Projekt Garta - Dominik Ruder - E-Book

Projekt Garta E-Book

Dominik Ruder

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Beschreibung

Nach den unvorhergesehenen Ereignissen versucht die Stadt, trotz der aufkommenden Schwierigkeiten zu überleben. Wie sollen sie es schaffen, erneut den Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen und ihre Versorgung wieder herzustellen? Neben einem Ausweg aus der städtischen Krise bemühen sich Gero Barn und Marta Preit, die Entwicklung der Stadt der Zukunft weiter voranzutreiben – teilweise sogar mit eiserner Hand und gegen den Willen der Bevölkerung. Kaum hat das Regierungsduo es jedoch geschafft, die ersten Schwierigkeiten zu überwinden, wendet sich erneut das Blatt. Wer war tatsächlich für die Abschottung verantwortlich? Wer will die Stadt aushungern lassen? Wie soll es eine Stadt schaffen, Widerstand gegen die Behörden zu leisten und dennoch friedlich zu bleiben? Glücklicherweise sind Gero Barn und Marta Preit nicht allein. In dieser ungewöhnlichen Situation scheinen sich Verbündete zu offenbaren, die sie sonst nicht erkannt hätten...

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Seitenzahl: 384

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20

Projekt Garta

Band 2: Der Widerstand
Ein Roman von
Dominik Ruder
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Projekt Garta - Der Widerstand Dominik Ruder
1. Auflage Mai 2020
© 2020 DerFuchs-Verlag D-69231 Rauenberg (Kraichgau)[email protected] DerFuchs-Verlag.de Korrektorat/Lektorat: Sabrina Georgia,[email protected]
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk, einschließlich aller Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, Verbreitung, Übersetzung und Verfilmung liegen beim Verlag. Eine Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ohne Genehmigung des Verlags ist strafbar.
ISBN 978-3-945858-42-4 (Taschenbuch)
ISBN 978-3-945858-43-1 (E-Book)

Ich widme den zweiten Teil dieser Trilogie allen Forschenden und Wissenschaftsinteressierten dieser Welt, die wissen, dass uns Fortschritt und Technik eine Welt voller Möglichkeiten eröffnen.

Kapitel 1

Drei Monate. Lange, verfluchte, sich ziehende drei Monate dauerte diese Ungewissheit nun schon. Es war zum Verrücktwerden.

Vor genau dieser Zeit besuchte uns ein Vertreter der Bundesregierung, wollte mich meines Amtes entheben und den Bürgerinnen und Bürgern meiner Stadt klar machen, dass sie hier nicht mehr willkommen waren und nun zu verschwinden hätten. Das war eine Katastrophe, schließlich waren viele von ihnen hier schon heimisch geworden oder hatten sich gerade erst niedergelassen.

Der Tag des Aufstands, wurde jener Zeitpunkt genannt, der uns in diese große Ungewissheit geführt hatte. Ich persönlich hätte es niemals für möglich gehalten, dass aus Protesten gegen Gartas Regierung letzten Endes ein Kampf für diese neu gegründete und zukunftsorientierte Stadt werden würde.

Das kleine Garta, welches einst als Forschungsprojekt von mir und meiner treuen Freundin und Assistentin Marta aus dem Nichts aufgebaut wurde, stetig wuchs und nun eine der modernsten Städte Deutschlands darstellte, war noch immer unglaublich.

Am Tag des Aufstandes hätten wir diesen Vertreter vielleicht doch nicht aus der Stadt jagen sollen. Genau das war der Anfang ... Der Anfang vom Ende, wenn man es so wollte. Seither hatten wir von keiner Behörde mehr etwas gehört. Wir waren noch immer medial, als auch physisch von der Außenwelt abgeschnitten und fühlten uns komplett isoliert. Den Stadtbewohnern wurde das Angebot unterbreitet, Garta auf friedlichem Wege zu verlassen, doch es endete schnell, als bekannt wurde, dass wir uns gegen die Regierung und deren Abrisspläne gestellt hatten.

Seit diesen Vorfällen herrschte in der Stadt eine bedrückte Stimmung. Die Leute schwiegen, grüßten kaum, wurden vorsichtig und manche begannen sogar Hamsterkäufe zu tätigen, obwohl noch für alle genug Güter und Nahrungsmittel vorhanden waren. Die Einwohner Gartas hatten Angst. Sie wussten nicht, was passieren würde und wie es weitergehen sollte. Es bestand die Gefahr, dass man ihnen schon an nächsten Tag alles wegnehmen könnte, was sie sich hier aufgebaut hatten. Drei Monate Ungewissheit waren zu lang! Dieser Irrsinn musste ein Ende finden. Wir brauchten einen neuen Weg, eine neue Richtung, einen neuen Plan. Ich hoffte für uns und alle anderen Einwohner dieser Stadt, dass diese Zeit endlich endete.

Ich saß im Büro an meinem Schreibtisch und ließ den Blick schweifen. Hier hatte sich nichts verändert und ich glaubte manchmal, dass es das auch nie würde. Mein alter Holzschreibtisch, die Zimmerpflanzen, das große Fenster mit Blick auf unseren Marktplatz und Martas Schreibtisch in dessen Ecke, mir gegenüber. Alles hatte seinen Platz, seit das Rathaus vor nicht allzu langer Zeit gebaut worden war.

Ich sah auf die Tischplatte hinunter. Neben meinem Laptop stand das neue Namensschild, das mir einer unserer Verwaltungsangestellten vor Kurzem geschenkt hatte. In hölzernen Buchstaben, aber golden angestrichen, stand dort Gero Barn – Bürgermeister der Zukunftsstadt Garta.

Ich schaute dieses Schild immer wieder gern an. Es erinnerte mich daran, wofür wir kämpften und wogegen wir uns wehrten.

Eine Art Alltag in Garta kam schon relativ schnell nach dem Tag des Aufstandes wieder ins Rollen, schließlich mussten die Menschen trotz der ungewissen Situation ihren Einkäufen und Erledigungen nachkommen. Unsere Baufirma Baustock, kam zum Erliegen. Aus Sicherheitsgründen stoppte man vorerst einige Bauvorhaben und da jetzt erst recht keine neuen Einwohner mehr in unsere schöne Stadt ziehen konnten, wurde vorrangig der aktive Wohnungsbau unterbrochen. Bis wir herausfanden, was weiterhinsinnvolle Bauvorhaben waren, konnte es nicht fortgeführt werden.

Es wäre allerdings eine Lüge zu behaupten, dass rein gar nichts von der Bundesregierung gekommen wäre. Eine Woche nach dem erwähnten Tag, entdeckten die Einwohner die erste Drohne, die nun einmal täglich ihre Runden über Garta zog und uns somit unter Beobachtung stellte. Wir waren uns sicher, dass die Bundesregierung oder ihre Vertreter versuchten, die Situation zunächst einzuschätzen. Selbstverständlich hatten wir nach wie vor weder ein Mobilfunksignal noch Internet. Die installierten Störsender leisteten wirklich ganze Arbeit.

Doch meine schlaue Assistentin und beste Freundin Marta hatte nach wenigen Tagen eine brillante Idee gehabt. Sie schnappte sich eine Brieftaube und befestigte eine kleine Nachricht an dessen Bein. Der Zettel war so klein, dass er von Weitem kaum zu sehen war. Sie erklärte mir, dass sie außerhalb einen Studienfreund hätte, der sich ebenfalls mit Brieftauben auskannte. Er schien bemerkt zu haben, dass mit uns etwas nicht stimmte, und schickte die Taube zu uns in die Stadt. Auf diese Weise wollte sie unauffällig Kontakt zu ihm aufnehmen und wenigstens so herausfinden, was in Deutschland und dem Rest der Welt gerade los war und wie unsere Rolle dabei aussah. Es dauerte zwar eine ganze Woche, doch dann schaffte es die Taube tatsächlich zurück zu ihr und hatte überdies eine Botschaft von ihrem Freund dabei. Unser Jubel war gigantisch, auch wenn es keine besonders interessanten Neuigkeiten gab.

Die Außenwelt wusste nichts von uns. Die Bundesregierung hatte über die großen Medienhäuser verlauten lassen, die friedliche Räumung Gartas wäre ein voller Erfolg gewesen. Aufgrund weiterer Nachforschungen hätte man die Stadt noch nicht zerstört, sondern zunächst unter Militärschutz gestellt.

Das war, musste ich zugeben, eine clevere Strategie. Dadurch herrschte über unserem Gebiet zum einen Flugverbot und es würde auch keinen wundern, dass Militärpatrouillen um die Stadt herum fuhren und alles im Blick behielten. Es war quasi das perfekte Alibi.

Anfangs gab es zusätzlich kleine Motorboote, die auf unserem Küstenstreifen an der Nordsee Patrouillen fuhren und somit aufpassten, dass unser Seeweg ebenfalls unter Beobachtung stand. Diese wurden jedoch relativ schnell durch Bojen mit neuster Kamera- und Sensortechnik ausgetauscht. Deswegen konnten wir also weder Luft-, noch den Seeweg nutzen, um beispielsweise den Warenverkehr aufrecht zu erhalten oder Ähnliches.

Wir befanden uns in einer nahezu aussichtslosen Situation.

Die große Holztür des Büros öffnete sich und Marta trat ein. Sie hatte mittlerweile blonde, etwa schulterlanges Haar mit blauen Strähnchen. Heute trug sie wieder ein klassisches Business-Outfit und schien auch sonst erwachsener geworden zu sein. Jedenfalls sah sie nicht mehr aus wie die Marta Preit, die anfangs noch das Studium schmiss, um mit mir gemeinsam diesen verrückten Traum einer eigenen Stadt zu verwirklichen.

»Herr Barn, sind Sie soweit?«, fragte sie mit leichter Hektik in der Stimme.

Ich runzelte daraufhin irritiert die Stirn und lehnte mich auf meinem Bürostuhl ein wenig nach hinten.

»Bereit? Wofür?«

»Sie haben es tatsächlich vergessen, oder? Herr Barn! Das ist doch nicht Ihr Ernst!«, schimpfte sie lautstark. »Heute ist mit Abstand einer der wichtigsten Termine überhaupt und Sie haben es vergessen?!«

Ich konnte mich nicht länger beherrschen und ein verschmitztes Lächeln durchdrang meine gespielt ahnungslose Fassade. Als sie das sah, seufzte sie noch genervter und verdrehte mal wieder die Augen.

»Ach, Marta, als ob ich wirklich dieses Meeting vergessen würde«, sagte ich und erhob mich aus dem Stuhl.

Mit raschen Schritten ging ich zum großen Spiegel und betrachtete mich darin. Graue Augen, die krumme Nase, definitiv mehr Falten im Gesicht und auch schwerere Augenringe zierten meinen Anblick. Die Haarpracht war grau, aber meine Frisur war noch immer wie früher. Schlank geblieben war ich ebenfalls und mein lässiger Anzug stand mir. Marta hatte mich zu einer Kombination aus einem Sakko, einem neuen Polo-Shirt und einer Jeans überredet. Anfangs war ich skeptisch gewesen, doch mittlerweile gefiel mir dieser Stil wirklich sehr!

»Herr Barn, können wir endlich los?«, drängte sie.

»Ja, lass uns zur Krisensitzung gehen«, antwortete ich und wir beide verließen das Büro.

Der Flur, durch den wir auf dem Weg zur großen Halle gehen mussten, sah genauso schön aus wie das restliche Rathaus. Es gab große weiße Wände und durch die vielen Fenster gelangte eine Menge Tageslicht in die Räumlichkeiten. Die Frühlingssonne schenkte uns genügend Wärme, um sogar im T-Shirt draußen herumlaufen zu können.

Wenig später erreichten wir den Versammlungssaal, der hinter einer großen Holztür verborgen war. Wir beide traten ein. In der Mitte des großen Raumes stand ein Tisch mit ausreichend Plätzen für alle, die in Garta etwas zu sagen hatten. Hinter ihnen befand sich eine riesige Glaswand, die zum einen Licht, aber zum anderen entsprechend Wärme spendete. Auch hier waren die Wände weiß und die Decken hoch.

Die Leute, mit denen ich gleich das Meeting abhielt, waren allesamt in schlechter Stimmung. Das erkannte ich schon an ihren Gesichtern. Marta und ich nahmen Platz, doch bevor ich etwas sagte, ließ ich den Blick durch die Runde schweifen.

Als Erstes fiel mir Ferdinand Walke ins Auge. Er war für unser Finanzamt zuständig und ein missmutiger, mürrischer und kritischer Geselle. Er hatte sogar ein paar Falten mehr als ich, kurze, braune Haare und trug einen typischen Beamtenanzug. Direkt daneben saßen Gregor Garnitz und Marita Salona. Er hatte kurze Haare, einen großen Leberfleck auf der Stirn, war etwa Mitte fünfzig und trug nur widerwillig eine Krawatte. Sie hingegen hatte lange braune Haare, normalerweise ein Lächeln auf den Lippen, einen etwas dunkleren Teint, war deutlich jünger und mochte ihren Blazer und den Rock sichtlich gern. Sie beide waren die Vertreter der allgemeinen Stadtverwaltung und für mich unverzichtbar.

Weiter ging es mit Birgit Lack. Heute hatte sie ihre Haare zu einer strengen Hochsteckfrisur getürmt und blickte ganz besonders finster drein. Immerhin steckte sie in einem wirklich schönen Kleid, das ihren um die vierzig schmeichelte. Frau Lack war die Leiterin des städtischen Schulamtes. Daneben saß Wolfgang Dratz. Sein klobiges Gesicht, eine glänzende Glatze, der rundliche Körperbau, sein typischer Fleecepulli und der tiefenentspannte Ausdruck waren typisch für ihn. Er war Leiter des Büros zur Stadtplanung. Dann gab es nur noch zwei weitere Teilnehmer, ehe die Runde komplett war. Zum einen Peter Tratgemüller, den Verantwortlichen für das Straßenverkehrsamt, der auch etwa um die vierzig war und ein Bürokrat mit Leib und Seele und Bettina Wiedera. Sie war die Leiterin des Gesundheitsamtes, ebenfalls in Bluse und Blazer und dürfte etwa dreißig Jahre alt sein. Ich hatte schon immer Schwierigkeiten damit gehabt, mir das Alter von Personen zu merken. Jedoch vergaß ich nur äußerst selten einen Namen!

Marta erhob sich.

»Okay, meine werten Damen und Herren. Ich grüße euch alle zu diesem Krisenmeeting. Wie ich sehe, seid ihr alle genauso angespannt wie wir, weswegen ich mir die lange Rede oder das Verkünden der Tagesordnungspunkte sparen werde. Nahezu jeder von euch hat uns in den letzten Wochen Krisenberichte zukommen lassen, in denen geschildert wurde, wie schlecht es um die Stadt steht. Das alles waren noch händelbare Probleme, aber jetzt erreichte uns aus der Stadtverwaltung eine beunruhigende Nachricht.«

»Das war ja wieder klar!«, knurrte Herr Walke genervt dazwischen.

Marta ignorierte ihn allerdings und fuhr fort.

»Die Bauern aus der Stadt, die mit uns zusammen eingekesselt wurden, haben uns erklärt, dass ihre Vorräte langsam zur Neige gehen. Wir sind mittlerweile schon zu viele, um uns nur durch deren harter Arbeit ernähren zu können. Mit anderen Worten: Uns droht eine Nahrungsmittelknappheit. Die bisherige Versorgung durch Vorräte und ein effizienteres Anbauen wird nicht ausreichen. Wir brauchen dringend Alternativen. Hat jemand eine Idee?«

In der ganzen Runde herrschte eine Stille, wie man sie sonst nur auf Elternabenden vorfand, sobald der Klassenlehrer fragte, wer denn gern das Amt des Elternsprechers übernehmen würde.

Nach fast zwei Minuten des Schweigens schritt ich ein.

»Hat denn wirklich niemand von euch eine Idee? Leute, unseren Einwohnern droht eine Hungersnot!«

»Ja, aber was sollen wir denn sagen?«, entgegnete Frau Lack geknickt. »Nahrungsmittel können wir nur anbauen und nicht klonen. Wenn uns das nicht ausreicht, was sollen wir denn sonst tun?«

»Wir wurden schließlich eingekesselt«, schloss sich Gregor Garnitz an. »Unsere Fläche ist stark begrenzt und an einen Import ist gar nicht erst zu denken.«

»Eine begrenzte Fläche ...«, dachte ich laut und rieb mir das Kinn. »Welche Fläche ist für uns denn nicht begrenzt?«

»Wie meinen Sie das?« Verwundert starrten mich alle an.

»Nun ja, wenn wir nicht in die Breite gehen können, warum dann nicht nach oben oder unten? Was wäre, wenn wir die Nahrungsmittel vertikal anbauen und nicht horizontal?«

»Was? Herr Barn, entschuldigen Sie bitte den Ausdruck, aber haben Sie nun völlig den Verstand verloren?«, brachte Herr Tratgemüller mit einem entsetzten Gesichtsausdruck heraus.

»Nein, ich meine das ganz ernst«, meinte ich. »Ich las vor langer Zeit mal von einem Forschungsprojekt in Singapur, bei dem man einen Farming-Tower baute. Dort wuchs das Gemüse sozusagen von oben nach unten. Das bedeutet, oben gingen die Samen auf und unten kam dann quasi das ausgewachsene und erntebereite Gemüse heraus. Das Ganze funktionierte komplett automatisch!«

»Tja, das klingt ja sehr futuristisch, nur haben wir leider keinen Kontakt zur Außenwelt. Deswegen können wir Singapur schlecht fragen, wie sie das angestellt haben!«, entgegnete Herr Walke.

»Naja, das ist nicht ganz richtig«, sagte Marta und erzählte den anderen Ratsmitgliedern von ihrer Brieftaube.

Sie waren ganz Ohr und nachdem sie sich darüber geärgert hatten, dass wir sie nicht schon viel früher in Kenntnis gesetzt hatten, äußerte ich meine Idee.

»Marta, bitte frag doch deinen Freund, ob er an die Baupläne oder andere hilfreiche Informationen zu diesem Farming-Tower herankommen kann. Dann sollten wir versuchen so etwas nachzubauen. Unsere Landwirte müssten wir dann umschulen. Somit könnten wir wenigstens die Versorgung mit Nahrungsmitteln fürs erste sicherstellen. Sollte das klappen, wende dich mit den Plänen direkt an Chris Kabera. Er wird dann weiter wissen.«

Marta nickte und auch die restlichen Ratsmitglieder brachten keine Einwände hervor.

»Ich hoffe sehr, dass das funktioniert«, seufzte Herr Dratz schließlich. »Wenn nicht, sieht es sehr düster aus mit dieser Stadt.«

»Na gut, warten wir erst einmal ab«, sagte ich und kam zum Wesentlichen. »Der Hauptgrund unseres Treffens ist jedoch folgender: Was tun wir? Wie fahren wir mit Garta fort? Diese Schockstarre und Unsicherheit der letzten drei Monate muss endlich durchbrochen werden. Vorschläge? Ideen? Kommentare?«

»Herr Barn, sind Sie sich wirklich sicher, dass wir mit der Bundesregierung nicht doch noch eine friedliche Lösung finden können?«, erkundigte sich Frau Salona vorsichtig.

»Nein, seien Sie sich sicher. Sie haben den Vertreter am Tag des Aufstandes nicht erlebt. Eher radiert er uns allesamt von der Landkarte, als dass er uns die Stadt und unser Zuhause überlässt.«

Ihrem enttäuschten Seufzen nach zu urteilen schien es nicht die Antwort gewesen zu sein, auf die sie gehofft hatte.

»Was stellen Sie sich denn dann vor, was wir tun sollten? Etwa kämpfen? Eine Armee ausbilden? Gegen die deutsche Bundeswehr in den Krieg ziehen?«, fragte Herr Walke mit gereiztem Unterton.

»Ach, Ferdinand, jetzt red´ doch keinen Stuss. Die Regierung wäre schön blöd, uns anzugreifen, nachdem sie der Außenwelt verkündet hat, dass es uns offiziell gar nicht mehr gibt. Ein militärischer Angriff wäre viel zu auffällig«, brummte Herr Dratz.

»Und was glaubst du, werden sie gegen uns unternehmen?«

»Ich weiß es nicht, aber ganz sicher keinen militärischen Akt.«

»Herrschaften!«, versuchte Bettina Wiedera, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. »Die viel wichtigere Frage ist doch, was wir mit Garta machen und weniger, was die Bundesregierung mit uns macht. Ich vermute, dass sich diese nun in einer Zwickmühle befindet. Sie können uns nicht angreifen, das würde zu viel Aufmerksamkeit erregen. Uns einfach weiter existieren zu lassen, unter strenger Beobachtung, das scheint wohl aktuell die beste Lösung für sie zu sein. Sie kriegen uns nicht weg, können uns aber auch nicht selbst beseitigen. Demnach bleibt ihnen keine Wahl. Aus diesem Grund habe ich weniger Angst vor ihnen, als von unseren eigenen Bürgerinnen und Bürgern und den städtischen Problemen. Wir dürfen jetzt keinen Entwicklungsstopp aufkommen lassen! Wir müssen weiter an Garta arbeiten und den Menschen zeigen, dass wir uns nicht unterkriegen lassen und in der Lage sind, uns auch in solch einer schwierigen Situation weiterzuentwickeln.«

»Und wie genau stellst du dir das vor?«, platzte es aus Herrn Walke mit bissigem Ton heraus. »Wir haben keinerlei Möglichkeiten und keine Kontakte zur Außenwelt, von der Brieftaube mal abgesehen. Aber die kann auch nicht mehr als einen Zettel tragen!«

Anschließend entbrannte eine wilde Diskussion unter allen Beteiligten. Jeder beschuldigte den anderen und niemand war wirklich mit einer Idee oder einem Vorschlag zufrieden. Die Auseinandersetzungen wurden stetig heftiger und meine und Martas Versuche, für Ruhe zu sorgen, gingen in dem immer lauter werdenden Tumult einfach unter. Gerade als ich kurz davor war selbst auszurasten, sprang die Tür des Saals auf und jemand platzte mitten in unser Meeting.

Erschrocken drehten sich plötzlich alle Köpfe in diese Richtung und auch ich wollte sehen, wer die Frechheit besaß hier einfach so hereinzuplatzen. Auf uns zu kam ein großer, schlanker junger Mann mit brauner Lockenmähne und einem freundlichen Gesicht. Er trug eine klassische Jeans und ein weißes Shirt. Um den Hals hing eine Schlüsselkarte mit dem Logo der Firma Baustock darauf.

»Chris? Chris Kabera?«, fragte ich irritiert. »Was wollen Sie denn hier?«

Herr Kabera war der Gründer und Leiter der Baufirma Baustock, die alle Bauprojekte der Stadt betreute und damit entscheidend, zu deren Entwicklung beitrug. Nachdem wir abgeschottet waren und vorläufig alle Projekte auf Eis legten, stellte er die Mitarbeiter frei und schloss seine Firma ebenfalls vorübergehend. Seitdem hatte ich nichts mehr von ihm gehört – bis zum heutigen Tag.

»Ich habe großartige Neuigkeiten! Als man mir unten am Rathausempfang mitteilte, dass Sie alle hier gerade zu einem Ratsmeeting zusammensitzen, sah ich es als perfekte Gelegenheit Ihnen mitzuteilen, wie wir Garta retten können!«, verkündete er und strahlte.

»Garta retten?«, bemerkte Herr Walke zweifelnd. »Jungchen, Sie sind wie alt? Mitte Zwanzig? Es ist schon ein Wunder, dass Sie in Ihren jungen Jahren tatsächlich eine Baufirma führen können. Die Rettung der Stadt dürfte dann aber doch eine Nummer zu groß für Sie sein.«

Marta schaute mit einem verachtenden Blick zu Herrn Walke herüber und auch ich fand seine Aussage äußerst unnötig. Heute war einer dieser Tage, an denen ich ihn gerne rausschmeißen würde. Leider brauchten wir ihn. Ich hatte noch nie einen besseren Finanzchef gehabt.

»Verarschen Sie mich nur so viel Sie wollen, Herr Walke. Aber Tatsache ist, dass meine Firma einen Weg gefunden hat! Wissen Sie, seit dem Tag des Aufstandes geht es uns beschissen. Da Sie uns keine Aufträge mehr erteilen und es die Privatleute aufgrund der allgemeinen Lage ebenfalls nicht mehr tun, sind meine Wissenschaftler, Ingenieure und Mitarbeiter praktisch arbeitslos. Aber nach langer Überlegung und vielen Diskussionen haben wir nun eine Möglichkeit gefunden, wie wir Garta zum einen wieder mit der Außenwelt verbinden und zum anderen, für weiteres Wachstum sorgen können!«

Nicht nur ich hatte Schwierigkeiten damit, den eher skeptischen Blick zu verbergen. Kaum einer sah wirklich zuversichtlich aus. Das erkannte auch Chris. Er kam näher an unseren Tisch und stellte sich vor die Runde.

»Die Lösung ist ein Tunnel«, sagte er mit leiser Stimme.

Danach herrschte kurz Stille. Er schaute gespannt in die Gesichter der Ratsmitglieder und wir alle schwiegen. Bis schließlich Herr Walke es nicht mehr aushielt und laut loslachte.

»Ein Tunnel?«, grölte er. »Ist das Ihr Ernst? Wo sind wir hier? Das hier ist nicht die ehemalige DDR und wir wollen auch nicht nach Westdeutschland! Ich bitte Sie! Ein Tunnel? Sollen wir dadurch neue Einwohner einschleusen?«

Auch andere Amtschefs schienen seine Skepsis zu teilen, denn einige von ihnen nickten vorsichtig.

»Nein, Sie verstehen nicht: Wir haben ebenfalls lange diskutiert und überlegt, wie wir das am cleversten anstellen. Aufgrund von Sattelitenaufnahmen, die wir noch vor dem Tag des Aufstandes machen konnten, wissen wir, dass es zwischen der dänischen Küste und unserer eine noch nicht entdeckte, nicht kartografierte Insel gibt. Wir wollen einen Schnellzugtunnel zu genau diesem Ziel bauen. Damit können wir unbemerkt Waren und Menschen hinein und hinaustransportieren. Ein normales Schiffsunternehmen, das wir gründen könnten, würde vermeintliche Touristen auf eine Kreuzfahrt in der Nordsee mitnehmen, wobei sie tatsächlich zu uns reisen würden. Der Schnellzug wird funktionieren! Wir können ihn mit Brennstoffzellenantrieb betreiben. Die nötigen Technologien sind schon da und meine Mitarbeiter und ich haben bereits alle Baupläne dafür ausgearbeitet. Wir bräuchten nur noch das Startsignal!«

»Hmpf, Herr Kabera«, räusperte sich Herr Garnitz von der Stadtverwaltung. »Ich bin selbst ebenfalls ein großer Scifi-Fan, aber das geht mir dann doch etwas zu weit. Sie wollen wirklich einen Unterseetunnel von der Stadt bis zu einer unbekannten Insel bauen und damit an der deutschen Regierung vorbei Waren und Menschen schmuggeln?«

»Ja, ganz genau«, antwortete er mit einem begeisterten Leuchten in den Augen und heiterer Stimme.

»Ach, ich bitte Sie! Wir haben doch gar keinen Tunnelbohrer! Noch ehe wir tatsächlich unter der Nordsee bohren würden, wäre der Tunnel geflutet«, warf Frau Lack ein.

»Nein, das stimmt nicht ganz. Wir haben zwar keinen expliziten Tunnelbohrer, aber unsere Baudrohnen. Diese können wir leicht umprogrammieren und als Schwarm so arbeiten lassen, dass sie wie ein Tunnelbohrer fungieren. Das bedeutet, sobald ein Stück Fels abgetragen wurde, wird direkt der Betonmantel drum herum gelegt. So dürfte nichts einstürzen und die Bauzeit würde ebenfalls nur relativ wenig Zeit in Anspruch nehmen.«

Einen Augenblick lang herrschte erneut Stille. Wieder schwiegen alle, doch die Bedenken schwebten weiterhin im Raum.

»Herrschaften, bitte lassen wir es uns doch einmal durch den Kopf gehen«, schaltete ich mich schließlich ein. »Nehmen wir doch mal einen Moment an, dieser Tunnel funktioniert und wir hätten damit wirklich einen Weg nach draußen. Jeden Tag fliegt eine hubschraubergroße Drohne über die Stadt und fotografiert unsere Lage. Wenn wir nun plötzlich anfangen, wieder Häuser zu bauen und immer mehr Leute in der Innenstadt herumspazieren, wird die Bundesregierung schnell stutzig und andere Maßnahmen ergreifen. Die sind doch auch nicht so bescheuert.«

»Genau darauf habe ich gewartet, denn sogar dafür haben wir eine Lösung gefunden!«, verkündete Chris.

Marta runzelte die Stirn und fragte, wie diese lauten sollte.

»Unsere Informatiker und Physiker haben sich zusammengeschlossen und die Drohne in den letzten Wochen eingehens studiert. Sie sind der Meinung, sie unbemerkt hacken zu können. Damit läge es an uns, welche Bilder die Drohne zur Basis sendet und welche nicht. Auf diese Weise können wir gekonnt der Stadtentwicklung nachgehen, während unsere Beobachter denken, dass es hier noch aussieht wie heute.«

»Ach, bitte!«, blaffte Peter Tratgemüller abfällig und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich stimme Herrn Walke und Herrn Garnitz zu. Ein Tunnel unter dem Meer zu einer unbekannten Insel, um mit einem Schnellzug Menschen und Waren zu ex- und importieren. Das ist doch nicht Ihr Ernst! Das klingt wie ein furchtbar schlechter Hollywoodfilm!«

»Bitte, geben Sie mir doch eine Chance! Wir haben das berechnet! Ich weiß, dass es verrückt klingt, aber es ist Gartas einzige Chance. Oder haben Sie eine bessere Idee?«

Wieder wurde es ruhiger im Saal. Mir schwirrten die Gedanken durch den Kopf. Tatsächlich hatten wir keine andere Möglichkeit, als Chris´ Plan wenigstens zu versuchen. Schlimmer als Scheitern ging schließlich nicht.

»Gut, anscheinend hat hier niemand einen besseren Vorschlag«, warf Marta anschließend ein. Ihr Blick heftete sich auf Herrn Walke. »Ich bin dafür, den Plan der Firma Baustock wenigstens zu versuchen. Schlechter als jetzt kann es uns nicht ergehen. Und mit etwas Glück könnte das Ganze funktionieren. Dann würde unsere Stadt weiter wachsen und je größer und besser wir werden, desto schwerer wird man es haben, uns wieder von der Landkarte zu streichen.«

»Gut, stimmen wir ab!«, ergänzte ich und hob die Hand. »Jeder, der dafür ist, hebt bitte jetzt die Hand.«

Meine und Martas Hand waren die Ersten, die oben waren. Die von Herrn Tratgemüller, Herrn Walke und Herrn Garnitz blieben unten, genauso wie auch die von Frau Lack. Alle anderen stimmten dafür, wenn auch eher zögerlich.

»Gut, Herr Kabera! Bitte versuchen Sie sich an Ihrem Tunnelbauprojekt«, verkündete ich beim Blick in die Runde.

Sofort sprang er auf und klatschte freudig in die Hände.

»Ja! Klasse! Wir legen sofort los! Sie werden schon sehen: Mit Garta wird es schnurstracks wieder aufwärtsgehen!«

Kaum hatte er das gesagt, war er auch schon wieder auf den Weg hinaus. Dieser junge Mann hatte definitiv sehr viel Elan.

»Das wird scheitern«, seufzte Herrn Tratgemüller. »Wir sind erledigt.«

»Sie haben auch keinen besseren Lösungsvorschlag. Also hören Sie auf zu jammern und gehen lieber zurück an die Arbeit! Stellen Sie sich auf mehrere Neuzulassungen und einen Ausbau des Straßenverkehrsnetzes ein. Wenn Gartas Entwicklung bald wieder läuft, sollten sie alle vorbereitet sein!«, fauchte Marta geradezu bissig.

Herrn Tratgemüller wurde daraufhin kreidebleich im Gesicht und verzog keine Miene mehr. Mein Schmunzeln war wirklich schwer zu verbergen.

Nach dem Meeting trafen wir – Marta und ich – uns noch einmal in unserem Büro, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

»Herr Barn, glauben Sie wirklich, dass das funktionieren kann?«, fragte sie mich und wirkte auf einmal zweifelnd.

Ich dachte einen Augenblick nach und schaute anschließend aus dem Fenster, während ich ihr antwortete.

»Weißt du, diese Stadt ist mein Leben. Alle Einwohner verlassen sich hier auf uns. Wenn wir nichts unternehmen, unterschreiben wir praktisch das Todesurteil von Garta. Ich halte Kaberas Idee selbst für ziemlich abgedreht, aber wenn sie funktioniert, dann bitte. Ich meine, was ist hier schon normal? Wir wollen Nahrungsmittel im Hochhaus anbauen, wir fahren wirklich alle mit Elektroautos, nutzen nur erneuerbare Energien, verwerten unser Abwasser zu einhundert Prozent wieder, können Strom aus Kälte gewinnen, lassen die Häuser von Roboterdrohnen bauen und wer weiß, was in dieser wissenschaftlich-technischen Stadt noch so alles möglich ist!«

»Ja, na gut, da haben Sie Recht«, stimmte sie nachdenklich zu. »Und wie wollen wir es den Bürgerinnen und Bürgern erklären? Sollten wir es ihnen überhaupt sagen?«

»Ja, ich denke, das sollten wir. Viele unserer Einwohner haben die Hoffnung auf bessere Zeiten fast aufgegeben. Wenn wir jetzt Kaberas Plan veröffentlichen, sehen sie, dass wir kämpfen und uns nicht so einfach unterkriegen lassen. Schließlich haben sie sich alle am Tag des Aufstandes für uns entschieden. Da ist es unsere Pflicht, auch für sie einzutreten.«

»Gut, dann rufe ich Heinz Halte vom G-Blatt an und erzähle ihm von dem Plan. Er kann sicherlich in seiner Zeitung darüber berichten und damit die ganze Stadt davon in Kenntnis setzen. Aber sollte der Plan doch scheitern, wird die Enttäuschung und die Wut der Leute umso größer sein, oder?«

»Natürlich! Das Risiko müssen wir allerdings eingehen. Dieser Plan darf nicht scheitern.«

Marta nickte und griff zum Telefon. Ich setzte mich unterdessen an meinen Schreibtisch, durchsuchte alle Unterlagen und überlegte, wie wir weitermachen sollten. Welche nächsten Schritte waren in unserer Entwicklung nun entscheidend?

Kapitel 2

Unsere aufregende und hitzig geführte Krisensitzung war nun schon einige Wochen her und in der Stadt hatte sich seitdem einiges getan.

Nachdem wir Kaberas Idee eines geheimen Versorgungstunnels und die der Sicherstellung der Nahrungsmittelproduktion über das G-Blatt veröffentlicht hatten, änderte sich die Stimmung drastisch. Viele der Einwohner schöpften neue Hoffnung, bekamen bessere Laune und blickten allgemein positiver in die Zukunft. Es war wahrscheinlich schlicht ein psychologischer Effekt, der diese Stimmung auslöste. Durch unsere Pläne erhielten die Menschen das Sicherheitsgefühl zurück, das sie zum Leben brauchten.

Noch an dem Tag, an dem wir die Meldung veröffentlicht hatten, kamen hunderte Menschen ins Rathaus. Viele wollten sich freiwillig melden und beim Bau des Tunnels oder des Farming-Towers mithelfen, worüber wir uns natürlich über alle Maßen freuten! Wir vermittelten sie direkt weiter an Chris Kabera, der die Helferinnen und Helfer mit offenen Armen empfing.

Es gab allerdings auch kritische Stimmen, die in dem Tunnel eine Art Fluchtchance sahen. Einige kündigten bereits an, sie würden die Stadt verlassen, sobald dieser fertiggestellt worden wäre. Nun, uns freute das natürlich überhaupt nicht, aber wir konnten diese Bewohner nicht aufhalten und wollten es auch gar nicht. Es waren ohnehin nicht so viele, weshalb ich mir auch um die Einwohnerzahl Gartas keine Sorgen machte.

Ich saß, wie meistens, mit Marta im Taxi. Wir waren gerade auf dem Weg zum ersten Termin des Tages.

»Heute ist es soweit.«, murmelte ich, die vorbeirauschenden Gebäude beobachtend.

»Was ist soweit?«, fragte Marta etwas verwundert.

Sie ließ das Tablet sinken und sah mich mit gerunzelter Stirn an. Das wusste ich, weil ich ihr Spiegelbild in der Autoscheibe sehen konnte.

»Heute ist der Tag von Gartas Wiedergeburt.«

»Herr Barn, ist das nicht etwas sehr melodramatisch? Ich meine, wir haben heute unseren ersten richtigen Arbeitstag, wie vor dem Tag des Aufstandes. Aber dann von einer Wiedergeburt der Stadt zu sprechen ...«

»Findest du etwa nicht? Wir tricksen die Bundesregierung aus, bauen einen geheimen Versorgungstunnel, wachsen insgeheim weiter und sorgen für unser Wohlergehen. Wenn ich sagen würde, dass wir uns wie die ersten Siedler eines neuen Planeten verhalten, die sich von dem Heimatplaneten absetzen wollen, wäre ich melodramatisch!«

Mit einem Lächeln auf den Lippen drehte ich mich zu Marta um, der ich mit meinen Worten ebenfalls ein Schmunzeln abgerungen hatte.

»Sag mal, wie genau sieht denn unser Tagesplan aus?«

Sie wandte sich wieder ihrem Tablet zu und wischte wie verrückt auf dem Touchscreen herum. Wenn ich mir vorstellte, ich müsste das auch machen, würde ich durchdrehen. Außerdem bräuchte ich viel zu lang, um zu lernen, mit dem Ding vernünftig umzugehen. Eigentlich verrückt: Ich leitete eine Stadt mit Drohnen, Robotern und überhaupt mit der allerneusten Technologie, war aber zu faul den richtigen Umgang mit einem Tablet zu lernen.

»Also ...«, sagte Marta nach wenigen Sekunden. »Heute Vormittag haben wir einen Termin beim neuen BGN-Tower, also unserem Farming-Tower, den wir uns anschauen wollten. Er ist zwar schon seit einigen Tagen in Betrieb und soll wunderbare Ergebnisse liefern, aber Sie wollten sich ja unbedingt persönlich ein Bild von dem gigantischen vertikalen Gewächshaus machen.«

»He, das klingt wie ein Vorwurf!«, protestierte ich und sah Marta prüfend an.

»Ach, nein, nein! Alles gut. Ich ..., ähm ..., bin schon ganz gespannt darauf!«

Ich wusste, dass sie log, aber das war mir egal. Sie hatte bloß keine Lust das Rathaus zu verlassen, wo ihr Schnuckelchen auf sie wartete.

»Gut und der Rest des Tages? Wie sieht der aus?«

»Also mittags machen wir eine kleine Pause und am Nachmittag schauen wir uns den Versorgungstunnel an. Herr Kabera schrieb mir, dass er kurz vor der Vollendung stünde.«

»Oh! Das ist ja aufregend! Ich bin wirklich gespannt. Vor allem darauf, wie Herr Walke schauen wird, wenn diese völlig bekloppte Tunnelidee tatsächlich funktioniert!«

Wieder mussten wir beide belustigt grinsen. Heute war wirklich ein toller Tag! So wohl in meiner Rolle als Bürgermeister hatte ich mich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gefühlt!

»Marta, was kannst du mir über den Turm erzählen?«

»Also, Baustock konnte diesen hundert Meter hohen Farming-Tower relativ schnell hochziehen. Sie sagten, die innere Technik hätte etwas Arbeit gemacht, aber das bekamen sie dennoch schnell erledigt. Dort wird Gemüse auf mehreren Etagen vollständig automatisch angebaut. Im Prinzip ist der ganze Turm wie eine riesige Maschine. Man steckt Samen hinein und am Ende kommen ausgereifte Früchte oder Gemüse heraus.«

»Wow! Beeindruckend! Aber wieso heißt das Ding BGN-Tower und nicht einfach nur Farming-Tower?«

»BGN steht für die Namen der drei Bauern, die ihn betreiben. Es sind diejenigen, die Garta vorher noch mit Vorräten versorgt haben. Sie haben sich zusammengeschlossen und sichern nun gemeinsam die Lebensmittelversorgung der Stadt.«

»Ach so, verstehe ... Aber eine Sorge plagt mich noch. Wenn das Gebäude an die hundert Meter hoch sein soll, wird es dann von der Kontrolldrohne der Bundesregierung nicht gefilmt?«

»Oh! Das hatte ich ganz vergessen, Ihnen mitzuteilen«, fiel es Marta ein. »Ich habe schon vor zwei Tage eine Mail von Baustock erhalten, in der sie uns mitgeteilt haben, dass sie die Drohne etwa vor drei Wochen erfolgreich hacken konnten. Uns wurde das angeblich so spät eröffnet, weil sie erst sichergehen wollten, dass sie es auch eindeutig geschafft hatten. Jedenfalls kontrollieren die Informatiker der Firma nun die Drohne und bestimmen damit, was die Bundesregierung zu Gesicht bekommt und was nicht.«

»Was?! Wahnsinn!«, rief ich und klatschte begeistert in die Hände. »Dann stehen wir nicht mehr unter Beobachtung?«

»Nein.«

»Marta, wie konntest du vergessen mir das zu sagen? Das sind wunderbare Neuigkeiten! Das müssen wir ebenfalls so schnell wie möglich den Einwohnern mitteilen! Hast du eine Ahnung davon, wie erleichtert sie sein werden? Zusätzlich können wir damit das Vertrauen in uns weiter stärken! Denn somit haben wir nun definitiv wieder die volle Kontrolle über das Stadtgeschehen.«

»Ja, ich werde dem G-Blatt gleich eine entsprechende Mail schreiben, nur keine Panik«, murmelte Marta und machte sich sofort eine Notiz in einer ihrer Apps.

»Aber sag mal, wird man den hohen Turm, der schließlich das höchste Gebäude der Stadt ist, nicht von Weitem sehen?«

»Diese Bedenken hatte ich ebenfalls gegenüber Baustock geäußert«, antwortete Marta wie aus der Pistole geschossen. »Sie versicherten mir, dass das nicht der Fall sein würde. Die Drohne steht unter Kontrolle und bis zu fünf Kilometer um unsere Grenzabsperrungen des Stadtgebietes herum soll sich niemand aufhalten. Die Hügellandschaft dort verhindert, dass der Turm entdeckt wird.«

»Moment«, hakte ich ein. »Was meinst du mit bis fünf Kilometer hinter unserer Grenze? Wir wurden doch eingekesselt mit Stacheldrahtzaun. Soll das bedeuten, dass hinter diesem Zaun nichts ist?«

»Naja, laut den Informatikern von Baustock sollen die Drohenaufnahmen genau das zeigen.«

»Aber wieso reißen wir dann nicht diese unrechtmäßigen Zäune ein und holen uns unser Land zurück?«

»Herr Barn, das wäre eine schlechte Idee. Man denkt doch, dass wir klein und abgekapselt sind und warten bis etwas passiert. Gerade deswegen sollten wir uns ganz unauffällig verhalten, denn so lange erregen wir keine Aufmerksamkeit. Reißen wir nun die Zäune ein, sehen sie, dass wir stärker als je zuvor sind. Dann laufen wir Gefahr, tatsächlich militärische Handlungen auszulösen, und das wollen wir schließlich auf gar keinen Fall!«

»Ja, gut, das stimmt auch wieder«, gab ich etwas kleinlaut zu.

»Eben! Außerdem haben wir keine Idee, wie man auf uns reagieren wird. Von einem Krieg, bis hin zu einer friedlichen Einigung ist schließlich alles möglich.«

Ich seufzte, betrübt darüber, dass sie Recht hatte. Ich hätte mich sehr gern auf die Zukunft vorbereitet, wusste allerdings nicht, wie diese aussah.

Die restliche Fahrt unterhielten wir uns über alte Projekte, die wir noch vor dem Tag des Aufstandes hatten verwirklichen wollen. Wir verabredeten entweder noch heute Abend oder am nächsten Tag einen Gesprächstermin, an dem wir über diese berieten und hoffentlich erneut aufleben lassen konnten. Natürlich nur, sofern der Tunnel funktionierte und die Stadt an der Welt teilhaben konnte. Keine zehn Minuten später erreichten wir endlich den BGN-Tower, der sich am Stadtrand befand. Von außen war das Konstrukt gigantisch. Im Prinzip war es ein riesiges, quaderförmiges Gebäude mit verdunkelten Fensterscheiben, wobei ich den Sinn dabei nicht verstand. Sollte ein Gewächshaus nicht Sonnenlicht hereinlassen und es nicht aussperren?

Marta und ich stiegen aus dem Taxi. Nachdem ich den Fahrer bezahlt hatte, warf ich einen Blick Richtung Haupteingang des Turms, wo sich die Türen geöffnet hatten und ein Herr mittleren Alters heraustrat.

Er hatte kurzes braunes Haar, schien etwas kleiner als ich zu sein und ging mehr in die Breite. Sein Bauch wurde nur von der Latzhose kaschiert und ich musste zugeben, dass ihm das grün-karierte Hemd gut stand. Er war einem sogleich sympathisch.

»Herr Barn, Frau Preit!«, meinte er.

Wir grüßten, als er weiter auf uns zu lief.

»Ich begrüße Sie beide ganz herzlich im BGN-Tower. Mein Name ist Gunther Borlitz. Ich bin einer der Betreiber des Turms. Hauptsächlich bin ich für das Gemüse zuständig, weshalb ich Ihnen diesen Produktionsweg zeigen werde. Mit den Früchten und anderen Anbauprodukten ist es natürlich genauso!«

»Ach, Sie bauen noch mehr an?«, fragte ich überrascht. »Und wie sieht es mit der Zucht aus? Ich meine, Tiere werden Sie ja wohl kaum in diesem Tower züchten, oder?«

»Oh, nein!«, beruhigte mich Herr Borlitz direkt. »Wir pflanzen hier nur Feldfrüchte und Baumfrüchte an und haben eine kleine Aquafarm, in der wir Fische züchten. Die normale Tierzucht ist weiterhin am Stadtrand, ganz klassisch in den Scheunen. Aber da wir nun mehr Ackerland in Weideland umwandeln können, ist es uns natürlich möglich, mehr Fleisch zu produzieren, sodass wirklich jeder vom Tower profitiert.«

»Interessant.«

Anschließend betraten wir den Turm und stiegen gemeinsam den Fahrstuhl. Herr Borlitz erzählte noch allerhand Interessantes über den Bau des Turms und besonders über die technischen Herausforderungen, die dieses vollautomatische System mit sich brachte.

Nach wenigen Sekunden waren wir im obersten Stockwerk angekommen. Dort verließen wir den Fahrstuhl und fanden uns im scheinbar einzigen Raum wieder, in dem es Sonnenlicht gab. Die Decke bestand hier aus normalem Glas.

»Sagen Sie, wieso ist der ganze Turm abgedunkelt, nur dieser Bereich nicht?«, fragte ich neugierig.

»Oh, das hat einen ganz einfachen Grund. Die dunkle Fassade besteht aus Solarpaneelen, die das darauf fallende Sonnenlicht in elektrische Energie umwandeln und diese nutzen wir, um die LEDs anzutreiben. Rote und Blaue LEDs sind effizienter und steigern das Pflanzenwachstum mehr als gewöhnliches Sonnenlicht. Hier oben befindet sich die erste Station, die erste Ebene, auf der die Samen verarbeitet werden. Hier ist das spezielle Licht noch nicht von Nöten.«

»Ah, ich verstehe.«

Schließlich gingen wir weiter und Herr Borlitz lotste uns durch eine Tür. Vor uns befanden sich riesige Regale voller Kästen. Zwischen diesen Regalreihen fuhr ein Roboter hin und her und schien sie zu bestücken.

»Das ist die Samenstation«, erklärte Herr Borlitz. »In diesen Regalen befinden sich die Pflanzkästen. Diese wandern quasi durch den ganzen Tower. Hier oben kommen fruchtbare Samen herein, unten kommt als Endprodukt dann das fertige Gemüse heraus. Im Moment werden hier Kohlköpfe angebaut, aber da wir das Klima im Tower steuern können, ist es uns möglich, jahreszeitunabhängig zu arbeiten. Bei den Pflanzkästen setzen wir auf die Aeroponik-Technik. Dabei werden die freiliegenden Wurzeln der Pflänzchen mittels Ultraschallzerstäubers mit einer Lösung aus Wasser und den benötigten Mineralien, sowie Biodünger versorgt. So können wir bis zu 95 Prozent Wasser einsparen, im Vergleich zur herkömmlichen Bewässerungsmethode auf den Feldern, wobei das meiste Wasser im Boden versickert. Wir verbrauchen dadurch sogar weniger als Hydrokulturen. Die Wurzeln verbringen jedoch die ganze Zeit in einer Lösung. Die Pflanzen nehmen tatsächlich das komplette Wasser auf, das wir ihnen geben..«

»Und das funktioniert?«, fragte Marta skeptisch.

»Oh ja! Sehr gut sogar«, entgegnete Herr Borlitz. »Unsere Pflanzen sind dabei in ein wiederverwendbares, aus alten Plastikflaschen recyceltes, Kunststofftuch gesetzt. Auch Bakterien, die den Pflanzen möglicherweise schaden könnten, haben damit keine Chance mehr. Zusätzlich sind in diesen Plastiktüchern noch diverse Sensoren eingewebt. Damit erheben wir rund um die Uhr Daten über die Pflänzchen und können damit alles ständig im Optimum halten. Somit wachsen sie auch schneller.«

»Und wie lange dauert es, bis ein fertiger Kohlkopf auf solch einem Plastiktuch zu finden ist?«, erkundigte ich mich interessiert.

»Es vergehen lediglich Zwölf bis Sechszehn Tage und schon ist der Kohlkopf erntebereit. Das ist um ein Vielfaches schneller als bei den herkömmlichen Anbaumethoden.«

»Moment«, hakte Marta nach. »Hier werde ich skeptisch! Ein Kohlkopf braucht normalerweise länger zum Wachsen. Arbeiten Sie mit gentechnisch veränderten Samen?«

»Nein, das tun wir nicht«, versicherte Herr Borlitz. »Durch die optimalen Bedingungen und das ständige Belichten ist die Pflanze in der Lage, rund um die Uhr Fotosynthese zu betreiben. Dadurch wachsen sie viel schneller und unsere spezielle Lichtmischung hilft ihnen dabei enorm. Das ist das Geheimnis.«

»Ah okay. Und wie viel kostet das? Ich meine, diese ganze Technik und die stetige Überwachung wird doch ungeheure Kosten nach sich ziehen, oder? Wird unser Gemüse in Garta dadurch teurer?«

Marta schien doch recht kritisch gegenüber dem Farming-Tower und dem Indoor-Farming zu sein. Ich weniger. Meine Begeisterung konnte man mir ganz offensichtlich ansehen. Martas Nachfragen nahm Herr Borlitz erstaunlich gelassen entgegen.

»Ganz im Gegenteil. Durch den gezielten Verbrauch von Wasser, Nährstoffen und Energie verschwenden wir fast überhaupt nichts mehr und es ist dadurch sogar etwas preiswerter als eine konventionelle Anbaumethode. Des Weiteren können wir im Tower das ganze Jahr über konstante Ernten erreichen und müssen keine Lebensmittelwaren mehr importieren. Das senkt die Transportkosten, weswegen das Gemüse auf etwas längere Sicht betrachtet, sogar günstiger werden dürfte. Darüber hinaus profitieren wir vom Platz sparenden Anbau und dem komplett abfallfreien Arbeiten. Die Überreste die hier anfallen, wie etwa Pflanzenreste, werden direkt als Biodünger wiederverwertet.«

»Oho!«, rief ich begeistert. »Bedeutet das, dass sie sogar mit dem Gedanken spielen exoterischere Früchte anzubauen, wie etwa Vanille oder Kakao?«

»Ja, tatsächlich gibt es solche Überlegungen bereits, aber dafür müsste ein zweiter Tower her und den bauen wir nur, wenn sich dieser hier richtig rentiert hat.«

Als wir die Samenstation verließen, fuhren wir einige Stockwerke tiefer. Wir traten erneut aus dem Fahrstuhl und ich brauchte einen Moment, um mich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Hier war es schon deutlich dunkler.

»Wir befinden uns in den Reifeetagen«, erklärte Herr Borlitz und führte uns zu einigen Fenstern in der Wand. »Hier sehen Sie die Kästen, die mit dem benötigten Licht bestrahlt werden. Meist ist es eine Mischung aus blauem und rotem Licht, da die Pflanzen diese Wellenlängen am besten nutzen können.«

Es sah ein bisschen so aus, als würden die Pflanzen hier schlafen. Es war für unsere Augen ziemlich dunkel und vor allem ruhig. Die Regale erschienen wie abgestellt und die Pflanzen wuchsen ganz auf sich allein gestellt.

Nach dieser relativ unspektakulären Etage fuhren wir bis fast ganz runter ins Erdgeschoss. Auf den Etagen dazwischen wären immer wieder nur neue Reifeetagen. Jeden Tag würden die Pflanzen quasi eine Etage tiefer wandern in den Regalen, bis sie schließlich auf der letzten ankamen, der Ernteetage. Genau dort stiegen wir aus und schauten einem Roboter, der von der Decke hing, bei seiner Arbeit zu.

»Der Roboter fährt völlig automatisch durch die Regalreihen und erntet dabei das ausgereifte Gemüse. Gleichzeitig reinigt er die Pflanzkästen und entfernt überschüssiges Blattwerk, welches direkt zur Kompostierungsabteilung im Keller gelangt. Das geerntete Obst oder Gemüse wandert über ein Rohrsystem ebenfalls in den Keller, wo es verladen und anschließend abtransportiert wird.«

Es sah wirklich beeindruckend aus, wie sich der Roboter Regal für Regal und dabei Pflänzchen für Pflänzchen einzeln vornahm. Bei den Kohlköpfen wurde zunächst der Kohl entfernt und verschwand im Arm des Roboters, danach beseitigte er das übrige Blattwerk, welches in einer Röhre am anderen Ende des Raumes verschwand. Zu guter Letzt spülte er den Pflanzenkasten ordentlich aus und kümmerte sich um das restliche Regal. Kaum war auch das vollständig gereinigt, fuhr das komplette Regal selbstständig zu einem Aufzug und gelangte damit wahrscheinlich wieder hinauf in die Samenetage, damit der Kreislauf von vorn beginnen konnte.

»Und was passiert, wenn sie hier mal einen Kohl haben, der es noch nicht geschafft hat vollständig auszureifen? Wird dieser dann aussortiert?«, fragte ich.

»Nein, keineswegs. Durch unsere Überwachung können wir dafür sorgen, dass nur ausgereifte Früchte die Ernteetage erreichen. Jene, die noch länger benötigen, verweilen entsprechend länger in den Reifeetagen.«

»Und wie funktioniert die Bestäubung der Pflanzen?«, erkundigte sich Marta.

»Das übernehmen ganz klassisch die Bienen. Diese sind über die ganzen Reifeetagen verstreut. Unser Tower hat daher auch eine eigene kleine Imkerei, weswegen wir auf vielerlei Arten voneinander profitieren.«

»Herr Borlitz, Sie erwähnten anfangs noch eine Fischzucht – die haben wir noch gar nicht bestaunen können«, merkte ich vorsichtig an.

»Oh, das liegt daran, dass sich diese im Keller befindet. Das Wasser, mit dem die Pflanzen im gesamten Tower versorgt werden, stammt aus diesem Fischbecken. Durch die Abfälle der Fische, wie etwa deren Kot, wird das Wasser zusätzlich gedüngt. Natürlich werden entsprechende Zusätze erst im Nachhinein zum Pflanzenwasser gegeben, um die Fische nicht zu schädigen.«

Nachdem wir schlussendlich den kompletten Turm besichtigt hatten, verließen wir ihn gemeinsam. Vor dem Eingang wandte sich Herr Borlitz noch einmal an uns.

»Ich hoffe, Sie beide haben die kleine Führung genossen und sind sich nun sicher, dass die Lebensmittelversorgung Gartas noch nie zuverlässiger war.«

»Ja, dem kann ich zustimmen. Ich finde Ihren Tower klasse. Sollte er tatsächlich so ertragreich und rentabel sein und die Stadt so gut versorgen können, wie Sie sagen, denke ich, dass wir sogar einen zweiten Turm mit subventionieren könnten«, antwortete ich lächelnd.

»Oh, das wäre wirklich fantastisch!«, rief Herr Borlitz mit begeistertem Strahlen in den Augen.

Auch Marta erklärte anschließend, dass sie das Konzept durchaus interessant fände und genauso gespannt wie ich darauf wäre, was dieser Turm so alles leisten könnte. Anschließend verabschiedeten wir uns von Herrn Borlitz und machten uns zu Fuß auf den Weg zurück.

Wir beide hatten allmählich Hunger bekommen und suchten nun nach einem Ort, an dem wir eine schöne Mittagspause machen konnten.

»Herr Barn, hier entlang. Ich kenne ein Restaurant ganz in der Nähe, das Ihnen gut gefallen dürfte!« Marta lief mir fast davon, so sehr zog es sie in Richtung Essen.

Ich konnte glücklicherweise schnell aufholen und keine fünf Minuten später standen wir vor einer kleinen Eingangstür. Von außen machte die eher triste, mit roten Ziegelsteinen versehene Fassade, wirklich nicht viel her. Auch die Fenster wirkten eher so, als hätte man sie schon Ewigkeiten nicht mehr geputzt. Als wir eintraten, kündigte ein Glöckchen unseren Besuch an.

Von innen machte das Etablissement einen ganz anderen Eindruck, was mich überraschte. Von der Decke hingen allerlei Lichterketten. Von weißen, bis gelben, über bunt leuchtende Lichter waren alle vertreten. Im großen Gästebereich standen überall einfache kleine Holztische mit ebenso simplen Stühlen verteilt. Die Wände waren mit beigefarbenen Natursteinen geschmückt und hier da entdeckte ich die ein oder andere Landschaftsmalerei. Gerade als ich es geschafft hatte, die Atmosphäre des Raums zu erfassen, kam eine ältere Dame mit weiß-grauem Haar und einer roten Schürze um die Hüfte auf uns zu.

»Ein Tisch für Zwei?«, fragte sie in freundlichem Ton.

Marta nickte bestätigend und sie führte uns zu einem Platz direkt am Fenster.

»Und? Was denken Sie? Ich weiß, von außen sieht es nicht ganz so schön aus, aber hier drinnen macht es doch ziemlich was her, oder?« Marta hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Vermutlich rechnete sie bereits mit meiner Enttäuschung.

»Ja, ich muss sagen, ich bin schon ganz gespannt, wie es schmecken wird«, antwortete ich und griff zur Speisekarte des Nachbartisches, da Marta bereits die unseres Platzes in Händen hielt.

Auch das Angebot der Karte sprach deutlich für den unscheinbaren Laden. Es gab hier wirklich alles, was ein gutes Restaurant brauchte. Von Alkohol, über Kaffeespezialitäten, bis hin zur selbst gemachter Limonade in Sachen Getränke oder aber von leckeren hausgemachten Waffeln, zum herzhaften Mittagessen, bis hin zur internationalen Küche, mit Sushi und Hamburger. Es war wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.