Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Wenn Eltern plötzlich schrecklich peinlich sind, zickige Wutanfälle oder schmollendes Türenknallen an der Tagesordnung sind und Themen wie die erste Liebe und die Menstruation im Raum stehen, kann das nur eins bedeuten: die Tochter ist in der Pubertät. Trotz Streit und Verständi-gungsproblemen brauchen starke Mädchen nun entspannte Eltern, die ihnen ein verlässliches Gegenüber sind, aber auch wissen, wann sie loslassen sollten. In ihrem neuen Ratgeber zeigt Dr. Judith Bildau, wie Eltern und Töchter ein gutes Team bleiben und wie ein gelassener Umgang mit typischen Stresssituationen gelingt. Außerdem liefert sie Informationen zur emotionalen und körperlichen Entwicklung von Mädchen – vom Zickenkrieg bis hin zum ersten Frauenarztbesuch
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 212
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Vorwort
Die eigene Pubertät im Rückblick? – Anstrengend!
Und plötzlich stecken wir wieder mittendrin – diesmal als Eltern
Starke Mädchen brauchen entspannte Eltern
Verstehen und strategisch handeln – Wege zu einem besseren Miteinander
Die Mädchensprechstunde – Antworten auf wichtige medizinische Fragen
Über mich
Die Pubertät unter die Lupe genommen
Was genau ist eigentlich „die Pubertät“?
Wie sich nun der Körper verändert
Wie sich nun das Verhalten verändert
Wie sich jetzt die Seele verändert
Plötzlich ist alles anders – So bleibt ihr trotzdem ein Team
Die vier Bausteine des guten Miteinanders
Umbau der Familienstruktur – Warum sich nun die Rollen in der Familie ändern
Alte Rollen werden in Frage gestellt
Die Familienstruktur gerät ins Wanken
Kluge Strategien, wie ihr euch als Familie neu aufstellen könnt
Verständnis – Innere Unordnung zieht äußere nach sich
Sicheres Gegenüber – Ihr bleibt immer Eltern
Loslassen – Verabschiedet euch von alten Vorstellungen
Da Sein – Halt geben, wenn ihr gebraucht werdet
Außer Kraft gesetzt – Warum nun alte Regeln nicht mehr gelten
Alte Regeln werden hinterfragt
Kluge Strategien für neue und alte Regeln
Verständnis – Der Hunger eurer Töchter auf das Leben
Sicheres Gegenüber – Einen schützenden Rahmen geben
Loslassen – Mehr Freiheiten zulassen
Da Sein – Der gute Umgang mit gebrochenen Regeln
Verständigungsprobleme – Warum ihr euch einfach nicht mehr „versteht“
Zwei verschiedene Sprachen und kein passendes Wörterbuch
Kluge Strategien, wie ihr wieder eine gemeinsame Sprache finden könnt
Verständnis – Die neue Sprache schafft Distanz zu den Eltern
Sicheres Gegenüber – Ihr seid starke standfeste Eltern
Loslassen – Wenn ihr nicht mehr als wichtigste Gesprächspartner erwünscht seid
Da Sein – Die Tür zu einem ruhigen Gespräch offen halten
Verschiedene Sichtweisen – Warum ihr nun unterschiedliche Weltbilder habt
Veränderte Wertvorstellungen
Kompromisslose Weltanschauung
Kluge Strategien, wie ihr dennoch gemeinsam in eine Richtung blicken könnt
Verständnis – Eine andere Sichtweise als Mittel zur Abgrenzung
Sicheres Gegenüber – Unterschiedliche Sichtweisen zulassen
Loslassen – Und euren Töchtern damit Vertrauen entgegenbringen
Da Sein – Auf Fragen gemeinsam Antworten finden
Schamalarm – Warum jetzt alles nur noch peinlich ist
Die lange Liste der Peinlichkeiten reicht von nackten Körpern bis zu den eigenen Eltern
Kluge Strategien für ein Miteinander, das für keinen unangenehm ist
Verständnis – Durch Unsicherheit entsteht Scham
Sicheres Gegenüber – Zeigt Respekt für die neuen Schamgrenzen
Loslassen – Habt Vertrauen, dass sich eure Töchter zurechtfinden werden
Da Sein – Mit einer Balance zwischen Distanz und Nähe
Typisch Pubertät – Gemeinsam durch schwierige Alltagssituationen
Himmel hoch jauchzend und zu Tode betrübt!
Deshalb geht es immer hoch und runter
Der gute Umgang mit den Stimmungsschwankungen
Nicht in diesem Ton!
So gelingt euch eine gute Kommunikation
Immer dieses Chaos!
Leichtes Durcheinander oder Saustall? – Ein ewiger Streitpunkt
Schlaue Tipps gegen die große Unordnung
Dieser wahnsinnige Egoismus!
Ihr sucht das Mitgefühl eurer Töchter – Vergeblich
So kommt ihr gemeinsam zurück zu einem emphatischen Miteinander
Alles total egal!
Die Grundstimmung: Kein Bock auf gar nichts
Mit Verständnis und Liebe gemeinsam aus der „Mir-doch-egal-Haltung“
Dieser ewige Zickenkrieg!
Ihr erinnert euch noch gut an den Wunsch, dazu gehören zu wollen
So unterstützt ihr eure Töchter beim Thema Freundschaft und Cliquenbildung
Von morgens bis abends nur Handy!
Soziale Netzwerke, Chats und Serien – und das wahre Leben muss warten
So verhelft ihr euren Töchtern zu einem gesunden Umgang mit Handy, Tablet & Co
Wenn das Herz bricht
Liebeskummer tut weh – Im ganzen Körper
Seite an Seite beim ersten Liebeskummer – So helft ihr euren Töchtern darüber hinweg
Hetero, lesbisch, bi, trans – Wenn die Richtung noch nicht klar ist
Die Pubertät als Zeit der sexuellen Orientierung
Wenn eure Töchter Mädchen (oder auch Mädchen und Jungs) lieben
So könnt ihr eure Mädchen nun gezielt unterstützen
Wenn eure Töchter lieber Söhne sein möchten
„Liebe Mama, lieber Papa! Das wünsche ich mir von euch …“
Die Mädchen-Sprechstunde
Alles rund um die Menstruation
Die erste Regelblutung
Die Menstruation – kurz & knapp erklärt
Der Menstruationskalender – den Zyklus im Auge behalten
Menstruationshygiene
Eine Übersicht über verschiedene Menstruationsartikel
Welcher Menstruationsartikel ist nun der richtige für Mädchen?
Probleme mit der Menstruation
Sehr schmerzhafte Menstruation
Sehr unregelmäßige Menstruation
Sehr starke Menstruation
Alles rund um die Brust
Wann fängt die Brust an zu wachsen?
Ab wann brauchen eure Töchter einen BH?
Kann man das Brustwachstum beeinflussen?
Probleme mit der Brust
Wenn die Brust zieht und spannt
Wenn die Brüste nicht gleichmäßig wachsen
Was Mädchen sonst noch plagen kann .
Blasenentzündungen – wenn das Pipimachen wehtut
Schnelle Hilfe bei Blasenentzündungen
Das beugt Blasenentzündungen vor
Scheideninfektionen – wenn es unten immer wieder juckt und brennt
Schnelle Hilfe bei Scheideninfektionen
Das beugt Scheideninfektionen vor
Kreislaufprobleme – und plötzlich wird es schwarz vor den Augen
Das hilft gegen Kreislaufprobleme
Hautunreinheiten und fettige Haare
Das hilft gegen fettige Haare
Pflegetipps für die Haut
Ungebetener Besuch – alles Wichtige über Geschlechtskrankheiten
HIV/AIDS
Chlamydien
HPV/ Humane Papillomaviren
HPV-Impfung – ja oder nein?
Warnzeichen für sexuell übertragene Krankheiten
Psychische Probleme in der Pubertät
Warnsignale für ernsthafte Störungen
Essstörung
Depression
Alkohol- und Drogenmissbrauch
Die häufigsten Fragen in der Mädchensprechstunde
Wann sollte der erste Frauenarztbesuch stattfinden?
Wann ist der „richtige“ Zeitpunkt für den ersten Sex?
Welche Verhütungsmittel gibt es für Mädchen?
Kondom
Pille
Vaginalring
Hormonpflaster
Verhütungsstäbchen
Notfallverhütung – die „Pille danach“
Schlusswort
Danksagung
Anhang
Energie- und Nährstoffbedarf von Mädchen in der Pubertät
Zum Weiterlesen und Informieren
Pubertät – allein das Wort löst bei uns Eltern schon einen kalten Schauer aus, der uns unangenehm den Rücken hinunterläuft. Möglicherweise flackern urplötzlich Bilder der eigenen Pubertät vor unserem inneren Auge auf und augenblicklich fühlen wir uns unwohl. Im Zweifel haben wir sogar das Gefühl, kurz unsere Eltern anrufen zu müssen, um uns nachträglich für all das zu entschuldigen, was wir ihnen in dieser Zeit angetan haben.
Wir erinnern uns zurück an unsere Gefühlswelt, die sich stündlich änderte und einer inneren Achterbahnfahrt glich. An den Wunsch, plötzlich und ohne besonderen Grund die ganze Welt umarmen zu wollen, beglückt von den unendlichen Möglichkeiten, die vor uns zu liegen schienen. Aber auch an das ohne Vorwarnung über uns hereinbrechende Gefühl der Hoffnungslosigkeit und der tiefen Verzweiflung. Wir sehen unser junges Ich auf dem Bett liegen, über das Leben an sich und im Allgemeinen sinnierend und uns persönlich grundsätzlich unverstanden fühlend. Irgendwie war plötzlich alles anders. Wir fühlten uns anders. Wir sahen unsere Eltern anders. Und stellten von einem auf den anderen Tag alles in Frage. Ein merkwürdiges, teils beängstigendes Gefühl.
Manchmal so beängstigend, dass wir uns am liebsten im Arm unserer Mama verkrochen und laut „Ich will das alles nicht!“ gerufen hätten. Zornig darüber, der eigenen Gefühlswelt so machtlos ausgeliefert zu sein. Leider fanden wir unsere Mütter in dieser Zeit aber meistens doof. Vor allem wollten wir nie so werden wie sie. Von daher kam die Rückkehr in Mamas beschützende Arme nur im äußersten Notfall und höchstens für ein paar Minuten in Frage. Im nächsten Moment zeigten wir ihr lieber gleich wieder, dass wir sie im Grunde überhaupt nicht mehr brauchten und vor allem nicht wie ein kleines Kind mit ihr kuscheln wollten.
Puh, auch im Nachhinein immer noch ganz schön harter Tobak. Mittlerweile selbst Eltern, erahnen wir, wie schwer diese Zeit damals für unsere Eltern gewesen sein muss. Wie anstrengend das Leben mit uns als pubertierendes „Etwas“ war. Nachträglich finden wir uns selbst in Vielem einfach nur total blöd, müssen sogar ein bisschen über uns schmunzeln, wenn, ja, wenn wir uns nicht auch an dieses Gefühl der eigenen Hilfslosigkeit erinnern würden, welches noch heute ein Grummeln in unserer Magengegend auslöst. Das Gefühl ist womöglich so stark, dass wir uns vornehmen, alles besser als unsere eigenen Eltern zu machen, wenn unsere Töchter nun in die Pubertät kommen. Nein, wir wollen niemals laut schreien, unsinnige Verbote aussprechen oder uns verständnislos ihnen gegenüber zeigen. Wir möchten sie unterstützen, sie begleiten, sie verstehen und bestärken.
Dieser innige Wunsch hält aber vielleicht nur so lange an, bis wir mal wieder einen Stapel dreckiges Geschirr unter dem Bett der Kinder hervorholen. Nicht weil wir einen Reinlichkeitsfimmel hätten, sondern weil wir uns ernsthaft vor Ungeziefer fürchten, das bald das Zimmer und schließlich die gesamte Wohnung in Beschlag nehmen würde. Noch weiter geschmälert wird der Ich-mache-es-besser-alsmeine- Eltern-Wunsch, wenn wir im Anschluss daran angebrüllt werden, dass wir nichts, aber auch gar nichts, im Zimmer unserer Tochter zu suchen und gefälligst ihre Privatsphäre zu respektieren hätten.
Gefolgt von der Aufforderung für morgen Lieblingsjeans und -pulli zu waschen. Aber bitte pronto. Möglicherweise wird unser Vorsatz sogar im Keim erstickt, wenn unsere Töchter uns vor ihren Freundinnen so behandeln, als ob wir geistig nicht zurechnungsfähig wären, wenn sie im Grunde unsere Daseinsberechtigung in Frage stellen. Wir sind einfach zu peinlich, um ihre Eltern zu sein. Das schmerzt. Das verletzt uns zutiefst. Und das ist auch neu für uns.
Klar, wir haben schon viele Phasen des Aufbegehrens mit unseren Kindern erlebt: die Autonomiephase, die Wackelzahnpubertät und so weiter. Schmissen sich unsere Töchter im Kindergartenalter beim Einkaufen laut brüllend auf den Boden, weil wir uns weigerten, den Schokoriegel zu kaufen, war das natürlich wahnsinnig anstrengend, oft auch zermürbend. Wir gingen oft auf dem Zahnfleisch, waren müde und verzweifelt. Getragen haben uns aber die feuchten Kinderküsse, das leise geflüsterte „Ich hab‘ dich lieb!“ vor dem Einschlafen und das nächtliche Kuscheln. Trotz allem waren wir während dieser ganzen Phasen „die Held*innen“ unserer Mädchen. Sie haben uns nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Sie haben uns trotz der vielen schwierigen Momente gezeigt, dass sie uns lieben, uns vertrauen und dass sie uns brauchen.
Diesmal ist es aber irgendwie komplett anders. Jetzt fühlen wir uns abgelehnt. Fremd unseren eigenen Kindern gegenüber. Manchmal so wütend auf sie, dass wir uns unserer ambivalenten Gefühle ihnen gegenüber schämen. Sie treiben uns in manchen Augenblicken so sehr zur Weißglut, dass wir uns fragen, was wir in ihrer bisherigen Erziehung falsch gemacht haben. Haben urplötzlich große Sorge, was einmal aus ihnen werden soll. Haben wir ihnen nicht gegenseitige Wertschätzung, Respekt und Einfühlungsvermögen beigebracht? Davon merken wir aktuell aber gar nichts. Wir erleben nun immer öfter unausgeglichene, in einem Moment fordernde, im anderen Moment abweisende, empathielose Kinder auf dem Sprung ins Erwachsenenalter, mit denen kein vernünftiges Gespräch mehr möglich ist. Und so sehr wir uns auch bemühen, wenn wir nun mit ihnen zusammen sind, gehen trotzdem immer wieder auch unsere Gefühle mit uns durch. Plötzlich verhalten wir uns so, wie wir uns niemals verhalten wollten, ärgern uns über unsere eigene Hilflosigkeit, sind zuweilen auch manchmal erschrocken über uns selbst im Umgang mit unseren Töchtern.
Und genau hier soll dieses Buch ansetzen: Starke Mädchen brauchen auch, und gerade in dieser Zeit, entspannte Eltern. Sie brauchen Eltern, die ihrer inneren Unordnung einen äußeren ruhigen Rahmen geben. Eltern, die sich durch das Verhalten ihrer Töchter nicht automatisch selbst in Frage stellen oder gar an sich zweifeln und schließlich mit ihnen verzweifeln. Die bei jeder Stimmungsschwankung der Kinder mitschwingen. All das schafft nämlich noch mehr Verunsicherung.
Andererseits müssen Eltern keinesfalls perfekt sein. Sie dürfen sich immer selbst prüfen, Fehler eingestehen, authentisch sein. Das wichtigste jedoch ist, genau in dieser Unperfektheit eine eigene innere Ruhe zu finden, eine Sicherheit, die sie gemeinsam mit ihren Töchtern durch diese schwierige Zeit trägt.
Doch wie schaffen wir es, zu dieser inneren Ruhe und Gelassenheit zu finden?
Um eure Töchter besser verstehen zu können, möchte ich euch im ersten Teil des Buches zunächst erklären, welche komplexen Veränderungen körperlich und auch seelisch in ihnen vorgehen. Im zweiten Teil zeige ich euch, mit welchen Strategien es euch gelingt, gemeinsam ein starkes Team zu bleiben, auch wenn sich nun in der Familie vieles verändert. Schließlich möchte ich mir dann mit euch ganz typische Alltagssituationen anschauen, euch die Hintergründe für das Verhalten eurer Töchter erklären und euch kluge und einfach anzuwendende Strategien für den Umgang damit an die Hand geben.
Eine zentrale Rolle spielen dabei die vier Prinzipien Verständnis, Sicheres Gegenüber, Loslassen, Da Sein, die ihr immer wieder wie Bausteine anwenden und zu einer soliden Grundlage im Umgang mit euren Töchtern machen könnt.
Da die Pubertät nicht nur eine große Veränderung für eure Töchter, sondern natürlich auch für euch Eltern bedeutet, möchte ich euch zwischendurch immer wieder Platz für eure eigenen Gedanken geben und euch dazu einladen, euch wichtige Fragen über eure eigene Person zu stellen: wie ihr im Rückblick eure eigene Pubertät seht, wie ihr euch in der Kommunikation mit euren Töchtern fühlt, welche Werte euch wichtig sind, nach welchem Weltbild ihr lebt. Die Beantwortung dieser Fragen kann euch dabei helfen, euch besser in eure Mädchen hineinzuversetzen und sie schließlich liebevoll begleiten zu können. Übrigens könnt ihr die Gedanken, die ihr euch dazu gemacht habt, hier ins Buch hineinschreiben, damit ihr sie später, wenn nötig, noch einmal lesen könnt.
Im letzten Teil dieses Ratgebers widme ich mich schließlich einer meiner Herzensangelegenheiten als Frauenärztin: Der Mädchensprechstunde. Tagtäglich kommen junge, sehr unsichere Mädchen in meine Praxis oder kontaktieren mich online, die Fragen zu allen möglichen medizinischen Themen rund um die Pubertät haben. Manchmal werden sie von ihren Müttern, seltener von ihren Vätern begleitet, die alle auch einen großen Informationsbedarf haben. Viele Eltern setzen sich mittlerweile auch über die sozialen Netzwerke mit mir in Verbindung, weil sie Hilfe in Bezug auf alltägliche medizinische Probleme ihrer Töchter benötigen. Wie kann ich meiner Tochter bei starken Regelschmerzen helfen? Soll ich sie gegen HPV impfen lassen? Welches Verhütungsmittel ist das richtige für sie? Häufig sind sie durch eine vorher durchgeführte Internetrecherche nicht besser informiert sondern eher verunsichert. Deshalb möchte ich hier nun medizinisch fundiert genau diese Themen besprechen, die so viele beschäftigen. Denn wenn wir unseren Töchtern auch in diesem Bereich informiert, sicher und beruhigend zur Seite stehen, geben wir ihnen den nötigen Halt und das gute Gefühl, sich auch bei diesen Themen an uns wenden zu können.
Übrigens: Wenn ich in diesem Buch von Frauenärztinnen spreche, sind selbstverständlich auch Frauenärzte gemeint, ich habe die männliche Form nur aus Gründen der besseren Lesbarkeit weggelassen.
Ich freue mich sehr darauf, nun mit euch auf die Reise durch die aufregende und spannende Zeit der Pubertät eurer Töchter zu gehen!
Eure Judith
Ich heiße Judith Bildau und lebe mit meiner Familie in Italien. Vor einigen Jahren haben wir unseren Traum wahr gemacht und sind zunächst nach Rom und schließlich in die Toskana gezogen. Mein Mann und ich haben insgesamt 5 Töchter. Ich bin mit Leib und Seele (Patchwork-)Mama und genieße unser – manchmal sehr trubeliges – Leben mit diesen wunderbaren Mädchen sehr. Jede einzelne von ihnen ist auf ihre eigene Art etwas ganz Besonderes. Mit zwei von ihnen haben wir bereits die Pubertät durchlebt, eine steckt gerade mittendrin und zwei wollen noch dorthin. Ihr seht, es wird nie langweilig bei uns!
Neben meiner Hauptaufgabe als Mama, arbeite ich als Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, einfach ausgedrückt heißt das, ich bin Frauenärztin. Ich liebe meinen Beruf und bin sehr dankbar für die Möglichkeit, tagtäglich Frauen jeden Alters begleiten zu dürfen. Eine meiner Herzensangelegenheiten ist die Behandlung und Begleitung junger Mädchen. Es berührt mich jedes Mal sehr, wenn sie das erste Mal meine Praxis aufsuchen – meist unsicher, voller Fragen und auch Sorgen. Ich sehe es als meine Aufgabe, sie (und auch ihre Eltern) ernst zu nehmen, aufzuklären und ihnen in jeder Lebenslage mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Und genau das möchte ich nun auch mit diesem Buch tun.
Wegen Umbau geschlossen – diesen Baustellen-Hinweis könnten wir an manchen Tagen auch unseren Töchtern im Teenageralter um den Hals hängen, wenn sie mal wieder allzu tief drin stecken in ihrer Pubertät. Und hier handelt es sich nicht nur um ein paar kleinere Reparaturen – es ist ein Total-Umbau, der ihr Gehirn, ihren Hormonhaushalt, ihre Gedanken und Gefühle, eigentlich ihren ganzen Körper und ihre Seele betrifft. Und hier erfahrt ihr, was da genau mit ihnen passiert.
Um eure Mädchen entspannt und sicher durch diese aufregende Zeit begleiten zu können, ist es für euch natürlich erst einmal wichtig zu wissen, was genau das eigentlich ist – die Pubertät. Deshalb möchte ich versuchen, diese besondere Zeit in Worte zu fassen. Wohlwissend, dass mir das nicht voll und ganz gelingen wird, denn dafür ist sie nämlich viel zu komplex, viel zu vielschichtig und, ja auch viel zu individuell. Ich versuche deshalb zunächst einmal wichtige Begriffe und Eckpunkte dieser so wichtigen Entwicklungsstufe unserer Kinder zu erklären. Auf geht’s!
Der Begriff Pubertät leitet sich von dem lateinischen Wort pubertas, Geschlechtsreife, ab. Doch das ist natürlich kein festgesetztes Datum, sondern wie eigentlich bei allen Entwicklungsphasen von Kindern, ist das Alter, in dem eure Töchter in die Pubertät eintreten, nicht in Stein gemeißelt, und sie erstreckt sich über eine große Zeitspanne, bei Mädchen grob gesagt etwa vom 10. bis zum 16. Lebensjahr. Dabei kann man beobachten, dass Mädchen insgesamt etwa 2 Jahre früher als Jungen pubertieren, und etwa ab dem 10. Lebensjahr meist die ersten körperlichen Veränderungen beginnen. Treten die ersten Pubertätszeichen vor dem vollendeten 9. Lebensjahr ein, spricht man von einer verfrühten Pubertät, der pubertas praecox. Eine verspätete Pubertät, pubertas tarda, beschreibt das völlige Fehlen von Pubertätszeichen bis zum 13. Lebensjahr.
Wusstet ihr, dass Mädchen immer früher in die Pubertät kommen und sämtliche körperlichen Veränderungen mittlerweile eher beginnen als bei der Generation davor? Das Brustwachstum zum Beispiel mit 10,5 Jahren. Die erste Regelblutung, auch Menarche genannt, mit 13,0 Jahren. Das ist im Schnitt 3,6 Monate früher als noch bei ihren Müttern, also bei euch Mamas selbst.
Der Hauptgrund dafür dürfte sein: Es geht den Mädchen (und natürlich auch den Jungen) in vielen Bereichen einfach so gut, wie noch keiner Generation zuvor. Ernährung, Gesundheit und Hygiene sind hierzulande mittlerweile auf einem so hohen Niveau, dass sich das Entwicklungstempo von Jugendlichen in den letzten Jahren immer weiter beschleunigt hat. So weit, so gut – vermutlich eine schlüssige Erklärung. Doch das ist sicher nicht der einzige Grund für dieses Phänomen und es lohnt sich, einen etwas genaueren Blick darauf zu werfen.
Offensichtlich scheint nämlich auch der stärkere Einfluss von Hormonen dafür verantwortlich zu sein. So haben viele Untersuchungen gezeigt, dass ein wichtiger Faktor für das immer frühere Eintreten in die Pubertät mit dem steigenden Körpergewicht unserer Kinder zu tun hat. Durch einen höheren Anteil von Fettgewebe produziert der Körper unserer Mädchen über verschiedene Mechanismen vermehrt weibliche Hormone. Außerdem wird auch ein Zusammenhang zwischen einer früheren Geschlechtsreife und Umweltgiften vermutet, wie zum Beispiel Bisphenol-A und Phthalaten. Sie kommen unter anderem in Kinderspielzeug, Verpackungen und Kosmetika vor und haben eine hormonelle Wirkung. Und auch die Hormongaben in der Massentierhaltung könnten einen Einfluss auf die Entwicklung der Kinder haben.
Es gibt also verschiedene Erklärungsansätze, viele vermutete Einflussfaktoren. Und wie eigentlich immer ist davon auszugehen, dass es eben nicht nur die eine Ursache gibt, sondern dass eure Töchter durch ein Zusammenspiel vieler Faktoren immer jünger in die Pubertät eintreten – eine anstrengende, aber auch eine wunderbare und aufregende Zeit.
Hat sich die körperliche Entwicklung eurer Töchter in den letzten Jahren im Gegensatz zu den Kleinkindjahren deutlich verlangsamt, so setzt jetzt quasi ein Entwicklungsturbo ein. Manchmal müsst ihr euch als Eltern nun vermutlich die Augen reiben, wenn ihr eure Mädchen morgens aus ihrem Zimmer schlurfen seht. Du meine Güte, sie sind schon wieder gewachsen! Und irgendwie schon wieder weiblicher geworden! Wo sind bloß die kleinen Mädchen hin? Vielleicht überkommt euch in dem einen oder anderen Moment dann eine gewisse Wehmut. Eure Kinder werden erwachsen! Und dieser Vorgang ist nicht mehr umkehrbar! Das kann schmerzen, bedeutet es nämlich auch, dass sie euch nun nicht mehr so brauchen wie früher und dass sie immer stärker ihre eigenen Wege gehen werden. Puh – da wird die eine oder der andere von euch sicher des Öfteren schlucken müssen.
Übrigens haben nun alle plötzlich auftretenden Veränderungen eurer Töchter ihren Ursprung in ihrem Kopf. In ihrem Kopf? Ja! Dort wird nämlich ein Botenstoff gebildet und ausgeschüttet, der letztendlich dafür sorgt, dass die weiblichen Geschlechtshormone gebildet werden. Viele verschiedene Zahnräder greifen hier auf faszinierende Art und Weise ineinander und sorgen nun dafür, dass sich der Körper eurer Töchter verändert: Die Brust fängt an zu wachsen, Schamhaare zu sprießen, es kommt zu einem Wachstumsschub und zum Einsetzen der Menstruation.
ALLES BEGINNT IM KOPF
Die Pubertät wird, vereinfacht gesagt, durch eine Kaskade verschiedener Hormone ausgelöst. Zuerst beginnt ein bestimmter Bereich des Gehirns, der Hypothalamus (1), vermehrt einen Botenstoff, das GnRH, auszuschütten. Dieser wiederum animiert die Hirnanhangsdrüse, auch Hypophyse (2) genannt, die Hormone LH und FSH freizusetzen. Und diese veranlassen nun die Eierstöcke, Östrogen und Progesteron zu bilden. Diese beiden Sexualhormone haben einen großen Einfluss sowohl auf den weiblichen Körper als auch auf den monatlichen Zyklus. So stimuliert das Östrogen das Wachstum der weiblichen Geschlechtsmerkmale, wie Gebärmutter und Brust. Es ist allerdings u. a. auch für die monatliche Eizellreifung zuständig und sorgt dafür, dass sich der Gebärmutterhals öffnet, um Spermien durchzulassen. Das Progesteron wiederum regt den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut an, damit sich schließlich eine befruchtete Eizelle sicher dort einnisten kann – das ist dann der Beginn einer Schwangerschaft. Kommt es zu keiner Befruchtung der Eizelle, blutet die aufgebaute Gebärmutterschleimhaut während der monatlichen Regelblutung wieder ab.
Neben diesen körperlich sichtbaren Veränderungen eurer Mädchen gibt es aber auch viele, die von außen nicht erkennbar sind. Besonders spannend ist hier die Reorganisation, also die Umstrukturierung, ihres Gehirns. Da diese Prozesse maßgeblich an dem veränderten Verhalten eurer Töchter beteiligt sind, möchte ich darauf im nächsten Abschnitt genauer eingehen.
„Nicht Fisch, nicht Fleisch“ – so könnte man das Dilemma der Pubertät treffend beschreiben, denn es ist die Phase, in der die Jugendlichen nicht wissen, ob sie groß oder klein, Kinder oder Erwachsene sind. Dass dieses Dilemma, genau wie die Hormonproduktion, seinen Ursprung in ihrem Kopf hat, ist dabei besonders spannend. Tatsächlich ist es nämlich so, dass die Hirnforschung in verschiedenen Studien rund um den Globus herausgefunden hat, dass sich das Gehirn in der Pubertät in vielen Bereichen komplett umstrukturiert.
Einerseits ändert sich die Zusammensetzung der Hirnsubstanz: Die weiße Hirnsubstanz, also die, die aus den Enden der Nervenzellen besteht und die die dort gebildeten Informationen weiterträgt, nimmt deutlich zu. So werden verschiedene Hirnareale intensiver miteinander verknüpft. Andererseits organisieren sich auch ganze Hirnbereiche neu. Aber: Das alles geschieht nicht gleichzeitig! Manche Hirnbereiche strukturieren sich schneller um als andere, funktionieren bereits wie bei einem Erwachsenen, andere wiederum noch wie bei einem Kind. Es herrscht also zeitweise bei euren Töchtern ein echtes Chaos im Kopf! Und dementsprechend verhalten sie sich nun auch häufig.
CHAOS IM KOPF
Die einzelnen Hirnbereiche entwickeln sich in der Pubertät unterschiedlich schnell. Der Frontal- oder Stirnlappen, der für die Impulskontrolle, d. h. die Kontrolle der Gefühlsäußerungen, und auch für das Abschätzen von Risiken verantwortlich ist, reift zum Beispiel besonders spät und funktioniert noch lange wie bei einem Kind.
Aus diesem Grund fällt es Jugendlichen oft so schwer, ihre Gefühle und deren Ausdrucksweise zu kontrollieren. Quasi erschwerend kommt hinzu, dass sich der Dopaminstoffwechsel im jugendlichen Gehirn verändert. Kurz gesagt: Das Belohnungszentrum braucht jetzt mehr Dopamin, damit es zufrieden ist, hat also immer mehr Hunger auf Abenteuer und den nächsten Kick. Da ist es dann besonders ungünstig, dass der Stirnlappen eben noch nicht ausreichend gegenregulieren kann. Eure Mädchen haben also große Lust auf das Leben, darauf, Neues zu entdecken, ein ausgeprägtes Gefühlsleben und noch keine ausgereiften Mechanismen, die ausgleichend darauf wirken können. So entsteht dann auch der sprichwörtliche „jugendliche Leichtsinn“.
Das Verhalten von Mädchen in dieser Entwicklungsphase erscheint vielen Eltern dann häufig sehr rätselhaft. Oft übertrieben emotional, unausgeglichen, ja, in einigen Situationen sogar beinahe melodramatisch. Vielleicht sind auch für euch die Verhaltensweisen eurer Töchter einfach nicht mehr nachvollziehbar und ihr habt das Gefühl, ihr könnt gar nicht mehr vernünftig mit ihnen sprechen. Schnell droht da der nächste Gefühlsausbruch und es werden Türen geknallt. Ihr verzweifelt daran, wenn ihr von ihnen keine Antwort auf die Frage Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? bekommt, nachdem sie wieder einmal in eine Situation geraten sind, in der sie auf einmal dringend eure Hilfe brauchen.
Die Wahrheit ist: Sie können gar nicht anders! Wenn ich das sage, geht es mir keinesfalls darum, den Jugendlichen einen „Freifahrtschein“ für unfaires Verhalten, mangelnde Kommunikation oder gar ungebremstes Ausprobieren von gefährlichen Situationen auszustellen! Was ich mir aber wünsche, ist, dass ihr dadurch, dass ihr versteht, was im wahrsten Sinne des Wortes in den Köpfen eurer Kinder vorgeht, genau die Eltern sein könnt, die diese jetzt brauchen. Versteht ihr die Veränderungen, die sie gerade durchleben, könnt ihr besser damit umgehen. Ihr macht nichts falsch, ihr seid keine schlechten Eltern, es ist ganz einfach der natürliche Lauf der Dinge. Eure Aufgabe ist es nun, eure Töchter stark, ruhig und wissend zu begleiten!
Gleichen nun sowohl Körper als auch Gehirn einer Großbaustelle, verändert das natürlich auch die Seele eurer Töchter. Sie befinden sich schließlich auf dem Weg aus ihrer Kindheit hinaus, hinein in die Ungewissheit des Erwachsenenlebens. Und dieser Weg kann mitunter sehr steinig, oft auch schmerzhaft für sie sein.
Der Abschied von der Kindheit tut weh, ist andererseits aber auch gepaart mit der unbändigen Freude auf alles, was jetzt kommt. Es besteht also ein innerer Konflikt, zwischen klein bleiben und groß werden wollen. Mal überwiegt das eine, mal das andere.