Mord nach Mittag - Siegfried Schwarz - E-Book

Mord nach Mittag E-Book

Siegfried Schwarz

4,6

Beschreibung

Wer begleitete die Studentin auf ihrem Wochenendausflug, von dem sie nie zurückkehrte? Was wurde übersehen bei dem längst zu den Akten gelegten Vermisstenfall der Kellnerin? Warum musste die Komplizin des Posträubers sterben? Wurde die 13jährige Claudia Opfer eines Sexualstraftäters? Mit acht athentischen Fällen liefert das Buch spannende Einblicke in die Ermittlungsarbeit der Polizei, in Hintergründe und Umstände von Verbrechen aus vier Jahrzehnten DDR-Kriminalgeschichte.

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Impressum

ISBNeBook 978-3-360-50028-1

ISBN Print 978-3-360-02121-2

© 2011 Verlag Das Neue Berlin, Berlin

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft mbH

Neue Grünstraße 18, 10179 Berlin

Die Bücher des Verlages Das Neue Berlin

erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de

Siegfried Schwarz

Mord nach Mittag

Authentische Kriminalfälle aus der DDR

aufgeschrieben von Antje Penk

Das Neue Berlin

Vorbemerkung

Am 15. Januar 1981 verschwand in Halle-Neustadt ein siebenjäh­riger Junge nach einem Kinobesuch. Eine sofort eingeleitete Suchaktion blieb ohne Erfolg. Zwei Wochen später fand ein Streckenwärter an der Bahnstrecke Halle–Leipzig einen Reisekoffer und entdeckte darin die Leiche des Jungen. Außerdem befanden sich einige alte Zeitungen mit ausgefüllten Kreuzworträtseln in dem Koffer. Die Obduktion ergab, dass der Junge sexuell missbraucht und mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden war.

Als Chef der Morduntersuchungskommission Halle leitete ich die Untersuchung in diesem Fall. Die ausgefüllten Kreuzwort­rätsel waren die einzige Spur. In der Folge kam es zu einer einzigartigen Aktion. Alle zur Verfügung stehenden Schriftstücke wurden mit der Schrift aus den Kreuzworträtseln abgeglichen. Als dies nicht zum Erfolg führte, holten wir uns unter diversen Vorwänden von jedem Bewohner Halle-Neustadts Schriftproben. Neun Monate nach der Tat wurden wir fündig. Die Schriftprobe einer Be­­wohnerin war identisch mit den Kreuzworträtseln im ­Koffer – die entscheidende Spur. In einem Gespräch mit der Frau und ihrer Tochter ergaben sich Hinweise auf den Freund der Tochter, dessen Profil dem des mutmaßlichen Täters entsprach. Am 17. November 1981 wurde er verhaftet und gestand bei der umgehend durchgeführten Vernehmung die Tat. Insgesamt waren 551 198 Schriftproben ausgewertet worden. Dieser immense Aufwand machte den Fall beispiellos in der Kriminalgeschichte der DDR, er gilt bis heute als Kriminalfall mit der weltweit umfassendsten Auswertung von Schriftproben. Das Fernsehen griff ihn 1988 auf und drehte den »Polizeiruf 110 – Der Kreuzworträtselfall«. Nach der Wende wurde ich mehrfach zu unseren Ermittlungen befragt. Artikel und Bücher erschienen, ein Beitrag in der ZDF-Reihe »Große Kriminalfälle« wurde gesendet. Schon damals kam mir die Idee, aus meiner rund dreißigjährigen Laufbahn als Mordermittler mit über 400 bearbeiteten Delikten weitere Fälle aufzuschreiben. So entstand die vorliegende Sammlung. Bei den hier geschilderten Straftaten war die Aufklärung möglicherweise weniger spektakulär. Aber sie zeigen unterschiedlichste Motive, die zu den Taten führten, und schildern aufschlussreiche Aspekte der Polizeiarbeit.

Die gleichbleibend hohe Aufklärungsrate bei Mordstraftaten in der DDR begann Ende der sechziger Jahre. Eine wesentliche Ursache dafür war die Umstrukturierung der Kriminalpolizei. Gab es zuvor personell kleinere ständige Kommissionen mit einem Leiter und höchstens drei Mitarbeitern, wurden 1965 in den Bezirksbehörden der Deutschen Volkspolizei Dezernate und Kommissariate neu geschaffen. Im Dezernat II der Kriminalpolizei wurde eine ständige Morduntersuchungskommission (MUK) etabliert. So erhielt zum Beispiel die MUK Halle bis Mitte der 70er Jahre eine Aufstockung von acht Mitarbeitern pro Leiter. Aus den 21 Volkspolizeikreisämtern berief man Leichensachbearbeiter (sogenannte Suizidaufklärer) in die erweiterte MUK. Bei einem Mordfall mit unbekanntem Täter war dann neben der eigentlichen MUK die erweiterte MUK bis zur Aufklärung im Einsatz. Die Untersuchungsführer fungierten bei Großeinsätzen als Leiter der einzelnen Ermittlungsgruppen. Wenn nötig, wurden aus dem jeweiligen Kreis weitere Kriminalisten hinzugezogen.

In der DDR wurden Morde zum Politikum, stellten sie doch die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft an sich infrage. Einerseits führte diese Einstellung zu fortlaufenden Rapporten an die Führungsriege von Polizei und Partei. Andererseits wurde die Aufklärung als so wichtig eingestuft, dass alle Einsätze materiell und technisch bestens unterstützt wurden.

 

Ich danke allen, die mir mit Hinweisen, Ratschlägen und Recherchen geholfen haben, dass dieses Buch entstehen konnte. Mein Dank geht an Kerstin Mauersberger (Leipzig), Jens Schwarz (Aschersleben), Gerd Seehafer (Halle) und Horst Dikall (Werbig).

Mein besonderer Dank gilt Antje Penk (Kemberg). Auf ihre Geduld und ihre beharrlichen Fragen konnte ich mich verlassen, als ich im Gespräch mit ihr die Fälle rekonstruierte. Sie gab ihnen die sprachliche Gestalt, die dem interessierten Leser nicht nur Tat­abläufe, Hintergründe und polizeiliche Ermittlungsarbeit darstellt, sondern ein hoffentlich spannendes Lesevergnügen bereitet.

 

Siegfried Schwarz

Tatort Stadtpark

Helene Krüger nahm ihr Einkaufsnetz in die Rechte und den Beutel in die Linke. Sie hatte gerade in der Stadt ein paar Lebensmittel für die nächsten Tage eingeholt. Helene Krüger war siebzig Jahre alt und Rentnerin. Seit dem Tode ihres Mannes vor drei Jahren lebte sie allein in einer Dachgeschosswohnung. Die Treppen dort hinauf machten ihr noch nicht viel aus.

Sie hatte sich Lebensmittelmarken beiseite gelegt und dafür bei Frau Meier in dem Eckgeschäft zwei Eier in eine mitgebrachte Schale packen lassen, auch gleich noch Butter mitgenommen, nur 100 Gramm, abgewogen und extra verpackt. Am frühen Abend würde ihre Enkelin zu Besuch kommen, deswegen wollte sie einen Rührkuchen mit Äpfeln backen. Die Äpfel hatte ihr letzte Woche die Nachbarin aus dem Garten mitgebracht. Es waren Klaräpfel, die man nicht lange halten kann. Aber für den Kuchen müssten sie noch gehen, hatte Helene sich überlegt.

Es war ein später Augustmorgen. An frühes Aufstehen war sie gewohnt. Spät aufzustehen gab ihr das Gefühl, den Tag zu verplempern, faul zu sein, sich gehen zu lassen. All diese Dinge hatte man ihr schon in frühester Jugend ausgetrieben. Müßiggang ist aller Laster Anfang. Und damit sollte man im Alter erst recht nicht mehr beginnen.

Es versprach ein warmer Tag zu werden. Die Spatzen stritten sich in den Hecken neben dem Fußweg. Helene überquerte den schmalen Grünstreifen. Warm schien die Sonne auf das Pflaster, und der Duft von Rosen lag in der Luft. Sie begann die Last ihrer beiden Beutel zu spüren, als sie in die Grünanlage eintrat. Sie würde einfach dem Hauptweg folgen, und wenn sie hindurch war, musste sie nur noch einmal abbiegen, dann war sie zu Hause. Sie plante gerade ihren Tag und achtete nicht auf den Weg, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Als sie aufblickte, stand etwa zehn Meter vor ihr ein Mann. »Wo habe ich mein Portemonnaie?«, dachte sie als Erstes. Ihr fiel ein, dass es im Einkaufsbeutel steckte. Aber sie hatte doch gar nichts, was man klauen konnte! Die Lebensmittelmarken waren eingelöst, und wegen zweier Eier baute sich keiner so auf. Helene Krüger war stehen geblieben und blickte unsicher geradeaus. Was wollte der Mann von ihr? Der Mann stand mitten auf dem Weg, breitbeinig, die Arme vor der Brust verschränkt. Er war mittelgroß, hatte braunes Haar. Sie schätzte ihn auf Anfang vierzig. Er sah kräftig aus, als ob er häufig trainieren würde. ›Wie ein Offizier vielleicht‹, dachte Helene.

Ein unbestimmtes Lächeln lag in diesem Gesicht, aber es war nicht freundlich, überhaupt nicht freundlich. Nein, es war eher ein Leben dieses Lächeln schon einmal aufgetaucht war. Der Mann hatte das Becken nach vorn geschoben und versprühte Kraft, männliche Kraft. Da fiel es Helene wieder ein: Sie hatte das Lächeln gese­hen, als die Nazis eine Schar Kriegsgefangene durch den Ort getrieben hatten. Und dann noch einmal, als ein Russe in das Haus einer Dorfbewohnerin gegangen war, deren Mann im Krieg geblieben war. Alle hatten sie die Schreie der jungen Frau gehört, damals … Keiner, keine hatte sich getraut, in dieses Haus zu gehen und ihr zu helfen. Helene erinnerte sich, dass ihr schlecht geworden war.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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