Moone Boy - Der Fischdetektiv - Chris O'Dowd - E-Book

Moone Boy - Der Fischdetektiv E-Book

Chris O'Dowd

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Beschreibung

Weihnachten ohne Geschenke? Horror! Aber genau das blüht Martin wohl dieses Jahr - denn seine Eltern sind pleite. Da bleibt ihm nur eins: Martin muss die Sache selbst in die Hand nehmen. So heuert er kurzerhand in der Metzgerei um die Ecke an. Dumm nur, dass die Fleischgeschäfte ausgerechnet jetzt einbrechen - direkt gegenüber hat nämlich ein Fischladen mit Dumpingpreisen eröffnet. Dass da irgendwelche unsauberen Machenschaften am Start sind, ist ja wohl klar. Und dass Martin den Fischbetrügern das Handwerk legen wird, sowieso. Also beginnt Martin mit seinen Ermittlungen – als undercover Fischdetektiv! Die schrägste Fischgeschichte seit der Erfindung von Weihnachten – und dem Gameboy! Mit genialen zweifarbigen Illustrationen.

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Seitenzahl: 220

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Chris O'Dowd | Nick V. Murphy

Moone Boy

Der Fischdetektiv

Aus dem Englischen von Thomas Merk

Mit zweifarbigen Bildern von Walter Giampaglia/Cartoon Saloon

FISCHER E-Books

Inhalt

WidmungHallo!Kapitel 1 Noch fünfzig Mal schlafen bis WeihnachtenKapitel 2 Martins JobsucheKapitel 3 Landmetzgerei CrossKapitel 4 Der MetzgerjungeKapitel 5 Francie »Touchy« FeeleyKapitel 6 Die MetzgerwundertüteKapitel 7 Der FischmaulwurfKapitel 8 Das Sieben-Uhr-LäutenKapitel 9 Der erste Ermittlungsbericht der FischdetektiveKapitel 10 Das VerhörKapitel 11 Ein Junge namens FischdarmKapitel 12 HerrenabendKapitel 13 Prinzessin MartinaKapitel 14 Die MauerKapitel 15 FabioKapitel 16 Ost gegen WestKapitel 17 Operation erschwingliche WeihnachtenKapitel 18 Der Spion mit den zwei Gesichtern. Vielleicht auch mehrKapitel 19 PersonalaktenKapitel 20 Die wollige AbrissbirneKapitel 21 Das WalfestKapitel 22 Kein Sieben-Uhr-Läuten mehrKapitel 23 Der große FrustKapitel 24 Der Club der toten FischeKapitel 25 Die fröhlichen GefährtenKapitel 26 Fischgemut zum großen SiegKapitel 27 Die Rückkehr des KönigsKapitel 28 Morgen kommt der FischnachtsmannKapitel 29 Null Mal werden wir noch wachKapitel 30 Viel Platz im GasthausÜber Chris O’DowdÜber Nick V. MurphyLESEPROBELeseprobe aus:Kapitel 3 Der Tag der Wahrheit

Für all die wunderbaren Migranten auf der ganzen Welt: genießt dieses Buch. Aber nehmt es bitte nicht als ein Beispiel für gutes Deutsch. Und für meinen Sohn Art, der ungefähr bei Kapitel 6 aus dem Mutterleib emigriert ist und sich inzwischen schon einen Namen macht.

Chris

Für meinen Sohn Jules, der so etwa während Kapitel 12 auf die Welt kam. Ich hoffe, dass dieses Buch, das jetzt so super zum Draufrumkauen und Einspeicheln ist, dich später einmal so sehr zum Kichern bringt, als wenn man dir in die Achselhöhle pustet.

Nick

Hallo!

Hier spricht Sean »Caution« Murphy. Ich bin ein professioneller imaginärer Freund und der nette Geheimniskrämer von nebenan (auch wenn ich euch jetzt schon meinen Namen und meinen Beruf verraten habe).

Bevor es losgeht, stell bitte sicher, dass du auch wirklich im richtigen Buch bist.

Das hier ist Moone Boy: Der Fischdetektiv. Wenn du Muh-Joy: Die Freuden der Kuh suchst, dann bist du verkehrt, versuch’s mal beim Landwirtschaftsverlag. Es ist auch nicht Mean Boys: Die bösen Jungs oder Food Toys: Mit Essen spielt man nicht und schon gar nicht Flu Boy – Grippe in der Kinderkrippe. Wenn du nach so was suchst, solltest du dich besser nach einem guten Arzt umsehen.

Aber wenn du hier richtig bist, dann sei herzlich willkommen in diesem Buch! Ich bin heute dein Gastgeber! Also komm rein und mach es dir bequem. Leg die Füße hoch. Aber nicht auf das Buch. Außer wenn es dir nichts ausmacht, durch deine Zehen zu lesen.

Wenn du gern etwas knabbern möchtest, nur zu! Du musst es bloß selber mitbringen. Knabberzeug gehört nicht zum Lieferumfang. Du kannst natürlich am Einband herumkauen, das geht schon. Die roten Teile schmecken nach Erdbeeren.

Okay, bist du bereit? Dann lassen wir die Party steigen! Mach dich fertig, kuschel dich ein und bring deine Augen in Schwung, denn diese Seiten lesen sich nicht von allein. Außer du hast eine von diesen sündteuren selbstlesenden Ausgaben gekauft. In diesem Fall schalte den »Autoleser« ein und mach ein Nickerchen.

Der Rest von euch Geizkragen muss jetzt wohl oder übel mit dem »Selbstlesen« anfangen!

 

Hochachtungsvoll

Sean Murphy

 

PS: Ich habe gerade erfahren, dass die roten Teile des Umschlags doch nicht nach Erdbeeren schmecken. Da hat die Druckerei etwas durcheinandergebracht. Es sieht ganz so aus, als würde das neue Telefonbuch nach Erdbeeren und dieses Buch hier nach Telefonbuch schmecken. Aber wenn ihr euch schon beim Gedanken an Namen- und Zahlenkolonnen alle zehn Finger abschleckt, dann, liebe Freunde, macht euch auf ein Geschmackserlebnis der Extraklasse gefasst!

Kapitel 1Noch fünfzig Mal schlafen bis Weihnachten

Ein Jahr ist eine sehr lange Zeit, wenn man ein Trottel ist.

Genau genommen gibt es nur ganz wenige Dinge, die man ein ganzes Jahr über machen kann. Zum Beispiel kannst du nicht ein ganzes Jahr lang deine Fußnägel wachsen lassen, sonst bräuchtest du am Ende eine Art Bügelsäge, um sie zu schneiden. Auch dass du ein ganzes Jahr lang nur Honig isst, geht nicht, weil dir dann Bienen im Bauch wachsen würden. Das stimmt, ich hab’s nachgelesen. Und du solltest auch nicht ein Jahr lang jeden Tag das gleiche Lied pfeifen, sonst würden dich deine Mitschüler irgendwann einmal um 180 Grad herumdrehen und deine Schuhe an die Decke tackern, möglicherweise sogar während du noch in ihnen steckst. Das hängt vom Lied ab.

Um mit dem Fluch des Kalenders fertig zu werden, hat es sich Martin Moone zur Gewohnheit gemacht, jedes Jahr in Abschnitte von ungefähr fünfzig Tagen zu unterteilen. Plus/minus eine Woche hier und da. Diese Jahresabschnitte, oder »Jahrschnitten«, wie er sie zu nennen pflegt, helfen Martin, mit der ungeheuren Menge an Zeit zurechtzukommen, die mit jedem neuen Jahr vor ihm liegt. Er hat diesen Jahrschnitten sogar Namen gegeben, damit er sie besser im Gedächtnis behalten kann.

Geschenke von Herzen: vom zweiten Weihnachtstag bis zum Valentinstag

Liebesnarren: vom Valentinstag bis zum 1. April

Scherzgold: vom 1. April bis zum 20. Mai (meinem, Geburtstag, an dem ich immer um goldene Geschenke bitte)

Goldene Tage: vom 20. Mai bis zum Ende des Schuljahrs!

Wunderbare Tage: Sommerferien!

Was wohl im neuen Schuljahr geschehen wird?: vom Anfang des neuen Schuljahrs bis zum 5. November

Wieso nimmt es kein Ende?: vom 5. November bis Weihnachten.

Die Jahrschnitte, die ihm immer am längsten vorkam, war die vom 5. November bis Weihnachten. Die Abende waren lang, der Regen war besonders kalt, und es gab keine Geburtstage, die Martin hätten ablenken können. (Obwohl am 18. November eigentlich seine Schwester Sinead Geburtstag hat, aber die bat ihre Eltern jedes Jahr darum, dass Martin nichts von ihrem Geburtstagskuchen abbekam – das war tatsächlich eines ihrer Geburtstagsgeschenke, dass Martin keinen Kuchen bekam! – also tat er sein Bestes, ihren Geburtstag komplett zu ignorieren).

An einem 5. November – es war ein Sonntag – sahen Martin und ich uns im Haus der Moones seinen Terminplan für die kommende Jahrschnitte an und überlegten, was die nächsten fünfzig Tage wohl so alles für ihn bereithielten.

»Hmm. Allzu aufregend ist das nicht, Kumpel«, brummte ich.

Das Beste an dieser traurigsten aller Jahrschnitten in Martins erfundenem Kalender war noch die Tatsache, dass wir nur noch FÜNFZIG MAL SCHLAFEN mussten, dann war WEIHNACHTEN. Das hast du dir bestimmt auch schon ausgerechnet, weil du ein Mathegenie bist. Und natürlich weil dieses Kapitel »Noch fünfzig Mal schlafen bis Weihnachten« heißt. Martin aber war es erst jetzt aufgefallen, so dass er aufsprang und in die Küche rannte, um es seiner Mutter zu sagen. Er wusste genau, dass ihr das nicht so klar war, denn sie stand mit Mathe auf Kriegsfuß und hatte auch dieses Buch noch nicht gelesen.

»Weißt du, was super ist, Mum?«, platzte es aus dem Jungen heraus. »Wir müssen nur noch fünfzig Mal schlafen, dann ist Weihnachten!«

»Hatten wir denn nicht gerade erst Weihnachten?«

»Wie bitte?«, kicherte er. »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«

»Weihnachten ist schon sechs Jahrschnitten her!«, erklärte ich ihr.

Martins Familie kann mich zwar weder sehen noch hören, aber trotzdem mische ich mich gerne in ihre Gespräche ein. »Weiter so, Moones!«, rief ich aufmunternd.

»Wie auch immer«, fuhr Martin fort. »Ich setze dich ja nicht gerne unter Druck, aber ich wollte mich bloß mal erkundigen, wie ihr so mit dem Einkauf der Weihnachtsgeschenke vorankommt.«

Debra sagte nichts, was ich ein bisschen beunruhigend fand, sondern sah hinüber zu Martins Vater, der gerade eine Scheibe Toast mit Butter bestrich.

»Ja, äh … gut«, log Liam. »Wir überlegen uns noch, ob wir dir eine neue Hose für die Schuluniform kaufen oder lieber den Syphon im Bad reparieren sollen. Du bist für den Syphon, oder?«

»Sehr lustig, Dad!«

Liam und Debra warfen sich Blicke zu, aus denen klar hervorging, dass Liam keinen Witz gemacht hatte.

Im Lauf der Jahre hatte Martin gelernt, seine Erwartungen an Weihnachtsgeschenke nach unten zu schrauben. Das kam daher, dass er zuerst unglaublich hohe Erwartungen gehabt hatte (ein ferngesteuertes Motorboot, mit Diamanten besetzte Tennisschuhe, Urlaub auf einem Vulkan usw.), die am Ende immer ein wenig enttäuscht wurden (Holzboot mit Segel, neue Hausschuhe, Lavalampe).

»Leg los!«, drängte ich ihn.

Martin nickte und teilte den Eltern seine Wünsche mit. »Ich habe lange darüber nachgedacht, und nachdem ich ein paar Wochen lang mit einem fliegenden Teppich geliebäugelt hatte, habe ich mich jetzt doch ganz fest dazu entschlossen, mir einen Gameboy zu wünschen.«

»Seit wann bist du denn fest entschlossen?«, fragte Debra.

»Seit jetzt. Früher waren meine Entschlüsse so fest wie Wackelpudding, jetzt sind sie so fest wie Beton.«

»Wer oder was ist denn bitte schön ein Gameboy?«, fragte Liam.

»Das ist ein Wunderding, Dad! Als hättest du eine ganze Videospielhalle[1] in deiner Hand!«

»Und diese Gamebeutel werden nicht zufälligerweise irgendwo umsonst verteilt?«

»Sehr lustig, Dad. Die kosten bestimmt ein kleines Vermögen, aber das sind sie auch wert. Trevor aus meiner Klasse hat einen, und manchmal darf ich ihm beim Spielen zuschauen. Das ist echt spannend. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie spannend es wäre, selber damit zu spielen!«

»Es ist nämlich so, dass wir momentan ein bisschen knapp bei Kasse sind, Martin«, fuhr Liam fort.

»Weil Mum so viel fürs Gemüse ausgibt, oder? Aber dafür habe ich ihr doch schon eine Lösung angeboten.«

»Wir können das Gemüse nicht einfach zum Teufel jagen, Martin«, seufzte Debra, als ob das ein stichhaltiges Argument wäre.

Ich sah mir rasch das Essen an, das sie gerade zubereitete. Es sah so aus, als ob es bereits aus der Hölle käme. Also war ihr Argument doch stichhaltig.

»Martin«, sagte ich zaghaft, »ich habe schlechte Nachrichten, was das Abendessen betrifft.«

Martin spähte in den Backofen, in der Hoffnung eines seiner Lieblings-Freitagsessen darin zu entdecken – Schweineschulter, Würste oder Waffeln mit Fleischeinlage. Was er sah, enttäuschte ihn schwer.

»Gibt es schon wieder so einen ekligen Fisch?«, beklagte er sich. »Wir sind doch keine Haifische!«

»Aber stell dir doch einfach mal vor, ihr wärt wirklich Haifische«, sagte ich. »Geschöpfe aus den Tiefen des Ozeans mit toten Augen, dem Gemüt eines Teufels und gigantischen Kiefern voller rasiermesserscharfer Zähne, die jeden mit einem einzigen Biss in Hackfleisch verwandeln!«

In diesem Augenblick kam Martins Schwester Sinead in die Küche, und uns wurde klar, dass man sich das gar nicht erst vorzustellen brauchte.

»Wenn dieser Syphon im Bad mir noch einmal auf die Füße tropft, reiße ich ihn eigenhändig aus der Wand!«

»Oder eigenflossig!«, scherzte ich.

Martins Haifisch-Schwester ging in die Hocke und sah mit ihren toten Augen in den Backofen.

»Gibt es schon wieder so einen ekligen Fisch?«, knurrte sie durch ihre Kiemen.

»Jetzt mach mal halblang, Sinead«, seufzte Liam. »Wir waren uns doch beim letzten Familientreffen[2] alle einig, dass wir den Gürtel für eine Weile ein bisschen enger schnallen müssen. Und das bedeutet, dass wir mehr billigen Fisch essen und keinesfalls – ich wiederhole, KEINESFALLS – mutwillig irgendwelche teuren Installationen im Badezimmer zerstören!«

Da die Diskussion ziemlich heftig zu werden drohte, verdünnisierten[3] Martin und ich uns in Richtung auf das sichere Wohnzimmersofa.

»Weißt du was, Kumpel?«, begann ich, »ich schätze mal, diesen Gameboy werden wir uns wohl oder übel selber kaufen müssen.«

»Na ja, Sean, ich könnte ja mal nachsehen, was unser Konto hinter dem Sofa sagt. Wir haben nichts mehr abgehoben, seit ich Declan Mannion diese Wunderbohnen abgekauft habe.«

»Die waren vielleicht ein rausgeschmissenes Geld!«

»Aber wie hätten wir denn ahnen können, dass es nur Erbsen waren?«

»Wie dem auch sei, Kumpel, wenn wir den Gameboy haben wollen, können wir nicht einfach hier rumsitzen und uns auf das Wohlwollen von Fremden verlassen.«

»Beziehungsweise auf das Wohlwollen meiner Familie«, fügte Martin bedrückt zu.

»Es gibt nur eine Person, auf die du dich wirklich verlassen kannst, Martin.«

»Dich?«, fragte er.

»Nein, auf mich bestimmt nicht. Ich meine dich!«

»Mich?«

»Ja – wer liebt dich mehr als du?«

»Keine Ahnung. Du?«

»Nein, ich bestimmt nicht.«

»Also muss ich mich auf mein eigenes Wohlwollen gegenüber mir selber verlassen?«

»Genau! Was wir brauchen, ist ein regelmäßiges Einkommen«, sagte ich und hockte mich in Denkerpose auf die Rückenlehne des Sofas. »Dann können wir so viele Gameboys kaufen, wie wir wollen! Wir müssen für dich einen Job finden!«

»Stimmt! Ich bin zwölf Jahre alt! Höchste Zeit, dass ich einer geregelten Arbeit nachgehe.«

»Und zwar einer richtigen Arbeit. Für einen richtigen Mann. Mit der man richtiges Geld verdient. Und wenn wir nach dem Gameboy noch was davon übrig haben, könnten wir sogar noch Weihnachtsgeschenke für den Rest der Familie kaufen!«

»Jetzt mach mal halblang, Sean.«

»Du hast recht. Lass uns einen Gameboy kaufen, und die Familie kann dir beim Spielen zusehen.«

»Perfecto!«

Kapitel 2Martins Jobsuche

»Aber warum kann ich kein Müllmann werden?«, fragte Martin. »Ich bin der geborene Müllmann!«

Ein kräftiger, bärtiger Müllmann hob einen schmutzigen Müllsack vom Bordstein und schleuderte ihn in das Müllauto. »Na ja, von ›Mann‹ kann ja bei dir wohl noch keine Rede sein, oder?«

Martin sah beleidigt aus. »Und was sind Sie? Ein Kinderhasser oder was? Sie können mich nicht einfach ablehnen, nur weil ich noch kein Mann bin!«

»Tja, bei uns ist das sogar ein Teil der Berufsbezeichnung«, knurrte der Bärtige mit einem Achselzucken, während er hinten auf das Müllauto stieg. »Es heißt nun mal Müllmann«, erklärte er und deutete auf sich. »Einen Mülljungen braucht niemand«, spottete er.

Das Müllauto fuhr an, und Martin rannte ihm hinterher. »Was soll das, Mister? Niemand kennt sich besser mit Müll aus als ich! Ich liebe Müll! Unser ganzes Haus ist voller Müll! Im Grunde genommen lebe ich auf einer Müllhalde!«

Aber der Lastwagen bog schon um die Ecke und verschwand aus Martins Blick.

»So ein Mist«, seufzte Martin frustriert. »Noch eine Ablehnung! Ich weiß nicht, wie viele ich noch ertragen kann, Sean!«

»Mach dir keine Sorgen, Kumpel«, beruhigte ich ihn. »Wir finden schon etwas. Aber vielleicht hat dieser Kinder hassende Müllmann ja recht. Vielleicht sollten wir aufhören, nach Jobs zu suchen, die ein ›Mann‹ in der Berufsbezeichnung haben.«

Martin nickte niedergeschlagen. »Seit ich als Barmann, Müllmann und Stuntman abgelehnt wurde, gehen mir die Jobs mit ›Mann‹ sowieso langsam aus.« Nachdenklich runzelte er die Stirn. »Dann schauen wir doch mal, welche Jobs ›Junge‹ in der Berufsbezeichnung haben.«

Wir grübelten darüber nach, während wir die Hauptstraße entlang zur Ortsmitte zurückschlenderten.

»Stalljunge?«

»Heißt das nicht Stallbursche? Außerdem bin ich allergisch auf Pferdehaare.«

»Stimmt. Aber nimm mal Junge auf Englisch. Boy. Wie wär’s mit Cowboy?«

»Da gäbe es genau das gleiche Problem.«

»Schuljunge?«

»Ich glaube, das bin ich schon.«

»Verdient man da gut?«

»Eigentlich nicht.«

»Gameboy!«

»Ich glaube nicht, dass Gameboy ein Beruf ist.«

»Nein, aber das, wohinter wir her sind. Wollte ich dir nur ins Gedächtnis rufen, Martin.«

»Da hast du recht«, sagte er und nickte. Dann hatte er plötzlich eine Idee. »Hey, erinnerst du dich an dieses komische Lied, das uns Trevor neulich vorgerappt hat?«

Martins Mitschüler hatte eine Vorliebe für Rap entwickelt, seit er ihm seinen rapvernarrten imaginären Freund Loopy Lou abgenommen hatte. Trevor und Lou bekamen jetzt öfters gemeinsame »Rap-Attacken« und hatte man einmal einer von ihnen beigewohnt, war die Erinnerung daran nur schwer zu verdrängen.

»Meinst du das Lied mit dem ›Homeboy‹?«, fragte ich.

»Genau das! Vielleicht könnte ich so ein Homeboy werden!«

»Ein Homeboy!«, rief ich aus. »Großartig! Was genau ist das?«

»Vielleicht ein Junge, der gern zu Hause ist?«, riet er.

»Super!«, rief ich aus. »Dann bist du der geborene Homeboy!«

Wir klatschten uns freudig ab und dachten einen Augenblick nach.

»Andererseits …«, sagte ich dann. »Ist es sicher, dass das ein richtiger Job ist? Trevors Rap hat uns schon öfter in die Irre geführt. Erinnerst du dich noch, wie er gesungen hat ›Pump, pump, pump die Lautstärke hoch‹? Du hast die Fahrradpumpe in das Radiogerät gesteckt und wärst an dem Stromschlag fast gestorben.«

Martin schüttelte betrübt den Kopf. »Das Lied hat mich echt in die Irre geführt.«

»Aber so was von in die Irre«, stimmte ich zu. »Man sollte einfach keine vieldeutigen Rapsongs über Elektrogeräte schreiben.«

In diesem Augenblick entdeckte Martin etwas auf der anderen Seite der Straße. »Was ist denn das?«, quiekte er aufgeregt und sah durch mich hindurch. Das klappte ganz gut, wenn er dabei die Augen zusammenkniff und sich daran erinnerte, dass ich nicht wirklich existierte.

»Was ist was?«

Aber er rannte schon über die Straße zum ›News for Youse[4]‹, einem Zeitungsladen an der Ecke, in dessen Schaufenster ein Zettel hing. »Zeitungsjunge gesucht«, las er mit aufgeregter Stimme laut vor.

»Wow«, staunte ich. »Das sieht ja aus wie ein Steckbrief im Wilden Westen. Gibt es denn ein Kopfgeld auf diesen Zeitungsjungen?«

»Kopfgeld? Nein, das ist eine Jobausschreibung, glaube ich.«

»Ein Job! Super. Und noch dazu einer mit ›Junge‹ in der Berufsbezeichnung«

Martin grinste und rückte seine Wollmütze zurecht. »Sieht ja doch nicht so schlecht aus für mich.«

Er stieß die Tür auf und marschierte in den Laden.

»Hallo, Herr Ladenbesitzer! Vor Ihnen steht ein Kandidat für den Traumjob Zeitungsjunge.«

Ein kleiner, rundlicher Mann stand hinter der Ladentheke und füllte gerade einen Ständer mit Lutschern auf. Er sah Martin mit mildem Argwohn an.

»Hast du so was schon mal gemacht?«, fragte er mit schläfriger Stimme.

»Nein, aber ich glaube, dass ich alle nötigen Qualifikationen mitbringe.«

»Ach ja?«

»Äh … sind für diesen Job überhaupt irgendwelche Qualifikationen nötig?«

»Nein!«

»Sehen Sie! Dann bin ich sogar überqualifiziert! Hier ist mein CV[5]!«, verkündete Martin stolz und legte dem Mann ein Blatt Papier auf die Theke.

Der Ladenbesitzer blickte von Martins Lebenslauf auf. Er wirkte überraschend unbeeindruckt.

»Pass auf«, sagte er nach einer längeren Pause und reichte Martin eine Zeitung, »Lass mal sehen, ob du die in den Briefschlitz schieben kannst.«

Martin salutierte. »Zu Befehl, Sir!«

Er schnappte sich die Zeitung, rannte nach draußen und stopfte sie so schnell er konnte durch den Briefschlitz in der Tür. Kaum war sie zu Boden gefallen, stand er auch schon wieder vor der Theke. »Na, wie war ich?«, fragte er erwartungsvoll.

»Du hast den Job.«

»Super!«, rief Martin aus und reckte triumphierend eine Faust in die Höhe.

»Morgen um sechs kannst du die Zeitungen abholen.«

»Um sechs Uhr früh?«

»Oh Mist«, raunte ich. »Ich hab gewusst, dass das zu schön ist, um wahr zu sein. Pass auf, als Nächstes rückt er damit heraus, dass unser Liefermoped nicht mal einen Beiwagen hat.«

»Ist sechs Uhr früh ein Problem für dich?«, erkundigte sich der Mann.

»Na ja, eigentlich bin ich nicht gerade ein Frühaufsteher …«, gestand Martin. »Um die Wahrheit zu sagen, der Morgen und ich stehen irgendwie auf Kriegsfuß. Ich leide nun mal unter einem unglaublichen Bedürfnis nach Schlaf.«

»Willst du den Job oder nicht?«

»Natürlich. Und wie, Sir!«, antwortete Martin. »Aber vielleicht könnte ich die Zeitung ja tagsüber austragen. Zum Beispiel am Nachmittag?«

»Gegen 16 Uhr wäre ausgezeichnet«, schlug ich nach einem Blick in unseren Terminkalender vor.

Der Ladenbesitzer runzelte die Stirn. »Aber die Leute wollen ihre Zeitung nun mal schon am Morgen haben.«

»Ja, aber wir könnten ihnen doch eine Nachmittagszeitung bringen!«, entgegnete Martin. »Damit würden wir uns von allen anderen unterscheiden!«

»Aber es wäre immer noch dieselbe Zeitung. Nur dass sie zu spät geliefert wird.«

»Oder zu früh«, erwiderte Martin. »Wenn Sie mal drüber nachdenken, dann ist der Nachmittag ja eigentlich früher als der Morgen.«

»Wie meinst du das?«

»Na ja, gerade jetzt ist es früher als morgen früh oder?«

Der Ladenbesitzer gab sich Mühe, Martins Logik zu folgen. »Aber nur, wenn wir jetzt schon die Zeitung von morgen liefern würden.«

»Tolle Idee! Ich trage die Zeitung von morgen schon heute aus!«

»Aber ich habe nur die Zeitung von heute.«

»Dann besorgen Sie mir die Zeitung von morgen! Und ich werde sie jeden Tag irgendwann am späten Nachmittag austragen, so ungefähr zwischen 16 und 18 Uhr! Abgemacht, Sir?«

»Du bist gefeuert!«, brummte der Ladenbesitzer und wandte sich wieder seinen Lutschern zu.

Kapitel 3Landmetzgerei Cross

»Ich hab’s kapiert, Martin: Einen anständigen Job zu finden ist heutzutage eine schwierige Angelegenheit.«

Martin erzählte seinem besten Freund Padraic von seinem Kummer bei der Jobsuche. Er ging oft zu seinem Kumpel, um sich in solchen Dingen Rat von ihm zu holen, denn Padraic war für sein Alter enorm gescheit. Außerdem hatte niemand anders Lust, sich Martins langweilige Probleme anzuhören. Es war in der großen Pause, und die beiden Jungen wichen den auf dem Schulhof herumfliegenden Bällen ebenso aus wie den frechen Zurufen ihrer Klassenkameraden. Padraic grübelte über Martins Karriereprobleme nach.

»Ich denke, dafür ist die Wall Street verantwortlich«, sagte Padraic bedeutungsvoll.

»Wegen der Börsenkurse, P-Boy?«

»Nicht die Wall Street in New York, die Wall Street hier in Boyle, wo die ganzen Baufirmen ansässig sind.«

»Ach so, die«, sagte Martin.

»Seit Gartenmauern aus der Mode gekommen sind, ist der Arbeitsmarkt hier ein einziger Albtraum.«

»Richtig, heutzutage gibt es fast nur noch Zäune oder Hecken«, stimmte Martin zu.

»Weil die um eine ganze Ecke billiger sind, das muss man fairerweise auch sagen.«

»Ja, sogar Dad liebäugelt mit einem Zaun. Da könnten wir dann Zaungäste einladen.«

»Wo könntest du bloß arbeiten?«, fragte Padraic und rieb sich sein rundliches Kinn. »Wer hier im Ort könnte einen Martin Moone gebrauchen? Das ist eine schwierige Frage, Martin. Ich fürchte, da muss ich passen, mir sind nämlich grad die Ideen ausge- AUA!«

Eine dicke Murmel war haarscharf an Martins Kopf vorbeigeflogen und hatte mit einem dumpfen Aufprall Padraics Schläfe[6] getroffen.

Irgendwie musste der Schlag gegen den Schädel Padraics Gehirnmasse durchgeschüttelt haben, denn er hob triumphierend einen Finger. »Hey, vielleicht könnte ich dir einen Aushilfsjob in unserer Familienmetzgerei besorgen!«

»Deine Familie hat eine Metzgerei?«

»Das feinste Fleisch und Geflügel in ganz Boyle, am Rand von Boyle und im Umkreis von Boyle!«

»Und ich dachte immer, ihr hättet einen Bauernhof?«

»Na ja, mein Vater ist ein Bauer, aber seine sechs Brüder betreiben einen Schlachthof[7], und meine Tante Bridget besitzt die Landmetzgerei Cross in der Grub Street.«

»Boah, deine Familie hat sich ja den halben Fleischmarkt unter den Nagel gerissen.«

»Ja, wir nennen das ›Von der Wiege bis zur Bahre – Wir sorgen für allerbeste Fleischerware‹.«

»Meinst du wirklich, dass deine Tante mir einen Job geben würde?«, fragte Martin erwartungsvoll.

»Möglicherweise. Hast du denn schon Erfahrung im Fleischverkauf?«

»Gar keine.«

»Bist du ein Malocher?«

»Eher nicht.«

»Klaust du?«

»Selten.«

»Bist du pünktlich?«

»Nie.«

»Kannst du diese Antworten für dich behalten?«

»Und ob!«

»Dann sehe ich nicht, was dagegen spricht. Ich werde dir einen Termin besorgen!«

 

Nach der Schule nahm Padraic Martin mit zur Fleischkönigin. Auf dem Weg durch die Stadt wurde Martin wegen des bevorstehenden Vorstellungsgesprächs bei Bridget Cross so nervös, dass er vor Aufregung einen ganz trockenen Mund bekam. Um dem entgegenzusteuern, schüttete er drei Dosen Lilt[8], zwei Gläser Milt[9] und einen Becher Kilt[10] in sich hinein, bevor sie die Grub Street erreichten.

»Erzähl mir doch was von deiner Tante Bridget, P-Boy. Wie kann ich auf sie einen guten Eindruck machen? Sollte ich meinen knabenhaften Charme spielen lassen oder eher den Macho rauskehren? Beides kann ich gleich schlecht.«

»Hmm. Sie ist eine harte Nuss, Martin. Musste sie als einziges Mädchen in einer Familie mit sieben Brüdern auch sein. Und dann hat man sie auch noch mit einem Idioten namens Christian Cross verheiratet, der sie einen Tag nach ihrer Hochzeit verlassen hat. Wegen einer südamerikanischen Chorsängerin, die er bei ihrer Hochzeitsfeier kennengelernt hat.«

»Mit anderen Worten: Als männliches Wesen sollte man ihr lieber nicht blöd kommen, oder?«, meinte Martin verzagt.

»Ich verrat dir was, Martin: Sie liebt es, Gälisch zu reden. Da ist sie von der alten Schule. Wenn du mit ihr Gälisch redest, hast du den Job so gut wie in der Tasche. Wie ist denn dein Gälisch?«

»Äh, ganz ehrlich, die Gälischstunde bei Mr Jackson ist doch immer gleich nach dem Mittagessen, und das ist, wie du ja weißt, nun mal die Zeit für mein Mittagsschläfchen. Langer Rede kurzer Sinn: Ich kann nur einen einzigen Satz auf Gälisch.«

»Verstehe. Und wie lautet der?«

Martin räusperte sich und sagte »Múinteoir, an bhfuil cead agam dul go dtí an leithreas, le do thoil?«[11]

»Mehr kannst du nicht?«

»Leider nein. Nach meinem Mittagsschlaf und dem Gang zum Klo ist die Gälisch-Stunde immer schon vorbei, und wir haben Geschichte, oder wie ich es nenne: meine Zappel- und Kritzelstunde.«

»Gut. Dann solltest du es beim Gespräch mit meiner Tante vielleicht doch besser bei Englisch belassen«, sagte Padraic. In seinem Ton schwang schon eine leise Vorahnung kommenden Scheiterns mit.

Martin nickte niedergeschlagen, und dann standen sie auch schon vor der Landmetzgerei. Als sie die Ladentür öffneten, bimmelte eine daran befestigte Kuhglocke dumpf und schwer.

»Tante Bridget?«, rief Padraic in den offenbar leeren Verkaufsraum hinein.

Martin rückte seinen Schlips am Gummiband zurecht, und suchte den Raum nach Padraics Tante ab. In den Vitrinen konnte er zwar viele Teile toter Kreaturen entdecken – Putenkeulen, Hackfleisch, Lammhoden – aber kein lebendiges Wesen. Dann sah er über einer Theke im hinteren Teil des Ladens etwas, das man am besten als schwebenden Metzgerhut beschreiben könnte.

»As Gaeilge, a Phádraic, as Gaeilge!«[12]

Fasziniert beobachtete Martin, wie der schwebende Metzgerhut sich von der hinteren Theke löste und in eine lebendige Frau verwandelte.

Bridget Cross war ziemlich klein, kaum größer als Martin. Ich tue mich relativ schwer damit, das Alter eines Menschen zu schätzen, aber Tante Bridget schätzte ich auf mindestens hundertdrei, auch wenn sie höchstwahrscheinlich nur halb so alt war. Ihre Wangen hatten die Farbe von roten Rosen, die man eine Woche lang in der Vase vergessen hatte, und ihr mandarinenfarbenes Haar trug sie zu einem Dutt zusammengeknotet, auf dem ein weißer Metzgerhut thronte. Der Hut saß so hoch, dass man auf den Gedanken kommen konnte, Bridgets Haar würde ihn nach oben drücken. Jeder weitere Quadratzentimeter von Tante Bridgets Körper war mit Wolle bedeckt. Sie trug eine Wolljacke und einen moosgrünen Wollrock, der bei den Knien auf dicke Wollsocken traf. Sogar im Gesicht hatte sie Wolle in Form flaumiger Koteletten und eines leichten Damenbarts, der rötlich wie Kupfer über ihren schmalen, rissigen Lippen glänzte. An ihrer Brust steckte eine Bronzebrosche, die so schwer war, dass sie ihre Jacke ein wenig nach unten zog. Wenn ein Sonnenstrahl auf die Brosche traf, reflektierte sie ihn so stark, dass jemand, der zu nahe bei ihr stand, blind werden konnte. Sie war die irischste Person, die Martin je gesehen hatte.

»Pádraic, an séú nia is fearr liom, cén chaoi a bhfuil tú?«[13]