Nachtdienste oder Steezer und die Welt bei Nacht - Gerd Ruttka - E-Book

Nachtdienste oder Steezer und die Welt bei Nacht E-Book

Gerd Ruttka

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Beschreibung

Bei einem Nachtdienst im Wohnheim geschehen eines Nachts sonderbare Dinge, die das Polizeiteam von Kommissar Steezer, von allen nur Steezer genannt, auf den Plan rufen. Steezer ist ein Mittvierziger der in seiner Freizeit ziemlich träge, daher auch ziemlich rund ist. Ein Antiheld, der mit einem extrem guten Gedächtnis, sowie mit einem Gespür dafür, dass und wo etwas nicht in Ordnung ist, sein Team bei den Fällen anleitet. Lange Zeit und etliche Ereignisse über ist alles unverständlich, da die realen Personen ganz offensichtlich im Meldewesen niemals existiert haben. Intensive Nachforschungen, auch mit modernen Mitteln, führen das Team endlich auf einen Weg, der eine bizarre Lösung des Falles, sowie als Nebenprodukt, zur Verfolgung anderer Verbrechen führt

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Gerd Ruttka

Nachtdienste oder Steezer und die Welt bei Nacht

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Kapitel

2.Kapitel

3. Kapitel

Impressum

1. Kapitel

"61-62-63" zählte Hanna Schneider halblaut vor sich hin. Routiniert nahm sie die Tabletten auf, sortierte diese in die große Wochendosette ein.

"Unglaublich, welche Mengen Tabletten unsere Leute so brauchen, 3x3 pro Tag. Kein Wunder, daß sie dazu auch noch Magentabletten benötigen. Aber die Tabletten helfen den Menschen eine höhere Lebensqualität zu erreichen."

Sie sah auf ihre Armbanduhr. In 5 Minuten musste sie ihren Rundgang anfangen. Sie nahm die Wochendosette, zog aus dem Medikamentenschrank eine Schublade, legte die Dosette hinein, drückte auf der Seite auf einer Alphabetanzeige einen Buchstaben. Ein leises Summen zeigte an, daß der Medikamentenschrank , etwas mehr war als ein gewöhnlicher Schrank.Man konnte deutlich hören, wie eine Automatik die Schublade verschloss, den Inhalt irgendwohin führte, diese dann irgendwo einrastete, und zurücklief an den Ausgangspunkt. Als sie das Einrasten hörte, verschloss sie die beiden Türflügel an der Frontseite des Schrankes, so, dass der Schrank nun aussah wie ein gewöhnlicher Büroschrank aus Metall

Sie nahm ihre große, unhandliche Taschenlampe vom Tisch um ihren Rundgang zu machen."Gott sei Dank," dachte sie, "daß wir jetzt die gläserne Brücke haben, die die Häuser verbindet."

Früher, als sie hier angefangen hatte, mußte der Nachtdienst noch über den offenen, nahezu ungesicherten Hof von Haus zu Haus gehen. Die Anlage, sie war aus einer Schule entstanden, die als Mittelpunktschule zwischen 5 Dörfern an einem Waldrand stand, war damals in der Nacht durch ein 3 m hohes Gitter verschlossen über das jeder klettern konnte, sofern er es nur wollte.

Oft hatte sie sich gefragt, was wohl passieren würde, wenn das Wissen, dass hier eine Menge Menschen zusammen wohnten, die Psychopharmaka erhielten, von irgendeinem Junkie falsch aufgenommen wurde. Dabei wusste eigentlich jeder der in solchen Wohnanlagen arbeitete, dass die Wirkstoffmengen so fein abgestimmt waren, dass man schon einige hunderter Packungen in sich hineinkippen musste, um auch nur annähernd an die Dosis zu kommen, die ein Drogenabhängiger benötigte.

Dann war es trotzdem geschehen: Eines Nachts versteckten sich zwei Männer im Gebüsch des Hofes, standen vor dem Nachtdienst. Sie hielten der Kollegin eine Pistole an den Kopf, forderten die Herausgabe aller Medikamente und der Geldkassette. Zwar waren die Täter schnell gefunden: Zwei Bufdis hatten sich über ihre Arbeit unterhalten, und die beiden Täter gehörten zum weiteren Bekanntenkreis der Bufdis.

Dennoch war in kürzester Zeit eine eiserne, verglaste Brücke zwischen den Häusern vom Obergeschoss zum Obergeschoss gebaut worden, so, dass der Nachdienst nicht mehr angreifbar war.

Zudem wurde der Medikamentenschrank durch einen Safe ersetzt, der fest im Boden verankert war. Er hatte ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem. Auch die Türe zum Nachdienstzimmer wurde durch eine doppelte Metalltüre mit 3 fach Verriegelung ersetzt.

*

Für Hanna waren die Nachtdienste seither entspannter. Zwar war noch immer stündlich ein Rundgang zu machen, aber da sie praktisch nie den ins Freie gehen musste, hatte sie im Laufe der Zeit gelernt an den Geräuschen zu erkennen, ob alles seinen rechten Gang ging. Zudem konnte sie recht entspannt mit den Medikamenten hantieren- der Safe verschloss sich selbstständig, irgendwann in der Nacht zeigte ein leises Summen an, dass der Schrank verschlossen war. Keiner konnte ihn mehr öffnen, bis am Morgen der Frühdienst mit mehreren Schlüsseln die Sperre entriegelte.

Hatte der Safe sich einmal geschlossen, fing für den Nachtdienst die Küchenarbeit an. In drei Häusern mit je 2 Gruppen die Spülmaschine ausräumen, für das Frühstück die Tische decken, Müsli vorbereiten, Kaffeemaschine befüllen.

Danach kam die Zeit im Fernsehsessel. Das Fernsehgerät war leise gestellt, zumeist hatte sie den Kopfhörer in einem Ohr, sass sie in dem zentral gelegenen Aufenthaltsraum, das Alarmhandy in der Brusttasche, die Schlagstockähnliche Taschenlampeneben sich. Gelegentlich im Halbwachzustand vor sich hindösend, wartete sie darauf, dass es Zeit für den nächsten Rundgang würde.

*

Gerade als sie ihren Mitternachtsrundgang beendet hatte, hörte sie das leise Summen, das ihr anzeigte, dass der Safe nicht mehr geöffnet werden konnte. Nach der Küchenarbeit sass sie im Fernsehsessel. Die Beine hochgelegt, den Kopf zurückgelegt, die Augen geschlossen sah sie aus, als schliefe sie. Ihr Geist jedoch war hellwach. Sie nahm alles wahr was sich in den drei Häusern bewegte: Im Dachgeschoss von Haus 3 holte Hedwig sich ein Getränk aus dem Kühlschrank im Hausflur. In Haus 1 geisterte Heinrich durch den Souterrainflur, weil er nicht schlafen konnte.

Heinrich, der älteste Bewohner des Hauses, er war in seiner Kindheit in einem Dorf aufgewachsen, war ein einfacher Geist. Weil er ein guter und fleissiger Arbeiter war,hatten ihn die Bauern nicht dem Staat ausgeliefert.

Nach dem 2. Weltkrieg - er war inzwischen über die Pubertät hinaus, fiel er auf . Weil er an sich "herumfummelte" , auch in der Öffentlich entkleidete, brachte man ihn in die Psychiatrie.

Seine Odyssee war die vieler solcher Menschen, die man als Handicaped bezeichnete. Als er dann das Glück hatte in das Haus am Walde zu kommen, fing für ihn ein neues Leben an .

Hatte zuvor sein Leben aus Abschottung und viel schlimmerem bestanden, war er jetzt im Alter in offenen aber ruhigeren entspannteren Verhältnissen gelandet: Seine Eigenheiten wurden akzeptiert.

Eine dieser Eigenheiten war, wenn er Nachts nicht schlafen konnte: vor seinem Zimmer ein paar Schritte hin und her zu gehen, bis der Nachdienst kam. Der bot im Schokolade an. Er brach sich dann sorgfältig 2 Rippen ab, nahm eine sofort in den Mund, sagte Gute Nacht, ging in sein Zimmer, legte sich zu Bett, nahm dann die zweite Rippe Schokolade in den Mund. So schlief er ein. Die Tafel Schokolade und den angefangenen Riegel kontrollierte er am nächsten Morgen im Kühlschrank. Er war zufrieden, wenn er sah, dass keiner seine Schokolade angerührt hatte.

Haus 2 war ruhig. Betty und Hella hatten schon lange aufgehört zu kichern.Plötzlich schreckte sie auf. Aufrecht saß sie da und lauschte.

Ein leises, sehr leises Geräusch war aus Haus 3 gekommen. Ein ungewöhnliches Geräusch, wie das öffnen und schließen einer Tür, von der sie nicht am Geräusch erkannte, welche der Türen es war. Das Schleichen und Flüstern von Menschen, aber auch hier konnte sie nicht erkennen, woher und wohin diese Menschen sich bewegten.

Sie tastete nach dem Pfefferspray in ihrer Tasche, nahm die lange Stablampe in die Hand, da man diese im Notfall als Schlagstock benutzen konnte. Sorgfältig überprüfte sie alle Aussentüren, Zimmertüren, Stockwerkstüren, ja, selbst die Türen zu den Vorratsräumen, aber diese waren alle ordnungsgemäß geschlossen und verschlossen.

'Halluzinationen', dachte sie,' gut, dass dieser Nachdienstblock für mich zu Ende ist. Der letzte Nachdienst, dann 2 Wochen frei. Ich werde die Ruhe brauchen können.'

Sie drehte den Fernseher leiser, hörte jetzt nur noch auf einem Ohr, mit Hilfe eines Ohrstöpsels,den Ton. So kann es weitergehen bis morgen früh, dachte sie. Wieder fiel sie in eine Art Halbschlaf, die Augen geschlossen, der Körper entspannt, aber alle anderen Sinne waren geschärft. Einzig der leise Ton des Fernsehers hielt sie wach. Sie hörte wie Gesa aus der 3 aus ihrem Zimmer kam, in das gegenüberliegende Bad ging. Wie jede Nacht würde sie hinter der Badezimmertüre warten, bis der Nachtdienst beim Kontrollgang vorbeikam. Sie würde aus dem Badezimmer herauskommen, ein kurzes Schwätzchen halten, danach wieder zufrieden in ihr Zimmer gehen, weiterschlafen bis zur Frühstückszeit.

Hanna entschloss sich ihren 2 Uhr Rundgang etwas früher anzufangen. Alles war ruhig in Haus 1. Über die Brücke der 1 zur 2 beschlich sie eine gewisse Unruhe- sie sah schon von der Brücke aus, dass Gesa vor ihrer Türe hin und her ging.

Kaum hatte Gesa sie gesehen, kam sie auf Hanna zugeeilt. Noch im Gehen fing sie hastig an zu sprechen: " Da waren zwei Leute, die sind bei mir vorbeigegangen dort in die Küche von der Zwei."

"Bleib hier," Hanna drehte sich um, "ich gehe in die Küche der 2." Aber Gesa folgte ihr in kurzem Abstand. Hanna schloss die Tür auf, bereit ihre Schlagstocklampe und das Pfefferspray zu benutzen." Doch die Küche war leer. Auch im Speisezimmer war niemand zu finden. Erneut prüfte sie alle Türen, schaltete Licht in den Zimmern an um zu sehen, ob jeder in seinem eigenen Bett war. Sie überprüfte ob ein Fenster offen war, ob die Feuertüren fest verschlossen waren. Sie ging dieses mal in den Vorratsraum, ob dort jemand versteckt war, sah in der Wäscherei nach, ebenso in den Werkräumen, im grossen Gemeinschaftsraum. Nirgendwo war etwas ungewöhnliches zu entdecken. Schliesslich gab sie auf, trug jedoch den Vorfall in einem ausführlichen Bericht im Dienstbuch ein.

Jetzt wollte sie hellwach sein, setzte sich auf einen Stuhl am Tisch. Sie suchte im Fernsehen ein Programm von dem sie wusste, dass sie bestimmt nicht gelangweilt würde. Es würde sie wach halten. Der 3Uhr Rundgang war unauffällig. Danach machte sie es sich wieder im Fernsehsessel bequem.

Sie sass etwa 10 Minuten immer hellwach, immer bereit sofort aufzuspringen, wenn etwas ungewöhnliches geschehen würde, als sie von einem entfernten aber schrillen Schrei einer Frauenstimme aus ihrem Sitz hochgerissen wurde. In den Schrei der Frau hinein war ein entsetzter Schrei einer Männerstimme zu hören.

Sie hörte hastende Schritte auf einer Treppe, eine Tür fiel zu,jetzt rannte die Person, riss deutlich hörbar eine andere Türe auf, die Tür schloss sich wieder, man hörte ein trampelndes Geräusch. Hanna konnte nicht sagen woher diese Geräusche kamen, sie hörte sie, konnte sie nicht zuordnen. Dann war Ruhe. Das Rennen, Treppauf oder Treppab, hatte aufgehört.

Jetzt rannte Hannah förmlich durch das Haus. Treppauf im Haus 1, um an die Brücke zum Haus 2 zu kommen.

Benni stand im Gang, der zur Brücke führte, er hielt sie am Arm fest, legte seine andere Hand an ihre Wange. Benni war einer der zwei Autisten die in der Wohnanlage zu Hause waren. Diese Gesten waren ein Zeichen, dass er ihr etwas mitzuteilen hatte.

Vorsichtig nahm sie seine Hand von Ihrer Wange, atmete derweilen tief durch, um ihrer Stimme einen normalen Klang zu geben." Was ist geschehen, Bennie?" fragte sie freundlich. "Rita hat geschrien, laut geschrien!" "Bennie, Rita.......", ist doch nicht da," wollte sie sagen. Aber das würde Bennie völlig aus der Ruhe bringen. So vollendete sie den Satz," Rita hat geschrien, aber jetzt ist sie wieder ruhig. Du kannst wieder schlafen"

Wieder legte er seine Hand an ihre Wange " Gut schlafen? "fragte er. " Ja, Bennie, Rita wird nicht mehr schreien, du kannst jetzt ruhig schlafen." Bennie drehte sich um, ging ruhigen Schrittesüber die gläserne Brücke zurück in sein Zimmer.

In Haus 2 war "Schlossbeleuchtung"- die Gänge waren hell beleuchtet, in allen Zimmern brannten die Lichter.

Wo sie auch nachschaute, alle waren wach.Die Einen sassen in ihren Betten, die Anderen waren dabei ihre Hausschuhe anzuziehen. Aber alle hatten eines gemeinsam : Alle Bewohner sprachen von dem Schrei. Die Unruhe bei den Bewohnern war so deutlich, dass sie sicher war, der Schrei war hier von dem Haus 2 ausgegangen. Sonderbar war nur, jeder Bewohner behauptete, dass der Schrei vom Gang her kam, dass das Rennen und Türe schlagen irgendwo anders herkam.

Wieder ging sie systematisch daran, alle Türen und Fenster zu überprüfen.

In den Vorräumen zu den Bädern öffnete sie die grossen Pflege- und Wäscheschränke, um sicher festzustellen, ob sich nicht darinnen einer versteckt hatte. Sie untersuchte die Aktenschränke in den Abteilungsbüros, öffnete die verschlossene Tür zum Speicher in dem sich die Koffer der Bewohner befanden. Leuchtete den Speicher mit ihrer Taschenlampe aus. Danach sah sie unter Tischen, Schreibtischen und Betten nach. Alles was sie fand, waren eine einzelne Socke und ein Duschschuh unter einem Bett.

Doch nirgendwo entdeckte sie irgendeinen Anhaltspunkt der auf die Anwesenheit einer fremden Person hindeutete, oder auf die Ursache oder den Urheber des Schreis. Soweit es die Bewohner betraf, waren diese zwar aufgeregt, aber jeder war in seinem Bett.

Zwar behaupteten Benni und Gesa absolut sicher, dass Rita geschrien hätte. Zwei weitere Bewohner - Rollstuhlfahrer, die geistig nicht gehandicapt waren, unterstützten diese Aussage, aber Hanna konnte nicht herausfinden, was wirklich geschehen war. Ihre einzige Erklärung war, dass irgendjemand ein elektronisches Medium installiert hatte, um den Nachtdienst "aufzumischen ". Schliesslich war Rita Retsch, eine allseits beliebte Kollegin, schon seit Tagen in Urlaub. Sie wollte erst in 3 Wochen aus Korfu zurück sein.

Wieder trug Hanna den gesamten Ablauf in das Nachtdienstbuch ein, wobei sie unterstreichend erwähnte, dass mehrere Bewohner behaupteten, Rita habe geschrieen. Bei der Übergabe an den Frühdienst erzählte sie noch einmal ausführlich von den Ereignissen der Nacht. Die Kolleginnen und Kollegen kamen überein, den Leiter der Wohnanlage zu informieren, sobald dieser in seinem Büro war. Der konnte dann entscheiden, welche weiteren Schritte man unternehmen wolle.

*

Es war Nachmittag, Hanna hatte ausgeschlafen, jetzt hatte sie sich gerade zu Hause mit einer Tasse Kaffee gemütlich auf die Couch gesetzt, als der Wohnheimleiter anrief.

Höflich fragte er, ob sie gut geruht habe, um dann mit seinem eigentlichen Anliegen herauszukommen. Er fragte, ob sie jetzt Zeit erübrigen könne, um über die Vorkommnisse der letzten Nacht zu sprechen.

"In drei Stunden kommen meine Kinder mit dem Bus von der Tagesstätte." "Das bekommen wir in den Griff," antwortete der Chef. Es war klar, dass dem Leiter ihre Anwesenheit wichtig war, "wenn es nötig sein sollte, soll einer ihrer Kollegen die Kinder mit unserem Bus abholen, und hierherbringen." Sie einigten sich, dass Hanna baldmöglich an ihrer Arbeitsstelle sein sollte.

Seufzend band sie ihr Haar hoch, zog ihre Leggins und das gutsitzende Shirt aus, zog ihre Arbeitskleidung an, um dann zur Wohnanlage am Wald zu fahren. Sie parkte wie üblich ausserhalb der Anlage.

Als sie durch das Tor vom Parkplatz zum Heim wollte, war dies verschlossen. Sie lief den Zaun entlang bis zum Haupttor, wo ein uniformierter Polizeibeamter ihr den Weg versperrte. Ein zweiter Beamter begleitete sie zum Verwaltungstrakt, brachte sie hinauf zum Büro des Chefs.

Dieser war nicht alleine, der Geschäftsführer sowie zwei ihr unbekannte Männer sassen mit ihm zusammen in der Sitzgruppe die zwischen dem Schreibtisch und einigen Aktenschränken im Büro des Heimleiters aufgebaut war.

Der Heimleiter, der ihr direkter Chef war, bot ihr einen Sessel an, fragte dann ob sie einen Kaffe wollte. Während sie auf den Kaffee warteten stellte der Geschäftsführer die beiden Herren vor .

"Die beiden Herren sind Polizeibeamte. Das ist Kommisar Steezer, oder, "wandte er sich an den Polizeibeamten, "hast Du einen anderen Dienstgrad, Steezer?" Der Beamte winkte ab."Nicht wichtig " sagte er kurz. "Gut, also nochmal, das ist Steezer, der leitende Beamte, und das ist Carlo Maretto, sein Assistent." Beide Männer deuteten im Sitzen eine leichte Verbeugung an.

Fast gleichzeitig kam die Sekretärin herein, stellte vor ihr ein Tablett mit einem Kännchen Kaffee, Milch und einer Tasse hin. 'Wie wird sich Alva wohl fühlen, dass sie mir Kaffee reichen muss, Alva, die sich immer als etwas Besseres fühlt als alle Anderen hier im Haus, die auf den Gruppen arbeiten, weil sie Chefsekretärin ist.' Dass Hanna sich selbst den Kaffee in die Tasse goss, gab Hanna Zeit sich die beiden Polizeibeamten zu betrachten.

Der eine war ein nicht so breiter, nicht sonderlich grosser Mann so Mitte 30 mit schwarzem Lockenhaar, eher ein südländischer Typ.

Der andere, der Steezer genannt worden war, war eher der Typ Spiessbürger, in der obligatorischen Jeans zeigte sich ein deutlicher Bauchansatz, dazu ein Hemd im modischen Karo. Das Gesicht war so kantig, dass es schon fast unangenehm hart wirkte. Nicht einmal der erste Ansatz eines Doppelkinns nahm diesem Gesicht die Kantigkeit, das Haar war schon sehr licht und grau, aber nicht sehr kurz geschnitten. Hätte sie aus einer Gruppe von Männern einen Polizeibeamten aussuchen müssen, sie hätte diesen Mann sicher nicht ausgesucht, er war eher der Typ des Kleingärtners als der des Beamten.

Erst als sie vom Kaffe getrunken hatte, sprach der Chef sie an. "Bitte schildern sie uns doch noch einmal, mit eigenen Worten, die sonderbaren Ereignisse während ihres letzten Nachtdienstes."

"Ich hoffe , ich bekomme noch alles zusammen, das war der letzte Tag im Nachtdienstblock, der Schrei war gegen 3:00 morgens, da war ich schon nicht mehr so ganz bei hundert." Trotz dieser Erklärung brachte sie es fertig, die Geschehnisse richtig und in richtiger Reihenfolge zu schildern.

"Gutt," Carlo wusste, dass Steezer dies Wort:' Gutt' stets dann benutzte, wenn er aussagen wollte, dass er verstanden hatte und zufrieden mit den Inhalten war."Ihre Angaben decken sich mit den Aussagen ihrer Bewohner," stellte der Kommisar nüchtern fest, jetzt wissen über den Ablauf dieser seltsamen Begebenheit Bescheid, aber nicht das warum. Hätten sie eine Vorstellung, warum ihre Kollegin dagewesen sein sollte?"

"Wahrhaftig nicht," Hanna schüttelte den Kopf ,"warum hätte sie in Haus 2 gehen sollen? Sie arbeitet auf der 3 , dort steht auch ihr Schrank, falls sie etwas Wichtiges vergessen haben sollte. Ausserdem ist sie auf Korfu in Urlaub. Die einzige Möglichkeit, denke ich, wäre irgendein technisches Gerät das die Stimme von Rita abgespult hat."

Carlo Maretto sah kurz seinen Chef an, dann setzte er zu sprechen an.

"Das ist es ja, sie ist eben nicht nach Korfu geflogen- sie hat nicht einmal gebucht. Viel interessanter ist aber, dass wir an der Feuertreppe zum Haus 3 Fingerabdrücke gefunden haben, die da nicht hingehören. Einmal von ihrer Kollegin Rita Retsch, dazu einen von einem Mann den wir nicht kennen. Damit gewinnen die Aussagen ihrer Bewohner, dass der Schrei von Rita Retsch kam, an Bedeutung."

"Wir haben sie gebeten zu kommen, mit uns zu reden, weil wir keine Stelle gefunden haben, an der ihre Kollegin verweilt haben könnte. Bitte überlegen Sie genau, ob sie nicht irgendeine Idee haben, wo die beiden Leute hingegangen sein könnten ."

Hanna schüttelte den Kopf:"Tut mir leid. Darüber habe ich mir schon zu Hause den Kopf zerbrochen. Bedauerlicherweise kann ich nur die Geräusche, die ich häufiger höre, einordnen und zuordnen.

Die Geräusche letzte Nacht waren so leise, dass ich sie zuerst für Halluzinationen hielt. Später habe ich mich dann gefragt, ob irgendjemand mir einen Streich spielen wollte und eine DVD abgespielt hat, oder sonst etwas."

"Daran haben wir auch schon gedacht", Steezer sprach freundlich zu ihr," unsere Beamten haben sämtliche CD's,DVD's und sonstige Tonträger konfisziert, aber bisher nichts gefunden. Könnten sie sich vorstellen, was ihre Kollegin hier gesucht haben könnte?"

"Ich weiss es nicht," antwortete Hanna. "Auf jeden Fall kommt mir das alles unwirklich vor. Unwirklich und geheimnisvoll. Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Das alles ist einfach unverständlich für mich!" Sie überlegte ein wenig. "Vielleicht weiss ihre Schwester Bescheid, die beiden wohnen doch zusammen!"

Zurückhaltend fragte der Geschäftsführer, ob sie wisse, wo die Schwester arbeitete. Hanna verneinte. So konnte sie wieder nach Hause gehen.

Sie war sehr beunruhigt. In 14 Tagen würde sie wieder Nachtdienst haben. Was dann? Gab es Veränderungen, vielleicht mehr Kontrollen? Eine zweite Person im Dienst? Bauliche Veränderungen?

Doch es kam alles anders.

*

Drei Tage später wurde sie mitten in der Nacht angerufen. Ihr Teamchef war am Apparat : "Können sie vorbeikommen, Frau Schneider? Das Dachgeschoss im Haus drei ist komplett ausgebrannt. Die Bewohner sind unversehrt, aber wir brauchen jede Hand. Daher bitten wir jeden, den wir erreichen können, zu kommen."

Hanna hatte ihre Mieterin geweckt, damit diese bei Ihren Kindern bleiben konnte. Dann war sie, wie nahezu alle Kollegen, zum Wohnheim gekommen um sich um die Bewohner zu kümmern. Selbst die Hauswirtschafts-Mitarbeiter waren anwesend, kochten Tee, verteilten Kekse und Schokolade. Das zeigte sich schliesslich als ausschlaggebend, es hatte die Bewohner beruhigt.

Dann hatten alle gemeinsam die Betten in der Gruppe drei abgebaut, diese wieder in dem grossen Festsaal aufgestellt. Danach waren die Bewohner wieder zu Bett gebracht worden. Es hatte noch ettliches an Zeit und Ideen gebraucht, bis die Bewohner wieder eingeschlafen waren.

*

Hanna war gerade rechtzeitig zurück in ihrem Hause, um ihren Kindern das Frühstück zuzubereiten, damit diese zur Schule gehen konnten.

Sie versuchte zu schlafen, stand aber bald wieder auf, weil die unerklärlichen Probleme sie immer wieder einholten. Fragen, die sie nicht beantworten konnte, die einfach nicht aus ihrem Kopf gehen wollten. Von denen das Gehirn zumindest einen Zipfel zu finden suchte, der dann zu einer Antwort führen konnte, die schliesslich eine mögliche Lösung darstellen gekonnt hätte.

*

Schon am nächsten frühen Vormittag kam der Sachverständige von der Brandschutzversicherung. Die Feuerwehr des kleinen Ortes hatte sich in der nächsten Grosstadt mehrere grosse Strahler geliehen um sie unter dem Dach aufzustellen, so, dass der zuvor immer dämmerige Raum nun voll ausgeleuchtet war.

Der Sachverständige sieht sich kurz um, geht dann gezielt zur Giebelseite, die gesamte Wand an dieser Seite ist mit rabenschwarz verkohlten Holzplanken verkleidet. An dem letzten der Balken läuft ein Kabel entlang in die Höhe, wo eine einsame Birne in einer Fassung wohl früher Licht spenden sollte, jetzt war diese geplatzt. Man sah nur noch die Glühdrähte in der Fassung, das schützende Glas war weg.