafür schien mir der Status Witwe immer erstrebenswerter. Obwohl schwarz nicht meine Farbe war, suchte ich fieberhaft weiter nach einer Lösung dieses Problems.

Sie kam kurze Zeit darauf in Form eines unscheinbaren Briefes. Ein unbekannter Notar schrieb mir und bat mich, ihn in seinem Büro in Husum aufzusuchen. Ich war überrascht. Was wollte der Mann nur von mir?

Hartmut hingegen war nicht überrascht, sondern gehässig.

»Na, hast du dir einen Lover gesucht und ihr plant einen Ausflug an die Küste? Nimm dich bloß in Acht, Fräulein.« Ich ging nicht auf seine Provokation ein, brachte ja doch nichts.

Pünktlich, eine Woche später, war ich auf dem Weg nach Husum. Hartmut hatte sich entschlossen, mich zu begleiten. Es war der allerletzte Termin, den der Notar im alten Jahr noch wahrnahm. Das hatte mir seine Sekretärin nachdrücklich am Telefon mitgeteilt. Er würde extra dafür noch einmal in sein Büro kommen. Die Sache sei wichtig. Sollte ich also kurzfristig verhindert sein, bat sie um rechtzeitige Absage. Wie lustig der Satz, hörte sie sich eigentlich selbst reden?

Der Notar war ein älterer, grauhaariger Mann mit ruhiger Stimme und einem imposanten Büro. Nachdem ich mich ausgewiesen hatte, kam er gleich zur Sache.

»Tja, Frau Engelmacher, Sie zu finden, hat detektivisches Geschick erfordert, aber nun sind Sie da.«

»Können wir gleich zum Punkt kommen und uns die Begrüßungsfloskeln ersparen? Ich bin ein vielbeschäftigter Mann und meine Zeit ist teuer.« Wichtigtuerisch unterbrach Hartmut den Mann, doch der Notar ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

»Sie sind der Ehemann?«

Mein werter Gatte nickte genervt.

»Sie hatte ich gar nicht eingeladen. Wenn Sie schon dabei sind, muss ich Sie um Ruhe bitten. Ich erledige hier nur meine Arbeit, ansonsten können Sie auch gerne draußen warten. Meine Sekretärin macht Ihnen sicherlich auch gerne einen Tee.«

Fast wäre mir rausgerutscht, ein Pils und ein Blowjob wären meinem Gatten sicher lieber, aber ich behielt meine Meinung gerade noch rechtzeitig für mich.

Hartmut entschloss sich dazu, Mund und Hose geschlossen zu halten. Entweder war es die Neugierde auf das, was der Notar mir sagen wollte oder die Tatsache, dass die Vorzimmerdame kurz vor der Rente stand.

»Kommen wir wieder zur Sache: Kennen Sie eine Frau Inge Wohlgemuth?«

»Noch nie gehört. Der Name sagt mir gar nichts«, antwortete ich. Oh, Gott, oh, Gott, Wohlgemuth, mir reicht schon der Hartmut!

»Das habe ich mir gedacht. Manchmal ist das tatsächlich so, dass der Erbberechtigte den Erblasser nicht kennt. Frau Wohlgemuth ist eine weit entfernte Verwandte von Ihnen. Sie hat Ihnen ein Anwesen auf Amrum vererbt.«

»Ein Anwesen?« Hartmut war hellhörig geworden. Er schien die große Kohle zu wittern.

»Ich denke eher ein Häuschen.« Mal wieder typisch Hartmut, wie immer interessiert er sich ausschließlich für Geld, Macht oder Sex mit anderen Frauen. Eins musste ich ihm lassen: Er verschwendete keine Zeit darauf, zu erfahren wie die Hintergründe dieser Erbschaft sind.

»Mich würde eher interessieren: Wer ist denn die Dame und warum vererbt sie mir das Haus, wären nicht erst meine Eltern dran gewesen?« Ich war kribbelig und aufgeregt. Ganz wie an meinen Geburtstagen, als ich noch ein kleines Kind gewesen war. Was würde mich wohl erwarten? Ich wusste zwar genau, es würde Geschenke geben, aber was genau, blieb die spannende Frage.

»Nein, Sie sind ausdrücklich und namentlich im Testament erwähnt worden. Pflichterben gibt es keine. Die Dame ist eine ganz weit entfernte Verwandte von Ihnen.«

»Ah, die berühmt-berüchtigte Erbtante.« Hartmut lachte als einziger über seine Bemerkung.

»Wir gehen dann mal die weitere Vorgehensweise durch. Ich erkläre Ihnen genau, was Sie zu beachten haben und was wir noch zu erledigen haben. Eins noch: in dem Haus wohnt eine Dame und die hat Wohnrecht auf Lebenszeit …«

5. Das Dilemma

Ich war nie in der Lage,

mein Leben zu planen.

Ich taumle nur von Unentschiedenheit

zu Unentschiedenheit.

Alan Rickman, Schauspieler

Tja, das mit meiner Ehe war irgendwie blöd gelaufen für mich. Aber ich hatte nicht vor, mich zu bemitleiden, nun hieß es: Arsch zusammenkneifen und überlegen, wie ich aus der Situation am besten wieder heraus kam. Das hatte ich ja auch meiner Omi versprochen.

Scheidung, nein, das kam auf keinen Fall in Frage, denn niemals hätte ich meine Familie wissentlich in Gefahr gebracht. Dann schon eher Flucht … Vielleicht sollte ich ein Jobangebot im Ausland in Erwägung ziehen. Das würde sicherlich auch meine Vita unglaublich aufpeppen. Ich war ja schon ein bisschen langweilig. Aber sollte ich mich wirklich einfach so davonmachen? Eigentlich sah ich das nicht ein. Was gab es noch für Alternativen? Unfall oder Mord? Ja, Mord, das klang gut. Allerdings war ich damit auch schon bei Vanessa-Sharon gescheitert. Wahrscheinlich, weil ich noch recht unerfahren war auf dem Gebiet. Ich war sozusagen noch Mord-Jungfrau. Sicherlich würde ich im Internet Literatur zu diesem Thema finden, also fing ich an, zu googeln. Vielleicht gab es auch einen Workshop zu diesem, meinem Problem. Doch leider ergab meine Recherche vorerst nichts Brauchbares.

Trotzdem beschloss ich, diese Option im Auge zu behalten. Wenn ich zu diesem Zeitpunkt gewusst hätte, wie sehr mir das Schicksal noch in die Karten spielen würde. Aber eins nach dem anderen.

6. Amrum

Kniepsand

Vielfach wird der Kniepsand vor Amrum für den Sandstrand gehalten, dabei ist

er eigentlich nur eine vorgelagerte,

etwa 15 km lange und 1,5 km breite Sandbank.

Sie bewegt sich weiterhin im Meer und

wird in den folgenden Jahrzehnten

vermutlich um Amrum herum wandern.

Kniepsand geht übrigens auf das friesische Wort

»kniepen« für kneifen zurück. Und wenn es

ordentlich windig ist, wissen alle, die dann

schon einmal lang gelaufen sind, woher

der Name kommt.

»Was für eine Scheiße. Du bist auch zu nichts zu gebrauchen. Wirklich zu gar nichts. Nicht mal das mit dem Erben kriegst du richtig hin. Zu blöd selbst für so etwas, mein Weib. Und wer darf für alles der Bezahler sein? Ich natürlich. Man, man, man, statt auf Sylt, wo selbst so eine schäbige Butze gleich Millionen wert ist, erbt meine Alte natürlich so ’nen Kotten auf einem Kaff, wo nix finanziell rauszuholen ist außer Peanuts.«

Genervt senkte ich meinen Blick und ignorierte ihn. Viel lieber wandte ich mich wieder dem Meer zu.

 Während die meisten der wenigen Fahrgäste sich sofort nach Antritt der Fahrt auf das Salondeck verzogen und die besten Plätze direkt vor der Glasscheibe mit Blick auf das Wasser reserviert hatten, war ich auf das Sonnendeck gegangen. Heute war das mit der Sonne allerdings relativ. Aber das war mir egal. Ich wollte das Meer spüren. Ruhig fuhr unserer Boot Richtung Amrum. Die breite Spur, die wir hinterließen, sah aus wie geschlagenes Eiweiß. Einige Seevögel begleiteten unsere Fahrt. Ich hatte beschlossen, mir nicht die schöne Stimmung hier von ihm verderben zu lassen. Das Geschwätz meines Mannes konnte ich nicht mehr hören. Außerdem war er sicherlich nicht für alles der Bezahler. Mein Verdienst als Social-Media-Managerin eines großen Versicherungskonzerns, den ich im Homeoffice erledigte, war ausgezeichnet, und meine Eltern hatten schon in ganz jungen Jahren gut für mich vorgesorgt. Finanziell war ich nicht abhängig von meinem Mann. Verträumt blickte ich auf das Meer. Gleich würde die Fähre von Dagebüll den Hafen von Amrum, Wittdün, erreichen. Ich konnte schon den rot-weiß-geringelten Leuchtturm sehen. Unter den Fahrgästen brach Hektik aus. Einige suchten ihren Koffer, andere ihre Kinder. Das Bordpersonal servierte noch schnell den letzten Kaffee oder die momentan so angesagte Rhabarberschorle.

»Ich bin dann nochmal schnell für kleine Königstiger«, ließ Hartmut mich wissen und verschwand.

»Sind Sie zum ersten Mal auf Amrum?« Der Mann mit der wettergegerbten Haut und der typischen blauen Mütze konnte ein Insulaner sein. Ich musterte ihn interessiert. Er musste schon eine ganze Weile neben mir gestanden haben, bis er mich ansprach. Ich hatte ihn gar nicht bemerkt. Aber jetzt, wo mein Mann die Toilette aufsuchte, schien er die Gelegenheit auf ein Gespräch mit mir wahrnehmen zu wollen.

»Ja, und ich finde es toll hier. Alles wirkt so friedlich.«

»Amrum ist ein kleines Paradies, es gibt viele Wunder zu entdecken …«

»Das kann ich mir gut vorstellen … Und ich freue mich darauf, sie alle zu entdecken. Haben Sie einen besonderen Tipp für mich?«

»Bleiben Sie denn länger auf der Insel?« Überrascht musterte er mich. Er schien uns für Touristen zu halten.

»Mal sehen, wie es sich ergibt …«

»Dann sind Sie gar nicht auf Urlaub hier?« Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, kam mein Mann wie ein wilder Ochse angelaufen. Der war aber schnell wieder zurück. Hoffentlich hatte er sich die Hände gewaschen.

»Meine Frau und ich sind beruflich hier.« Besitzergreifend legte er seinen Arm um meine Schultern.

»Beruflich, mmmh.« Der Fremde war wortkarg. Er musste ein Einheimischer sein! Langsam wandte er sein Gesicht von mir ab und sich dem Meer zu. Nachdenklich blickte er auf die Wellen. Merkwürdig, warum wirkte er plötzlich so ungläubig, ja fast misstrauisch, oder bildete ich mir das alles nur ein?

»Ja, genau. Wir haben auf der Insel ein Haus geerbt«, prahlte Hartmut.

Aha, dachte ich nur, WIR.

»Sie haben das Haus der Hexen geerbt?«

Überrascht sah Hartmut ihn an.

»Was meinen Sie damit?«

Wie war das denn gemeint? Wieso verblüffte ihn die Tatsache so, wen hatte er denn als Erben erwartet? Und was wollte er mit den Hexen andeuten? Ich war verwirrt und neugierig zugleich. Leider bekam ich keine Antwort mehr auf meine Fragen. Die Fähre hatte inzwischen angelegt und unser Gespräch wurde abrupt unterbrochen.

7. Hexenhaus

Eine magische Kraft besetzt das Gute als auch das Böse.

Katharina Eisenlöffel, österreichische Aphoristikerin

Ich konnte das Salz des Meeres auf meinen Lippen schmecken. Amrum war wunderschön. Die tolle Dünenlandschaft in der Inselmitte, die Geest mit Heideflächen und Wald; das Wechselspiel der Gezeiten und die vielen Seevögel. Für Naturliebhaber wie mich war die Insel ein wahr gewordener Traum. Ich konnte mich gar nicht sattsehen an der Schönheit von Amrum.

Blumenumrankte Friesenhäuser, liebevoll gepflegt, bildeten den historischen Ortskern von Nebel. Es war eines der ältesten Dörfer der Insel. Wobei Amrum nur wenige Dörfer hatte: Norddorf, Nebel, Steenodde, Süddorf und die Inselhauptstadt Wittdün. Auf der ganzen Insel gab es nicht eine Ampel. Zumindest hatte ich keine gesehen …

Leider war die Fahrt nur kurz und Hartmut stoppte. Wir waren da. Die zauberhafte Atmosphäre hatte mich bereits jetzt eingefangen. Ich war verliebt in Amrum. Mit klopfendem Herzen blickte ich auf mein Haus.

»Na, das sieht doch besser aus als gedacht. Vielleicht können wir es zu Ferienappartements umbauen.« Bevor wir uns bemerkbar machen konnten, öffnete sich die Tür und eine Frau stand uns gegenüber.

»Hallo, ich bin Vida. Ich habe euch bereits erwartet. Kommt rein.«

»Wieso wussten Sie, dass wir kommen? Können Sie hellsehen?« Statt sie zu begrüßen, machte Hartmut gleich eine blöde Bemerkung.

»Ja.« Die Antwort war kurz und prägnant. Dafür hielten ihre durchdringenden Augen Hartmuts Blick solange stand, bis er sich abwandte.

So, das war also Vida, die Bewohnerin mit dem lebenslangen Wohnrecht. So wie sie aussah, hätte sie auch auf Ibiza oder Goa leben können. Hennarote Dreadlocks, Strickjacke, vermutlich selbst gemacht, und violette Pump-hose. Missbilligend fiel Hartmuts Blick auf ein Gewächs, das einen sehr süßlichen Duft verströmte. Mit Sicherheit handelte es sich um eine Hanfpflanze.

Auweia, wenn Vida auch noch Räucherstäbchen zu unserer Begrüßung angesteckt hätte, würde Hartmut komplett ausrasten. Leute wie sie waren für ihn Abschaum und Kroppzeug. Und das war noch eine seiner netteren Formulierungen.