Perry Rhodan 3186: Alraska - Marc A. Herren - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 3186: Alraska E-Book und Hörbuch

Marc A. Herren

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu. Mit an Bord: mehrere Terraner, darunter Alaska Saedelaere und Gry O'Shannon. Die Flucht von FENERIK gelingt, aber die beiden Menschen werden getrennt. Und nun wird Saedelaere überdies mit einem seltsamen Phänomen konfrontiert: Die Rede ist von ALRASKA ...

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Seitenzahl: 171

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Zeit:3 Std. 32 min

Sprecher:Stefan Krombach
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Nr. 3186

Alraska

In ihm lauert ein tödliches Geheimnis – er sucht seine Bestimmung

Marc A. Herren

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1. Vieles passt nicht zusammen

2. Nicht wahr?

3. Ist wer da?

4. Alles verquer

5. Ein unangenehmer Gedanke

6. Die Prophezeiung

7. Was machen Sie da?

8. Der Großadministrator

9. Theorien

10. Das Ungeheuer unter mir

11. Gladmann und Winkelstein

12. Die Straße der Heroen

13. Pasima

14. Das Mausoleum

15. Schrödingers Chaos-Katze

16. Bruder

Epilog II

Epilog I

Journal

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.

Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu. Mit an Bord: mehrere Terraner, darunter Alaska Saedelaere und Gry O'Shannon.

Die Flucht von FENERIK gelingt, aber die beiden Menschen werden getrennt. Und nun wird Saedelaere überdies mit einem seltsamen Phänomen konfrontiert: Die Rede ist von ALRASKA ...

Die Hauptpersonen des Romans

Alaska Saedelaere – Der Maskenträger nimmt ab und empfängt dunkle Erinnerungen.

Takvorian – Der Zentaur dient als Reittier.

Balton Wyt – Der Unsterbliche wechselt die Seiten.

Gladmann und Winkelstein – Zwei nahezu Unsterbliche finden kurzzeitig Gesellschaft.

Pasima

Prolog

Übergangslos rebellierte das Cappin-Fragment.

Seine Sinne stellten alle Wahrnehmungen ein. Er sah, fühlte, hörte, schmeckte, roch nichts mehr. In einem grauen Nichts hatte er das Gefühl zu stürzen, aber nicht etwa nach unten, sondern in alle Richtungen gleichzeitig.

Sein Geist, den er ein Leben lang darauf trainiert hatte, in Phasen der Verwirrung nach Logik zu streben, suchte verzweifelt nach einem Anker. Einem Ausgangspunkt, um zu funktionieren.

Er erhaschte eine Reihe von Gedanken. Sie kamen ihm bekannt vor.

Handelte es sich um Erinnerungen?

Er stürzte darauf zu. Sah sich als kleinen Jungen. Mit einem hübschen Gesicht.

Und daneben ...

»Mutter«, formulierte er in Gedanken. Es war so lange her.

1.

Vieles passt nicht zusammen

4. Oktober 3406, anderswo

»Mutter?«

»Ja, mein Kleiner?«

»Wie kann es sein, dass aus Alices Tränen ein ganzer See wird?«

Das Licht der Stadt beleuchtete sein Gesicht in einem kühlen Blauton. Alaska wirkte ernst, konzentriert. Ausgestreckt lag er unter der Bettdecke, die Arme in perfekter Symmetrie links und rechts neben dem Körper. Ein wenig steif, viel zu ernst für sein Alter. So war er, ihr kleiner Alaska.

Felissia Saedelaere strich ihrem Sohn zärtlich über das dunkle Haar. Der Junge bedeutete ihr mehr als alles andere auf dieser Welt. Nie zuvor hatte sie solche Gefühle für etwas oder jemanden gehegt.

Ganz gewiss nicht für Tresham, ihren Mann, der fast zwei Jahre zuvor aus ungeklärten Gründen plötzlich verschwunden war. Obwohl er nur ein einfacher Frachtarbeiter gewesen war, hatte sich die Regierung überraschenderweise eingeschaltet und dafür gesorgt, dass Felissia keine Existenzängste leiden musste.

Trotzdem sorgte sie sich um ihren Sohn, der ohne Vater aufwachsen musste. Er benötigte eine männliche Bezugsperson, an der er sich orientieren konnte. Die Geschicke der Welt da draußen wurden von charakterstarken, geradlinigen Männern gelenkt. Wenn Alaska nicht später einmal unter die Räder kommen sollte, musste sie ihn irgendwie darauf vorbereiten.

Aber wie sollte sie das anstellen?

»Weshalb wird aus Alices Tränen ein ganzer See?«, wiederholte Alaska.

Sie blickte in sein ernstes Gesicht.

»Es ist nur eine Geschichte«, sagte Felissia zärtlich. »Da kann alles geschehen.«

Sie streichelte seine rechte Schläfe.

Alaskas Gesichtsausdruck blieb nachdenklich.

Etwas gezwungen lächelte Felissia. Sie wusste nicht, was sie ihm noch sagen sollte.

»Weißt du, was ich denke?«, fragte Alaska.

Seine Sprechweise war holprig. Deswegen hatte Felissia ihren Sohn vor einem Monat zu einem Neurobiologen gebracht. Dieser hatte Alaska aber nur eine leicht überdurchschnittlich hohe Intelligenz attestiert und bemerkt, dass der Junge wahrscheinlich schlicht »zu viel dachte während des Sprechens«.

Felissia schloss die Augen. Sie presste sich je zwei Finger an die Schläfen. »Ommm«, machte sie geheimnisvoll. »Ich lese deine Gedanken ...«

»Ich meine es ernst, Mutter«, sagte Alaska.

Felissia nahm die Hände herunter. Plötzlich fühlte sie sich unbehaglich.

»Ich denke, dass Alice eigentlich gar nicht im Wunderland war.« Alaska wählte seine Worte sorgsam. »Ich denke, dass sie nur ein einsames Kind war, das niemanden zum Spielen hatte. Verstehst du, Mutter? Alice flüchtete in eine Gedankenwelt, weil sie traurig und allein war. Deshalb schwimmt sie in einem See aus Tränen. Die Tiere sind die Spielkameraden, die sie nie hatte. Vielleicht auch ihre Puppen und Stofftiere.«

Felissia fühlte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Alaska war nun fünf Jahre und zehn Monate alt. Durfte er bereits solche Feststellungen machen? Er war doch nur ein Kind. Und wenn Alaska angeblich nur leicht überdurchschnittlich hochintelligent war – welche Fragen stellten denn andere, noch klügere Kinder von fünf Jahren und zehn Monaten?

Es musste an ihr liegen, dachte Felissia Saedelaere.

»Mutter?«, drängte Alaska. »Was denkst du?«

»Ich denke«, sagte sie langsam, um Zeit zu gewinnen. »Ich denke, dass alle Kinder ein Recht auf ein eigenes Wunderland haben. Auf einen Ort, an den sie sich gedanklich zurückziehen dürfen, wenn sie dies möchten.«

»Um vor der Unlogik der Welt zu flüchten?«

Felissia fühlte Kälte in sich aufsteigen. »Nein, nein. So habe ich das nicht gemeint. Ich ... wovon sprichst du überhaupt? Was meinst du mit Unlogik?«

»Vieles passt nicht zusammen, Mutter. Ich weiß, dass du mich liebst. Und ich weiß, dass dies normal ist. Mütter müssen ihre Kinder lieben, und die Kinder lieben sie zurück, meistens jedenfalls. Wenn die Natur uns dies nicht einprogrammiert hätte, würden viele Kinder verstoßen werden und würden umkommen.«

Felissia schluckte. »Worauf willst du hinaus, Alaska?«

»Väter lieben ihre Kinder nicht so wie Mütter. Das sieht man auch an Tresham.«

»Halt, halt, halt!«, beeilte sie sich zu sagen. »Das stimmt nicht. Dein Vater ...«

»Lass mich bitte ausreden, Mutter!« Alaska hob die linke Hand und legte sie ganz sachte an ihre Wange. »Väter lieben ihre Kinder nicht so sehr wie die Mütter. Und später, wenn die Kinder erwachsen werden, kühlt auch die Liebe der Mütter ab. Das habe ich gelesen. Und irgendwann steht man sich fast gefühllos gegenüber.«

Felissia schluckte. »Worauf willst du hinaus?«, wiederholte sie mit belegter Stimme.

»Ich verstehe nicht, wann die Menschen so geworden sind, wie sie jetzt sind«, antwortete Alaska. »In alten Büchern wird die Liebe anders beschrieben. Bei vielen Tierarten und bei vielen Nicht-Menschen funktioniert sie anders als beim Menschen. Ich verstehe nicht, wie wir überhaupt überleben können. Vieles passt nicht zusammen, da draußen in der Welt. Es ist nicht logisch.«

Und dann sagte er etwas, das sie nie wieder vergessen würde: »Es ist, als würden wir durch etwas gelenkt, das nicht auf Logik, sondern auf Resultate bedacht ist.«

Felissia schloss die Augen, versuchte sich zu sammeln. Dann lächelte sie ihn an, streichelte Alaska über die Brust. Unter dem karierten Nachthemd fühlte sie seinen Herzschlag.

»Deine Worte machen mir Angst, Alaska«, sagte sie wahrheitsgemäß. »Aber ich verspreche dir, dass ich dich so lange lieben werde, wie es nur irgendwie möglich ist.«

Ihr Sohn starrte sie an. Dann lächelte er plötzlich Es wirkte ein wenig verunglückt, aber Felissia sah, dass er sich Mühe gab.

»Das weiß ich, Mutter.«

Sie küsste ihn auf die Stirn. »Dann schlaf jetzt, mein Kleiner.«

Sie klappte das Gutenachtbuch zu und legte es aufs Regal.

2.

Nicht wahr?

11. November 3413, anderswo

Du blickst in die Ferne. Die kleine Wohnung im 85. Stockwerk hat einen Vorteil. Wenn die Sonne im Zenit steht, siehst du die oberen Polrundungen der gewaltigen Kugelraumschiffe, die im 60 Kilometer entfernten Handelsraumhafen Point Surfat stehen. Ein weit entferntes Gleißen, das dich an das Licht der Sterne erinnert. Fern. Lockend.

Du siehst diese metallenen Hüllen und blendest alles andere aus. Das Geschrei deiner Eltern gerinnt zu einem Murmeln. Es kann dich, dein Innerstes, nicht erreichen.

Du denkst an die Sterne. An die Abenteuer, die viele dazwischen erleben. Viele? Die Privilegierten. Die Schergen Rhodans. Die Mutanten. Offiziere, Soldaten. Raumschiffpiloten, Techniker.

Wie so oft überlegst du dir, welchen Weg du einschlagen musst, um irgendwann ebenfalls zu den Sternen fliegen zu können. Mutter hat dir gesagt, dass du studieren sollst. Kosmohistorie oder so. Aber du weißt, dass dies nicht dein Weg ist. Zu viel Büffeln, zu wenige Abenteuer, die auf einen Kosmohistoriker warten.

Wahrscheinlich wird es auf einen Techniker hinauslaufen, überlegst du dir. Es fällt dir leicht, dich auf positronische Schaltkreise einzulassen. Du begreifst die Logik, die ihnen innewohnt.

Das wäre der wohl einfachste Weg für dich.

Aber wie viele Techniker kennst du, die an vorderster Front mit dabei sind, wenn ein neues galaktisches Kapitel geschrieben wird?

Zum millionsten Mal fragst du dich, weshalb du nicht als Mutant geboren wurdest. Mit einer Paragabe, die dich von allen anderen Menschen abhebt. Vielleicht ähnlich wie die Zündergabe, die in dem Doppelkopfmutanten Iwan Iwanowitsch Goratschin steckt. Sie töten mit einem einzelnen Blick. Ja, denkst du, als Para-Alaska könntest du alles erreichen, was du willst.

Du gibst dich den Tagträumen hin, während im Hintergrund deine Eltern weiterstreiten.

Illustration: Swen Papenbrock

Du weißt, dass du wegwillst, weggehen musst. Nur die Tatsache hält dich zurück, dass du Mutter nicht das Gleiche antun willst wie Tresham. Obwohl du weißt, dass es ihr besser gegangen ist, als er verschwunden war, bleibst du bei ihr. Vorerst zumindest. Als Zwölf- knapp Dreizehnjähriger hast du kaum Möglichkeiten da draußen, etwas aus dir zu machen. Aber die Zeit, so nervtötend langsam sie gerade zerrinnt, ist auf deiner Seite. Irgendwann wird sie anbrechen, deine Zeit.

Irgendwann.

*

Tresham Saedelaere war vor ein paar Monaten zurückgekehrt. Zurück zu seiner Familie, die aber längst nicht mehr seine Familie war. Er hatte Alaska kurz an sich gedrückt, dabei den Kopf aber abgewandt. Ein Achselklopfen, der obligate Hinweis darauf, wie groß Alaska geworden war, und das war es gewesen.

Tresham war zurück und saß am Kopfende des Mittagstisches, als wäre nichts gewesen.

Was Alaska am meisten schockiert hatte, war nicht die relativ herzlose Begrüßung gewesen. Das Schockierende war, wie sein Vater nach den Jahren der Abwesenheit ausgesehen hatte.

Alaska hatte kaum mehr originale Erinnerungen an seinen Vater von damals gehabt. Über die Jahre hatten sie sich immer mehr den paar Hologrammen angeglichen, die in Mutters Wandregal standen. Nun wirkte Tresham um Jahrzehnte gealtert.

Aber das fand Alaska eigentlich nicht so schlimm. Schockierend war aber, dass er selbst mittlerweile mehr dem Mann in den Holos glich als dieser selbst. Alaska wuchs zu dem Mann heran, der Tresham gewesen war.

»Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!«

Alaska zuckte zusammen. Er hatte nicht gemerkt, dass sein Vater zu ihm ans Fenster getreten war. Tresham hatte ihn aus kürzester Distanz angeschrien. Es pfiff unangenehm in seinem rechten Ohr.

Alaska wandte sich um. Er musste den Blick nur zwei Handspannen emporheben. Er war mit seinen 176 Zentimetern der weitaus Größte in seiner Klasse. Alaska zweifelte nicht daran, dass er – wie Tresham – in ein paar Jahren die Zweimetermarke überschreiten würde.

Während er darauf wartete, dass das Pfeifen in seinem Ohr verebbte, betrachtete er seinen Vater. Treshams Gesicht leuchtete fiebrig. Die schwarzen Haare klebten an seiner Stirn. Im Hintergrund stand seine Mutter, eine Hand an die linke Wange gepresst.

Hatte er sie geschlagen?

Alaska fühlte schwarze Wut in sich aufsteigen.

»Du hast kein Wort verstanden, das ich gesagt habe, nicht wahr?«, höhnte sein Vater. »Alaska, der ewige Träumer, nicht wahr? Du warst schon damals in deiner Entwicklung zurück, bist es immer noch, nicht wahr?«

Der Junge atmete tief durch. Er wusste, dass ihn Tresham provozieren wollte. Mit seinen Vorwürfen, seiner Sprache. Ein kläglicher Versuch.

»Nein, Vater, ich habe nicht zugehört.«

»Oh, der Herr Sohn hat nicht zugehört. Ist sich wohl zu feige, um seinem Vater zuzuhören, wenn er etwas zu sagen hat, nicht wahr?«

Alaska straffte sich. »Verzeih, Vater, dass ich dir nicht zugehört habe. Würdest du bitte so gut sein und es wiederholen?«

Einen Moment lang weiteten sich Treshams Augen. Dann hatte er sich wieder im Griff. »Du hast eine Investigativpositronik damit beauftragt, mir nachzuschnüffeln, nicht wahr?«

»Ja, Vater.«

Tresham hob die rechte Hand drohend. »Lass die Finger von meiner Arbeit! Wenn ich dich noch einmal dabei erwische, wie du in meinen Daten herumschnüffelst, dann ...«

In diesem Moment ging Felissia dazwischen. Sie riss ihm den Arm herunter. »Du wirst den Jungen nicht schlagen, Tresh!«

Wütend stieß er sie weg.

Alaska verschränkte in einer ruhigen Geste die Arme. »Ich verspreche dir, dass ich nicht mehr in deinen Daten herumschnüffeln werde, Vater.«

Tresham ließ den Arm, den er erneut erhoben hatte, wieder sinken. »Das will ich dir auch geraten haben, nicht wahr?«

»Und ich will dir auch sagen, weshalb ich dir nicht mehr hinterherschnüffeln muss, Vater.«

»Weshalb?«

»Weil ich bereits alles weiß.«

Schlagartig wich alle Farbe aus Treshams Gesicht. »Was weißt du?«

»Die Jahre der Abwesenheit, in denen die Regierung uns finanziell unterstützt hat, waren der erste Hinweis.

Für einen normalen Frachtarbeiter, der wegen irgendwelcher Schwierigkeiten untergetaucht oder irgendwo verhaftet wurde, würde Adams niemals die Soli fließen lassen. Dann deine überraschende Rückkehr, der hoffnungslose Versuch, im Alltag anzukommen. Dein cholerisches Verhalten, die Ruhelosigkeit, die Schlafstörungen. Alles Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung. Der zweite Hinweis.

Und dann war da noch die letzte Rentenzahlung der Regierung. Offenbar hat jemand einen Fehler gemacht und sie zu spät gestoppt. Jedenfalls musste die Transaktion rückgängig gemacht werden. Und der Jemand hat einen zweiten Fehler gemacht: Die Überweisung erfolgte direkt an die SolAb.«

Alaska gestattete sich ein triumphierendes Lächeln, während er dabei zusah, wie sich die Anzeichen von Panik weiter im Gesicht seines Vaters ausbreiteten. »Alle drei Hinweise zusammen ergeben ein ziemlich eindeutiges Bild, Vater. Als Agent der Solaren Abwehr scheinst du bei einer Mission in Gefangenschaft geraten zu sein. Man war nicht gut zu dir, hat dich gefoltert. Tage-, wochen-, monate-, jahrelang.« Er machte eine Kunstpause, dann fügte er genüsslich hinzu: »Nicht wahr?«

Tresham zitterte vor Wut. Dann griff er blitzschnell zu und stieß Alaska von sich.

Der Junge taumelte rückwärts, strauchelte über die eigenen Füße und fiel hin.

»Hört auf, alle beide!«, schrie seine Mutter. »Tresh, stimmt das, was der Junge sagt? Du bist ein SolAb-Agent?«

Tresham Saedelaere spuckte in Alaskas Richtung. »Die kleine Ratte musste mir ja hinterherspionieren.«

Alaska kam mit einiger Mühe wieder auf die Beine. Die Wut hatte ihn nun fest im Griff. Er dachte an die Zündergabe der Goratschins und wünschte sich, dass er in den Körperzellen seines Vaters Kohlenstoff- und Kalziumatome miteinander reagieren lassen und zur Zündung bringen konnte. Ein Blick, und der Tod tritt ein.

»Was blickst du mich so an, du Bohnenstange?«, krächzte sein Vater. »Wag es ja nicht, mich anzugreifen. Du wirst mir kein Haar krümmen können, nicht wahr?«

»Wenn ich eine Paragabe hätte, würde ich dich jetzt umbringen, Vater.«

»Eine Paragabe, du? Ha, das ist ja lächerlich! Selbst jetzt lebst du lieber in einer Traumwelt als in der Realität. Was bist du nur für ein Versager!«

Alaska Saedelaere streckte die Hand aus, die Fingerspitzen auf Tresham gerichtet. »Es stimmt, ich bin kein Mutant. Ich kann dich nicht Kraft meiner Gedanken töten. Aber ich kann das!«

Mit der linken Hand tippte er sich gegen den Hals, in dem er ein Kehlkopfmikrofon implantiert hatte. Damit hatte er Zugriff auf alle Geräte und die Hauspositronik ihrer Wohnung. Er gab den stimmlosen Befehl.

Die Roboküche erwachte zum Leben. Eine Schranktür schwang auf, und ein unterarmlanges Vibromesser schwebte in seine geöffnete Hand.

Tresham blinzelte überrascht, trat zwei Schritte zurück. »Du ... du würdest mich niemals angreifen. Das könntest du nicht.«

»Bist du dir da sicher, Vater?« Alaska machte seinerseits einen Schritt auf ihn zu. Die Klinge schnurrte leise.

»Ihr undankbares Pack!«, stieß Tresham hervor, während er rückwärts auf die Wohnungstür zuging. »Damit ihr euch keine Illusionen macht: Ihr wart von Anfang an nur eine Tarnidentität. Ihr habt mir nie etwas bedeutet.«

»Wie auch?«, sagte Alaska ruhig, während er mit der Spitze der Klinge auf ihn zeigte.

Tresham stieß einen wütenden Schrei aus, dann verließ er die Wohnung fluchtartig.

Als Alaska die Vibrofunktion des Messers desaktivierte und es auf den Küchentisch legte, brach seine Mutter neben ihm weinend zusammen.

*

Die Tage und Wochen nach Treshams Flucht waren nicht einfach. Seine Mutter konnte Alaska nicht mehr ins Gesicht schauen. Alaska wusste, weshalb.

Da sie nun weder von der Regierung noch von Tresham Geld erhielten, musste Felissia ihre Arbeitsstunden in der Servofabrik erhöhen, sodass er sie kaum mehr sah.

Es musste etwas geschehen.

Als Alaska eines Tages von der Schule nach Hause kam, wartete die Sendung im Innern des Servoroboters. Er nahm das Paket an sich und zog sich in sein Zimmer zurück. Die nächsten drei Stunden verbrachte er damit, das schwarzviolett schimmernde Material unter seinen Fingerkuppen zu formen, bis es die perfekte Form hatte.

Um halb elf kam seine Mutter endlich nach Hause. Sie roch nach Schweiß und etwas Wermut.

»Guten Abend, Mutter«, sagte er, als er vor sie in den Gang trat.

Vor Schreck ließ sie ihre Tasche fallen.

Alaska rückte die Maske zurecht. »Gefällt sie dir, Mutter? Ich habe sie gefertigt, damit du nicht mehr sein Gesicht sehen musst, wenn du mit mir sprichst.«

Felissia presste beide Hände vor ihren Mund. Dann vermochte sie den Schrei nicht mehr zu unterdrücken.

3.

Ist wer da?

20. Februar 2072 NGZ, hier

Und dann war er fast draußen.

Die Erinnerungsflut, die auf ihn einbrandete, verebbte nur widerwillig. Schweiß lief ihm über das brennende Gesicht. Das Fragment pulsierte wie wild. Es war kaum auszuhalten.

Luft. Er benötigte Luft. Zum Atmen und zum Kühlen.

»Ist ...«, krächzte er. »Ist ... wer da?«

Stille.

Mühsam hob er die Hand, brachte sie mit höchster Kraftanstrengung zur Maske und riss sie sich vom Kopf.

Kühle Luft strich über sein wie in Feuer getauchtes Gesicht. Was für eine Wohltat.

Wo war er?

Alaska Saedelaere zermarterte sich das Hirn, aber es wollte ihm nicht einfallen. Dieser albtraumhafte Reigen aus den seltsam schrägen Kindheitserinnerungen steckte ihm noch in den Knochen.

An vieles hatte er sich gar nicht mehr erinnern können. Anderes hatte er nicht so in Erinnerung gehabt.

War er seiner Mutter tatsächlich als Zwölfjähriger mit einer Maske entgegengetreten, damit sie sein Gesicht nicht länger ertragen musste?

Das war schräg.

Allerdings war er kein ganz normales Kind gewesen, das musste er zugeben. Und es waren seither ein paar Tausend Jahre vergangen.

Wie ...

Dann fiel es ihm ein: der Primordiale Korridor; Gry O'Shannon!

Schrecken durchzuckte ihn. Wo war Gry?

Mit zitternden Fingern tastete er wieder nach der Maske, drückte sie sich auf das Gesicht. Dann drehte er unter Mühen den Kopf nach links und rechts, stierte durch die viel zu kleinen und nun falsch platzierten Sehschlitze. Er sah in ein unscharfes Halbdunkel, aber seine Begleiterin vermochte er nicht zu sehen.

Er musste Gry finden!

Saedelaere atmete tief ein. Die Lungen füllten sich mit eiskalter Luft. Die Fingerspitzen kribbelten.

Er lauschte in sich hinein, erinnerte sich daran, dass er den Anzug der Verheißung trug, aber er vermochte keine irgendwie geartete Verbindung mit ihm herzustellen.

Der SERUN war schon vorher Beinaheschrott gewesen. Nun lastete er schwer auf dem Maskenträger, machte jede Bewegung nur umso mühevoller.

Er hustete keuchend.

Einen Schritt nach dem anderen. Zuerst musste er die Umgebung beurteilen können, um zu wissen, ob ihm unmittelbare Gefahr drohte.

Saedelaere brachte die Hände zu seinem halb entfalteten Helm. Mit zitternden Fingern gelang es ihm, den Helmscheinwerfer manuell zu aktivieren.

Ein Lichtfinger stach in die Höhe, beleuchtete eine Metalldecke in etwa zehn Metern Höhe. Dann drehte er den Kopf zur Seite, nach links, nach rechts. Er sah ein paar Kisten, ein paar Aufbauten, ein Podest.

Aber keine Gry O'Shannon. Und auch sonst nichts, das nach einem Lebewesen ausgesehen hätte.

Er lag allein in einer Art Halle.

Gerade als er sich aufsetzen wollte, brannte und leuchtete das Cappin-Fragment erneut.

Jäher Schwindel erfasste ihn. Vor dem inneren Auge sah er eine dunkle Wand auf sich zurasen. Er stürzte hindurch. Jenseits des Spiegels – wieso fühlte er sich wieder an Alice erinnert? – erwarteten ihn ein neuerlicher Bildersturm.

Die Vergangenheit.

Er war wieder 27 Jahre alt.

Arbeitete als einfacher Techniker auf einer mittlerweile bedeutungslosen Handelswelt namens Bontong.